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RaumordnungNorm
AVGBetreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden, Senatspräsidenten Dr. Borotha, und die Hofräte Dr. Naderer, Dr. Lehne, Dr. Striebl und Dr. Rath als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Morscher, über die Beschwerde des AS und des JS in M gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 30. November 1962, Zl. Verf-622/4/1962, betreffend die Versagung einer Grundteilungsgenehmigung nach dem Wohnsiedlungsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Am 8. April 1961 suchten die Beschwerdeführer um die gemäß § 4 Abs. 1 des Gesetzes über die Aufschließung von Wohnsiedlungsgebieten, Gesetzblatt für das Land Österreich Nr. 526/1939 (WSG), erforderliche Bewilligung der im Teilungsplan des Ingenieur-Konsulenten für Vermessungswesen Dipl.-Ing. HP vom 7. März desselben Jahres, GZ. 15/61, dargestellten Teilung des Grundstückes Nr. 914, inneliegend in der Einlage Z. 5 des Grundbuches der Katastralgemeinde X, der Grundstücke 925, 937 und 940, inneliegend in der Einlage Z. 4 desselben Grundbuches und der Grundstücke Nr. 941-942, beide inneliegend in der Einlage Z. 6 dieses Grundbuches, an. Ergebnis dieser Teilung sollten nach dem Teilungsplan die fünf annähernd gleich großen, nach Gestalt und Größe zur Verbauung geeigneten Grundstücke Nr. rot 925/2, 941 (neu), 940 (neu), rot 942/3 und rot 942/2 sein, die in einem Abstand von etwa 120 m vom Ufer des Y-Sees parallel zu diesem aneinander gereiht gelegen sind. Nach Durchführung eines umfangreichen Ermittlungsverfahrens, das unter dem Gesichtspunkt der Tatbestände geführt wurde, die gemäß § 6 Z. 2 und 3 WSG die Versagung der Genehmigung zur Folge haben, erging am 24. Mai 1962 ein Bescheid der Politischen Expositur Feldkirchen, mit welchem die beantragte Genehmigung unter Berufung auf die §§ 3 Abs. 2, 4 Abs. 3 und 6 Z. 2 und 3 WSG in Verbindung mit § 20 des Kärntner Landesplanungsgesetzes versagt wurde. Die Behörde ging davon aus, daß die Teilung der Schaffung und dem Abverkauf von Bauplätzen dienen solle, die neu geschaffenen Grundstücke aber für die Besiedlung ungeeignet im Sinne des § 3 Abs. 2 WSG seien. Den Versagungsgrund der Z. 3 des § 6 WSG (erhebliches öffentliches Interesse) erblickte die Behörde in dem Bedürfnis nach Erhaltung der natürlichen Seenlandschaft und deren Schutz vor weiterer Verbauung.
Die Beschwerdeführer erhoben gegen diesen Bescheid Berufung. Sie bestritten nicht, daß eine Verbauung der Grundstücke beabsichtigt sei, bekämpften aber die Annahme der mangelnden Eignung für die Besiedlung. Sie stellten ferner in Abrede daß die Erhaltung einer natürlichen Uferlandschaft im öffentlichen Interesse geboten sei und verwiesen in diesem Zusammenhang auf die schon weit fortgeschrittene Verbauung der Seeufer.
Auch das Amt der Kärntner Landesregierung führte aus Anlaß dieser Berufung zunächst ein Ermittlungsverfahren durch, dessen Gegenstand die Frage war, ob die neu zu schaffenden Grundstücke, insbesondere hinsichtlich der Entwässerungsmöglichkeiten, für eine Verbauung geeignet seien und ob deren Verbauung ein erhebliches öffentliches Interesse entgegenstehe. Eine Schilderung des hiezu ergänzend aufgenommenen Beweises und der durch die Beschwerdeführer zu dem Beweisergebnis abgegebenen Gegenäußerung kann unterbleiben, da der nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtene Bescheid des Amtes der Kärntner Landesregierung nicht auf der Grundlage dieser Ermittlungen ergangen ist. Mit diesem Bescheid wurde nämlich der Berufung der Beschwerdeführer insoweit Folge gegeben, als der Bescheid der Vorinstanz gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 dahingehend abgeändert wurde, daß die Versagung der Teilungsgenehmigung nicht auf § 6 Z. 2 und 3 WSG, sondern auf Z. 1 derselben Gesetzesstelle gegründet wurde. Im übrigen wurde der Berufung der Beschwerdeführer keine Folge gegeben. In der Begründung dieses Bescheides wurde ausgeführt, jener Teil des Gebietes der Gemeinde S, innerhalb dessen die zu teilenden Grundstücke lägen, sei mit dem namens der Landesregierung erlassenen Bescheid vom 25. Juni 1953 zum Wohnsiedlungsgebiet erklärt worden. Die in solchen Gebieten zufolge der §§ 1 Abs. 2 und 4 Abs. 1 WSG erforderliche Teilungsgenehmigung