TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/17 W251 2159662-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.10.2019
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Entscheidungsdatum

17.10.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W251 2159662-1/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Angelika SENFT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Somalia, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.05.2017 zur Zl. 105628801 - 150320920, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein männlicher Staatsangehöriger Somalias, stellte am 30.03.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am selben Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Dabei gab er zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass er Somalia verlassen habe, da er einem kleinen Stamm angehöre und das Leben in Somalia dadurch so schwer sei. Er sei verachtet und beschimpft worden und habe nicht in Ruhe arbeiten können und er sei diskriminiert worden. Sonst habe er keine Fluchtgründe.

3. Am 03.05.2017 fand die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) statt. Dabei gab er an, dass er 2010 begonnen habe für die UNO zu arbeiten. Er sei dann von Männern bedroht worden, die ihn aufgefordert haben entweder Schutzgeld zu zahlen oder mit ihnen zusammen zu arbeiten. Der Beschwerdeführer habe daher solange er bei der UNO gearbeitet habe auch Schutzgeld bezahlt. Ein Jahr später habe er aufgehört für die UNO zu arbeiten und statt dessen als Englischlehrer gearbeitet. Auch diesmal seien Männer zu ihm gekommen, die von ihm Schutzgeld gefordert und ihm befohlen haben, die Arbeit als Englischlehrer weiterhin auszuüben. Da er jedoch nicht genug verdiente um Schutzgeld zu zahlen und seinen Lebensunterhalt zu verdienen, habe er aufgehört als Englischlehrer zu arbeiten. 2012 habe er angefangen als Verkäufer zu arbeiten, er habe im Geschäft übernachtet und habe das Geschäft niemals verlassen. Es seien im Oktober 2014 erneut Männer zu ihm gekommen. Der Geschäftsinhaber habe ihm dann zur Flucht verholfen und der Beschwerdeführer sei aus Somalia geflohen.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz zur Gänze ab (Spruchpunkt I. und II.) ab und erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen. Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Somalia zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe nicht habe glaubhaft machen können, auch die Clanzugehörigkeit des Beschwerdeführers habe nicht festgestellt werden können. Es drohe dem Beschwerdeführer auch keine Gefahr, die die Erteilung eines subsidiären Schutzes rechtfertigen würde. Der Beschwerdeführer sei ein gesunder, arbeitsfähiger Mann der in Somalia über familiäre Anknüpfungspunkte verfüge, weshalb er mit Unterstützung rechnen könne. Zudem könne der Beschwerdeführer seinen Lebensunterhalt selber erarbeiten. Er würde bei einer Rückkehr nach Somalia somit nicht in eine ausweglose Situation geraten. Der Beschwerdeführer verfüge in Österreich zudem über kein schützenswertes Privat- und Familienleben, das einer Rückkehrentscheidung entgegenstehe.

5. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, dass die Beweiswürdigung des Bundesamtes mangelhaft sei, er habe seine Fluchtgründe glaubwürdig und detailliert vorgebracht. Das Bundesamt habe den Sachverhalt unzureichend ermittelt. Zudem habe das Bundesamt seine Angaben in der Erstbefragung nicht verwerten dürfen, da diese primär der Erforschung der Fluchtroute diene, der Beschwerdeführer sei zudem bei der Erstbefragung sehr erschöpft gewesen. Zudem sei der Beschwerdeführer ein Angehöriger der Gabooye. Dem Referenten des Bundesamtes habe die erforderliche Sachkunde gefehlt, um dies zu beurteilen. Es wurde beantragt ein Gutachten eines Sachverständigen mit umfangreichen Kenntnissen zu Somalia und Spezialkenntnissen zu den Clans in Somalia einzuholen, zum Beweis dafür, dass der Beschwerdeführer tatsächlich dem Clan der Gabooye angehöre. Der somalische Staat sei nicht schutzfähig. Dem Beschwerdeführer stehe in Somalia auch keine innerstaatliche Fluchtalternative offen, da er sich wegen seines Clans nicht in andere Landesteile ansiedeln könne. Aufgrund der schlechten Versorgunglage drohe dem Beschwerdeführer in Somalia zudem eine unmenschliche Behandlung, sodass diesem zumindest der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen gewesen wäre. Zudem sei der Beschwerdeführer sehr um Integration bemüht, sodass nicht auszuschließen sei, dass eine Rückkehrentscheidung in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingreifen würde.

6. Mit Schriftsatz vom 09.08.2019 legte der Beschwerdeführer Unterlagen zu seinen Integrationsbemühungen sowie medizinische Unterlagen vor. Der Beschwerdeführer beantragte die Einvernahme eines Zeugen zum Beweis für seine gelungene Integration.

7. Mit Schriftsatz vom 27.08.2019 legte der Beschwerdeführer weitere Unterlagen vor. Der Beschwerdeführer beantragte die Einvernahme einer Zeugin, zum Beweis dafür, dass er in der Einvernahme vor dem Bundesamt nicht alles vorbringen habe können.

8. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 03.09.2019 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die somalische Sprache und im Beisein des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers eine mündliche Verhandlung durch. Es wurden der Beschwerdeführer als Partei und ein Freund des Beschwerdeführers als Zeuge einvernommen. Ein Antrag auf Einvernahme einer weiteren Zeugin vom 27.08.2019 wurde in der Verhandlung abgewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer führt in Österreich den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Er ist somalischer Staatsangehöriger, bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben und spricht Somali als Muttersprache sowie weiters Englisch und etwas Deutsch. Er ist verheiratet (AS 1; AS 71; Verhandlungsprotokoll vom 03.09.2019, OZ 13, S. 10).

Der Beschwerdeführer ist kein Angehöriger der Gabooye, der Madhiban oder eines anderen Minderheitenclans. Der Beschwerdeführer ist Angehöriger eines Mehrheitsclans. Es kann nicht festgestellt werden welchem Mehrheitsclan der Beschwerdeführer tatsächlich angehört.

Der Beschwerdeführer stammt aus Süd-/Zentralsomalia, dort ist er mit seinen Eltern und seinen zwei Brüdern und seinen zwei Schwestern aufgewachsen (AS 1; OZ 13, S. 13). Die Familie des Beschwerdeführers lebt noch in Somalia, der Beschwerdeführer hat Verwandte in Mogadischu, zu diesen hat er auch Kontakt.

Der Beschwerdeführer ist jedoch weder in Afgooye geboren noch hat er jemals dort gelebt. Es kann nicht festgestellt werden in welchem Dorf bzw. in welcher Stadt in Süd-/Zentralsomalia der Beschwerdeführer geboren und aufgewachsen ist.

Die finanzielle Situation der Familie des Beschwerdeführers in Somalia ist gut.

Der Beschwerdeführer hat von 1998 bis 2010 eine Schule in Somalia besucht. Der Beschwerdeführer hat zudem auf einem Institut Englisch gelernt (OZ 13, S. 11). Der Beschwerdeführer war in Somalia über mehrere Jahre berufstätig. Der Beschwerdeführer hat noch nie für eine internationale Organisation oder für eine ausländische Firma gearbeitet. Es kann nicht festgestellt werden welchen Beruf der Beschwerdeführer in Somalia tatsächlich ausgeübt hat.

Der Beschwerdeführer ist im Oktober 2014 aus Somalia ausgereist (AS 7).

Der Beschwerdeführer ist unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich eingereist und er stellte am 30.03.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich (AS 1 ff).

Der Beschwerdeführer leidet seit seiner Kindheit an einem Trachom (bakterielle Entzündung des Auges), er war diesbezüglich bereits in Somalia bei einem Arzt in Behandlung. Der Beschwerdeführer sollte im Sommer 2020 zu einer Kontrolle bei einem Augenarzt (OZ 13, S. 23; OZ 12). Der Beschwerdeführer litt Anfang 2108 an einer Lymphknotentuberkolose. Diese wurde bis Anfang Dezember 2018 in Österreich medikamentös behandelt. Seitdem muss der Beschwerdeführer keine Medikamente mehr nehmen. Die Tuberkulose konnte geheilt werden, der Beschwerdeführer geht diesbezüglich zu ärztlichen Kontrollen (OZ 13, S. 23; OZ 11 S. 23, S. 21).

