Entscheidungsdatum
30.09.2019Norm
AsylG 2005 §9 Abs4Spruch
W161 2220331-1/5E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Monika LASSMANN als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.05.2019, Zl. 15-1054260201-190133479, beschlossen:
A)
In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3, zweiter Satz VWGV zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) reiste illegal in die Republik Österreich ein und stellte am 22.03.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
In seiner Erstbefragung am 23.03.2015 gab er an, er sei am XXXX in Kabul, Afghanistan geboren. Er sei ledig, seine Muttersprache sei Dari. Er sei Moslem und gehöre der Volksgruppe der Hazara an. Er sei im Iran ca. 4 Jahre lang zu Hause unterrichtet worden und habe dort als Hilfsarbeiter gearbeitet. Sein Vater sei bereits verstorben, er habe noch seine Mutter und seine beiden Schwestern. In Afghanistan habe er in Kabul gelebt. Im Alter von 3 Jahren sei er mit der Familie in den Iran gezogen. Bis zu seiner Flucht habe er im Iran gelebt. Die finanzielle Situation der Familie sei schlecht, der Onkel kümmere sich um die Familie.
In weiterer Folge wurde ein medizinisches Sachverständiger zur Beurteilung des Alters des BF bestellt. In dem medizinischen Sachverständigengutachten vom 15.05.2015 wurde als "fiktives Geburtsdatum" des BF der XXXX festgestellt, zum Zeitpunkt der Asylantragstellung kann somit von einem Mindestalter von 19,57 Jahren ausgegangen werden.
In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) am 23.06.2015 gab der BF an, dass er sein Geburtsdatum nicht kenne, seine Mutter habe ihm gesagt, er sei 17 Jahre alt.
In einer weiteren niederschriftlichen Einvernahme am 16.03.2016 gab der BF zusammengefasst an, er wolle Korrekturen in der Erstbefragung vornehmen. Seine Familie stamme auch Maidan Wardak, Kabul sei nicht korrekt. Zudem habe er im Iran keinen privaten Unterricht gehabt, sondern sei 4 Jahre im Alphabetisierungskurs für afghanische Flüchtlinge in einer iranischen Schule gewesen. Er könne Farsi lesen und schreiben. Zu seinen persönlichen Verhältnissen gab er ergänzend an, er sei schiitischer Moslem und in Maidan Wardak geboren. Er habe seit seinem 10. Lebensjahr illegal als Hilfsarbeiter auf Baustellen im Iran gearbeitet. Seine Mutter und Geschwister seien nach wie vor im Iran aufhältig. Die Schwester arbeite als Schneiderin. Seine Familie habe große finanzielle Probleme, sie würde hin und wieder finanzielle Unterstützung vom Onkel bekommen. In Afghanistan habe er keine Angehörigen, keine Freund oder Bekannte und keine Besitztümer. Er habe zu seiner Familie Kontakt. Er verstehe Dari, könne es aber kaum sprechen. Er sei mit Farsi aufgewachsen. Er habe keine Bindung zu Afghanistan, er kenne das Land überhaupt nicht. Alles was er über Afghanistan wisse, habe er von seiner Mutter gehört.
Zu seinem Leben in Österreich gab er an, dreimal die Woche als Küchenhilfe zu arbeiten. Er besuche einen Deutschkurs A1. Er spiele gerne Fußball in einem Verein für Flüchtlinge. Verwandte habe er in Österreich nicht.
Im Zuge der Einvernahme legte der BF folgende Unterlagen vor:
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Bestätigung, wonach der BF regelmäßig an einem Deutschkurs teilnehme;
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Arbeitszeugnis betreffend die Arbeit in der Küche eines Flüchtlingsheims.
2. Mit Bescheid des BFA vom 18.03.2016 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) abgewiesen. Dem BF wurde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 18.03.2017 erteilt (Spruchpunkt III.).
