TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/11 W182 2223977-1

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Veröffentlicht am 11.10.2019
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Entscheidungsdatum

11.10.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §9 Abs1
BFA-VG §21 Abs5 Satz 1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

W182 2223977-1/3E

W182 2223978-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. PFEILER über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX , und 2.) XXXX , geb. XXXX , beide StA. Russische Föderation, beide vertreten durch: RA Mag. Georg Zechbauer, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 20.09.2019, 1.) Zl. 831573709 - 190575374 / BMI-BFA_SZB_RD und 2.) Zl. 1014430200 - 190575358 / BMI-BFA_SZB_RD, nach § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBI. I. Nr 33/2013 idgF, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerden werden gemäß §§ 9 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 5, 57

Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, sowie §§ 52 Abs. 2 und 9, 46 und 55 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, als unbegründet abgewiesen. Gemäß § 21 Abs. 5 erster Satz BFA-VG wird festgestellt, dass die aufenthaltsbeendenden Maßnahmen zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides rechtmäßig waren.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz

(B-VG), BGBl. I Nr. 1/1930 idgF, nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die beschwerdeführenden Parteien (im Folgenden: BF), ein Ehepaar, sind Staatsangehörige der Russischen Föderation, gehören der tschetschenischen Volksgruppe an und sind Muslime. Der Erstbeschwerdeführer (im Folgenden: BF1) reiste im Oktober 2013 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 28.10.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Die Zweitbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF2) reiste im April 2014 illegal ins Bundesgebiet ein und stellte am 06.04.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) vom 06.06.2014, Zl. 831.573.709 - 1741815, wurde der Antrag auf internationalen Schutz des BF1 gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.), ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 bis zum 06.06.2015 eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt II.).

Dazu wurde zur Person des BF1 u.a. festgestellt: "Sie werden seit Ihrer Einreise in Österreich wegen Ihrer Krebserkrankung ( XXXX ) medizinisch behandelt, wobei Sie Ihren eigenen Angaben zufolge bereits im Mai 2013 in Ihrem Herkunftsland mit dieser Krankheit diagnostiziert und im Mai 2013 in XXXX operiert wurden und für eine weitere Operation in Oktober 2013 in Moskau vorgesehen waren. Die Behandlung bzw. Nachbehandlung Ihrer Erkrankung ist in der Russischen Föderation durchführbar". Hinsichtlich der Gründe des Verlassens des Herkunftslandes wurde ausgeführt, dass nicht festgestellt werden habe können, dass der BF1 begründete Furcht vor Verfolgung i.S.d. Genfer Flüchtlingskonvention in der Russischen Föderation zu gewärtigen habe. Hinsichtlich der Situation des BF1 bei einer Rückkehr wurde festgestellt, dass auch keine Umstände amtsbekannt seien, dass in der Russischen Föderation eine solche extreme Gefährdungslage bestünde, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehre, eine Gefährdung im Sinne des Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre, oder eine derartige humanitäre Katastrophe vorherrschte, dass das Überleben von Personen mangels Nahrung und Wohnraum tatsächlich in Frage gestellt wäre. Zum Privat- und Familienleben des BF1 wurde u.a. festgestellt, dass er insgesamt fünf volljährige Kinder (im Herkunftsland bzw. XXXX ) habe, wobei er mit zwei seiner Kinder bis zu seiner Ausreise zusammengelebt habe.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF1 nicht in der Lage gewesen sei, seine Fluchtgeschichte im Zusammenhang mit der Bedrohung durch Widerstandskämpfer glaubhaft zu machen. Vielmehr vertrete die Behörde die Ansicht, dass er mit der Absicht in das Bundesgebiet eingereist sei, um seine Krebsbehandlung in Österreich durchführen zu lassen. Einem Entlassungsbrief eines heimischen Landeskrankenhauses vom März 2014 sei zudem zu entnehmen, dass der BF1 bereits im Mai 2013 im Herkunftsland operiert worden sei, was vom BF1 selbst bei der Asyleinvernahme verschwiegen worden sei. Aufgrund des augenscheinlich angeschlagenen Gesundheitszustandes bzw. der tatsächlich schweren Erkrankung unter Berücksichtigung der vom BF1 vorgelegten medizinischen Unterlagen sei jedoch davon auszugehen, dass er weiterer intensiver medizinischer Behandlung bzw. Therapie bedürfe und daher eine Rückkehr in die Russische Föderation derzeit und unter den aktuellen persönlichen Verhältnissen nicht zumutbar sei. Weiters wurde noch darauf hingewiesen, dass sich die volljährigen Kinder sowie zwei Schwestern des BF1 nach wie vor im Herkunftsland aufhalten, wobei der BF1 im Heimatdorf auch über ein Haus verfüge, auf welches in seiner Abwesenheit seine Kinder bzw. seine Schwester schauen würde.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 06.06.2014, Zl. 1.014.430.200, wurde der Antrag auf internationalen Schutz der BF2 gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.), ihr gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 3 AsylG 2005 der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihr gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 bis zum 06.06.2015 eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt II.). Dazu wurde im Wesentlichen begründend ausgeführt, dass die BF2 keine eigenen Fluchtgründe ins Treffen geführt habe und ihr der Status der subsidär Schutzberechtigten aufgrund der Eigenschaft als Familienangehörige des BF1 nach § 2 Abs. 1 Z 22 Asylgesetz 2005 im Rahmen des Familienverfahrens gemäß § 34 AsylG 2005 zu gewähren gewesen sei.

