TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/24 W247 2184387-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.10.2019
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Entscheidungsdatum

24.10.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z5
FPG §53 Abs3 Z6

Spruch

W247 2184387-3/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HOFER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.06.2019, Zl. XXXX , nach Beschwerdevorentscheidung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.07.2019 und nach Stellung eines Vorlageantrages, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 57 AsylG 2005, sowie gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm §§ 9, 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG, und §§ 52 Abs. 1 Z 1 und Abs. 9, 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 5 und 6 FPG als unbegründet abgewiesen und die Beschwerdevorentscheidung vom 26.07.2019 bestätigt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Erster Antrag des BF auf internationalen Schutz in Österreich:

1.1. Der Beschwerdeführer (BF), ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, reiste im Jänner 2016 illegal von Deutschland kommend nach Österreich und stellte am 24.04.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Der Beschwerdeführer hatte in Deutschland bereits im Jahr 2009 einen Asylantrag gestellt, der abgewiesen wurde. Indem er nach Österreich illegal weitergereist war, entzog sich der Beschwerdeführer seiner Abschiebung von Deutschland.

1.2. Dieser Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: "BFA") vom 06.10.2016 gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 zurückgewiesen und die Zuständigkeit Deutschlands für den Antrag festgestellt (Spruchpunkt I.). Weiters wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Deutschland ausgewiesen (Spruchpunkt II.).

1.3. Am 06.10.2016 reiste der Beschwerdeführer freiwillig aus dem Bundesgebiet wieder aus.

2. Zweiter Antrag des BF auf internationalen Schutz in Österreich:

2.1. Der Beschwerdeführer reiste eigenen Angaben zufolge am 25.04.2017 erneut in das Bundesgebiet ein und brachte am selben Tag erneut einen Antrag auf internationalen Schutz ein.

2.2. Das BFA wies diesen Antrag auf internationalen Schutz sodann mit Bescheid vom 13.10.2017 bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 und § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.), bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg.cit (Spruchpunkt II.) ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG, erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und stellte gemäß § 52 Abs. 9 leg.cit. fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 FPG wurde ihm eine Frist von 14 Tagen zur freiwilligen Ausreise gewährt (Spruchpunkt IV.).

2.3. Die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (im Folgenden: "BVwG") vom 25.04.2018, Zl. W237 2184387-2/5E, gemäß § 28 Abs. 2 iVm § 33 Abs. 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen. Mit Beschluss des BVwG vom 26.04.2018, Zl. W237 2184387-1/7E, wurde die Beschwerde gemäß § 28 Abs.1 iVm § 7 Abs.4 VwGVG als verspätet zurückgewiesen.

2.4. Der Beschwerdeführer verblieb nach dieser Ausreiseverpflichtung unrechtmäßig im Bundesgebiet.

3. Gegenständliches Verfahren nach § 57 AsylG:

3.1. Im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 24.01.2019 gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen zusammengefasst an, dass er in Deutschland nie wieder einen Asylantrag oder sonstigen Antrag gestellt habe. Er habe hier in Österreich einen Antrag gestellt, weil er in Deutschland illegal gewesen sei. Man habe ihm gesagt, dass er abgeschoben werden sollte und das habe er nicht eingesehen. Schließlich sei er in Deutschland aufgewachsen, das sei seine zweite Heimat. Er sei nach Österreich geflüchtet, weil er Angst vor der Abschiebung gehabt habe. Er halte sich seit April 2017 durchgehend in Österreich auf. Er sei illegal eingereist, um hier einen Asylantrag zu stellen und legal hier zu leben. Seine Frau sei damals schwanger gewesen und er habe bei ihr sein wollen.

In Dagestan sei er zuletzt von Oktober 2016 bis April 2017 gewesen. Seit er wieder in Österreich wäre, sei er nicht mehr zurückgereist. Er sei ursprünglich nach Österreich gereist, da man ihn aus Deutschland abschieben habe wollen. Außerdem habe er seine Frau kennengelernt. Befragt, wie er seinen Lebensunterhalt bis zu seiner Inhaftierung gesichert habe, gab er an, dass er als Asylwerber ein bisschen Geld vom Staat bekommen habe. Ansonsten lebe er von den finanziellen Zuwendungen seiner Frau und seiner Schwiegermutter. Bis zu seiner Inhaftierung habe er bei seiner Frau und seiner Mutter gewohnt. Er habe in keinem anderen Land einen Aufenthaltstitel oder eine Aufenthaltsberechtigung.

