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Parkgebühren - WienNorm
ParkometerG Wr 1974 §1 Abs3Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Hnatek und Dr. Kramer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Füszl, über die Beschwerde des Dr. EW, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 11. November 1983, Zl. MDR - W 20 und 21/83/Str., betreffend Bestrafungen nach dem Wiener Parkometergesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Der Beschwerdeführer verantwortete sich dem Vorwurf gegenüber, am 22. Oktober 1982 um 8.20 Uhr und am 23. Oktober 1982 um 8.05 Uhr, jeweils ein näher bezeichnetes mehrspuriges Kraftfahrzeug in derselben gebührenpflichtigen Kurzparkzone in Wien abgestellt zu haben, ohne daß die Parkometerabgabe durch einen ordnungsgemäß entwerteten Parkschein entrichtet gewesen sei und solcherart die Parkometerabgabe fahrlässig verkürzt zu haben, wie folgt:
Er sei jeweils auf der Fahrt von seinem Wohnhaus in P zu seinem Anwaltsbüro in Wien im letzten Teil der Strecke von Magen- und Darmgrimmen mit dringendem Stuhldrang befallen worden und hätte sich und möglicherweise andere Verkehrsteilnehmer in Gefahr gebracht, hätte er nicht so rasch wie möglich die Toilette in seinem Büro aufgesucht. Es wäre ihm die Weiterfahrt auch nur für ein paar zusätzliche Minuten plus Wegzeit vom Parkplatz oder die Besorgung eines Parkscheines biologisch unmöglich bzw. unzumutbar gewesen. Der Beschwerdeführer habe deshalb auch keinen seiner Dauerparkplätze in der Tiefgarage mehr aufsuchen können. Es habe sich herausgestellt, daß auch die Gattin des Beschwerdeführers und sein im gemeinsamen Haushalt lebender Sohn von den gleichen Magen- und Darmbeschwerden befallen worden seien. Da sich derartiges in P bereits öfter ereignet habe und dort gemeiniglich bekannt sei, daß die Trinkwasserqualität zu wünschen übrig lasse, habe der Beschwerdeführer bereits geraume Zeit vorher entsprechende Veranlassungen getroffen. Zum Beweis dieser Veranlassungen legte der Beschwerdeführer der Behörde sein Schreiben vom 10. August 1982 an einen Sachverständigen um Untersuchung der Trinkwasserqualität und das Antwortschreiben vom 13. Oktober 1982 vor.
2. Mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer im Instanzenzug schuldig erkannt, in den beiden erwähnten Fällen durch die geschilderte Tat jeweils eine Verwaltungsübertretung nach § 1 Abs. 3 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 des Parkometergesetzes LGBl. für Wien 1974/47 begangen zu haben, und über ihn nach der zuletzt genannten Gesetzesstelle jeweils eine Geldstrafe verhängt; auch die Ersatzarreststrafen wurden festgesetzt.
Die belangte Behörde hielt der Verantwortung des Beschwerdeführers folgendes entgegen:
"Wie der Berufungswerber selbst ausführte, tritt das Phänomen der Darmbeschwerden mit dringendem Stuhldrang im Raume P wiederholt auf. So hat der Berufungswerber selbst bereits am 10. August 1982 - also vor den beiden gegenständlichen Tatzeitpunkten - ein Schreiben an Hofrat DDr. P wegen der schlechten Qualität des Trinkwassers gerichtet. Da das oben geschilderte ‚Phänomen' fortlaufend auftrat, mußte sich der Berufungswerber schon vor Fahrtantritt darauf einstellen und z. B. Parkscheine mitführen, um allenfalls auch in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone halten zu können. Die physische und psychische Konzentration, die das richtige Ausfüllen eines Parkscheines erfordert, ist so gering, daß dies auch beim Auftreten des geschilderten Darmgrimmens zumutbar ist. Eine Kalkulation mit Sekunden ist im Großstadtverkehr nicht möglich. Durch Ampelregelungen und Verkehrsgegebenheiten können Verzögerungen eintreten, die ausreichend berücksichtigt werden müssen. Wenn der Berufungswerber im letzten Teil der Strecke von Darmbeschwerden befallen wurde und er nicht sicher sein konnte, noch rechtzeitig einen Parkplatz außerhalb der Kurzparkzone - etwa einen der gemieteten Dauerstellplätze zu erreichen - bzw. auch nur einen Parkschein auszufüllen, hätte er eben schon früher die Fahrt abbrechen müssen.