Die Bescheide wurden rechtskräftig.

Eine Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung wurde seitens der BF nach deren Ablauf im Juni 2015 nicht mehr beantragt. Die BF sind seit 06.01.2016 nicht mehr im Bundesgebiet gemeldet, wobei als Grund im Zentralen Melderegister "Verzug in Nicht-EU Raum" vermerkt ist. Seit Dezember 2014 wurden von den BF auch keine Leistungen aus der Grundversorgung mehr bezogen.

2. Am 07.06.2019 wurde seitens des Bundesamt ein entsprechendes Aberkennungsverfahren eingeleitet und auf Antrag des Bundesamtes mit Beschluss eines Bezirksgerichtes vom 16.07.2019 der im Spruch genannte rechtsfreundliche Vertreter zum Abwesenheitskurator der BF bestellt.

Mit Schreiben des Bundesamtes vom 18.07.2019 wurde dem Abwesenheitskurator unter gleichzeitiger Übermittlung eines Fragenkataloges mitgeteilt, dass die BF seit Jänner 2016 nicht mehr im Bundesgebiet gemeldet seien, die Behörde davon ausgehe, dass sie in ihr Herkunftsland zurückgekehrt seien, und ein Aberkennungsverfahren eingeleitet worden sei. Der Fragenkatalog enthielt u.a. Fragen nach dem Aufenthaltsort der BF seit Jänner 2016, nach Familienangehörigen und Freunden der BF im Inland sowie nach allfälligen Krankheiten und Befunden. Der Abwesenheitskurator wurde um eine schriftliche Stellungnahme binnen zwei Wochen ersucht, wobei ihm auch die Ausfolgung eines Länderinformationsblattes zum Herkunftsland der BF angeboten wurde. Weiters wurde darauf hingewiesen, dass der Bescheid auf der Grundlage des vorliegenden Ergebnisses der Beweisaufnahme unter Berücksichtigung der Entscheidung des Gerichts erlassen werde, sofern die Stellungnahme des Abwesenheitskurators nicht zu einem anderen Ergebnis führen würde

In einer Stellungnahme des Abwesenheitskurators vom 01.08.2019 wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass Meldedaten im Melderegister nicht notwendigerweise stets den tatsächlichen Verhältnissen, insbesondere im Fall einer Verletzung einer Meldepflicht, entsprechen würden und deshalb nach Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bei der Beurteilung, wo ein ordentlicher Wohnsitz bestehe, die tatsächlichen Verhältnisse maßgebend und zu ermitteln seien. Aus dem Fehlen von Meldedaten könne noch nicht auf das Fehlen eines tatsächlichen Wohnsitzes geschlossen werden. Aus den vom Bundesamt angeführten Beweisergebnissen könne daher weder auf den Wohnsitz noch auf den Aufenthaltsort der BF geschlossen werden. Das Bundesamt habe in der Verständigung vom 18.07.2019 nicht mitgeteilt, auf welche Rechtsgrundlage die in Aussicht genommene Aberkennung des Status der BF gestützt werden sollte. Da das Bundesamt davon ausgehe, dass sich die BF unter den Schutz der russischen Behörden begeben haben, werde im Folgenden davon ausgegangen, dass das Bundesamt eine Aberkennung gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 prüfe. Eine wesentliche Voraussetzung für die Annahme einer Unterschutzstellung sei das Erfordernis des Willens, die Beziehungen zum Herkunftsstaat zu normalisieren und sich wieder unter dessen Schutz zu stellen, woraus sich die Notwendigkeit einer gewissen Nachhaltigkeit der Zuwendung zum Heimatsstadt ergebe. Aus dem Fehlen einer aufrechten Meldung in Österreich könne jedoch nicht auf eine Unterschutzstellung im Sinne des Art. 1 Abschnitt C Z 1 Genfer Flüchtlingskonvention geschlossen werden. Der Fragenkatalog wurde nicht beantwortet.

