TE Vwgh Beschluss 2019/10/30 Ra 2019/14/0462

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Veröffentlicht am 30.10.2019
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §19 Abs1
AVG §45 Abs2

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, in der Revisionssache des A B in C, geboren am 13. Jänner 1979, vertreten durch Dr. Manfred Fuchsbichler, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Traunaustraße 23/8/5, gegen das am 8. April 2019 mündlich verkündete und am 13. Mai 2019 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, Zl. L518 2181556-1/41E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein georgischer Staatsangehöriger, stellte am 29. März 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Als Fluchtgrund gab er an, er sei wegen seiner politischen Betätigung für die Oppositionspartei X nach einer Auseinandersetzung mit einem mächtigen politischen Gegner Übergriffen und einer Verfolgung durch die gegnerische Partei Y ausgesetzt gewesen.

2 Mit Bescheid vom 29. November 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Georgien zulässig sei. Unter einem erkannte die Behörde einer Beschwerde gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung ab und erließ gegen den Revisionswerber ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot.

3 Das Bundesverwaltungsgericht wies die vom Revisionswerber dagegen erhobene Beschwerde mit Erkenntnis vom 15. Februar 2018 - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung - mit der Maßgabe ab, dass das Einreiseverbot auf ein Jahr herabgesetzt werde. Unter einem sprach es aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4 Mit Beschluss vom 11. Juni 2018, E 982/2018-8, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis an ihn gerichteten Beschwerde ab und trat diese über nachträglichen Antrag des Revisionswerbers mit Beschluss vom 26. Juni 2018, E 982/2018-11, an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

5 Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. November 2018, Ra 2018/18/0450, wurde das Erkenntnis aufgehoben, weil das Bundesverwaltungsgericht die Verhandlungspflicht verletzt hatte.

6 Das Bundesverwaltungsgericht wies mit dem nach Durchführung einer Verhandlung am 8. April 2019 mündlich verkündeten und am 13. Mai 2019 schriftlich ausgefertigten Erkenntnis die Beschwerde des Revisionswerbers im zweiten Rechtsgang mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass das gegen ihn erlassene Einreiseverbot behoben werde. Unter einem sprach es aus, dass die Revision an dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

7 Begründend schenkte das Bundesverwaltungsgericht zwar dem Vorbringen des Revisionswerbers in Bezug auf seine politische Betätigung für die Oppositionspartei X Glauben. Es könne aber nicht festgestellt werden, dass der Revisionswerber den behaupteten Gefährdungen ausgesetzt gewesen sei oder nach einer allfälligen Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit solche Gefährdungen zu befürchten habe. Darüber hinaus wäre es ihm möglich und zumutbar, sich im Falle der behaupteten Übergriffe an die Sicherheitsbehörden des Herkunftsstaates zu wenden, welche willens und fähig seien, ihm Schutz zu gewähren. Georgien sei ein sicherer Herkunftsstaat im Sinn des § 19 BFA-VG. Unter Beachtung von Feststellungen zu den persönlichen bzw. familiären Verhältnissen des Revisionswerbers erachtete das Bundesverwaltungsgericht die Erlassung einer Rückkehrentscheidung als zulässig.

8 Der Revisionswerber erhob zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 26. Juni 2019, E 2361/2019-6, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie über nachträglichen Antrag des Revisionswerbers mit Beschluss vom 19. Juli 2019, E 2361/2019-9, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. In der Folge wurde die gegenständliche Revision eingebracht.

9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vor, das Bundesverwaltungsgericht gehe unzutreffend von der Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit des georgischen Staates aus. Aufgrund der Berichtslage sei von einer Verfolgung von früheren Mitgliedern der Partei X auszugehen. Das Bundesverwaltungsgericht habe es unterlassen, seiner Entscheidung aktuelle Länderberichte, insbesondere zur Bedrohung von Oppositionellen zugrunde zu legen. Es hätten weitere Beweiserhebungen zur aktuellen politischen Situation erfolgen müssen. Insbesondere hätte das Bundesverwaltungsgericht entsprechend dem ausdrücklich gestellten Beweisantrag des Revisionswerbers dazu ein Sachverständigengutachten einholen müssen, zumal nicht ersichtlich sei, dass das beantragte Gutachten objektiv nicht geeignet wäre, zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes beizutragen. Es sei daher auch keine ganzheitliche Würdigung des Vorbringens des Revisionswerbers und der konkreten Gefahrenlage erfolgt. Das Bundesverwaltungsgericht sei zudem von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wonach etwaige Widersprüche in einer Einvernahme gegenüber jenen zur Erstbefragung unbeachtlich seien. Die Revision wendet sich darüber hinaus gegen die bei der Rückkehrentscheidung nach § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) erfolgten Interessenabwägung.

13 Zu dem gegen die Annahme einer Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des georgischen Staates gegen die behaupteten Übergriffe gerichteten Vorbringen ist festzuhalten, dass das Bundesverwaltungsgericht diese nur hilfsweise herangezogen hat und sich das Erkenntnis tragend auf eine fehlende Glaubhaftmachung der behaupteten Verfolgung stützte. Auf die im oben genannten Zusammenhang aufgeworfenen Rechtsfragen kommt es daher nicht an.