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Verfolgungsvorbringen kann nicht festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer ist von Mitgliedern der Al Shabaab weder aufgefordert worden seine Tätigkeit zu beenden noch sich ihnen anzuschließen. Weder der Beschwerdeführer noch seine Familienangehörigen wurden jemals von der Al Shabaab bedroht, angegriffen oder aufgesucht.

Der Beschwerdeführer hat Somalia weder aus Furcht vor Eingriffen in seine körperliche Integrität noch wegen Lebensgefahr verlassen.

Im Falle der Rückkehr nach Somalia droht dem Beschwerdeführer weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch Angehörige der Al Shabaab oder durch andere Personen.

1.3. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Dem Beschwerdeführer droht bei einer Ansiedlung in die Stadt Mogadischu kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit.

Der Beschwerdeführer kann in Mogadischu grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Der Beschwerdeführer ist mit den Gepflogenheiten in Somalia vertraut. Er hat keine Unterhaltsverpflichtungen in Somalia. Er verfügt über familiäre Anknüpfungspunkte in Somalia, insbesondere in Mogadischu. Der Beschwerdeführer kann auf finanzielle Unterstützung durch seine Freunde in Österreich zurückgreifen. Er kann auch Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen.

Es ist dem Beschwerdeführer möglich nach anfänglichen Schwierigkeiten bei einer Rückkehr nach Somalia in Mogadischu Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

1.4. Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Der Beschwerdeführer ist seit seiner Antragsstellung am 30.03.2015 aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG in Österreich durchgehend aufhältig.

Der Beschwerdeführer hat Deutschkurse auf dem Niveau A1 bis B2 besucht (OZ 13, S. 20; OZ 11, OZ 12). Er ist zur ÖSD-Prüfung für die Stufe B1 angetreten, hat diese jedoch nicht bestanden (OZ 13, S. 20). Die A2 Prüfung hat der Beschwerdeführer am 16.3.2018 bestanden (OZ 11).

Der Beschwerdeführer geht keiner beruflichen Tätigkeit nach und lebt von der Grundversorgung. Vom 17.09.2018 bis zum 28.09.2018 hat der Beschwerdeführer als Saisonarbeiter gearbeitet (OZ 12, Bescheid des AMS vom 10.09.2018, Dienstvertrag, Meldung bei der Gebietskrankenkasse). Der Beschwerdeführer ist am Arbeitsmarkt in Österreich nicht integriert.

Der Beschwerdeführer hat im Jahr 2016 in einem Altenheim gemeinnützig ausgeholfen. Seit Oktober 2018 hilft der Beschwerdeführer in einer Unterkunft Gras zu schneiden und Obst zu ernten, wenn er angefordert wird. Dies ist im Sommer ca. 1 bis 2 Mal im Monat der Fall. Der Beschwerdeführer hat in seiner Asylunterkunft für andere Asylwerber gedolmetscht (OZ 11). Der Beschwerdeführer hat von Oktober 2018 bis Jänner 2019 ca. zweimal in der Woche für zwei bis fünf Stunden einen gemeinnützigen Verein bei der Integration von anderen Flüchtlingen ehrenamtlich unterstützt (OZ 11). Er hat sich bei einem Projekt zum Abbau von Vorurteilen eingebracht (OZ 11).

Der Beschwerdeführer hat im April 2018 an einem Werte- und Orientierungskurs, im September 2107 an einem Workshop zu antidiskriminierender Medienarbeit, im Dezember 2017 an einem Erste-Hilfe-Kurs, an einem Integrationsprojekt zur Vermittlung am Arbeitsmarkt, im Februar 2018 an einem Basisworkshop zur Mülltrennung, im Juli 2017 an einem Basisworkshop zum Thema Klima und Energie, im Mai 2019 an einem Seminar zu Menschenrechten an Schulen teilgenommen.

Der Beschwerdeführer hat freundschaftliche Kontakte zu Österreichern und zu Somaliern und Afghanen aus seiner Unterkunft knüpfen können. Er wird von seinen österreichischen Freunden und in seiner Nachbarschaft und der Gemeinde sehr geschätzt. Darüber hinaus verfügt er weder über Verwandte noch über sonstige enge soziale Bindungen (Ehefrau, Kinder, etc.) in Österreich.

Der Beschwerdeführer wird von seinen Freunden, von seiner Gemeinde sowie von den Personen für die er ehrenamtlich tätig ist sehr geschätzt. Er zeichnet sich durch eine sehr selbständige, geschickte und schnelle Auffassung und Ausführung seiner Arbeiten aus. Er arbeitet sehr genau. Er stellt sich auch beim Reparieren von Gegenständen sehr geschickt an, dabei ist er stets freundlich und sehr höflich (OZ 11).

Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten (Auszug aus dem Strafregister, Beilage ./I).

1.5. Zur maßgeblichen Situation in Somalia:

Politische Situation

Das Gebiet von Somalia ist in drei unterschiedliche administrative Einheiten unterteilt. Somaliland, Puntland sowie Süd-/Zentralsomalia. Im Jahr 1988 brach in Somalia Bürgerkrieg aus. Somalia hat den Zustand eines failed state überwunden, bleibt aber ein fragiler Staat. Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind fragil und schwach. Die föderale Regierung hat es bislang kaum geschafft, sich außerhalb Mogadischus durchzusetzen (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation für Somalia vom 12.01.2018 mit Aktualisierung vom 17.09.2018 - LIB 17.09.2018, S. 13 f).

Mogadischu:

Mogadischu bleibt weiterhin unter Kontrolle von Regierung und AMISOM. Die Stadtverwaltung von Mogadischu ist verhältnismäßig präsent und aktiv. Schritte von Stadt- und Bundesregierung haben bei der Sicherheitslage zu einer Verbesserung geführt - speziell durch die Aufstellung der Mogadishu Stabilization Mission (MSM). Die Zahl von Angriffen der Al Shabaab im jeweiligen Ramadan ist von 269 im Jahr 2015 auf 208 im Jahr 2017 zurückgegangen. Andererseits scheint sich die Al Shabaab aufgrund der Erfolge der Sicherheitskräfte zunehmend auf Sprengstoffanschläge zu verlegen, welche unter der Zivilbevölkerung ein höheres Maß an Schaden verursachen (LIB 17.09.2018, S. 37). Es ist höchst unwahrscheinlich, dass Al Shabaab wieder die Kontrolle über Mogadischu erlangt. Es gibt in der Stadt auch kein Risiko mehr, von der Al Shabaab zwangsrekrutiert zu werden. Es besteht kein Risiko, alleine aufgrund der eigenen Clanzugehörigkeit angegriffen zu werden. Trotzdem sind Clan und Clanzugehörigkeit in Mogadischu nach wie vor relevant (LIB 17.09.2018, S. 37).

Insgesamt verlegt sich Al Shabaab bei der Durchführung von Attentaten von Quantität auf Qualität. Dabei sucht die Al Shabaab ihre Ziele vor allem im Bereich der Regierung. Für die Zivilbevölkerung ist das größte Risiko, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Die Situation in Mogadischu ist nicht derartig, dass jeder Mensch in der Stadt einem Risiko eines Eingriffs in die körperliche Integrität oder Lebensgefahr ausgesetzt wäre (LIB 17.09.2018, S. 38).