In der Begründung zu Spruchpunkt II. stellte die belangte Behörde fest, dass unter Berücksichtigung aller Umstände festgestellt werden habe können, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung nach Afghanistan für den BF eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Aufgrund seiner persönlichen Situation und der Länderfeststellungen zu seiner Herkunftsregion Maidan Wardak gehe die Behörde davon aus, dass er im Falle einer Rückkehr aufgrund der aufgezeigten Umstände in eine auswegslose Lage geraten würde. Er habe vorgebracht, dass ihm im Herkunftsstaat eine Gefahr für Leib und Leben in einem Maße drohe, dass die Abschiebung im Lichte von Art. 3 EMRK unzulässig sei. Insbesondere habe er vorgebracht, dass eine Rückkehr aufgrund dieser Umstände deshalb möglich sei. Die Behörde gehe von einer realen Gefahr einer solchen Bedrohung aus, weil aus seinem Vorbringen in Zusammenschau mit den Länderfeststellungen - insbesondere zur Lage in Maidan Wardak - hervorgehe, dass seine Existenzgrundlage mangels gesicherter persönlicher Lebensverhältnisse nicht mit hinreichender Sicherheit angenommen werden könne und somit eine drohende Gefahr iSd Art. 3 EMRK nicht mit erforderlicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden könne. Sowohl seine Ausführungen, wie auch die Berücksichtigung individueller, ihn betreffender Faktoren lasse die Behörde somit zum Befinden kommen, dass es im gegenständlichen Fall begründete Anhaltspunkte dafür gebe, dass er Gefahr laufe einer unmenschlichen Behandlung unterworfen zu werden. Aufgrund seiner persönlichen Situation werde er bei einer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Gefährdungssituation ausgesetzt sein.
3. Am 21.02.2017 stellte der BF einen Antrag auf Verlängerung der subsidiären Schutzberechtigung gemäß § 8 AsylG 2005. Mit Bescheid des BFA vom 01.03.2017 wurde dem BF die befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 18.03.2019 erteilt. Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Verlängerung wurde als glaubhaft erachtet und dem Antrag "vollinhaltlich" stattgegeben.
Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom 23.08.2018 wurde der BF wegen dem Vergehen der Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen (gesamt 540 EUR), im Uneinbringlichkeitsfall 45 Tage Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt, wobei der Vollzug der Hälfte der Geldstrafe unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde.
4. Am 11.02.2019 stellte der BF neuerlich einen Antrag auf Verlängerung der subsidiären Schutzberechtigung gemäß § 8 AsylG 2005.
5. Am 06.03.2019 wurde der BF von der belangten Behörde im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Dari einvernommen.
Zu seinen persönlichen Verhältnissen gab der BF ergänzend an, er sei gesund, nehme keine Medikamente und sei nicht in ärztlicher Behandlung. Seine Familie (Mutter, zwei Schwestern) lebe im Iran. Auch alle anderen Verwandten würden im Iran leben. Er stehe mit seiner Familie in telefonischem Kontakt. Der Familie gehe es wirtschaftlich nicht so gut. Diese würden nicht arbeiten, er schicke ihnen Geld. Die Familie des Onkels würde arbeiten.
Zu seinem Leben in Österreich gab er an, derzeit die Berufsschule für Gastgewerbe zu besuchen. Es sei sein erstes Schuljahr. Er mache seit 1. September 2018 eine Lehre und arbeite als Hilfskoch. Davor habe er im Heim gearbeitet. Er lebe in einer Mietwohnung, bekomme Lehrlingsbeihilfe und seit zwei Monaten Familienbeihilfe. Zudem gehe er ins Fitnessstudio, Laufen und spiele Fußball. Er sei Mitglied eines Fußballteams. Er sei vor Gericht gewesen, weil ein Nachbar von ihm getrunken habe und es zu einer Rauferei gekommen sei. Betreffend eine Rückkehr nach Afghanistan befragt, gab er an, dort niemanden zu haben und es gäbe dort Krieg. Für ihn sei es nicht möglich dort zu überleben.
In der Einvernahme wurden folgende Unterlagen vorgelegt:
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Lehrvertrag einer Möbelfirma, betreffend die Lehre als Systemgastronomiefachmann (Lehrzeit von 01.09.2018 bis 31.08.2021);
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Prüfungszeugnis Deutsch A1 und A2;
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Zertifikat "Vermittlung und Transfer von Grundwerten für das gemeinsame Zusammenleben der Menschen in Österreich";
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Zertifikat "Kompetenzcheck";
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Bestätigung betreffend die Teilnahme an einem Jobservice;
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Bestätigung des Arbeitgebers;
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Fußballturnierbestätigung und Urkunde;
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Bestätigung über die Teilnahme an Laufveranstaltungen;
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Kopie des Fremdenpasses.
