TE Vwgh Erkenntnis 1980/1/18 2056/77

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Veröffentlicht am 18.01.1980
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Index

Verwaltungsverfahren - VStG

Norm

VStG §44a lita
VStG §44a Z1
VwGG §42 Abs2 lita
VwGG §42 Abs2 Z1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leibrecht und die Hofräte Mag. Onder, Dr. Närr, Dr. Degischer und Dr. Pokorny als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Mag. Gaismayer, über die Beschwerde des LS in W, vertreten durch Dr. Heinrich Gussenbauer, Rechtsanwalt in Wien IV, Schleifmühlgasse 2, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 21. Juli 1977, Zl. MA 70- IX/S 100/77/Str., betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwalt Dr. Heinrich Gussenbauer, und des Vertreters der belangten Behörde, Magistratsrat Dr. JS, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 6.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer wurde am 24. November 1976 von einem Polizeiwachebeamten der Bundespolizeidirektion Wien angezeigt, am 23. November 1976 um 23.15 Uhr in Wien 2, Rustenschacherallee nach dem Lenken eines Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand den Alkotest verweigert zu haben. Die Anhaltung des Beschwerdeführers sei auf Grund einer am 23. November 1976 um 20.00 Uhr durchgegebenen Fahndung der Funkstelle ID erfolgt, wonach der Lenker des dem Kennzeichen nach bestimmten Kombikraftwagens in Wien 3, Baumgasse Nr. 57, einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht und anschließend Fahrerflucht begangen habe. Zum Zeitpunkt der Anhaltung sei der Beschwerdeführer in seinem Kraftfahrzeug gesessen. Dieses habe am linken vorderen Kotschützer starke Beschädigungen aufgewiesen. Außerdem sei die Windschutzscheibe eingeschlagen gewesen. Der Beschwerdeführer habe folgende Symptome einer Alkoholisierung gezeigt: "starker Alkoholgeruch aus dem Mund, überaus stark gerötete Augenbindehäute und lallende Aussprache." Er habe zugegeben, in Wien 3 einen Verkehrsunfall verursacht zu haben und deswegen weitergefahren zu sein, weil er alkoholisiert gewesen sei und man ihm schon mehrmals den Führerschein abgenommen habe. Den Alkotest habe er mit der Begründung verweigert, "ich brauche keinen Alkotest, da ich weiß, daß ich zu viel getrunken habe". Auf die Folgen dieser Verweigerung sei der Beschwerdeführer aufmerksam gemacht worden.

In einer Stellungnahme vom 14. Jänner 1977 gab der Beschwerdeführer zu, vom Meldungsleger und einem weiteren Sicherheitswachebeamten, PW EE, am 23. November 1976 um 23.15 Uhr in stark alkoholisiertem Zustand angehalten worden zu sein, als er gerade zu seinem in der Rustenschacherallee abgestellten Kraftfahrzeug zurückkehrte. Er habe den beiden Beamten erklärt, daß er sich seiner Alkoholisierung durchaus bewußt sei und daß ein Alkotest völlig überflüssig sei. Die Beamten hätten dies eingesehen und von einem Alkotest Abstand genommen. Abgesehen davon aber, daß im Hinblick auf die offenkundige Alkoholisierung ein Alkotest entbehrlich gewesen sei, habe es auch an den gesetzlichen Voraussetzungen für einen solchen Test gefehlt. Nach der Darstellung des Meldungslegers sei er (der Beschwerdeführer) zum Zeitpunkt seiner Anhaltung in seinem Wagen gesessen. Dies sei nicht ganz richtig, weil er von den Beamten, die offenbar in der Nähe seines abgestellten Kraftfahrzeuges auf seine Rückkehr gewartet hätten, sofort, als er zu seinem Fahrzeug hinzutrat, angehalten worden sei. Jedenfalls habe er das Kraftfahrzeug weder in Betrieb genommen noch einen Versuch dazu gemacht. Dies sei aber gesetzliche Voraussetzung für die im § 5 Abs. 2 StVO geregelte Berechtigung der Straßenaufsichtsorgane zur Vornahme eines Alkotestes. Auch der Umstand, daß er fünf Stunden vor der Anhaltung, nämlich etwa um 18.15 Uhr, mit seinem Kraftfahrzeug in einen Verkehrsunfall verwickelt gewesen sei, rechtfertige mangels eines zeitlichen Zusammenhanges nicht die Vornahme eines Alkotestes. Schließlich bestritt der Beschwerdeführer in der zitierten Stellungnahme entschieden, sich zum Unfallszeitpunkt in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden zu haben. Vielmehr habe er erst, nachdem er sein Kraftfahrzeug in der Rustenschacherallee abgestellt hatte, in einem Lokal im Volksprater, der sogenannten "M-bar", seiner Erinnerung nach "mindestens sechs Viertel Liter Wein konsumiert".

Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 26. Jänner 1977 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO 1960 begangen zu haben, daß er am 23. November 1976 gegen 18.50 Uhr in Wien 2, Rustenschacherallee, und Wien 3, Baumgasse, den dem polizeilichen Kennzeichen nach bestimmten Personenkraftwagen-Kombi gelenkt und sich geweigert habe, sich einem Alkotest zu unterziehen, obwohl der begründete Verdacht bestanden habe, daß er den Personenkraftwagen-Kombi in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe. Gemäß § 99 Abs. 1 lit. b StVO wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in Höhe von S 20.000,-- (Ersatzarreststrafe 28 Tage) verhängt. In der Begründung des Straferkenntnisses wurde unter Bezugnahme auf die Stellungnahme des Beschwerdeführers insbesondere darauf hingewiesen, daß es völlig ausgeschlossen sei, daß ein Sicherheitswachebeamter zuerst einen Personenkraftwagen-Lenker, der eines Unfalles mit Fahrerflucht verdächtig sei, zum Alkotest auffordere, dann die Aufforderung zurückziehe und schließlich eine Anzeige wegen Verweigerung des Alkotestes erstatte.

Der Beschwerdeführer erhob gegen das Straferkenntnis Berufung und führte im wesentlichen aus wie in seiner Stellungnahme vom 14. Jänner 1977.

Mit Bericht vom 15. April 1977 wiederholte der Meldungsleger im wesentlichen seine, in der Anzeige gemachten Aussagen und fügte ergänzend hinzu, der Beschwerdeführer habe bei der Beanstandung nicht gesagt, daß er nach dem Verkehrsunfall in der "M-bar" Wein getrunken habe.

In einer Stellungnahme vom 18. Mai 1977 wies der Beschwerdeführer darauf hin, daß der Umstand, daß er zum Zeitpunkt seiner Anhaltung nicht in seinem Wagen gesessen sei, noch von vier weiteren Sicherheitswachebeamten, die zugegen gewesen seien, bezeugt werden könne.

Mit Bericht vom 2. Juni 1977 gab PW EE an, der Beschwerdeführer habe bei seiner Anhaltung zugegeben, den Verkehrsunfall in der Baumgasse in alkoholisiertem Zustand verursacht zu haben, anschließend in die Rustenschacherallee gefahren und bis zu seiner Anhaltung in den Praterauen spazieren gegangen zu sein. Weiters gehe aus der in der Anzeige festgehaltenen Aussage des Beschwerdeführers eindeutig hervor, "daß dieser zum Zeitpunkt des Verkehrsunfalles stark alkoholisiert war und nicht zum Zeitpunkt der Anhaltung". Ob der Beschwerdeführer bei seiner Anhaltung im Kraftfahrzeug gesessen sei, könne er (PW EE) "nicht mehr mit Sicherheit angeben".

In einer weiteren Stellungnahme vom 26. Juni 1977 bestritt der Beschwerdeführer, daß er über Befragen des Meldungslegers seinerzeit erklärt hätte, bis zu seiner Anhaltung in den Praterauen spazieren gegangen zu sein. Statt an einem unwirtlichen Novemberabend rund vier Stunden im Prater spazieren zu gehen, liege es für ihn viel näher, diese Zeit in einem Gasthaus zu verbringen und dort Alkohol zu konsumieren. Hätte er jedoch tatsächlich anstelle seines Alkoholkonsums diesen vierstündigen Spaziergang unternommen, dann wäre der Alkoholgeruch seiner Atemluft wohl kaum mehr so stark gewesen, wie in der Anzeige festgestellt. Weiters sei darauf hinzuweisen, daß sich PW EE in seinem Bericht vom 2. Juni 1977 nicht mehr mit Sicherheit daran erinnern könne, ob er (der Beschwerdeführer) bei der Anhaltung in seinem Kraftfahrzeug gesessen sei. Dieser Umstand wäre aber wohl leichter im Gedächtnis zu behalten gewesen als die angebliche Äußerung des Beschwerdeführers über seine Alkoholisierung zum Unfallszeitpunkt.