3.1. Mit den nunmehr angefochtenen im Spruch angeführten Bescheiden des Bundesamtes wurde der den BF mit Bescheiden vom 06.06.2014, Zlen. 831.573.709 - 1741815 und 1.014.430.200, zuerkannte Status von subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 idgF, von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.), ihnen ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt II.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG idgF, gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG idgF, erlassen (Spruchpunkt III.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der BF gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt IV.), und eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidungen gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG für die freiwillige Ausreise der BF festgelegt (Spruchpunkt V.).

3.2. Dazu wurde u.a. festgestellt, dass der BF1 an einem XXXX gelitten habe. Aufgrund seiner Krebserkrankung sei ihm sowie der BF2 als seiner Gattin im Jahr 2014 seitens des Bundesamtes der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden. Eine individuelle Verfolgung der BF sei als nicht glaubhaft qualifiziert worden. Die Krebserkrankung des BF1 sei in weiterer Folge in Österreich behandelt worden. Mit 06.01.2016 haben sich die BF in Österreich abgemeldet. Sie haben seither über keinen Wohnsitz im Bundesgebiet mehr verfügt. Die Behörde gehe von einer Rückkehr in ihre Heimat aus.

Ihr Lebensmittelpunkt liege im Herkunftsstaat. Ihnen drohe dort weder eine Verfolgung seitens staatlicher noch seitens privater Akteure. Auch drohe ihnen weder die Vollziehung der Todesstrafe noch ein sonstiger Eingriff in Ihre körperliche Unversehrtheit oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung. Im Falle ihrer Rückkehr drohe ihnen auch nicht, in eine auswegslose Lage zu geraten.

3.3. Zum Herkunftsstaat bzw. Tschetschenien wurden folgende Feststellungen getroffen:

"[...]

0. P O L I T I S C H E L A G E

Die Russische Föderation hat ca. 143 Millionen Einwohner (CIA 12.7.2018, vgl. GIZ 7.2018c). Russland ist eine

Präsidialdemokratie mit föderativem Staatsaufbau. Der Präsident verfügt über weit reichende exekutive

Vollmachten, insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik (GIZ 7.2018a, vgl. EASO 3.2017). Er ernennt auf

Vorschlag der Staatsduma den Vorsitzenden der Regierung, die stellvertretenden Vorsitzenden und die

Minister und entlässt sie (GIZ 7.2018a). Wladimir Putin ist im März 2018, bei der Präsidentschaftswahl im Amt

mit 76,7% bestätigt worden. Die Wahlbeteiligung lag der Nachrichtenagentur TASS zufolge bei knapp 67% und

erfüllte damit nicht ganz die Erwartungen der Präsidialadministration (Standard.at 19.3.2018). Putins wohl

ärgster Widersacher Alexej Nawalny durfte nicht bei der Wahl kandidieren. Er war zuvor in einem von vielen als

politisch motivierten Prozess verurteilt worden und rief daraufhin zum Boykott der Abstimmung auf, um die

Wahlbeteiligung zu drücken (Presse.at 19.3.2018). Oppositionelle Politiker und die Wahlbeobachtergruppe

Golos hatten mehr als 2.400 Verstöße gezählt, darunter mehrfach abgegebene Stimmen und die Behinderung

von Wahlbeobachtern. Wähler waren demnach auch massiv unter Druck gesetzt worden, um an der Wahl

teilzunehmen. Auch die Wahlkommission wies auf mutmaßliche Manipulationen hin (Tagesschau.de 19.3.2018,

FH 1.2018). Putin kann dem Ergebnis zufolge nach 18 Jahren an der Staatsspitze weitere sechs Jahre das Land

führen. Gemäß der Verfassung darf er nach dem Ende seiner sechsjährigen Amtszeit nicht erneut antreten, da

es eine Beschränkung auf zwei aufeinander folgende Amtszeiten gibt (Tagesschau.de 19.3.2018, vgl.

OSCE/ODIHR 18.3.2018).