Im weiterer Folge legte der BF Lohnzettel und Abrechnungsbelege betreffend seine Lehre sowie die Kopie seines Mietvertrages vor.
6. Mit nunmehr angefochtenem Bescheid vom 20.05.2019 erkannte das BFA dem BF den mit Bescheid vom 18.03.2016 zuerkannten Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen ab (Spruchpunkt I.) und entzog ihm die mit Bescheid vom 01.03.2017 erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.). In Spruchpunkt III. wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Weiters wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt,
dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach ... zulässig sei
(Spruchpunkt V.). Es wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des BF gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.). In Spruchpunkt VII. wurde der Antrag vom 11.02.2019 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG abgewiesen.
In der Begründung führte die belangte Behörde insbesondere aus, dass sich die Lage für Rückkehrer nach Afghanistan seit dem 18.03.2016 maßgeblich und nachhaltig geändert habe. Eine Rückkehr sei jetzt ohne weiteres zumutbar. Mit Bescheid vom 18.03.2016 sei die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten mit seiner persönlichen Situation im Falle einer Rückkehr nach Maidan Wardak begründet worden. Die Sicherheitslage in seiner Herkunftsprovinz sei zwar immer noch instabil, aber es würden zwei innerstaatliche Schutzalternativen zur Verfügung stehen, die im Jahr 2016 noch nicht zumutbar gewesen seien. Er sei ein volljähriger, arbeitsfähiger, gesunder Mann und würde keine weiteren gefahrenerhöhenden Umstände aufweisen, aufgrund derer er im Falle einer Neuansiedelung in Afghanistan im besonderen Maße gefährdet wäre. Herat und Mazar-e Sharif seien über Flughäfen erreichbar. Eine Rückkehr sei ihm somit zumutbar. Nach den - vom BVwG herangezogenen - Gutachten und den aktualisierten Länderberichten sei die Sicherung existenzieller Bedürfnisse durch eigene Erwerbstätigkeit in Afghanistan bei entsprechender Anstrengung des Rückkehrers mittlerweile ohne Einschränkungen möglich. Zudem sei Arbeitserfahrung - wie sie der BF aufweise - ein Vorteil bei der Arbeitssuche. Allein die Tatsache, dass er noch nie in einer afghanischen Großstadt gelebt habe, habe keinen Einfluss auf die Existenzsicherung. Es sei davon auszugehen, dass es einem arbeitsfähigen Mann, der zudem über Berufserfahrung und eine Schulbildung verfüge zumindest möglich und zumutbar sei, in den Städten Herat oder Mazar-e Sharif sich ein ausreichendes Einkommen zu sichern und somit nicht in eine hoffnungslose Lage komme. 2012 habe es zwar in Afghanistan bereits von UNHCR, IOM sowie anderen humanitären Organisationen in Zusammenarbeit mit der Regierung Unterstützungsversuche für zurückgekehrte Flüchtlinge gegeben, deren Kapazitäten seien mangels entsprechender Infrastruktur aber begrenzt gewesen. Nunmehr würden mehrere strukturierte Rückkehrunterstützungsprogramme bestehen, die er in Anspruch nehmen könne. Zusätzlich bestehe die Möglichkeit der Aufnahme in ein Reintegrationsprogramm (ERIN und RESTART). Das Projekt ERIN bestehe seit Juni 2016, das Projekt RESTART II seit 01.01.2017. Zudem stelle Österreich "Post Arrival Assistance" zur Verfügung, welches von IOM ausgeführt werde. Die Situation gegenüber dem Bescheid vom 18.03.2016 hat sich somit maßgeblich geändert, da dem BF nunmehr zwei innerstaatliche Fluchtalternativen in Herat oder Mazar-e Sharif zur Verfügung stehen würden. Zudem habe sich die wirtschaftliche Situation für Rückkehr im Allgemeinen wesentlich verbessert. Der BF habe sich in Österreich neue Kenntnisse und Erfahrungen aneignen können und könne sonst die Unterstützung der genannten Rückkehrprogramme in Anspruch nehmen.