Das Risiko einer Hungersnot ist durch den Regen reduziert worden. Die Preise für Grundnahrungsmittel haben begonnen sich auf Normalwerte einzupendeln (Anfragebeantwortung der Staatendokumentation betreffend Humanitäre Hilfe, Arbeitsmarkt, Versorgungslage in Mogadischu vom 11.05.2018 - Anfragebeantwortung Mogadischu 11.05.2018, S. 11). In Mogadischu gilt dies insbesondere für Mais. Bei Reis hingegen hat es auch während der Dürre keine großen Preisschwankungen gegeben (Anfragebeantwortung Mogadischu 11.05.2018, S. 16).

In Mogadischu sind 28% der Bevölkerung arbeitssuchend. 6% der Jugendlichen sind arbeitssuchend (Anfragebeantwortung Mogadischu 11.05.2018, S. 19). Es gibt in Mogadischu bessere Job-Aussichten als in den meisten anderen Teilen Somalias, auch für Jugendliche ohne Bildung und Arbeitserfahrung. Während in Somalia die meisten Menschen in der Landwirtschaft arbeiten, arbeiten in Mogadischu die meisten Menschen im Handel bzw. im Dienstleistungssektor oder in höheren bildungsabhängigen Berufen (Anfragebeantwortung Mogadischu 11.05.2018, S. 21). Das Auswahlverfahren im Arbeitsleben basiert oft auf Clanbasis, gleichzeitig werden aber viele Arbeitsplätze an Rückkehrer aus der Diaspora vergeben. Es gibt auch Beschäftigungsmöglichkeiten, die von vielen Somaliern nicht in Anspruch genommen werden, da diese Arbeit als minderwertig erachtet wird, z.B. Friseur, Kellner oder Reinigungsarbeiten (Anfragebeantwortung Mogadischu 11.05.2018, S. 22).

Die somalische Wirtschaft zeigt eine positive Entwicklung. Die Schaffung an Arbeitsplätzen bleibt jedoch unter den Bedürfnissen. Trotzdem gibt es in Mogadischu aufgrund des wirtschaftlichen Aufschwungs zahlreiche Möglichkeiten. Das Durchschnittseinkommen für Jugendliche beträgt 190 USD im Monat. In Mogadischu beträgt das Durchschnittseinkommen 360 USD im Monat. Fast 10% der Jugendlichen in Mogadischu verdienen mehr als 400 USD im Monat (Anfragebeantwortung Mogadischu 11.05.2018, S. 23-24).

Mogadischu ist über einen internationalen Flughafen sicher erreichbar (LIB 17.09.2018, S. 144).

Mogadischu verfügt über einige Gesundheitseinrichtungen, Spitäler und Kliniken. Die medizinische Versorgung in Somalia ist mangelhaft, diese ist in Somaliland und Mogadischu am besten. In Mogadischu wurden seit 2014 einige Gesundheitseinrichtungen, Spitäler und Kliniken neu eingerichtet. In Somalia gibt es fünf Zentren zur Betreuung psychischer Erkrankungen. Diese befinden sich in Berbera, Bossaso, Garoowe, Hargeysa und Mogadischu. Allerdings arbeiten insgesamt nur drei Psychiater an diesen Einrichtungen (LIB 17.09.2018, S. 138).

Al-Shabaab:

Ziel der Al Shabaab ist es, die somalische Regierung und ihre Alliierten aus Somalia zu vertreiben und in Groß-Somalia ein islamisches Regime zu installieren. Außerdem verfolgt al Shabaab auch eine Agenda des globalen Dschihads und griff im Ausland Ziele an. Je höher der militärische Druck auf al Shabaab anwächst, je weniger Gebiete sie effektiv kontrollieren, desto mehr verlegt sich die Gruppe auf asymmetrische Kriegsführung (Entführungen, Anschläge, Checkpoints) und auf Drohungen. Dabei ist auch die Al Shabaab in ihrer Entscheidungsfindung nicht völlig frei. Die Gruppe unterliegt durch die zahlreichen Verbindungen z.B. zu lokalen Clan-Ältesten auch gewissen Einschränkungen (LIB 17.09.2018, S. 49).

Zwangsrekrutierung:

Die Al Shabaab ist insgesamt professionell, gut organisiert und ausgerüstet. Um eine derartige Organisation aufrecht zu erhalten, kann man sich nicht nur auf Zwangsrekrutierung verlassen. Zwangsrekrutierung entspricht daher nicht dem "modus operandi" der Al Shabaab. Eine zu hohe Anzahl an Kämpfern die gegen ihren Willen eingesetzt werden, schwächen die Organisation. Zwangsrekruten passen nicht ins System. Rekruten werden üblicherweise für vier Monate in einem Lager ausgebildet, jeder, der sich im Verlauf der Ausbildung als untauglich erweist, wird von der Al Shabaab nach Hause geschickt. Nur wenn es Umstände und taktische Gründe erforderlich machen, werden Rekruten zwangsweise ausgebildet, z.B. wenn an einem Ort aus taktischen Gründen rasch und dringend einige Rekruten gebraucht werden (Fact Finding Mission Report Somalia - FFM August 2017, S. 49).

Druck wird hingegen oft ausgeübt, wobei dieser Druck wesentlich stärker als jeder Zwang ist. Die Al Shabaab verbreiten die Botschaft, dass Menschen in Süd- und Zentralsomalia in einer Konfliktzone leben und bewaffneten Gruppen ausgeliefert seien. Diese Nachricht richtet sich speziell an schwache Clans. Die Möglichkeit einer Rekrutierung hängt davon ab, ob das betroffene Gebiet unter Kontrolle der Al Shabaab steht. Dort erfolgt die Anwerbung in Schulen oder generell unter Jugendlichen (FFM August 2017, S. 51). Es erfolgt die Rekrutierung auch über die Clans. Al Shabaab schließt mit Clans Übereinkommen, in denen vereinbart wird, dass der Clan eine gewisse Anzahl an Rekruten stellt. Schwächere Clans erwarten sich von der Al Shabaab Unterstützung, Al Shabaab wird von manchen Minderheiten als Beschützer angesehen. Bei benachteiligten Clans werden vermehrt Kämpfer angeworben. Es besteht bei schwachen Clans ein höherer Anreiz der Al Shabaab beizutreten (FFM August 2017, S. 52).

Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates:

Staatlicher Schutz ist in Gebieten der al Shabaab nicht verfügbar (LIB 17.09.2018, S. 50). In Mogadischu und anderen urbanen Gebieten unter Kontrolle der Regierung und ihrer Alliierten können die Behörden schutzwillig sein, jedoch sind sie meist nicht in der Lage, einen effektiven Schutz zu gewährleisten. Dies kann der strukturellen Schwäche der Sicherheitskräfte, dem Mangel an Ressourcen, Ausbildung und Ausrüstung, schwachen Kommandostrukturen, der Korruption und der Straflosigkeit für schwerste Verbrechen angelastet werden (LIB 17.09.2018, S. 65).

Clanstruktur:

Die Zugehörigkeit zu einem Clan ist der wichtigste identitätsstiftende Faktor für Somalier. Sie bestimmt, wo jemand lebt, arbeitet und geschützt wird. Dieses Identifikationsmerkmal bestimmt, welche Position eine Person oder Gruppe im politischen Diskurs oder auch in bewaffneten Auseinandersetzungen einnimmt. Darum kennen Somalier üblicherweise ihre exakte Position im Clansystem. Allerdings gibt es keine physischen Charakteristika, welche die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Clan erkennen ließen. Daher wissen die Menschen in Mogadischu und anderen großen Städten nicht automatisch, welchem Clan eine andere Person angehört (LIB 17.09.2018 - S. 94).