Die Verfassung wurde per Referendum am 12.12.1993 mit 58,4% der Stimmen angenommen. Sie garantiert die

Menschen- und Bürgerrechte. Das Prinzip der Gewaltenteilung ist zwar in der Verfassung verankert, jedoch

verfügt der Präsident über eine Machtfülle, die ihn weitgehend unabhängig regieren lässt. Er ist

Oberbefehlshaber der Streitkräfte, trägt die Verantwortung für die Innen- und Außenpolitik und kann die

Gesetzentwürfe des Parlaments blockieren. Die Regierung ist dem Präsidenten untergeordnet, der den

Premierminister mit Zustimmung der Staatsduma ernennt. Das Parlament - Staatsduma und Föderationsrat - ist

in seinem Einfluss stark beschränkt. Der Föderationsrat ist als "obere Parlamentskammer" das

Verfassungsorgan, das die Föderationssubjekte auf föderaler Ebene vertritt. Er besteht aus 178 Abgeordneten:

Jedes Föderationssubjekt entsendet je einen Vertreter aus der Exekutive und Legislative in den Föderationsrat.

Die Staatsduma mit 450 Sitzen wird für vier Jahre nach dem Verhältniswahlrecht auf der Basis von Parteilisten

gewählt. Es gibt eine Siebenprozentklausel. Wichtige Parteien sind die regierungsnahen Einiges Russland

(Jedinaja Rossija) mit 1,9 Millionen Mitgliedern und Gerechtes Russland (Spravedlivaja Rossija) mit 400.000

Mitgliedern. Die Kommunistische Partei der Russischen Föderation (KPRF) mit 150.000 Mitgliedern, die die

Nachfolgepartei der früheren KP ist. Die Liberaldemokratische Partei (LDPR) mit 185.000 Mitgliedern, die

populistisch und nationalistisch ausgerichtet ist, die Wachstumspartei (Partija Rosta), die sich zum

Neoliberalismus bekennt; Jabloko, eine demokratisch-liberale Partei mit 55.000 Mitgliedern, die Patrioten

Russlands (Patrioty Rossii), linkszentristisch, mit 85.000 Mitgliedern, die Partei der Volksfreiheit (PARNAS) und

die demokratisch-liberale Partei mit 58.000 Mitgliedern (GIZ 7.2018a). Die Zusammensetzung der Staatsduma

nach Parteimitgliedschaft gliedert sich wie folgt: Einiges Russland (339 Sitze), Kommunistische Partei Russlands

(42 Sitze), Liberaldemokratische Partei Russlands (40 Sitze), Gerechtes Russland (23 Sitze), Vaterland-Partei (1

Sitz), Bürgerplattform (1 Sitz) (AA 5.2018b).

Russland ist eine Föderation, die aus 85 Föderationssubjekten (einschließlich der international umstrittenen

Einordnung der Republik Krim und der Stadt föderalen Ranges, Sewastopol) mit unterschiedlichem

Autonomiegrad besteht. Die Föderationssubjekte (Republiken, Autonome Gebiete, Autonome Kreise, Gebiete,

Regionen und Föderale Städte) verfügen über jeweils eine eigene Legislative und Exekutive (GIZ 7.2018a, vgl.

AA 5.2018b). Die Gouverneure der Föderationssubjekte werden auf Vorschlag der jeweils stärksten Fraktion

der regionalen Parlamente vom Staatspräsidenten ernannt. Dabei wählt der Präsident aus einer Liste dreier

vorgeschlagener Kandidaten den Gouverneur aus (GIZ 7.2018a).

Es wurden acht Föderationskreise (Nordwestrussland, Zentralrussland, Südrussland, Nordkaukasus, Wolga,

Ural, Sibirien, Ferner Osten) geschaffen, denen jeweils ein Bevollmächtigter des Präsidenten vorsteht. Der

Staatsrat der Gouverneure tagt unter Leitung des Präsidenten und gibt der Exekutive Empfehlungen zu

aktuellen politischen Fragen und zu Gesetzesprojekten. Nach der Eingliederung der Republik Krim und der

Stadt Sewastopol in die Russische Föderation wurde am 21.3.2014 der neunte Föderationskreis Krim

gegründet. Die konsequente Rezentralisierung der Staatsverwaltung führt seit 2000 zu politischer und

wirtschaftlicher Abhängigkeit der Regionen vom Zentrum. Diese Tendenzen wurden bei der Abschaffung der

Direktwahl der Gouverneure in den Regionen und der erneuten Unterordnung der regionalen und

kommunalen Machtorgane unter das föderale Zentrum ("exekutive Machtvertikale") deutlich (GIZ 7.2018a).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (5.2018b): Russische Föderation - Außen- und Europapolitik,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/russischefoederationnode/

russischefoederation/201534, Zugriff 1.8.2018

-

CIA - Central Intelligence Agency (12.7.2018): The World Factbook,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/rs.html, Zugriff 1.8.2018

-

EASO - European Asylum Support Office (3.2017): COI-Report Russian Federation - State Actors

of Protection,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1489999668_easocoi-russia-state-actors-ofprotection.