7. Dagegen wurde das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben und der Bescheid des BFA im gesamten Umfang wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und der Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten. In der Begründung wurde darauf hingewiesen, dass keine wesentliche Verbesserung der Lage zu erkennen sei. In Afghanistan herrsche nach wie vor ein innerstaatlicher Konflikt, die Taliban seien aktiv und die Zahl an getöteten und verletzten Zivilisten sei gleichbleibend. Zur Situation in Herat und Mazar-e Sharif werde auf ergänzende Berichte verwiesen. Mazar-e Sharif sei weit über seine Kapazitätsgrenzen belastet, auch die Auswirkungen der Dürre seien in Herat und Mazar-e Sharif enorm. Im Bescheid des BFA werde nicht konkretisiert, auf welchen Aberkennungstatbestand die Behörde abziele. Die Begründung des Bescheides ergebe aber, dass sich die Behörde auf den zweiten Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG stütze. Eine grundlegende und dauerhafte Änderung jener Umstände, die zur Zuerkennung subsidiären Schutzes geführt haben, habe die Behörde allerdings nicht dargelegt. Es müsse eine entsprechende Nachhaltigkeit der positiven Veränderung im Herkunftsland des Fremden gewährleistet sein. Dies erfordere im Regelfall eine längere Beobachtungsphase, anhand deren Verlaufs und den daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen sich das nachhaltige Ende der bisherigen Beobachtungssituation entsprechend verifizieren lasse. Der VfGH habe im Hinblick auf die Begründungsanforderungen in Aberkennungsbescheiden als Grundsatz festgelegt, dass ein rechtskräftig entschiedener Sachverhalt nicht grundlos neuerlich untersucht und anders entschieden werden dürfe. Das BFA hätte darlegen müssen, inwiefern sich die Situation des BF bezogen auf die Gründe, die am 18.03.2016 zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten bzw. zuletzt am 01.03.2017 zur Verlängerung, konkret geändert habe und inwiefern diese Änderungen dazu führen, dass die Voraussetzungen für die Schutzzuerkennung nicht mehr gegeben seien. Lediglich eine andere rechtliche Beurteilung oder Würdigung eines im Wesentlichen unveränderten Sachverhalts vermöge die Aberkennung eines rechtskräftig zuerkannten subsidiären Schutzes nicht zu rechtfertigen. Die Behörde sei der Begründungspflicht lediglich in unzureichendem Ausmaß nachgekommen. Konkrete Feststellungen zur maßgeblichen Änderung des Sachverhaltes sowie eine vergleichende Darstellung würden fehlen. Die persönliche Situation des BF habe sich - abgesehen von der Integrationsverfestigung in Österreich - nicht verändert. Die Mutter und die beiden Schwestern würden nach wie vor im Iran leben, sie seien auf die finanzielle Unterstützung des BF angewiesen. Der BF habe in Afghanistan keine Familienangehörige. Im Ergebnis werde durch den vorliegenden Bescheid in unzulässiger Weise in eine bereits bestehende, rechtskräftige Entscheidung eingegriffen. Auch die aktuellen UNHCR-Richtlinien hätten von der Behörde berücksichtigt werden müssen. Im Übrigen sei auch die durchgeführte Interessensabwägung mit Rechtswidrigkeit belastet.
Mit der Beschwerde wurden ein Jahreszeugnis des BF für die erste Klasse der Fachberufsschule für den Lehrberuf "Systemgastronomiefachmann" vorgelegt.
8. Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 21.06.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des BFA und den hg. Akt betreffend den BF, durch Einsicht in das dem angefochtenen Bescheid zu Grunde gelegte Länderinformationsblatt zu Afghanistan vom 29.06.2018 (mit letzter Kurzinformation vom 26.03.2019) sowie durch Einholung eines aktuellen Strafregisterauszugs.