sei gemäß § 6 Abs. 1 desselben Gesetzes zu versagen, wenn anzunehmen sei, daß Grundstücke oder Grundstücksteile bebaut werden sollen oder (richtig: und) wenn die Bebauung dem Wirtschaftsplan widersprechen würde. Mit Verordnung vom 28. September 1962 habe der Gemeinderat der Gemeinde S einen Flächenwidmungsplan erlassen, der nach Verlautbarung in der Kärntner Landeszeitung vom 16. November 1962 am 17. November desselben Jahres wirksam geworden sei. Gemäß § 20 Abs. 2 des Kärntner Landesplanungsgesetzes gelte dieser Flächenwidmungsplan auch als Wirtschaftsplan. Die in Rede stehenden Grundstücke seien in diesem Plan als "Grünland-Erholung" ausgewiesen. Ihren Schluß, die durch die Teilung neu geschaffenen Grundstücke sollten nach der Absicht ihrer Erwerber bebaut werden, gründete die belangten Behörde auf den Umstand, daß zwei der Käufer schon um Baubewilligung angesucht hatten. Den Widerspruch zum Wirtschaftsplan erblickte die belangte Behörde in dem sich aus der Widmung "Grünland-Erholung" ergebenden Bauverbot. Bei dieser Rechtslage habe, so wurde abschließend gesagt, die Genehmigung auf Grund des § 6 Z. 1 WSG versagt werden müssen, ohne daß es eines Eingehens auf jene Argumente der Berufungswerber bedurft hätte, die sich auf die - nun nicht mehr in Betracht kommenden - Tatbestände der Z. 2 und 3 des angeführten Paragraphen bezögen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde erwogen:
In den Mittelpunkt ihrer dem Nachweis der inhaltlichen Rechtswidrigkeit gewidmeten Ausführungen stellen die Beschwerdeführer die Behauptung, die belangte Behörde sei durch ihre Entscheidung über die ihr als Berufungsbehörde (nur) zukommende reformatorische Funktion hinausgegangen, sie habe die "Rolle einer ersten Instanz" übernommen, obwohl es nur ihre Aufgabe gewesen sei, die "Richtigkeit und Rechtmäßigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung zu überprüfen". Da, so wird dieser Gedanke weiter ausgeführt, bei Erlassung des mit Berufung bekämpften Bescheides der Wirtschaftsplan noch nicht wirksam gewesen sei, hätte sich diese Überprüfung darauf zu beschränken gehabt, ob die von der ersten Instanz herangezogenen Versagungsgründe der Z. 2 und 3 vorlagen oder nicht.
Zu dem in diesem Vorbringen enthaltenen Vorwurf der Überschreitung der funktionellen Zuständigkeit durch die belangte Behörde ist zu sagen, daß die diese Zuständigkeit regelnde Norm des § 66 Abs. 4 AVG 1950 entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer eine ausreichende Grundlage dafür bietet, daß die Berufungsbehörde den von der Behörde erster Rechtsstufe ihrem Bescheid zugrunde gelegten Sachverhalt anders als diese beurteilt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. März 1951, Slg. N.F. Nr. 1983/A). In den Rahmen dieser Befugnis der Berufungsbehörde fällt auch die Auswechslung jener rechtlichen Erwägungen, aus denen heraus über einen Antrag auf Erteilung einer Genehmigung in einem bestimmten Sinn abgesprochen wird. Gehört doch auch dies dem gedanklichen Vorgang der Subsumtion des als erwiesen angenommenen Sachverhaltes bzw. des daraus gewonnenen rechtlich relevanten Tatbestandes unter die maßgebliche Norm an. Daß die belangte Behörde aber darüber hinaus auch nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet war, den während des Laufes des Berufungsverfahrens in Kraft getretenen Wirtschaftsplan zu berücksichtigen, ergibt sich aus der nach übereinstimmender Rechtsprechung beider Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. September 1951, Slg. N. F. Nr. 2239/A, sowie die dort angeführte Judikatur) die Berufungsbehörde treffenden Verpflichtung, bei der Erledigung von Berufungen gegen rechtsgestaltende Verwaltungsakte (die Erteilung oder Verweigerung einer Genehmigung ist ein solcher Verwaltungsakt) ihren Bescheiden die am Tage der Erledigung bestehende Rechtslage zugrunde zu legen. Die belangte Behörde durfte daher, ohne gegen materielle oder formelle Rechtsvorschriften zu verstoßen, auch davon absehen, sich mit den von den Beschwerdeführern im Zusammenhang mit den in Z. 2 und 3 umschriebenen Versagungsgründen ins Treffen geführten Argumenten auseinanderzusetzen, sodaß auch die Rüge, der Berufungsantrag der Beschwerdeführer sei nicht erledigt worden, nicht mit Recht erhoben worden ist.