14 Soweit die Revision rügt, das Bundesverwaltungsgericht habe keine aktuellen Feststellungen zur Lage von Oppositionellen in Georgien herangezogen, ist darauf zu verweisen, dass das Verwaltungsgericht seinen diesbezüglichen Feststellungen das im Entscheidungszeitpunkt aktuellste Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 7. Juni 2018 samt aktueller Kurzinformation vom 11. Dezember 2018 zugrunde gelegt hat. Dass diese Berichtslage als veraltet anzusehen wäre, ist fallbezogen nicht zu sehen. In der Revision werden zudem keine aktuelleren Länderberichte oder solche, die denen im Erkenntnis verwendeten entgegenstünden, angeführt, die das Bundesverwaltungsgericht seiner Entscheidung hätte zugrunde legen sollen. Es reicht aber nicht aus, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel aufzuzeigen (vgl. VwGH 28.3.2019, Ra 2018/14/0315, mwN).

15 Wenn die Revision in ihrem Zulässigkeitsvorbringen geltend macht, das Bundesverwaltungsgericht habe den Antrag des Revisionswerbers auf Beiziehung eines länderkundigen Sachverständigen zu Unrecht abgelehnt, ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach in der Unterlassung einer Beweisaufnahme dann kein Verfahrensmangel gelegen ist, wenn das von der Partei im Beweisantrag genannte Beweisthema unbestimmt ist. Beweisanträge dürfen weiters dann abgelehnt werden, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder das Beweismittel (ohne unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung) untauglich ist (vgl. VwGH 14.10.2016, Ra 2016/18/0260, mwN). Ob eine Beweisaufnahme in diesem Sinn notwendig ist, unterliegt aber der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. VwGH 21.3.2018, Ra 2018/18/0033, mwN).

16 Eine derart krasse Fehlbeurteilung ist im vorliegenden Fall nicht zu sehen. Mit der bloßen Behauptung, das Bundesverwaltungsgericht wäre bei Beiziehung eines länderkundigen Sachverständigen zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Rückkehr des Revisionswerbers in sein Heimatland mit der großen Gefahr einer Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit und des Lebens verbunden wäre, wird darüber hinaus nicht substantiiert dargetan, welche über die vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen hinausgehenden oder davon abweichenden Sachverhaltselemente von einem Sachverständigen konkret zu erwarten und warum diese geeignet gewesen wären, zu einem für den Revisionswerber günstigeren Ergebnis kommen zu können.

17 Die Revision zeigt auch nicht auf, inwiefern die Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts, der Revisionswerber sei bei Rückkehr keiner Verfolgungsgefahr ausgesetzt, die mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes drohe (vgl. dazu VwGH 24.6.2019, Ra 2019/20/0101, mwN), grob fehlerhaft wäre.

18 Soweit sich die Revision gegen die Beweiswürdigung zu den behaupteten ausreisekausalen Übergriffen wendet, tritt sie der ausführlichen Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts nicht konkret entgegen. Der Revisionswerber vermag ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht aufzuzeigen, wonach im Rahmen der Beweiswürdigung die Asylbehörden den realen Hintergrund der vom Asylwerber vorgetragenen Fluchtgeschichte in ihre Überlegungen einzubeziehen und die Glaubwürdigkeit seiner Behauptungen auch im Vergleich zur einschlägigen Berichtslage zu messen hätten (vgl. VwGH 5.6.2019, Ra 2019/18/0192, mwN). Das Bundesverwaltungsgericht hat nachvollziehbar begründet, warum fallbezogen das Vorbringen zu den Gründen seiner Flucht nicht glaubwürdig sei. Dabei hat es die grundsätzliche Möglichkeit von Übergriffen auf Oppositionelle keineswegs ausgeschlossen und die Spannungen zwischen den politischen Parteien berücksichtigt.

19 Insofern die Revision in Zusammenhang mit § 19 Abs. 1 AsylG 2005 vorbringt, dass etwaige Widersprüche in einer Einvernahme gegenüber jenen zur Erstbefragung unbeachtlich seien, ist ihr dahingehend zuzustimmen, dass der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung zwar wiederholt Bedenken gegen die unreflektierte Verwertung von Beweisergebnissen der Erstbefragung erhoben hat, weil sich diese Einvernahme nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat. Gleichwohl hat der Verwaltungsgerichtshof aber betont, dass es nicht generell unzulässig ist, sich auf eine Steigerung des Fluchtvorbringens zwischen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der weiteren Einvernahme eines Asylwerbers zu stützen (vgl. VwGH 25.6.2019, Ra 2018/19/0546, mwN). Im vorliegenden Fall stützte sich das Bundesverwaltungsgericht nicht nur auf Ungereimtheiten zwischen der Erstbefragung und der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, sondern auch auf zusätzliche, für sich tragende Erwägungen, denen die Revision nicht entgegentritt. Die Revision zeigt nicht auf, dass die Beweiswürdigung insgesamt unvertretbar wäre.

20 Soweit die Revision die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK beanstandet, ist festzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgt und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. VwGH 30.4.2019, Ra 2019/14/0122, mwN). Entgegen dem Vorbringen des Revisionswerbers berücksichtigte das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Interessenabwägung sowohl die soziale Vernetzung und die abgelegte Deutschprüfung als auch das selbst erwirtschaftete Einkommen des Revisionswerbers. Die Revision zeigt nicht auf, dass die Interessenabwägung des Bundesverwaltungsgerichts fallbezogen unvertretbar erfolgt wäre.

21 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 30. Oktober 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019140462.L00

Im RIS seit

11.12.2019

Zuletzt aktualisiert am

11.12.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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