1. Feststellungen:
Der am XXXX geborene BF ist Staatsangehöriger von Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Er spricht Farsi und Dari. Er ist ledig und kinderlos.
Der BF ist in der Provinz Maidan Wardak geboren, lebte dort etwa bis zu seinem dritten Lebensjahr und zog danach mit seiner Mutter und seinen beiden Schwestern zu seinem Onkel in den Iran. Dort hat er bis zu seiner Ausreise nach Europa gelebt. Im Iran hat der BF etwa vier Jahre lang einen Alphabetisierungskurs für afghanische Flüchtlinge besucht und als Hilfsarbeiter in der Baubranche gearbeitet.
Die Mutter sowie die beiden Schwestern des BF leben unverändert im Iran, beim Onkel des BF. Zu ihnen besteht Kontakt. Der BF hat keine Angehörigen in Afghanistan.
Der BF ist unverändert gesund.
Der BF hat in Österreich in der Küche eines Flüchtlingsheimes ausgeholfen und Deutschprüfungen gemacht. Seit dem 01.09.2018 ist der BF im Rahmen eines Lehrvertrages im Beruf "Systemgastronomiefachmann" unselbstständig erwerbstätig und hat bereits die erste Klasse der Berufsschule positiv abgeschlossen. Er wohnt in einer Mietwohnung.
Der BF wurde mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom 23.08.2018 wegen dem Vergehen der Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen (gesamt 540 EUR), im Uneinbringlichkeitsfall 45 Tage Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt, wobei der Vollzug der Hälfte der Geldstrafe unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde.
Dass sich die individuelle Situation des BF sowie die humanitäre Lage bzw. die Sicherheits- und Versorgungslage seit dem 18.03.2016 (Zeitpunkt der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten) und seit der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung mit Bescheid des BFA vom 01.03.2017 nachhaltig und wesentlich verändert bzw. verbessert hat, kann nicht festgestellt werden.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur Person des BF (Staatsangehörigkeit, Herkunft, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, Sprache) seinen Lebensumständen, seinem Lebenswandel sowie zu seinen familiären Verhältnissen beruhen auf den gleichbleibenden Angaben des BF im Laufe des Asylverfahrens, die auch seitens des BFA im angefochtenen Bescheid zugrunde gelegt wurden.
Die Feststellung, dass der BF volljährig ist, beruht auf einem Gutachten zur Altersfeststellung. Diesem Gutachten ist der BF nicht auf gleicher fachlichen Ebene entgegengetreten. Zudem ist das vorliegende Gutachten vollständig, frei von Widersprüchen und schlüssig. Es entspricht den Denkansätzen und Erfahrungen des täglichen Lebens und wurde seitens des BF auch nicht bestritten.
Die Feststellung, dass der BF unverändert gesund ist, ergibt sich daraus, dass er im Laufe des Verfahrens kein anderslautendes Vorbringen erstattet hat und auch keine medizinischen Unterlagen vorgelegt wurden, die eine gesundheitliche Beeinträchtigung oder Erkrankung des BF nachweisen würden.
Die Feststellungen zum aktuellen bzw. unveränderten Aufenthalt der Angehörigen des BF ergibt sich aus den Angaben des BF während des Verfahrens, wobei den Feststellungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid zu entnehmen ist, dass sie grundsätzlich ebenso davon ausgeht, dass sich die Familienangehörigen des BF im Iran aufhalten.
Die Feststellungen zum Bildungs- und Berufsweg des BF in Österreich ergeben sich aus den vorgelegten Unterlagen.
Die Feststellung zur strafgerichtlichen Verurteilung des BF ergibt sich aus der im Akt einliegenden Urteilsausfertigung des Bezirksgerichts XXXX sowie aus dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten aktuellen Strafregisterauszug, der weitere Verurteilungen nicht aufweist.