Die Wiener Landesregierung bestätigte das Straferkenntnis vollinhaltlich und führte in der Begründung u.a. aus, der Hinweis des Beschwerdeführers, daß sich der Verkehrsunfall fünf Stunden vorher zugetragen habe, sei nicht geeignet, das Verlangen des Meldungslegers nach Vornahme des Alkotestes als nicht gerechtfertigt erscheinen zu lassen, zumal der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 12. November 1970, Zl. 205/70, ausdrücklich festgehalten habe, daß der Alkotest auch fünf Stunden nach einem Verkehrsunfall noch ein brauchbares Ergebnis bringen könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt in seiner Beschwerde vor, daß der Spruch des angefochtenen Bescheides schon deswegen unrichtig sei, weil die ihm angelastete Verweigerung des Alkotestes nicht "gegen

18.50 Uhr", sondern erst nach seiner Anhaltung in der Rustenschacherallee um 23.15 Uhr erfolgt sei. Mit dieser Rüge ist der Beschwerdeführer im Recht. Es mag zwar zutreffen, daß der Beschwerdeführer den Verkehrsunfall um 18.50 Uhr verschuldet hat (er selbst allerdings gibt als diesbezüglichen Zeitpunkt 18.15 Uhr an); keinesfalls aber hat der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt das ihm im Spruch zur Last gelegte Delikt, nämlich die Verweigerung des Alkotestes begangen. Vielmehr ist auf Grund der Aktenlage unbestritten, daß die an den Beschwerdeführer gerichtete Aufforderung, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, erst nach seiner Anhaltung um 23.15 Uhr erfolgte.

Gemäß § 44 a lit. a VStG 1950 hat der Spruch eines Straferkenntnisses die als erwiesen angenommene Tat zu bezeichnen. Wesentlich bei der Bezeichnung der Tat ist grundsätzlich auch die Angabe der Zeit und des Ortes der Begehung. Da der angefochtene Bescheid bezüglich des Zeitpunktes der Begehung der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Tat eine unrichtige Feststellung enthält, verstößt er gegen die Vorschrift des § 44 a lit. a VStG 1950.

Im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 9. Oktober 1979, Zl. 1601/77, und in anderen nachfolgenden Erkenntnissen hat der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung vertreten, daß ein Verstoß gegen die Vorschrift des § 44 a lit. b VStG 1950 (Bezeichnung der Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist) einen Bescheid, mit dem eine Verwaltungsstrafe verhängt wird, mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Gleiches gilt für einen Verstoß gegen die Vorschrift des § 44 a lit. a VStG 1950. Der angefochtene Bescheid war daher allein schon aus diesem Grunde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben.

Bei dieser Sach- und Rechtslage erübrigt es sich, auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 lit. a und b VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 31. Oktober 1977, BGBl. Nr. 542. Das Mehrbegehren des Beschwerdeführers war abzuweisen, weil ein Zuspruch von Umsatzsteuer über den für den Verhandlungsaufwand in der zitierten Verordnung vorgesehenen Pauschbetrag von S 3.750,-- hinaus nicht vorgesehen ist und der Stempelgebührenersatz auch dann nur S 70,-- pro Beschwerdeausfertigung beträgt, wenn die Beschwerde aus mehreren Bogen besteht. (Vgl. den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Oktober 1977, Zl. 1214/77, worauf unter Erinnerung an Art. 14 Abs. 4 und 7 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen wird.) Wien, am 18. Jänner 1980

Schlagworte

"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatzeit Mängel bei Beschreibung falsche Angaben"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatzeit Mängel bei Beschreibung ungenaue Angabe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1980:1977002056.X00

Im RIS seit

12.12.2019

Zuletzt aktualisiert am

12.12.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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