Eine weitere Beweisaufnahme konnte unterbleiben, da weder das Auftreten des ‚Phänomens' noch die angegebene Entfernung von den Dauerstellplätzen zur M-Straße 5 bzw. 7 und der damit verbundene Zeitaufwand in Zweifel gezogen wurden."
3.1. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diesen Bescheid in seinem Recht verletzt, unter Zugrundelegung des von der belangten Behörde festgestellten Sachverhaltes der genannten Verwaltungsübertretung nicht schuldig erkannt und nach der zitierten Gesetzesstelle nicht bestraft zu werden. Er behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit und beantragt deshalb, den angefochtenen Bescheid aufzuheben.
3.2. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Zur Begründung der behaupteten Rechtswidrigkeit bringt der Beschwerdeführer vor, der von ihm als Verantwortung der Behörde vorgetragene Sachverhalt hätte nur die einzig richtige rechtliche Würdigung zugelassen, daß seine Tat trotz ihrer Tatbildmäßigkeit nicht strafbar sei, weil sie durch Notstand entschuldigt sei. Da der Beschwerdeführer üblicherweise seinen Garagenplatz benütze, sei er im Zeitpunkt des Abstellens des Fahrzeuges nicht verpflichtet gewesen, über einen griffbereiten Parkschein zu verfügen. Der Auffassung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer hätte sich in Kenntnis der Auswirkungen der schlechten Qualität des Trinkwassers im Raume P schon vor Fahrtantritt auf das beschriebene "Phänomen" beispielsweise durch Mitführen von Parkscheinen einstellen müssen, stünde der unbestrittene Sachverhalt entgegen, daß der Beschwerdeführer am 22. Oktober 1982 erst während der Fahrt von dem Stuhldrang überfallen worden sei und sich dieser bei Antritt der Fahrt am 23. Oktober 1982 bereits beruhigt gehabt habe. Durch die allgemeine Kenntnis der Auswirkungen der schlechten Wasserqualität könne die von der belangten Behörde konstruierte Sorgfaltspflicht der Mitführung von Parkscheinen ebensowenig begründet werden wie durch den dem Beschwerdeführer bekannten Umstand, daß auch andere Mitglieder seiner Familie unter einem ähnlichen Stuhldrang zu leiden gehabt haben. Aber auch wenn der Beschwerdeführer über einen griffbereiten Parkschein verfügt hätte, wäre ihm das Ausfüllen nicht zumutbar gewesen, da jede weitere Verzögerung in keinem vertretbaren und zumutbaren Verhältnis zu dem ihm drohenden Verlust der Beherrschung seines Stuhldranges gestanden wäre.
1.2. Diesem Vorbringen hält die belangte Behörde entgegen, daß der Beschwerdeführer, nachdem das geschilderte Phänomen wiederholt aufgetreten gewesen sei, sich schon vor Fahrtantritt darauf hätte einstellen und beispielsweise Parkscheine hätte mitführen müssen, um allenfalls auch in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone halten zu können. Wenn der Beschwerdeführer im letzten Teil der Strecke von Darmbeschwerden befallen worden sei und er nicht habe sicher sein können, noch rechtzeitig einen Parkplatz außerhalb der Kurzparkzone zu erreichen, hätte er früher die Fahrt unterbrechen müssen. Zum Wesen des Notstandes gehöre es, daß die Gefahr zumutbarerweise nicht in anderer Art als durch die Begehung der objektiv strafbaren Handlung zu beheben sei. An dieser Voraussetzung habe es nach dem Gesagten gefehlt.
2. Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens sind sich somit - und zwar zu Recht - darin einig, daß ein unvorhersehbar auftretender dringender Stuhldrang für den Lenker eines Kraftfahrzeuges eine Situation darstellt, die ihn dazu zwingen kann, sein Fahrzeug unverzüglich und ungeachtet einer bestehenden Verpflichtung zur vorherigen Entrichtung der Parkometerabgabe abzustellen, um eine Toilette aufsuchen zu können. Der Beurteilung dieses Verhaltens als Verwaltungsübertretung der fahrlässigen Abgabenverkürzung stünde der Mangel der Zumutbarkeit rechtmäßigen Verhaltens (normatives Schuldelement) entgegen. Es fehlte also an der Schuld.
Strittig ist lediglich, ob den Beschwerdeführer an der Abgabenverkürzung ein Verschulden deshalb trifft, weil er die Zwangslage voraussehen konnte, ja mußte und ihm Maßnahmen zur Verhinderung des Eintrittes der Notsituation möglich und zumutbar waren. Hat sich der Täter nämlich der Gefahr ohne einen von der Rechtsordnung anerkannten Grund ausgesetzt, so entschuldigt ihn die Zwangslage nicht.
Zutreffend weist in diesem Zusammenhang die belangte Behörde darauf hin, daß der Beschwerdeführer selbst im Verwaltungsstrafverfahren vorgebracht hat, daß die Trinkwasserqualität in seinem Wohnort zu wünschen übrig ließ und sich "derartiges" - nämlich das Auftreten von Magen- und Darmbeschwerden beim Beschwerdeführer und seinen Familienangehörigen - schon öfter ereignet gehabt habe. Aus dieser Tatsache durfte die belangte Behörde den Schluß ziehen, daß der Beschwerdeführer - der offensichtlich das von ihm als gefährlich erkannte Wasser nicht gemieden hatte - auch am 22. Oktober 1982 und nach den Erfahrungen dieses Tages umso mehr am 23. Oktober 1982 mit dem Auftreten entsprechender Beschwerden rechnen mußte, die ihn zum unverzüglichen Abstellen seines Pkw während der Fahrt zwingen konnten. Der Beschwerdeführer hat sich daher schon dadurch, daß er sich angesichts der aus der ihm bekannten schlechten Wasserqualität drohenden körperlichen Beeinträchtigungen darauf eingelassen hatte, selbst ein Kraftfahrzeug zu lenken, in die gefährliche Situation begeben, die schließlich dazu führte, daß er unter Verkürzung der Parkometerabgabe sein Fahrzeug in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone abstellen mußte. Umstände, die es unmöglich oder unzumutbar erscheinen ließen, daß der Beschwerdeführer vom Lenken des Kraftfahrzeuges in Anbetracht der durch die sanitären Unzulänglichkeiten des Trinkwassers gegebenen Möglichkeit der erwähnten körperlichen Beeinträchtigung Abstand nahm, wurden vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Die Benützung eines Massenbeförderungsmittels oder eines Taxis wären dem Beschwerdeführer zumutbar gewesen.
Da sich der Beschwerdeführer auf die voraussehbare Gefahrensituation ohne einen von der Rechtsordnung anerkannten Grund eingelassen hatte, konnte er sich nicht mit Erfolg auf Notstand berufen.
Die belangte Behörde ist daher im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, daß dem Beschwerdeführer die Abgabenverkürzung vorzuwerfen ist; folglich wurde der Beschwerdeführer dadurch, daß die belangte Behörde - ohne sich auf einen in gesetzmäßiger Weise gewonnenen Sachverhalt stützen zu können - davon ausging, der Beschwerdeführer hätte für den Fall des von ihm geforderten Mitführens von Parkscheinen noch über ausreichende Zeit verfügt, die Abgabe durch ordnungsgemäße Entwertung eines solchen zu entrichten, in seinen Rechten nicht verletzt.
3. Die Beschwerde mußte somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abgewiesen werden.
Diese Entscheidung konnte in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG 1965 zusammengesetzten Senat getroffen werden.
Die Entscheidung über Aufwandersatz gründet sich auf § 47 Abs. 1 und Abs. 2 lit. b und die §§ 48, 49 VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221.
Wien, am 25. Mai 1984
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1984:1984170029.X00Im RIS seit
13.12.2019Zuletzt aktualisiert am
13.12.2019