Die Feststellung, dass sich die Umstände, die zur Gewährung des subsidiären Schutzes geführt haben, seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid des BFA vom 18.03.2016 sowie auch seit der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung mit Bescheid des BFA vom 01.03.2017 nicht wesentlich geändert und nachhaltig verändert bzw. verbessert haben, folgt zum einen aus der Begründung des angefochtenen Bescheides und konnte zudem im Lichte eines Vergleichs der individuellen Situation des BF zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Zuerkennung des subsidiären Schutzes und zum Zeitpunkt des angefochtenen Bescheides getroffen werden. Dabei erfolgt insbesondere eine Gegenüberstellung des Inhalts der dem Bescheid vom 18.03.2016 zugrundeliegenden Begründung mit der, die die belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides herangezogen hat, sowie auch mit der zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung bestehenden individuellen Situation des BF (siehe dazu wie folgt in der rechtlichen Beurteilung).
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl das Bundesverwaltungsgericht.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.
Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen (§ 28 Abs. 1 VwGVG).
Zu Spruchpunkt A):
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Nach § 28 Abs. 2 leg.cit. hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen und die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG (Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, 2013, § 28 VwGVG, Anm. 11 mwN).
§ 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet (vgl. auch VwGH 30.06.2015, Ra 2014/03/0054):
Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht kommt nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.
Der Verfassungsgesetzgeber hat sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist.
Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stellt die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz leg.cit. bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis steht diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 leg.cit. verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das in § 28 leg.cit. insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher insbesondere dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).
Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist in § 9 AsylG geregelt, der wie folgt lautet:
"§ 9. (1) Einem Fremden ist der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn
1. die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) nicht oder nicht mehr vorliegen;
2. er den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat oder
3. er die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates erlangt hat und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen neuen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention oder für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(2) Ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon aus den Gründen des Abs. 1 abzuerkennen, so hat eine Aberkennung auch dann zu erfolgen, wenn
1. einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe vorliegt;
2. der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt oder
3. der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht.
[...]"
Vorauszuschicken ist, dass die sich belangte Behörde im Spruch des angefochtenen Bescheides lediglich auf "§ 9 Abs. 1 AsylG 2005" beruft, aus der Begründung des angefochtenen Bescheides, wonach "die Gründe für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen würden", ergibt sich, dass die Aberkennung auf den zweiten Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 gestützt wurde.
Gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 leg.cit. nicht mehr vorliegen.
§ 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 und Art. 16 Statusrichtlinie sind verfassungsmäßig in der Weise zu interpretieren, dass dem Grundprinzip "Rechtskraft" der Rechtsordnung entsprechend nur bei wesentlichen Änderungen der Sachlage eine Durchbrechung der Rechtskraft der Entscheidung zulässig ist. Auch Art. 16 Abs. 2 Statusrichtlinie ist in der Weise zu lesen, dass nur bei dauerhafter und wesentlicher Veränderung im Herkunftssaat kein subsidiärer Schutz mehr gebührt.
Nach ständiger Judikatur verlangt der "Wegfall der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status" im Sinne der zweiten Variante ("nicht mehr" vorliegen) eine substanzielle und nachhaltige Änderung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts, der zu eben dieser Zuerkennung geführt hat. Ob man denselben Sachverhalt (allenfalls) bereits zum Zeitpunkt der erstmaligen Statusgewährung rechtlich anders hätte beurteilen können, ist hingegen ebenso ohne Relevanz wie der Verweis auf eine Änderung (höchst-)gerichtlicher Entscheidungstendenzen. Die Beweislast für den Wegfall der Voraussetzungen sowie die Darlegung des substanziell und nachhaltig geänderten entscheidungsrelevanten Sachverhalts trifft aufgrund der Amtswegigkeit des Verfahrens zur Gänze das Bundesamt.
Wie das Bundesverwaltungsgericht schon mit Erkenntnis vom 22.03.2019, GZ. W137 1424715-2 ausgeführt hat, ist bei der Beurteilung einer Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten hinsichtlich der Beurteilung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts und des Wegfalls der Voraussetzungen nicht nur der ursprüngliche (Zuerkennungs-)Bescheid oder eine entsprechende gerichtliche Entscheidung zu berücksichtigen, sondern auch die Begründung allfälliger bereits erfolgter Verlängerungen des Status. Das Bundesamt ist in diesem Zusammenhang aber nicht bei jeder neuerlichen Verlängerungsprüfung gänzlich frei in seiner Beurteilung des Sachverhalts, sondern an seine bisherigen rechtskräftigen Entscheidungen und allenfalls solche des Gerichts gebunden. Insbesondere kann eine Aberkennung von subsidiärem Schutz ohne zusätzliche entscheidungsrelevante Faktoren nicht auf Veränderungen des entscheidungsrelevanten Sachverhalts (gegenüber jenem bei erstmaliger Zuerkennung) gestützt werden, die - obwohl dem BFA bereits bekannt - einer bisherigen Verlängerung des Status nicht entgegengestanden sind.