Er habe in Dagestan die Grundschule bis zur 8. Klasse besucht. In Deutschland habe er dann die 7. Klasse begonnen und weitergemacht. Danach habe er einen 6-monatigen kaufmännischen Kurs absolviert, habe jedoch kein Zertifikat vorlegen können. Einkünfte, Ersparnisse und Vermögenswerte habe er nicht. In Dagestan habe er keinen festen Wohnsitz. Er sehe für sich keine Verdienstmöglichkeiten und Perspektiven im Herkunftsstaat.

In Russland lebe noch seine Großmutter. Er habe noch Tanten und weiter entfernte Verwandte dort, zu denen habe er keinen Kontakt. Befragt, ob er regelmäßigen Kontakt zu seinen Angehörigen in Russland habe, gab er an, dass er regelmäßig seine Cousine anrufe und auch hin und wieder mit Freunden telefoniere. Seine Mutter lebe in Deutschland und habe er ein paar Mal pro Monat per Telefon Kontakt mit dieser. Er sei seit XXXX standesamtlich verheiratet und habe eine Tochter. Seine Gattin bekomme die Mindestsicherung, seine Schwiegermutter arbeite als Krankenschwester. Seit seiner Inhaftierung habe er per Telefon Kontakt zu seiner Frau und seinem Kind. Seine Frau und seine Tochter würden ihn aktuell 2 bis 3 Mal im Monat besuchen. Als er in Wien inhaftiert gewesen sei, habe ihn seine Gattin mit der Tochter einmal pro Woche besucht. Nach Vorhalt, dass er in seiner Einvernahme am 26.07.2017 zu seinem erneuten Antrag auf internationalen Schutz angegeben habe, dass er seine jetzige Ehefrau bis zur vorgebrachten traditionell-islamischen Hochzeit am XXXX , für die er keine Belege vorlegen habe können, nicht gesehen habe und er noch im selben Jahr seine Gattin verlassen habe, indem er das Bundesgebiet am 06.10.2016 wieder freiwillig verlassen habe und erst am 25.04.2017 illegal wieder eingereist sei, gab er an, dass seine Frau bereits schwanger gewesen sei und nicht mitkommen habe können. Außerdem sei nicht geplant gewesen, dass er so lange dort bleibe. Deshalb habe er sie nicht mitgenommen. Seine Frau habe den Islam als ihre Religion angenommen, schon bevor sie sich kennengelernt hätten. Es gehe ihm und seiner Familie gesundheitlich sehr gut. Seine Tochter sei sehr lebendig und aktiv und gehe seit kurzem in den Kindergarten. Befragt, wie er seinen Alltag vor seiner Inhaftierung gestaltet habe, gab er an, dass er die meiste Zeit mit seiner Familie verbracht habe. Weitere Familienmitglieder würden nicht in Österreich leben, er sei auch nicht Mitglied eines Vereins und habe er keine zertifizierten Sprachkenntnisse in Deutsch. Er werde in seiner Heimat nicht strafrechtlich oder politisch verfolgt. Er ersuche darum, dass er nach seiner Haft mit seiner Familie frei in Österreich leben könne. Er bereue, was er getan habe. Bei Rückkehr befürchte der BF sofort verhaftet zu werden und zu seinen Verurteilungen in Österreich befragt und deswegen gefoltert, vielleicht sogar getötet zu werden.

3.2. In einer weiteren niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 30.04.2019 gab der Beschwerdeführer nach Vorhalt, dass gegen ihn bereits mit Bescheid vom 13.10.2017 eine Rückkehrentscheidung erlassen worden sei, ihm eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise gewährt worden sei und er dieser Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen sei, an, dass dies stimme. So lange er draußen gewesen wäre, habe er von einer Abschiebung nichts mitbekommen. Er habe erst später erfahren, dass er einen negativen Bescheid bekommen habe.