Dabei gelten als "noble" Clanfamilien die traditionell nomadischen Hawiye, Darod, Dir und Isaaq sowie die sesshaften Digil und Mirifle/Rahanweyn. Es ist nicht möglich, die genauen Zahlenverhältnisse der einzelnen Clans anzugeben. Hawiye, Darod, Isaaq und Digil/Mirifle stellen wohl je 20-25% der Gesamtbevölkerung, die Dir deutlich weniger. Als Minderheiten werden jene Gruppen bezeichnet, die aufgrund ihrer geringeren Anzahl schwächer als die "noblen" Mehrheitsclans sind. Dazu gehören Gruppen mit nichtsomalischer ethnischer Abstammung; Gruppen, die traditionell als unrein angesehene Berufe ausüben (LIB 17.09.2018 - S. 94 f).

Die Clanfamilien unterteilen sich weiter in die Ebenen der Clans, Sub(sub)clans, Lineages und die aus gesellschaftlicher Sicht bei den nomadischen Clans wichtigste Ebene, die sogenannte Mag/Diya (Blutgeld/Kompensation) zahlenden Gruppe (Jilib), die für Vergehen Einzelner gegen das traditionelle Gesetz (xeer) Verantwortung übernimmt (Focus Somalia Clans und Minderheiten vom 31.05.2017 -Beilage ./IV, S. 8 f; LIB 17.09.2018 - S. 58).

Clanschutz bedeutet für eine Einzelperson die Möglichkeit vom eigenen Clan gegenüber einem Aggressor von außerhalb des Clans geschützt zu werden. Die Rechte einer Gruppe werden durch Gewalt oder die Androhung von Gewalt geschützt. Ein Jilib oder Clan muss in der Lage sein, Kompensation zu zahlen - oder zu kämpfen. Schutz und Verletzlichkeit einer Einzelperson sind deshalb eng verbunden mit der Macht ihres Clans. Die Mitglieder eines Jilib sind verpflichtet, einander bei politischen und rechtlichen Verpflichtungen zu unterstützen, die im Xeer-Vertrag festgelegt sind - insbesondere bei Kompensations-zahlungen (Mag/Diya). Generell - aber nicht überall - funktioniert Clanschutz besser als der Schutz durch Staat oder Polizei. Dementsprechend wenden sich viele Menschen bei Gewaltverbrechen eher an den Clan als an die Polizei. (LIB Somalia 17.09.2018 - S. 57 f).

Midgan (Gaboye, Madhiban)

Die berufsständischen Gruppen stehen auf der untersten Stufe der sozialen Hierarchie der somalischen Gesellschaft. Sie unterscheiden sich in ethnischer, sprachlicher und kultureller Hinsicht nicht von der Mehrheitsbevölkerung, sind aber traditionell in Berufen tätig, die von den Mehrheitsclans als "unrein" oder "unehrenhaft" angesehen werden. Diese Berufe und andere ihrer Praktiken (z.B. Fleischverzehr) gelten darüber hinaus als unislamisch (Beilage ./IV, S. 14).

Die Clans der berufsständischen Gruppen sind gleich strukturiert wie die Mehrheitsclans, mit dem einzigen Unterschied, dass sie ihre Abstammung nicht auf die Gründerväter Samaale bzw. Saab zurückverfolgen können, sondern "nur" auf den "Vater" ihres Clans. Gleich wie die Mehrheitsclans haben das Aufzählen der Väter (Abtirsiimo) und die Zugehörigkeit zu einem Clan eine große Bedeutung (Beilage ./IV, S. 15 f).

Für die Berufsgruppen gibt es zahlreiche somalische Bezeichnungen, bei denen regionale Unterschiede bestehen. Häufig genannt werden Waable, Sab, Madhibaan und Boon. Die landesweit geläufige Bezeichnung Midgaan ist negativ konnotiert (er bedeutet "unberührbar" oder "ausgestoßen") und wird von den Berufsgruppen-Angehörigen als Beleidigung empfunden; sie bevorzugen Begriffe wie Madhibaan oder Gabooye. Der Ausdruck Gabooye wird besonders im Norden des somalischen Kulturraums als Dachbegriff benutzt. Der Begriff umfasst nicht alle Berufsgruppen, aber zumindest vier untereinander nicht verwandte Clans berufsständischer Gruppen: Tumaal, Madhibaan, Muse Dheriyo und Yibir. Der Begriff Gabooye kann auch als Begriff für einen eigenen Clan der berufsständischen Gruppen unter vielen gebraucht werden. Ursprünglich bezeichnete Gabooye nur einen Clan aus dem Süden, dessen Angehörige sich als Jäger betätigten. Madhibaan sind ursprünglich Jäger, heute aber als Färber, Gerber, Schuhmacher und in anderen Berufen tätig. Sie leben im ganzen somalischen Kulturraum (Beilage ./IV, S. 16 f).

Aufgrund der großen sozialen, wirtschaftlichen und politischen Bedeutung der Clans ist es auch heute für Somalier im somalischen Kulturraum essentiell und in der Diaspora zumindest nicht irrelevant, sich in diesem System verorten zu können (Beilage ./IV, S. 20). Jüngere Somalier im urbanen Raum oder in der Diaspora sind heute häufig nur noch in der Lage, ihre Clanzugehörigkeit bis zur Stufe Sub-Clan sowie vier oder fünf Generationen im Abtirsiimo (Abstammungslinie) aufzuzählen. Es kommt aber selbst bei jungen Somalier in der Diaspora nicht vor, dass sie gar keine Ahnung von ihrem Clan und ihrem Abtirsiimo haben. Sogar wenn sie sich für das Clansystem nicht interessieren, können sie zumindest ihren Clan und Sub-Clan sowie den Abtirsiimo bis zum Urgroßvater nennen. Fast alle Somalier kennen zumindest ihren Clan-Ältesten (Beilage ./IV, S. 24).

Aufgrund der wahrgenommenen Bevorzugung der berufsständischen Gruppen im Asylverfahren in westlichen Staaten sind andere Somalier dazu übergegangen, sich als Angehörige von Berufsgruppen auszugeben. Da andere Somalier aber im Durchschnitt gebildeter sind als die Angehörigen berufsständischer Gruppen, sind sie in der Lage, sich mehr Wissen über die berufsständischen Gruppen anzueignen, als diese selbst haben (Beilage ./IV, S. 25).

Angehörige ethnischer Minderheiten und berufsständischer Gruppen werden in der somalischen Gesellschaft häufig diskriminiert bzw. marginalisiert. Das Ausmaß der Diskriminierung hängt dabei von der Gruppenzugehörigkeit ab. Berufsständische Gruppen werden stärker marginalisiert als ethnische Minderheiten, aber innerhalb beider Kategorien gibt es ebenfalls große Unterschiede. Heute hat sich die Situation für die Gabooye im Vergleich zurzeit um die Jahrtausendwende, als sie nicht einmal normal die Schule besuchen konnten, gebessert. Es gibt keine gezielten Angriffe oder Misshandlungen hinsichtlich der Gabooye. Weder das traditionelle Recht noch Polizei und Justiz benachteiligen Minderheiten systematisch. Faktoren wie die Finanzkraft, das Bildungsniveau oder die zahlenmäßige Größe einer Gruppe können Minderheiten dennoch den Zugang zur Justiz erschweren (LIB 17.09.2018 - S. 98 f; Beilage ./IV, S. 38 f). Teils sind Polizei und Justiz bestechlich. Dadurch werden wirtschaftlich weniger potente Gruppen tendenziell benachteiligt. Aufgrund ihrer wirtschaftlichen Schwäche trifft dieser Umstand auch die Minderheiten. Dies hängt aber nicht mit ihrem Stigma zusammen, sondern mit der schwächeren Finanzkraft und der geringeren Anzahl (Beilage ./IV, S. 41).