Im konkreten Fall hat das BFA die Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten vom 18.03.2016 auf die Feststellung gestützt, dass der BF - aufgrund seiner persönlichen Situation und den Länderfeststellungen zu seiner Herkunftsregion Maidan Wardak - im Falle einer Rückkehr in eine auswegslose Lage geraten würde.
Die Sicherheitslage in der Herkunftsprovinz des BF (Maidan Wardak) wurde aber auch im gegenständlichen angefochtenen Bescheid als nicht sicher eingestuft. Der BF wurde jedoch im angefochtenen Bescheid - unter Bezugnahme auf das Länderinformationsblatt vom 29.06.2018 (Stand: 26.03.2019) - auf eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative in Herat oder Mazar-e Sharif verwiesen. Die Zumutbarkeit der innerstaatlichen Fluchtalternative begründete die belangte Behörde maßgeblich damit, dass es sich beim BF um einen volljährigen, arbeitsfähigen und gesunden Mann handle, dem nunmehr mehrere strukturierte Rückkehrhilfen zur Verfügung stehen würden. Zudem verfüge er über Schulbildung und Arbeitserfahrung und würde er keine weiteren gefahrenerhöhenden Umstände aufweisen, aufgrund derer er im Falle einer Neuansiedelung in Afghanistan im besonderen Maße gefährdet wäre.
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid entgegen richtlinienkonformer Interpretation der Bestimmung des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 (vgl. Art. 16 Abs. 2 Statusrichtlinie) eine grundlegende und dauerhafte Änderung jener Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes im Bescheid vom 18.03.2016 geführt haben, nicht dargetan:
Zur Rückkehrhilfe ist den Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides zu entnehmen, dass diese international und national seit Jahren gewährt wird und nicht erst kürzlich etabliert wurde. Zudem führt das BFA in ihrer Bescheidbegründung sogar selbst aus, dass Rückkehrhilfe von UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen schon damals existiert haben, wobei sie auch explizit darauf hinweist, dass das Projekt ERIN seit Juni 2016 und das Projekt RESTART II seit 01.01.2017 (und somit jedenfalls zum Zeitpunkt des Verlängerungsbescheides vom 01.03.2017, worin dem Verlängerungsantrag des BF vollinhaltlich stattgegeben wurde) bereits bestanden haben. Demnach zeigt die belangte Behörde hiermit keine wesentliche und nachhaltige Änderung des Sachverhaltes auf.
Dass dem Alter des BF bei der Zuerkennung bzw. nunmehriger Aberkennung des subsidiär Schutzberechtigten eine wesentliche Rolle zugekommen ist, erscheint zweifelhaft, zumal der BF bereits zum Zeitpunkt seiner Asylantragstellung volljährig war. Ebenso wenig hat die grundsätzliche Arbeitsfähigkeit des BF eine Änderung erfahren und gab der BF bereits im Erstverfahren an, im Iran jahrelang als Hilfsarbeiter in der Baubranche gearbeitet zu haben.
Richtig ist zwar, dass der BF sich in Österreich fortgebildet hat und nunmehr eine Lehre absolviert, allerdings hat der BF unverändert keine Kontakte im Herkunftsstaat, geht es seinen Angehörigen im Iran (Mutter, Schwestern) - nach wie vor - finanziell schlecht und ist er unverändert seit seiner Ausreise im Alter von etwa drei Jahren nicht nach Afghanistan zurückgekehrt. Insgesamt zeigt die belangte Behörde im Vergleich zu den im Zuerkennungsbescheid angenommenen Sachverhaltselementen - die mit dem Verlängerungsbescheid vollinhaltlich bestätigt wurden - keine Umstände auf, die eine wesentliche und nachhaltige Veränderung der individuellen Situation des BF seit Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten erkennen lassen.