Nach Vorhalt seiner in Österreich begangenen Straftaten gab der Beschwerdeführer zusammenfassend an, dass er bezüglich der "Nötigungssache" (gemeint: Verurteilung wegen Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB, Anm.) nicht die Absicht gehabt habe, "ihn" zu nötigen. Er habe "ihn" bitten wollen und sei er provoziert worden. Der BF wisse nicht, warum er nicht einfach den Mund gehalten habe. Er habe "ihn" nicht berührt oder sonst etwas. Es tue ihm auch leid, er könne es jetzt leider auch nicht ändern. Die zweite Sache (gemeint:

Verurteilung nach §§ 278 b (2) StGB, § 278a Z. 1 StGB, Anm.) sei ein Riesenfehler gewesen. Es sei ein Fehler gewesen, diese Sachen auf seinem Handy zu haben und überhaupt in diesen Kreisen zu sein. Wenn der BF gewusst hätte, dass das solche Konsequenzen hätte, hätte er dies nicht gemacht. Er habe Kriegslieder auf Arabisch auf seinem Handy gehabt und wolle sich nicht herausreden. Er habe das nicht gehört, weil er daran glaube oder weil er daran teilnehmen wolle, sondern weil er Abwechslung gewollt habe. Er habe es nur an Leute geschickt, die es haben hätten wollen und habe nie jemanden zu etwas gezwungen. Er habe sich oft falsch ausgedrückt in seinem Leben und habe oft empfindliche Wörter gegen Leute verwendet, es sei aber nie ernst gewesen. Er habe auf alle Fälle aus seinen Fehlern gelernt und habe auch Besuch von einem Mann zur Deradikalisierung bekommen. Dieser habe gemerkt, dass er eigentlich nicht radikal sei. Der BF habe zurzeit andere Sorgen als die Abschiebung. Er wolle nicht, dass seine Familie auseinanderbreche. Es wäre für den BF und seine Frau sehr schwer, wenn er abgeschoben würde.

Nach Vorhalt, dass das BFA davon ausgehe, dass ihm keine Verfolgung in der Russischen Föderation drohe, gab er an, dass er als Teenager nach Europa gekommen sei und nicht behaupten könne, dass er bis jetzt in seinem Land verfolgt werde. Aber heute würde er sicher in Russland verfolgt werden. Er würde in Dagestan einfach verschwinden.

Befragt nach dem Zweck seines Aufenthaltes in der Russischen Föderation gab der BF an, dass er gewusst habe, dass er wegen des Dublin-Verfahrens eines Tages nach Deutschland abgeschoben würde und er das verhindern habe wollen, da er ja Familie habe. In Russland müsse man immer aufpassen. Es habe zwei Bekannte gegeben, die seien einfach verschwunden. Er sei als Teenager weggegangen und kenne dort niemanden mehr als seine Familie. Es sei kein richtiges Leben. Im Heimatland würden noch seine Oma, Onkel und Tanten leben. Er telefoniere einmal im Monat mit seiner Cousine. Er habe in Dagestan gar nichts. In Dagestan habe er überall geschlafen. Er sei bei Freunden gewesen. Er habe dort keine Perspektive. Es gebe viele Leute, die abgeschoben worden seien und die denen dann etwas passiert wäre. Sein ehemaliger Anwalt habe ihm erzählt, dass er von Fällen wisse, wo Menschen direkt nach der Abschiebung in das Gefängnis gekommen seien. Er habe auch gehört, dass die strafrechtlichen Unterlagen direkt an die russischen Behörden gegeben würden, wenn man abgeschoben werde. Es wäre falsch, ihn abzuschieben. Er würde sich auch in Russland fremd fühlen, weil er 10 Jahre in Europa gelebt habe. Auch könnte ihn jemand entführen, weil man Geld von ihm oder von seiner Familie haben wolle.