pdf, Zugriff 1.8.2018

-

FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2017 - Russia,

https://www.ecoi.net/de/dokument/1428824.html, Zugriff 1.8.2018

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (7.2018a): Russland,

Geschichte und Staat,

https://www.liportal.de/russland/geschichte-staat/#c17836, Zugriff 1.8.2018

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (7.2018c): Russland,

Gesellschaft, https://www.liportal.de/russland/gesellschaft/, Zugriff 1.8.2018

-

OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic

Institutions and Human Rights (18.3.2018): Russian Federation Presidential Election Observation

Mission Final Report,

https://www.osce.org/odihr/elections/383577?download=true, Zugriff

29.8.2018

? Presse.at (19.3.2018): Putin: "Das russische Volk schließt sich um Machtzentrum zusammen",

https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5391213/Putin_Das-russische-Volk-schliesstsich-

um-Machtzentrum-zusammen, Zugriff 1.8.2018

-

Standard.at (19.3.2018): Putin sichert sich vierte Amtszeit als Russlands Präsident,

https://derstandard.at/2000076383332/Putin-sichert-sich-vierte-Amtszeit-als-Praesident, Zugriff

1.8.2018

-

Tagesschau.de (19.3.2018): Klarer Sieg für Putin, https://www.tagesschau.de/ausland/russlandwahl-

putin-101.html, Zugriff 1.8.2018

0.1. Tschetschenien

Die Tschetschenische Republik ist eine der 22 Republiken der Russischen Föderation. Die Fläche beträgt 15.647

km2 (Rüdisser 11.2012) und laut offizieller Bevölkerungsstatistik der Russischen Föderation zum 1.1.2018

beläuft sich die Einwohnerzahl Tschetscheniens auf 1,4 Millionen (GKS 25.1.2018), wobei die offiziellen

Angaben von unabhängigen Medien infrage gestellt werden. Laut Aussagen des Republiksoberhauptes Ramzan

Kadyrow sollen rund 600.000 TschetschenInnen außerhalb der Region leben, die eine Hälfte davon in der

Russischen Föderation, die andere Hälfte im Ausland. Experten zufolge hat die Hälfte Tschetschenien während

der Kriege nach dem Zerfall der Sowjetunion verlassen, bei der anderen Hälfte handle es sich um

Siedlungsgebiete außerhalb Tschetscheniens, die bereits vor über einem Jahrhundert entstanden seien,

teilweise durch Migration aus dem Russischen in das Osmanische Reich, und zwar über Anatolien bis in den

arabischen Raum (ÖB Moskau 12.2017). In Bezug auf Fläche und Einwohnerzahl ist Tschetschenien somit mit

der Steiermark vergleichbar. Etwa die Hälfte des tschetschenischen Territoriums besteht aus Ebenen im

Norden und Zentrum der Republik. Heutzutage ist die Republik eine nahezu monoethnische: 95,3% der

Bewohner/innen Tschetscheniens gaben [bei der letzten Volkszählung] 2010 an, ethnische

Tschetschenen/innen zu sein. Der Anteil ethnischer Russen/innen an der Gesamtbevölkerung liegt bei 1,9%.

Rund 1% sind ethnische Kumyk/innen, des Weiteren leben einige Awar/innen, Nogaier/innen, Tabasar/innen,

Türk/innen, Inguschet/innen und Tatar/innen in der Republik (Rüdisser 11.2012).

In Tschetschenien gilt Ramzan Kadyrow als Garant Moskaus für Stabilität. Mit Duldung der russischen

Staatsführung hat er in der Republik ein autoritäres Herrschaftssystem geschaffen, das vollkommen auf seine

eigene Person ausgerichtet ist und weitgehend außerhalb des föderalen Rechtsrahmens funktioniert (ÖB

Moskau 12.2017, vgl. AA 21.5.2018). So musste im Mai 2016 der Vorsitzende des Obersten Gerichts

Tschetscheniens nach Kritik von Kadyrow zurücktreten, obwohl die Ernennung/Entlassung der Richter

grundsätzlich in föderale Kompetenz fällt. Fraglich bleibt auch die föderale Kontrolle über die

Zahl: 1224741802 - 190341543

.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 17 von 62

FrÄG 2015 - § 33 AsylG + § 3 AsylG neg + § 8 AsylG neg + § 57 AsylG neg amtsw - BE-0311-538

tschetschenischen Sicherheitskräfte, deren faktische Loyalität vorrangig dem Oberhaupt der Republik gilt. Im

Juni 2016 beschloss das tschetschenische Parlament die vorzeitige Selbstauflösung, um vorgezogene

Neuwahlen parallel zu den Wahlen zum Oberhaupt der Republik durchzuführen. Bei den Wahlen vom