Zur unveränderten Sicherheits- und Versorgungslage bzw. humanitären Lage im Herkunftsstaat ist auszuführen, dass sich den Feststellungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid zur Lage im Herkunftsstaat (Gesamtaktualisierung am 29.06.2018) nicht entnehmen lässt, dass es zu einer wesentlichen und nachhaltigen Verbesserung der Lage im Herkunftsstaat gekommen ist. Im Wesentlichen wird von einem unverändert anhaltenden innerstaatlichen Konflikt berichtet, von unveränderten Aktivitäten von Aufständischen, von hohen Armuts- und Arbeitslosenraten etc. Wie bereits erwähnt, lässt sich für die Herkunftsregion des BF den Länderfeststellungen der belangten Behörde entnehmen, dass Maidan Wardak unverändert zu den volatilen Provinzen gehört. Insbesondere lässt sich in den Feststellungen der belangten Behörde zur allgemeinen Rückkehrsituation kein Hinweis auf eine Entspannung der Lage entnehmen, sondern wird von begrenzten Aufnahmekapazitäten und besorgniserregenden Zuständigen hinsichtlich der Sicherheits- und Versorgungslage in den informellen Siedlungen - in denen zahlreiche Rückkehrer leben - berichtet. Zu den Städten Mazar-e Sharif und Herat ist weiters zu ergänzen, dass diese beiden Städte auch im Jahr 2016 in den Händen der Regierung lagen und sohin auch diesbezüglich keine Änderung der Lage eingetreten ist. Auch wurde der internationale Flughafen Mazar-e Sharif bereits im Jahr 2013 eröffnet, der Flughafen Herat gilt seit dem Jahr 2012 als internationaler Flughafen (vgl. S. 109 und 110 im Bescheid). Der Vollständigkeitshalber ist noch auszuführen, dass sich gestützt auf die neuesten Berichte des EASO sowie unter Heranziehung der UNHCR-Richtlinien vom August 2018 jedenfalls auch nicht festgestellt werden kann, dass sich die Lage im Herkunftsstaat Afghanistan im Allgemeinen wesentlich und nachhaltig verändert und verbessert hat.
Zur von der belangten Behörde zitierten aktuellen Judikatur zum Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative für junge, gesunde, arbeitsfähige Männer auch ohne familiären Rückhalt, ist darauf zu verweisen, dass der VwGH jüngst im Zusammenhang mit der Refoulement-Beurteilung nach § 52 Abs. 9 FPG ausgesprochen hat, dass eine maßgebliche Sachverhaltsänderung nicht schon per se in der neueren Judikatur zu vergleichbareren Fällen erblickt werden kann (VwGH 24.01.2019, Ro 2018/21/0011).
Die Änderung der Rechtsprechung zu einer Norm bietet keine rechtliche Grundlage, den Grundsatz der Rechtskraft zu durchbrechen und die Entscheidung eines Gerichts oder einer Behörde ohne hinreichenden Grund zu beseitigen und neu zu entscheiden. Jedenfalls lässt sich weder aus § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 noch aus der Statusrichtlinie eine solche Berechtigung ableiten.
Für eine Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten aufgrund geänderter Umstände liegt somit keine tragfähige Sachverhaltsermittlung seitens der ersten Instanz vor.
Die Voraussetzungen für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 liegen sohin mangels wesentlicher und nachhaltiger Änderungen der maßgeblichen Umstände gegenständlich nicht vor.
Da der angefochtene Bescheid zu den dargelegten Punkten grob mangelhaft geblieben ist und die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im gegebenen Fall mit keiner erheblichen Kostenersparnis verbunden ist, war gemäß § 28 Abs. 3 2. Fall VwGVG mit Aufhebung des angefochtenen Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde vorzugehen.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, zumal aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die hier anzuwendenden Regelungen erweisen sich zudem als klar und eindeutig (vgl. zur Unzulässigkeit der Revision bei eindeutiger Rechtslage trotz fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053).
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelleEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W161.2220331.1.00Zuletzt aktualisiert am
11.12.2019