Nach Vorhalt, dass er in Abklärung, ob es sich bei seinen Aussagen um eine neuerliche Asylantragstellung handle, gegenüber den Justizwachebeamten angegeben habe, dass er sich noch beraten wolle und noch nicht wisse, ob er einen Asylantrag stelle, gab er an, dass er, wenn er jetzt einen Asylantrag stelle und der Antrag wieder abgelehnt werde, keine Chancen mehr habe. Er habe sich überlegt, dass er vielleicht später wieder einen Antrag mache. Derzeit stelle er keinen Asylantrag.

Er habe in Österreich noch nie gearbeitet, lebe von der Caritas und sei er mit einer österreichischen Staatsangehörigen standesamtlich verheiratet. Nach Vorhalt, dass er sich bei der Heirat seines unsicheren Aufenthaltes bewusst gewesen sei, gab er an, dass er ja nicht geheiratet habe, um seinen Aufenthalt zu verbessern, sie hätten geheiratet, weil sie dies wollten. Er habe gehofft, dass er dann bessere Chancen habe aber hätte er geheiratet, weil sie eine Familie seien. Kennengelernt habe er seine Gattin über das Internet. Persönlich hätten sie sich erst bei der traditionellen Hochzeit kennengelernt. Er habe in der Wohnung, in der seine Frau und seine Tochter leben würden, nie gelebt.

Von seiner Frau und seiner Tochter werde er 2 Mal im Monat besucht. Er wolle nach seiner Entlassung mit seiner Frau in deren Wohnung leben. Er unterstütze sie aktuell, soweit es ihm möglich sei. Nach Vorhalt, dass er zwei Vorstrafen in Deutschland habe, gab er an, dass das 2014 oder so gewesen sei, das sei "nur wegen Körperverletzung und Diebstahl" gewesen, glaube er. Seit diesen Sachen habe er keinen Kontakt mehr mit der Polizei gehabt und habe er aus diesen Fehlern gelernt.

Nach Vorhalt, dass er laut Urteil einer Frau mit Vergewaltigung gedroht habe, gab er an, dass ihm das rausgerutscht sei und er nie in seinem Leben so etwas machen würde. "Er" habe ihn provoziert. Befragt, ob er heute noch so etwas tun würde, gab er an, dass es um "seine" provokanten Antworten gehe. Es sei ihm nicht darum gegangen, dass sie nackt gewesen sei.

Befragt, wie er sich seinen weiteren Lebensweg vorstelle, gab er an, dass er mit seiner Familie zusammen sein wolle in der Wohnung, bis er ein Haus gekauft habe. Er wolle ein Auto und Arbeit haben.

3.3. Mit Bescheid des BFA vom 24.06.2019, Zl. XXXX , wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.), gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 5 und 6 FPG gegen den BF ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.), gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG wurde einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.).

3.4. Begründend wurde zusammenfassend zum Gesamtverhalten und dem sich bietenden Persönlichkeitsbild festgehalten, dass der BF bereits zwei Verurteilungen in Deutschland aufweise. Er sei am XXXX vom XXXX wegen Einbruchsdiebstahl zu einer 10-monatigen bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Am XXXX sei er abermals vom XXXX wegen gefährlicher Körperverletzung in 2 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten bedingt verurteilt worden. Er habe im Nachhinein im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme am 30.04.2019 diese Verurteilungen bagatellisiert. Im Urteil des Landesgerichts für XXXX vom XXXX mit welchem er wegen des Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs. 2 StGB und des Verbrechens der kriminellen Vereinigung nach § 278a StGB zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten verurteilt worden sei, sei festgehalten, dass er im Jahr 2009 mit etwa 15 Jahren mit seiner Mutter nach Deutschland gekommen sei und um Asyl angesucht habe, wobei dieses Asylansuchen 2015 abgelehnt worden sei. Auch sei dem Urteil zu entnehmen, dass er bereits in Deutschland Kontakt zu radikal-islamistischen Kreisen gehabt habe und sich selbst radikalisiert habe. Nach Ablehnung seines Asylantrages in Deutschland habe er eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet und wäre er mit dieser nach Wien gekommen, wo er neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe.