18.9.2016 lag die Wahlbeteiligung in Tschetschenien weit über dem landesweiten Durchschnitt. Kadyrow

wurde laut offiziellen Angaben bei hoher Wahlbeteiligung mit überwältigender Mehrheit für eine weitere

Amtszeit von fünf Jahren gewählt. Unabhängige Medien berichteten über Unregelmäßigen bei den Wahlen, in

deren Vorfeld Human Rights Watch über massive Druckausübung auf Kritiker des derzeitigen Machthabers

berichtet hatte. Das tschetschenische Oberhaupt bekundet immer wieder seine absolute Loyalität gegenüber

dem Kreml (ÖB Moskau 12.2017). Vertreter russischer und internationaler NGOs berichten immer wieder von

Gewalt und Menschenrechtsverletzungen, einem Klima der Angst und Einschüchterung (AA 21.5.2018). Gegen

vermeintliche Extremisten und deren Angehörige, aber auch gegen politische Gegner, wird rigoros

vorgegangen. Anfang 2016 sorgte Kadyrow landesweit für Aufregung, als er die liberale Opposition in Moskau

als Staatsfeinde bezeichnete, die danach trachteten, Russland zu zerstören. Nachdem er dafür von

Menschenrechtsaktivisten sowie von Vertretern des präsidentiellen Menschenrechtsrats scharf kritisiert

worden war, wurde in Grozny eine Massendemonstration zur Unterstützung Kadyrows organisiert (ÖB Moskau

12.2017).

Während der mittlerweile über zehn Jahre dauernden Herrschaft des amtierenden Republikführers Ramzan

Kadyrow gestaltete sich Tschetscheniens Verhältnis zur Russischen Föderation ambivalent. Einerseits ist

Kadyrow bemüht, die Zugehörigkeit der Republik zu Russland mit Nachdruck zu bekunden, tschetschenischen

Nationalismus mit russischem Patriotismus zu verbinden, Russlands Präsidenten in der tschetschenischen

Hauptstadt Grozny als Staatsikone auszustellen und sich als "Fußsoldat Putins" zu präsentieren. Andererseits

hat er das Föderationssubjekt Tschetschenien so weit in einen Privatstaat verwandelt, dass in der Umgebung

des russischen Präsidenten die Frage gestellt wird, inwieweit sich die von Wladimir Putin ausgebaute föderale

Machtvertikale dorthin erstreckt. Zu Kadyrows Eigenmächtigkeit gehört auch eine Außenpolitik, die sich vor

allem an den Mittleren Osten und die gesamte islamische Welt richtet. Kein anderer regionaler Führer

beansprucht eine vergleichbare, über sein eigenes Verwaltungsgebiet und die Grenzen Russlands

hinausreichende Rolle. Kadyrow inszeniert Tschetschenien als Anwalt eines russländischen Vielvölker-

Zusammenhalts, ist aber längst zum "inneren Ausland" Russlands geworden. Deutlichster Ausdruck dieser

Entwicklung ist ein eigener Rechtszustand, in dem islamische und gewohnheitsrechtliche Regelungssysteme

sowie die Willkür

des Republikführers in Widerspruch zur Gesetzgebung Russlands geraten (SWP 3.2018).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (21.5.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen

Föderation

-

GKS - Staatliches Statistikamt (25.1.2018): Bevölkerungsverteilung zum 1.1.2018,

http://www.gks.ru/free_doc/new_site/population/demo/PrPopul2018.xlsx, Zugriff 1.8.2018

-

ÖB Moskau (12.2017): Asylländerbericht Russische Föderation

-

Rüdisser, V. (11.2012): Russische Föderation/Tschetschenische Republik. In: Länderinformation

n°15, Österreichischer Integrationsfonds,

http://www.integrationsfonds.at/themen/publikationen/oeif-laenderinformation/, Zugriff 1.8.2018

-

SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (3.2018): Tschetscheniens Stellung in der Russischen

Föderation. Ramsan Kadyrows Privatstaat und Wladimir Putins föderale Machtvertikale,

https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2018S01_hlb.pdf, Zugriff 1.8.2018

1. S I C H E R H E I T S L A G E

Wie verschiedene Anschläge mit zahlreichen Todesopfern in den letzten Jahren gezeigt haben, kann es in

Russland, auch außerhalb der Kaukasus-Region, zu Anschlägen kommen. Todesopfer forderte zuletzt ein

Terroranschlag in der Metro von St. Petersburg im April 2017. Die russischen Behörden halten ihre Warnung

vor Anschlägen aufrecht und rufen weiterhin zu besonderer Vorsicht auf (AA 28.8.2018a, vgl. BMeiA 28.8.2018,

GIZ 6.2018d). Trotz verschärfter Sicherheitsmaßnahmen kann das Risiko von Terrorakten nicht ausgeschlossen

werden. Die russischen Sicherheitsbehörden weisen vor allem auf eine erhöhte Gefährdung durch Anschläge

gegen öffentliche Einrichtungen und größere Menschenansammlungen hin (Untergrundbahn, Bahnhöfe und

Züge, Flughäfen etc.) (EDA 28.8.2018).