Non Gouvernement Organisations (NGO)

Im gesamten somalischen Kulturraum bestehen zahlreiche internationale Organisationen und Nichtregierungsorganisationen, die sich um die Belange verletzlicher Personen kümmern. Dazu gehören u. a. Binnenvertriebene, Frauen, Kinder und andere sozial benachteiligte Gruppen. Zahlreiche lokale und internationale Menschenrechtsgruppen sind in jenen Gebieten Süd-/Zentralsomalias und Puntlands, die sich nicht unter der Kontrolle der al Shabaab befinden, aktiv. Sie untersuchen Vorfälle, veröffentlichen Ergebnisse und werden möglicherweise politisch gebilligt und gefördert. Die Regierung ist hinsichtlich der Ergebnisse einigermaßen kooperativ und reagiert auf Vorwürfe (LIB 17.09.2018, S. 72).

Allerdings die Bewegungsfreiheit von Organisationen in Süd-/Zentralsomalia durch Sicherheitserwägungen eingeschränkt. Al Shabaab verbietet den meisten internationalen NGOs, ihrer Arbeit nachzugehen. Außerdem kommt es zur Belästigung von NGOs seitens der Regierung sowie zu Repressionen durch staatliche Sicherheitsorgane, die auf eigene Faust und im eigenen Interesse agieren (LIB 17.09.2018, S. 72).

Gezielte Angriffe auf humanitäre Organisationen gibt es weiterhin. Alleine in den ersten sieben Monaten des Jahres 2016 waren humanitäre Organisationen von 90 sicherheitsrelevanten Zwischenfällen betroffen. Dabei wurden sieben Mitarbeiter getötet und acht weitere verletzt. Außerdem wurden zehn Mitarbeiter verhaftet und drei weitere entführt. Das Umfeld für humanitäre Kräfte bleibt gefährlich, es gab sogar eine Steigerung bei Angriffen auf diese Personengruppe durch nicht-staatliche bewaffnete Kräfte. Al Shabaab entführt gezielt humanitäre Kräfte. Davon waren 2017 bis Mitte September 27 Personen betroffen, von denen sich im November 2017 sechs Personen noch in der Gewalt der Gruppe befanden. Insgesamt ist der Anstieg an Gewalt gegen diese Personengruppe auch damit zu erklären, dass aufgrund der Dürre deren Aktivitäten massiv verstärkt worden sind (LIB 17.09.2018, S. 72).

Korruption

Somalia war im Jahr 2016 laut Transparency International zum wiederholten Male das korrupteste Land der Welt (Platz 176). Trotz einiger kleiner Fortschritte bei der öffentlichen Finanzgebarung ist es den Bundesbehörden weiterhin nicht möglich, der weit verbreiteten Korruption entgegenzutreten. Regierungsbedienstete und -Offizielle beteiligen sich häufig an Korruption. Es gibt zwar ein Gesetz gegen Korruption in der Verwaltung, dieses wird aber nicht effektiv angewendet. Auch das Justizsystem ist von Korruption durchdrungen (LIB 17.09.2018, S. 71).

Rückkehrer:

Der Jilib [Anm.: in etwa die unterste Ebene des Clansystems] ist u. a. dafür verantwortlich, Mitglieder in schwierigen finanziellen Situationen zu unterstützen. Das traditionelle Recht (xeer) bildet hier ein soziales Sicherungsnetz, eine Art der Sozial- und Unfallversicherung. Wenn eine Person Unterstützung braucht, dann wendet sie sich an den Jilib oder - je nach Ausmaß - an untere Ebenen (z.B. Großfamilie). Daher gilt als allgemeine Regel, dass Somali auch sehr entfernt Verwandte, die aus einer anderen Gegend kommen, unterstützen werden, da eine Clan-Verbindung besteht. Voraussetzung dafür ist, dass die Kapazitäten dafür zur Verfügung stehen. Beide - Familie (auch die erweiterten und entfernt verwandten Teile) und Clan - bleiben einer der wichtigsten Faktoren, wenn es um Akzeptanz, Sicherheit und Grundbedürfnisse (Unterkunft, Nahrung) geht (LIB 17.09.2018, S. 135).

Eine erfolgreiche Rückkehr und Reintegration hängt in erheblichem Maße von der Clanzugehörigkeit bzw. von lokalen Beziehungen der rückkehrenden Person ab. Rückkehrer ohne Clan- oder Familienverbindungen am konkreten Ort der Rückkehr finden sich ohne Schutz in einer Umgebung wieder, in der sie oftmals als Fremde angesehen werden, vor allem wenn sie aus dem Westen zurückkehren. Zur Klärung, welche Mittel eine Person bei einer Rückkehr nach Mogadischu zur Verfügung hat, sind folgende Punkte zu berücksichtigen: Die Lebensumstände der Person vor der Abreise aus Mogadischu; die Dauer der Abwesenheit aus der Stadt; die Clan-Verbindungen, auf welche zurückgegriffen werden kann; der Zugang zu finanziellen Ressourcen; die Möglichkeiten der Person, sich durch Arbeit oder Selbständigkeit einen Lebensunterhalt zu finanzieren; die Verfügbarkeit von Remissen aus dem Ausland; die Lebensumstände der Person im Gastland; und die Frage, ob die Finanzierung der Reise in den Westen einer finanziellen Unterstützung bei der Rückkehr entgegensteht. Rückkehrer (v.a. aus dem Westen) haben bei der Arbeitssuche in Mogadischu Vorteile, da sie eher gebildet sind und als einfallsreicher erachtet werden. Dies gilt noch mehr, wenn der Arbeitgeber selbst ein aus der Diaspora Zurückgekehrter ist (LIB 17.09.2018, S. 136).

Allein die Tatsache, dass eine Person nach Somalia zurückkehrt, macht diese nicht zum Ziel - auch nicht für die Al Shabaab. Rückkehrern in Gebiete der Al Shabaab könnte vorgeworfen werden, als Spione zu dienen. Ob ein Rückkehrer zum Ziel der Al Shabaab wird, hängt maßgeblich von seinem eigenen Verhalten ab. Alleine die Tatsache, dass eine Person aus dem Westen zurückgekehrt ist, spielt bei einer Rückkehr in das Gebiet der Al Shabaab keine Rolle. Viel wichtiger sind die Zugehörigkeit zu Familie und Clan und die Beziehungen dieser beiden Entitäten zur Al Shabaab. Es kann auch vorkommen, dass Rückkehrer von Regierungskräften verdächtigt werden, da es in der Vergangenheit immer wieder zu Anschlägen von im Westen radikalisierten Somali der Diaspora gekommen ist (LIB 17.09.2018, S. 143).

In Somalia und auch in Mogadischu sind unzählige humanitäre Organisationen aktiv. Alleine im Bereich "Child Protection" sind es in ganz Somalia zwei Regierungsorganisationen, drei UN-Agenturen, sieben internationale NGOs und 49 nationale NGOs. In Mogadischu sind in diesem Bereich 21 Organisationen aktiv. In Mogadischu gibt es verschiedene aktive Organisationen, die im Bereich Camp Coordination and Camp Management, Bildung, Sicherheit der Nahrungsmittelversorgung, Gesundheit, Ernährung, Schutz, Unterkunft sowie Wasser, Sanitäres und Hygiene tätig sind. Auf allen diesen Feldern wird Hilfe und Unterstützung gegeben. Dies betrifft insbesondere die Versorgung mit sicherem Trinkwasser, die Verteilung von Gutscheinen (v.a. elektronisch über Mobilfunk), den Latrinenbau, das Angebot von Grundschulausbildung, Ernährungsprogramme sowie die Unterstützung von Gesundheitseinrichtungen. Es gibt auch spezielle Programme für Rückkehrer (v.a. aus Kenia und dem Jemen). Hier werden Rückkehr-Packages vergeben und außerdem eine finanzielle Rückkehrhilfe für sechs Monate gewährt. Außerdem gibt es für Rückkehrer organisierte Berufsausbildungskurse, wirtschaftliche Starthilfe (z.B. in Form einer Eselkarre) oder Berufsberatung. Üblicherweise haben Rückkehrer nach Mogadischu einen guten Zugang zu Geld- oder sonstiger Hilfe von Hilfsagenturen (Anfragebeantwortung Mogadischu 11.05.2018, S. 1f).