In Wien habe er bis zu seiner längeren Rückkehr in den Herkunftsstaat gelebt und nach wie vor in radikal islamistischen Kreisen verkehrt. Laut Gerichtsurteil sei er sich der Machenschaften des "Islamischen Staates" vollinhaltlich bewusst gewesen und habe er deren Weltanschauung und Pläne geteilt bzw. wäre es sein Ziel gewesen, sich an dieser Vereinigung durch Unterstützungshandlungen zu beteiligen. Er habe Propagandalieder mit dem Ziel, den IS zu fördern an 67 Personen weitergeleitet. Er sei in der Islamistenszene bestens vernetzt gewesen und habe er im Rahmen von ausgetauschten Nachrichten in den Kampf nach Syrien bzw. den Irak gezogenen IS Kämpfern Mut zugesprochen bzw. finanzielle Hilfe versichert und diesen gegenüber bedauert, dass er derzeit nicht in der Lage wäre, in den Dschihad zu ziehen. Das Gericht habe daher auch festgestellt, dass es sein alleiniges Ziel gewesen wäre, hierdurch die terroristische Vereinigung IS zu fördern und dass er durch die Tathandlungen die Ziele der Terrorvereinigung durch Propagandatätigkeiten unterstützen habe wollen. Diese Feststellungen stünden in massiver Divergenz zu seiner Behauptung in der niederschriftlichen Einvernahme am 30.04.2019, wonach er weder an dieser Ideologie geglaubt habe oder daran teilnehmen hätte wollen.

Der BF habe in der Einvernahme vom 30.04.2019 keine Verantwortung für seine Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, insbesondere für die Tatbegehung in Österreich übernommen, sodass nicht festgestellt werden könne, dass er sich vom radikalen Islamismus distanziert hätte.

Auch habe er dezidiert am 30.04.2019 zu Protokoll gegeben, dass er aus taktischen Gründen erwägen würde, zum jetzigen Zeitpunkt keinen neuerlichen Asylantrag stellen zu wollen, wobei er sich diese Option für den Zeitpunkt einer allfälligen Abschiebung vorbehalten habe.

Die belangte Behörde habe für ihn daher bei Betrachtung und Abwägung seines bisherigen Gesamtverhaltens im Bundesgebiet keine positive Zukunftsprognose treffen können. Sein Fehlverhalten liege auch noch nicht so lange zurück, dass aufgrund des bisher verstrichenen Zeitraums eine zuverlässige Prognose über ein zukünftiges Wohlverhalten seinerseits gestellt werden könnte.

In Gesamtbetrachtung ergebe sein bisheriges Verhalten ein sehr negatives Persönlichkeitsbild und gehe die Behörde davon aus, dass die Erlassung eines unbefristeten Einreiseverbotes zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit dringend geboten, da sein Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstelle. Sein weiterer Aufenthalt stelle eine Gefahr der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar oder laufe anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen massiv zuwider. Seine rein privaten Interessen am Verbleib im Schengener Gebiet seien wegen der Schwere der begangenen Straftaten einem geordneten Fremdenwesen unterzuordnen.

Er habe im Bundesgebiet eine Ehefrau und eine Tochter, somit ein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK. Betreffend sein Familienleben hat die belangte Behörde jedoch festgehalten, dass der BF sich bei seiner Eheschließung am XXXX über seinen unsicheren Aufenthalt im Bundesgebiet bewusst gewesen sei und nicht davon ausgehen habe können, in Österreich zu verbleiben. Betreffend seine am XXXX geborene Tochter hat die belangte Behörde festgehalten, dass der BF schon ein halbes Jahr nach der Geburt seiner Tochter inhaftiert worden sei und sich seither durchgehend in Strafhaft befinden würde. Gemeinsame Besuche seiner Frau mit seiner Tochter seien der Besucherliste nicht zu entnehmen, wodurch zwangsweise von einem beträchtlichen Maße an Entfremdung ausgegangen werden müsse.