Russland tritt als Protagonist internationaler Terrorismusbekämpfung auf und begründet damit seinen

Militäreinsatz in Syrien. Vom Beginn des zweiten Tschetschenienkriegs 1999 bis ins Jahr 2013 sah es sich mit 75

größeren Terroranschlägen auf seinem Staatsgebiet konfrontiert, die Hunderten Zivilisten das Leben kosteten.

Verantwortlich dafür war eine über Tschetschenien hinausgehende Aufstandsbewegung im Nordkaukasus.

Gewaltzwischenfälle am Südrand der Russischen Föderation gingen 2014 um 46% und 2015 um weitere 51%

zurück. Auch im Global Terrorism Index, der die Einwirkung des Terrorismus je nach Land misst, spiegelt sich

diese Entwicklung wider. Demnach stand Russland 2011 noch an neunter Stelle hinter mittelöstlichen,

afrikanischen und südasiatischen Staaten, weit vor jedem westlichen Land. Im Jahr 2016 rangierte es dagegen

nur noch auf Platz 30 hinter Frankreich (Platz 29), aber vor Großbritannien (Platz 34) und den USA (Platz 36).

Nach der Militärintervention in Syrien Ende September 2015 erklärte der sogenannte Islamische Staat (IS)

Russland den Dschihad und übernahm die Verantwortung für den Abschuss eines russischen Passagierflugzeugs

über dem Sinai mit 224 Todesopfern. Seitdem ist der Kampf gegen die Terrormiliz zu einer Parole russischer

Außen- und Sicherheitspolitik geworden, auch wenn der russische Militäreinsatz in Syrien gewiss nicht nur von

diesem Ziel bestimmt ist, sondern die Großmachtrolle Russlands im Mittleren Osten stärken soll. Moskau

appelliert beim Thema Terrorbekämpfung an die internationale Kooperation (SWP 4.2017).

Eine weitere Tätergruppe rückt in Russland ins Zentrum der Medienaufmerksamkeit, nämlich Islamisten aus

Zentralasien. Die Zahl der Zentralasiaten, die beim sogenannten IS kämpfen, wird auf einige tausend geschätzt

(Deutschlandfunk 28.6.2017).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (28.8.2018a): Russische Föderation: Reise- und Sicherheitshinweise,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/russischefoederationsicherheit/201536#content_0, Zugriff

28.8.2018

-

BmeiA (28.8.2018): Reiseinformation Russische Föderation, https://www.bmeia.gv.at/reiseaufenthalt/

reiseinformation/land/russische-foederation/, Zugriff 28.8.2018

-

Deutschlandfunk (28.6.2017): Anti-Terrorkampf in Dagestan. Russische Methoden,

https://www.deutschlandfunk.de/anti-terrorkampf-in-dagestan-russischemethoden.

724. de.html?dram:article_id=389824, Zugriff 29.8.2018

-

EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (28.8.2018): Reisehinweise

für Russland,

https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-undreisehinweise/

russland/reisehinweise-fuerrussland.html, Zugriff 28.8.2018

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (6.2018d): Russland,

Alltag, https://www.liportal.de/russland/alltag/#c18170, Zugriff 28.8.2018

-

SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (4.2017): Russland und der Nordkaukasus im Umfeld

des globalen Jihadismus, https://www.swpberlin.

org/fileadmin/contents/products/aktuell/2017A23_hlb.pdf, Zugriff 28.8.2018

1.1. Nordkaukasus

Die Menschenrechtsorganisation Memorial beschreibt in ihrem Bericht über den

Nordkaukasus vom Sommer 2016 eindrücklich, dass die Sicherheitslage für gewöhnliche

Bürger zwar stabil ist, Aufständische einerseits und Kritiker der bestehenden Systeme sowie

Meinungs- und Menschenrechtsaktivisten andererseits weiterhin repressiven Maßnahmen

und Gewalt bis hin zum Tod ausgesetzt sind (AA 21.5.2018). In internationalen

sicherheitspolitischen Quellen wird die Lage im Nordkaukasus mit dem Begriff "low level

insurgency" umschrieben (SWP 4.2017).