Im Zeitraum Dezember 2014 bis März 2018 sind 81.000 Somalier aus der Region Ostafrika nach Somalia repatriiert worden. Die Rückkehrentscheidung erfolgte bei diesen Personen freiwillig und UNHCR unterstützt diese Rückkehrer mit Rückkehr- und Reintegrationshilfe. Zusätzlich sind rund 35.000 Personen spontan aus dem Jemen nach Somalia zurückgekehrt. Die meisten Rückkehrer kommen aus Kenia und dem Jemen, einige auch aus Libyen. Jeder Rückkehrer-Haushalt erhält ein oder - abhängig von der Haushaltsgröße - mehrere Packages mit Core-Relief-Items oder aber dem Äquivalent in Bargeld. Außerdem gibt es für Rückkehrer organisierte Berufsausbildungskurse, wirtschaftliche Starthilfe (z.B. in Form einer Eselkarre) oder Berufsberatung (Anfragebeantwortung Mogadischu 11.05.2018, S. 8).

Bewegungsfreiheit:

Ein Risiko ergibt sich primär aus den zu erwartenden Straßensperren. Die Wahrscheinlichkeit, auf eine Straßensperre der Regierungskräfte oder der Al Shabaab zu stoßen, ist immer noch hoch. An Straßensperren kann es zu Gewalt, Bedrohung und Plünderung kommen. Straßensperren werden durch somalische Sicherheitskräfte, Clan-Milizen, Al Shabaab und Banditen betrieben (LIB 17.09.2018, S. 116).

Das Hauptrisiko an Straßensperren der Regierungskräfte und der Al Shabaab ist es, als zum Feind gehörig verdächtigt zu werden. Kontrollpunkte der Al Shabaab können entlang der meisten Routen spontan eingerichtet werden, es gibt auch permanente Kontrollpunkte. Alleine die Tatsache, dass jemand in einem westlichen Land gewesen ist, stellt im Kontext mit Al Shabaab an solchen Straßensperren kein Problem dar. Allerdings ruft westliches Verhalten oder westliche Kleidungsart Sanktionen hervor. Zu befürchten haben an Straßensperren der Al Shabaab jene Personen etwas, die mit der Regierung in Verbindung gebracht werden. Diese Personengruppe riskiert, getötet zu werden. Aufgrund der eingeschränkten Ressourcen von Al Shabaab sind hier höherrangige ("high profile") Personen eher gefährdet. Außerdem kann es Personen treffen, die von Al Shabaab - etwa wegen des Mitführens von bestimmten Objekten (Smartphones, Regierungsdokumente, Symbole, die mit der Regierung assoziiert werden etc.) - als mit der Regierung in Zusammenhang stehend oder als Spione verdächtigt werden. Die Wahrscheinlichkeit, umgehend getötet zu werden, ist dort höher, wo Al Shabaab keine volle Kontrolle hat. In den Gebieten unter Kontrolle der Al Shabaab werden Verdächtige in der Regel verhaftet und vor Gericht gestellt. Auch dies hat - bei einem Schuldspruch - den Tod zur Folge (LIB 17.09.2018, S. 116 f).

Dürrekatastrophe und Hungersnot:

Vier aufeinanderfolgende Regenzeiten sind ausgefallen. Diese Dürre hat nahezu zu einem Gesamtausfall der Ernte geführt und zur Reduzierung der Arbeitsmöglichkeiten in ländlichen Gebieten beigetragen. Die Dürre hat zu Engpässen bei Wasser und Weideland geführt - und in der Folge zur Verendung von Viehbestand. Rund 60% des Viehbestands wurde vernichtet, wobei die Viehzucht das Haupteinkommen großer Bevölkerungsteile darstellt (LIB 17.09.2018, S. 127).

Nach den überdurchschnittlichen Gu-Regenfällen 2018 wird die Getreideernte die größten Erträge seit 2010 einbringen. Die Lage bei der Nahrungsversorgung hat sich zunächst weiter verbessert, dies gilt auch für Einkommensmöglichkeiten und Marktbedingungen. Die Preise für unterschiedliche Grundnahrungsmittel haben sich in Mogadischu gegenüber dem Vorjahr drastisch verbilligt und liegen nunmehr unter dem Fünfjahresmittel. Insgesamt hat sich die Ernährungssituation verbessert, auch wenn es im ganzen Land noch eine hohe Rate an Unterernährung gibt - speziell unter IDPs (LIB 17.09.2018, S. 6).

Nach den unterdurchschnittlichen Regenfällen in der Deyr-Regenzeit 2018 (Oktober bis Dezember) fielen auch die Regenfälle der Gu-Regenzeit (April bis Juni 2019) ebenfalls unterdurchschnittlich aus bzw. kam es teilweise zu sehr kurzen aber starken Regenfällen, die Überschwemmungen mit sich brachten. Davon waren besonders Nordsomalia und Puntland betroffen (Beilage ./VI).

Die Stadt Mogadischu wird weiterhin als IPC-2 Kategorie eingestuft, IDPs in dieser Stadt werden als IPC-3 Kategorie eingestuft (Beilage ./VII). IPC-Kategorie 2 wird wie folgt definiert: "Auch mit humanitärer Hilfe hat mindestens einer von fünf Haushalten in der Region Folgendes oder schlimmer: Sie haben gerade ausreichend Lebensmittel, können sich aber keine sonstigen Ausgaben leisten ohne unwiderrufliche Bewältigungsstrategien einschalten zu müssen - Even with humanitarian assistance at least one in five households in the area have the following or worse: Minimally adequate food consumption but are unable to afford some essential non-food expenditures without engaging in irreversible coping strategies".

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungs- und Gerichtsakt sowie durch Einvernahme des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung, durch Einvernahme eines Zeugen in der mündlichen Verhandlung und durch Einsichtnahme in die zum Akt genommenen Urkunden Beilage ./I bis ./X und ./A bis ./D (Konvolut Auszüge ZMR, GVS, Strafregister, Schengener Informationssystem, Beilage ./I; Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über Somalia vom 12.01.2018 mit Kurzinformation vom 17.09.2018, Beilage ./II; FFM Report, Sicherheitslage in Somalia, August 2017, Beilage ./III; Focus Somalia, Clans und Minderheiten vom 31.05.2017, Beilage ./IV; Anfragebeantwortung der Staatendokumentation Humanitäre Hilfe, Arbeitsmarkt, Versorgungslage in Mogadischu vom 11.05.2018, Beilage ./V; Humatinarian Bulletin von OCHA aus Juni 2019, Beilage ./VI; Bericht fews-net, Key-Message-Update, Somalia, vom 31.07.2019, Beilage ./VII; Bericht ACCORD Informationen zu einem Clan namens Geledi vom 20.04.2015, Beilage ./VIII; GENEALOGIECAL Tabelle von UNHCR vom 15.03.2014, Beilage ./IX; Auszug aus Google Maps über Afgooye, Beilage ./X; Empfehlungsschreiben vom 30.08.2019 samt Fotos, Beilage./A; Konvolut Fotos, Beilage./B;

Unterstützungserklärung vom 01.09.2019 Beilage./C;

Unterstützungserklärung undatiert Beilage./ D) durch Einsichtnahme in Satellitenaufnahmen der Stadt Afgooye über Google-maps in der mündlichen Verhandlung sowie durch Einsichtnahme in die mit Stellungnahmen vorgelegten Integrationsunterlagen und vorgelegten medizinischen Unterlagen (OZ 11, OZ 12).

Die einzelnen Feststellungen beruhen auf den jeweils in der Klammer angeführten Beweismitteln.