Wenn sich die Beschwerdeführer des weiteren dadurch als beschwert erachten, daß die Erstinstanz "von Klagenfurt ihre Weisungen erhielt, darauf weisungsgemäß entschied und damit bereits einen Bescheid erlassen hat, wie ihn schon die zweite Instanz beabsichtigte", so ist ihnen entgegenzuhalten, daß das Recht vorgesetzter Organe, im vorliegenden Falle also der belangten Behörde, den ihnen untergeordneten Organen Weisungen zu erteilen, in Art. 20 Abs. 1 B-VG verankert ist und daher in der Handhabung dieses Rechtes kein rechtswidriges Verhalten gelegen sein kann.
Unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften rügen die Beschwerdeführer, daß die belangte Behörde, obwohl sie ihre Entscheidung auf die weder im erstinstanzlichen Verfahren noch auch im Rahmen des Berufungsverfahrens jemals relevierte Rechtsgrundlage des § 6 Z. 1 WSG gegründet habe, den Beschwerdeführern keine Gelegenheit gab, zu diesem "neuen, vorher nie erwähnten Versagungsgrund" Stellung zu nehmen. Diesem Vorbringen kann grundsätzlich eine Berechtigung nicht abgesprochen werden. Wenngleich nämlich die belangte Behörde von jenem (unveränderten) Sachverhalt ausging, der schon im bisherigen Verfahren ausreichend geklärt worden war und Gegenstand des Parteiengehörs nur der durch die Behörde als erwiesen angenommene Sachverhalt, nicht aber dessen rechtliche Beurteilung sein kann (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 6. November 1950, Slg. 1737/A, und vom 23. Februar 1951, Slg N. F. Nr. 1957/A), ist in ihrer Vorgangsweise dennoch insofern ein Verfahrensmangel durch die Verletzung des Rechtes der Beschwerdeführer auf das rechtliche Gehör gelegen, als bis zum Zeitpunkt des Erfließens der Verordnung des Gemeinderates vom 28. September 1962 eine Entscheidung über den Genehmigungsantrag der Beschwerdeführer auf der Grundlage der Z. 1 mangels eines Wirtschaftsplanes überhaupt nicht in Betracht kam, das Ermittlungsverfahren demgemäß ausschließlich unter den Gesichtspunkten einer Entscheidung auf Grund der Z. 2 und 3. geführt wurde und die Beschwerdeführer bei dieser Sachlage darauf vertrauen durften, ihrer Pflicht zur Mitwirkung an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes ausreichend nachgekommen zu sein. Durch die mit dem Wirksamwerden des Wirtschaftsplanes eingetretene Änderung der Rechtslage waren Sachverhaltselemente in den Vordergrund getreten und hatten erhöhte rechtliche Bedeutung erlangt, von denen die belangte Behörde nicht ohne weiteres und von vornherein annehmen durfte, daß die Beschwerdeführer nichts zu ihrer Klärung beizutragen vermocht hatten (vgl. hiezu das von ähnlichen Gedanken getragene hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 1950, Slg. N.F. Nr. 1719/A). Indessen führt zufolge der Bestimmung des § 42 Abs. 2 lit. c Z. 3 VwGG 1952 nicht jede Verletzung von Verfahrensvorschriften schlechthin zur Aufhebung des in Beschwerde gezogenen Bescheides. Voraussetzung hiefür ist vielmehr, daß die belangte Behörde bei Einhaltung der außer acht gelassenen Verfahrensvorschriften zu einem anderen Bescheid hätte kommen sollen. Die Beschwerdeführer haben sich darauf beschränkt, die Verletzung ihres Rechtes auf Parteiengehör zu rügen und haben in keiner Weise dargetan, was sie, wären sie gehört worden, hätten vorbringen können. Sie haben ferner in der Beschwerde sowohl die Absicht einer Verbauung der Vertragsgrundstücke als auch Bestehen und Inhalt des Wirtschaftsplanes sowie insbesondere die Lage der Grundstücke innerhalb des vom Wirtschaftsplan erfaßten, als Grünland gewidmeten Gebietes unbestritten gelassen. Der der belangten Behörde unterlaufene Verfahrensmangel ist daher nicht als erheblich anzusehen, da sich auch bei dessen Vermeidung zu keinem anderen Bescheid hätte kommen können.
Die sonach in jeder Richtung unbegründete Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1952 abzuweisen.
Wien, am 13. April 1964
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und BeweiseParteiengehör Rechtliche BeurteilungParteiengehör Rechtliche WürdigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1964:1963000061.X00Im RIS seit
13.12.2019Zuletzt aktualisiert am
13.12.2019