Das Kaukasus-Emirat, das seit 2007 den islamistischen Untergrundkampf im Nordkaukasus

koordiniert, ist seit Ende 2014 durch das Überlaufen einiger Feldkommandeure zum

sogenannten IS von Spaltungstendenzen erschüttert und geschwächt. Der IS verstärkte

2015 seine russischsprachige Propaganda in Internet-Foren wie Furat Media, ohne dass die

Behörden laut Novaya Gazeta diesem Treiben große Aufmerksamkeit widmeten. Am 23.

Juni 2015 rief der IS-Sprecher Muhammad al-Adnani ein ‚Wilajat Kavkaz', eine Provinz

Kaukasus, als Teil des IS-Kalifats aus. Es war ein propagandistischer Akt, der nicht

bedeutet, dass der IS in dieser Region militärisch präsent ist oder sie gar kontrolliert, der

aber den zunehmenden Einfluss dieser Terrormiliz auf die islamistische Szene im

Nordkaukasus symbolisiert. Zuvor hatten mehr und mehr ideologische und militärische

Führer des Kaukasus Emirats dem ‚Kalifen' Abu Bakr al-Baghdadi die Treue geschworen

und sich von al-Qaida abgewandt. Damit bestätigte sich im islamistischen Untergrund im

Nordkaukasus ein Trend, dem zuvor schon Dschihad-Netzwerke in Nordafrika, Jemen,

Pakistan und Afghanistan gefolgt waren (SWP 10.2015). Das rigide Vorgehen der

Sicherheitskräfte, aber auch die Abwanderung islamistischer Kämpfer in die Kampfgebiete in

Syrien und in den Irak haben dazu geführt, dass die Gewalt im Nordkaukasus in den

vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen ist. Innerhalb der extremistischen

Gruppierungen verschoben sich in den vergangenen Jahren die Sympathien zur regionalen

Zweigstelle des sogenannten IS, die mittlerweile das Kaukasus-Emirat praktisch vollständig

verdrängt haben soll. Dabei sorgt nicht nur Propaganda und Rekrutierung des IS im

Nordkaukasus für Besorgnis der Sicherheitskräfte. So wurden Mitte Dezember 2017 im

Nordkaukasus mehrere Kämpfer getötet, die laut Angaben des Anti-Terrorismuskomitees

dem sogenannten IS zuzurechnen waren (ÖB Moskau 12.2017). Offiziell kämpfen bis zu 800

erwachsene Tschetschenen für die Terrormiliz IS. Die Dunkelziffer dürfte höher sein (DW

25.1.2018).

Ein Risikomoment für die Stabilität in der Region ist die Verbreitung des radikalen

Islamismus. Während in den Republiken Inguschetien und Kabardino-Balkarien auf einen

Dialog innerhalb der muslimischen Gemeinschaft gesetzt wird, verfolgen die Republiken

Tschetschenien und Dagestan eine konsequente Politik der Repression radikaler Elemente

(ÖB Moskau 12.2017).

Im gesamten Jahr 2017 gab es im ganzen Nordkaukasus 175 Opfer des bewaffneten

Konfliktes, davon 134 Todesopfer (82 Aufständische, 30 Zivilisten, 22 Exekutivkräfte) und 41

Verwundete (31 Exekutivkräfte, neun Zivilisten, ein Aufständischer) (Caucasian Knot

29.1.2018). Im ersten Quartal 2018 gab es im gesamten Nordkaukasus 27 Opfer des

bewaffneten Konfliktes, davon 20 Todesopfer (12 Aufständische, sechs Zivilisten, 2

Exekutivkräfte) und sieben Verwundete (fünf Exekutivkräfte, zwei Zivilisten) (Caucasian Knot

21.6.2018).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (21.5.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante

Lage in der Russischen Föderation

-

Caucasian Knot (29.1.2018): Infographics. Statistics of victims in Northern Caucasus

for 2017 under the data of the Caucasian Knot, http://www.eng.kavkazuzel.

eu/articles/42208/, Zugriff 28.8.2018

-

Caucasian Knot (21.6.2018): Infographics. Statistics of victims in Northern Caucasus

in Quarter 1 of 2018 under the data of the Caucasian Knot, http://www.eng.kavkazuzel.

eu/articles/43519/, Zugriff 28.8.2018

-

DW - Deutsche Welle (25.1.2018): Tschetschenien: "Wir sind beim IS beliebt",

https://www.dw.com/de/tschetschenien-wir-sind-beim-is-beliebt/a-42302520, Zugriff

28.8.2018

-

ÖB Moskau (12.2017): Asylländerbericht Russische Föderation

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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