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Mit Schriftsatz vom 27.09.2019 (OZ 12) brachte der Beschwerdeführer vor er habe in der Einvernahme vor dem Bundesamt nicht alles vorbringen können und eine Zeugin könne diesbezüglich ihre Wahrnehmungen schildern. In der Verhandlung wurde dazu erörtert, dass nicht ersichtlich ist, was genau der Beschwerdeführer nicht habe vorbringen habe können, dass die Relevanz des Beweisantrages nicht ausgeführt ist und, dass der Beweisantrag zu unbestimmt ist. Der Beschwerdeführervertreter gab darauf an, dass der Beschwerdeführer eine Tochter habe, dies habe er beim Bundesamt jedoch nicht angegeben, da er nicht danach gefragt worden sei. Der Beschwerdeführervertreter wurde gefragt, ob er den Beweisantrag konkretisieren und richtigstellen möge, was jedoch verneint wurde. Der Beweisantrag wurde daraufhin abgewiesen.

Dem Protokoll beim Bundesamt ist tatsächlich zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer gefragt wurde, welche Angehörigen er in Somalia habe (AS 73). Bereits hier hätte der Beschwerdeführer eine Tochter angeben können. Der Beschwerdeführer wurde zudem mehrfach gefragt ob er alle Fluchtgründe angegeben habe oder ob er noch etwas ergänzen möchte (AS 75). Es ist für das Gericht daher nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer nun kurz vor der mündlichen Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht angibt, beim Bundesamt nicht in der Lage gewesen zu sein alles für ihn relevante vorzubringen. Tatsächlich ist dem Schreiben der beantragten Zeugin zu entnehmen, dass sich diese gegen die Beweiswürdigung des Bundesamtes wehren möchte ("Die in diesem Interview teilweise angefragten Themenbereiche und dadurch enthaltenen Antworten empfinde ich als die negativste Interpretation."). Es war daher von der Einvernahme der Zeugin Abstand zu nehmen.

Sofern der Beschwerdeführer angab er habe in der Erstbefragung bereits angegeben von der Al Shabaab verfolgt worden zu sein, dies sei jedoch nicht aufgeschrieben worden, so ist das nicht glaubhaft und nicht nachvollziehbar. Der Beschwerdeführer gab selber an eine Rückübersetzung der Erstbefragung erhalten zu haben und, dass er den Dolmetscher gut verstanden habe (OZ 13, S. 6). Das Erstbefragungsprotokoll wurde vom Beschwerdeführer auch unterschrieben.

Das Gericht geht daher davon aus, dass sowohl das Protokoll der Erstbefragung als auch das Protokoll über die Einvernahme beim Bundesamt den tatsächlichen Einvernahmeinhalt abbilden. Diese werden daher auch der Beweiswürdigung zugrunde gelegt.

2.1.1. Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor dem Bundesamt, in der Beschwerde und vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers gelten ausschließlich zur Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, seiner Religions-zugehörigkeit, seiner Muttersprache und seinen weiteren Sprachkenntnissen sowie zum Zeitpunkt seiner Ausreise aus Somalia gründen sich auf seinen diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren im Wesentlichen gleich gebliebenen Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.

Die tatsächliche Clanzugehörigkeit des Beschwerdeführers konnte jedoch nicht festgestellt werden. Der Beschwerdeführer gab in der Erstbefragung an, dass er zum Clan der Gabooye gehören würde (AS 1). Beim Bundesamt gab der Beschwerdeführer an, dass er zum Clan der Gabooye, Sub-Clan XXXX sowie zum Sub-Sub-Clan der XXXX gehören würde (As 73). In der mündlichen Verhandlung gab der Beschwerdeführer zunächst an, dass er dem Clan der Madhiban, dem Subclan XXXX und dem Sub-Sub-Clan XXXX angehören würde. Darauf hingewiesen, dass er den Clan der Gabooye in der mündlichen Verhandlung nicht angegeben habe, sagte der Beschwerdeführer, dass sein Clan tatsächlich der Clan der Gabooye sei, Madhiban sei sein Sub-Clan, er habe angenommen, dass er bei seiner Aufzählung mit dem Sub-Clan beginnen solle. Die Zugehörigkeit zum Clan hat auch heute noch für Somalier große soziale, wirtschaftliche und politische Bedeutung. Die Clanzugehörigkeit ist auch heute für Somalier im somalischen Kulturraum essentiell und selbst in der Diaspora ist es zumindest nicht irrelevant, sich in diesem System verorten zu können (Beilage ./IV, S. 20). Es ist daher nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer seine Clanzugehörigkeit nicht stringent hat angeben können. Es ist nicht plausibel, weshalb der Beschwerdeführer zweimal den Begriff Gabooye und einmal den Begriff Madhiban für seine Volksgruppe verwenden soll.

Für die berufsständischen Gruppen gibt es zahlreiche somalische Bezeichnungen, bei denen regionale Unterschiede bestehen. Häufig genannt werden Waable, Sab, Madhibaan und Boon. Zur Regierungszeit von Präsident Siyaad Barre (1969-1991) nannte man sie Dan Wadaag. Die landesweit geläufige Bezeichnung Midgaan ist negativ konnotiert (er bedeutet "unberührbar" oder "ausgestoßen") und wird von den Berufsgruppen-Angehörigen als Beleidigung empfunden; sie bevorzugen Begriffe wie Madhibaan oder Gabooye. Im Süden werden die berufsständischen Gruppen allgemein als Gacan Walaal bezeichnet. Der Ausdruck Gabooye wird besonders im Norden des somalischen Kulturraums (Somali-land, äthiopischer Regionalstaat Somali) als Dachbegriff benutzt. Nach Angaben der meisten Gesprächspartner der Fact-Finding Mission umfasst er nicht alle Berufsgruppen, aber zumindest vier untereinander nicht verwandte Clans berufsständischer Gruppen: Tumaal, Madhibaan, Muse Dheriyo und Yibir. Andere Gesprächspartner nannten eine davon abweichende Zusammensetzung, u. a. auch, dass die Gabooye ein Clan der berufsständischen Gruppen unter vielen seien. Ursprünglich bezeichnete Gabooye nur einen Clan aus dem Süden, dessen Angehörige sich als Jäger betätigten. In den 1990er Jahren kamen aber verschiedene berufsständische Gruppen insbesondere im Norden überein, die Bezeichnung als Dachbegriff ("umbrella") zu nutzen (Beilage ./IV, S. 16). Es kann daher auch auf Grund dieser Länderinformationen nicht davon ausgegangen werden, dass Madhiban ein Synonym für Gabooye sei. Madhiban und Gabooye sind zudem phonetisch sehr unterschiedlich. Es ist daher nicht plausibel, dass der Beschwerdeführer nur einmal die Madhiban als Sub-Clan angibt und vermeint er habe gedacht, er solle bei seinen Clanangaben mit dem Sub-Clan beginnen. Den "Sub-Clan der Madhiban" hat der Beschwerdeführer bei der Einvernahme durch das Bundesamt überhaupt nicht angegeben. Die Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Volksgruppe sind nicht plausibel.

Zudem ist den Länderberichten zu entnehmen, dass lediglich 1-5% der Bevölkerung den berufsständigen Gruppen angehören. Diese werden sozial stigmatisiert und diskriminiert (Beilage ./IV, S. 15; S. 38). Berufsgruppen unterscheiden sich von den anderen Clans besonders durch ihre wirtschaftliche bzw. finanzielle Schwäche, jedoch weder durch die Sprache noch durch ihre Abstammung (Beilage ./IV, S. 41, S. 11). Heute hat sich die Situation für die Gabooye im Vergleich zur Zeit um die Jahrtausendwende, als sie nicht einmal normal die Schule besuchen konnten, gebessert (Beilage ./IV, S. 38). Der Beschwerdeführer hat jedoch zur Jahrtausendwende, nämlich von 1998 bis 2010 (OZ 13, S. 11) eine normale Schule besuchen können. Diesbezüglich hat der Beschwerdeführer keine konkreten Vorfälle oder Probleme genannt. Der Beschwerdeführer gab zu Problemen betreffend seine Clanzugehörigkeit nur ausweichend an, dass seinem Vater ein Grundstück weggenommen worden sei wegen der Clanzugehörigkeit. Eigene konkrete Vorfälle nannte der Beschwerdeführer jedoch nicht (OZ 13, S. 25), sodass seine Angaben zu seinem Clan nicht plausibel sind.

Auch konnte der Beschwerdeführer einen sehr hohen Betrag für seine Flucht aufbringen, nämlich ca. 9.200 USD (AS 9). Angehörige von Minderheitenclans sind jedoch besonders durch ihre wirtschaftliche Schwäche bzw. ihre schwache Finanzkraft gekennzeichnet (Beilage ./IV, S. 41). Es ist auch nicht plausibel, wie sich der Beschwerdeführer als Angehöriger der Berufsgruppe die Ausreisekosten habe leisten sollen.

Aufgrund der wahrgenommenen Bevorzugung der berufsständischen Gruppen im Asylverfahren in westlichen Staaten sind andere Somalier dazu übergegangen, sich als Angehörige von Berufsgruppen auszugeben (vgl. Punkt II.1.3.).

Der Beschwerdeführer konnte nicht glaubhaft darlegen ein Angehöriger der Madhiban, der Gabooye oder einer anderen Minderheit zu sein. Der Beschwerdeführer verschleiert seine tatsächliche Clanzugehörigkeit im Asylverfahren. Es kann nicht festgestellt werden welchem Clan der Beschwerdeführer tatsächlich angehört.

Da der Beschwerdeführer keinem Minderheitenclan, sondern einem Mehrheitsclan angehört, verfügt er in Somalia auch über Schutz durch seinen Clan.

Der Beschwerdeführer beantragte die Einholung eines länderkundlichen Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, dass er dem von ihm angegebenen Clan angehöre (AS 243). Festzuhalten ist, dass sich Angehörige der Berufsgruppen weder optisch noch durch ihre Sprache von anderen Clans unterscheiden, sodass betreffend die Glaubwürdigkeit und Schlüssigkeit einer Clanzugehörigkeit immer nur auf die Angaben eines Beschwerdeführers abzustellen ist. Aufgrund der Ergebnisse des Beweisverfahrens, nämlich der widersprüchlichen Angaben des Beschwerdeführers und der beigezogenen Länderberichte ergibt sich aus Sicht des Gerichts bereits ein hinreichend schlüssiges Gesamtbild, sodass im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu den getroffenen Feststellungen gelangt werden konnte (VwGH 21. 3. 1991, 90/09/0097; 19. 3. 1992, 91/09/0187; 16. 10. 1997, 96/06/0004; 13. 9. 2002, 99/12/0139; vgl auch VwGH 12. 3. 1991, 87/07/0054). Durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens war daher keine weitere Klärung des Sachverhalts zu erwarten, zumal ausführliche und aktuelle Länderberichte über Clans in Somalia vorliegen und auch dem Erkenntnis zugrunde gelegt wurden. Aus diesem Grund war der gegenständliche Antrag abzulehnen.

Die Feststellungen zur Einreise sowie das Datum der Antragstellung ergeben sich aus dem Akteninhalt.

2.1.2. Ebenso konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer jemals in Afgooye gelebt hat oder dort geboren wurde. Die Angaben des Beschwerdeführers zur Stadt Afgooye waren nicht nachvollziehbar und machten auch nicht den Eindruck als hätte der Beschwerdeführer jemals in Afgooye gelebt.

So gab der Beschwerdeführer beim Bundesamt an, dass der Nil durch Afgooye fließen würde (AS 67). Tatsächlich fließt jedoch der Shabelle durch Afgooye. Der Beschwerdeführer wurde während seiner 12jährigen Schulzeit auch im Fach Geografie unterrichtet, er gab auch an, dass er in Somalia das Internet genutzt habe, z.B. für Bewerbungen (OZ 13, S. 17), sodass davon auszugehen wäre, dass der Beschwerdeführer wissen muss, welcher Fluss tatsächlich durch Afgooye fließt. Dieser Fluss geht nämlich mitten durch die Stadt hindurch und teilt diese in zwei Hälften, sodass der Fluss allen Stadtbewohner bekannt ist. Die Angaben des Beschwerdeführers zum Fluss ("Der Nil kommt von Ägypten, geht in Äthiopien vorbei und in Somalia gibt es dann zwei Flüsse, weil sich der Nil teilt. Eine Richtung ist Lower Shabelle und die andere Richtung ist Lower Jubba, so hat man beide Flüsse, Jubba und Shabelle") sind nicht nachvollziehbar und nicht plausibel.

Auch die sonstigen Angaben zu seiner vermeintlichen Heimatstadt sind nicht nachvollziehbar, diese machen nicht den Eindruck, als hätte der Beschwerdeführer dort jemals gelebt. So machte der Beschwerdeführer beim Bundesamt folgende Angaben:

"F: Was wissen Sie über Afgooye?

A: Der Nil fließt durch Afgooye. Es gibt schöne Plantagen. Es gibt dort zwei Brücken.

F: Gibt es z.B. eine bekannte wichtige Veranstaltung in Afgooye, für welches Afgooye bekannt ist?

A: Nein.

F: Kennen Sie das Fest "Itunka" und können Sie angeben was bei diesem Fest gemacht wird?

A: Leute tanzen. Leute tragen traditionelle Kleidung.

Anm.: Das Fest Itunka in Afgooye ist bekannt da dort unter anderem Stockkämpfe durchgeführt werden." (AS 76)

Es ist nicht nachvollziehbar, dass dem Beschwerdeführer das Itunka-Fest nicht bekannt ist, wenn er tatsächlich in Afgooye gelebt hätte. Auch die Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung zu seinen Kenntnissen betreffend Afgooye waren vage und ohne lebensnahe Details. Diese machen nicht den Eindruck, als hätte der Beschwerdeführer tatsächlich dort gelebt:

"R: Können Sie mir Afgooye näher beschreiben?

BF: Afgooye ist für die Landwirtschaft bekannt, es gibt einen Fluss und zwei Brücken. Die Istunka finden dort statt. Das findet einmal im Jahr statt.

R: Was können Sie mir sonst noch über Afgooye sagen?

BF: Dort ist eine Moschee namens Afgooye Moschee. Es gibt eine Polizeistation. Es gab gestern einen Anschlag auf die Polizeistation." (OZ 13, S. 13)

Die vagen Angaben des Beschwerdeführers wirken nicht so, als würden diesen tatsächliche Erinnerungen, sondern Internetrecherche zugrunde liegen.

Der Beschwerdeführer gab in der Verhandlung zudem an, dass die zwei Brücken in Afgooye so nah beieinander wären, dass man sich wechselseitig auf den Brücken sehen und sich über Zurufe hören könne (OZ 13, S. 19). Der Beilage ./X sowie dem Satellitenbild auf Google-Maps ist jedoch zu entnehmen, dass die Brücken ca. 650 Meter auseinander liegen. Diese sind zudem durch eine Flusswindung getrennt. In der Blickachse der Brücke befinden sich mehrere Häuser, Sträucher und Bäume. Es ist daher nicht möglich sich gegenseitig zu sehen oder sich durch Rufe zu verständigen.

Das Gericht geht daher davon aus, dass der Beschwerdeführer tatsächlich noch nie in Afgooye gelebt hat und er dort auch nicht geboren wurde. Der Beschwerdeführer hat im Verfahren zwar Urkunden vorgelegt, denen zu entnehmen wäre, dass er in Afgooye gebore

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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