Ungeachtet eines möglicherweise erst in ferner Zukunft wieder bestehenden Familienlebens sei jedoch auszuführen, dass im Rahmen der nach § 9 BFA-VG vorzunehmenden Interessensabwägung jedenfalls die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung seiner Person gegenüber seinen privaten und familiären Interessen überwiegen würden, zumal weder eine soziale Integration im Bundesgebiet gegeben sei und sich eine tiefgreifende Veränderung seines Familienlebens im Falle einer Außerlandesbringung nicht erkennen lasse. Weiters sei es möglich, die Beziehung mit seiner Partnerin mit Hilfe moderner Massenkommunikationsmittel des Internets fortzusetzen. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung sei zum Schutze des Wohles der Republik Österreich und zur Verhinderung weiterer Straftaten, sohin zur Erreichung von Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten. Insgesamt komme die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG nicht in Betracht. Da die Voraussetzung des nicht rechtmäßigen Aufenthaltes im Sinne des § 52 Abs. 1 Z. 1 FPG vorliege und kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt werde, sei eine Rückkehrentscheidung zu erlassen. Aufgrund des Umstandes, dass für ihn bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Menschenrechtsverletzung gegeben sei, sei in seinem Fall davon auszugehen, dass die sofortige Umsetzung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme im Interesse eines geordneten Fremdenwesens geboten sei, weshalb einer möglichen Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung abzuerkennen sei.

3.5. Weiters traf das BFA Länderfeststellungen zur Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers.

3.6. Mit Verfahrensordnung vom 24.06.2019 wurde dem Beschwerdeführer für ein etwaiges Beschwerdeverfahren ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

3.7. Mit Schriftsatz vom 22.07.2019 erhob der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsberater Beschwerde und brachte im Wesentlichen zusammengefasst vor, dass seitens der belangten Behörde eine gewichtende Gegenüberstellung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit dem persönlichen Interesse des Beschwerdeführers an einem weiteren Verbleib in Österreich unzureichend vorgenommen worden sei, da seine familiären und sozialen Anknüpfungspunkte nicht im geforderten Maß berücksichtigt worden seien. Seine Ehefrau, sowie seine am XXXX geborene Tochter seien österreichische Staatsbürgerinnen und habe der Beschwerdeführer regelmäßigen Kontakt zu ihnen. So besuche ihn seine Ehefrau immer wieder in der Justizanstalt XXXX , ein Besuch mit der einjährigen Tochter gestalte sich jedoch als äußerst schwierig. Auch hätte in Bezug auf das sich auf den gesamten Schengenraum erstreckende Einreiseverbot seitens der belangten Behörde berücksichtigt werden müssen, dass seine Mutter in Deutschland lebe, mit welcher er in regelmäßigem Kontakt stehe. Auch wäre in Bezug auf das erlassene Einreiseverbot keine individualisierte Gefährlichkeitsprognose getroffen worden, sondern habe sich das BFA vor allem auf die Verurteilungen des Beschwerdeführers durch das Landesgericht für Strafsachen Wien gestützt, ohne aber zu berücksichtigen, dass er nach seiner Inhaftierung vom XXXX regelmäßig betreut worden sei und sich hierbei sehr offen gezeigt habe. Auch seien die Milderungsgründe, die das Ausmaß der verhängten Strafe bestimmt hätten, nicht berücksichtigt worden. Die belangte Behörde habe insgesamt keine Beurteilung des Persönlichkeitsbildes betreffend den Beschwerdeführer vorgenommen, sondern habe sie die Erlassung des Einreiseverbotes primär darauf gestützt, dass er rechtskräftig verurteilt worden sei. Es habe eine unzureichend durchgeführte Prognosebeurteilung gegeben und die Dauer des verhängten Einreiseverbotes völlig unverhältnismäßig. Beantragt wurde, das Bundesverwaltungsgericht möge 1.) eine mündliche Verhandlung unter Einvernahme des BF und seiner Frau durchführen;

2.) falls nicht alle zu Lasten des Beschwerdeführers gehenden Rechtswidrigkeiten im angefochtenen Bescheid in der Beschwerde geltend gemacht worden seien, diese amtswegig aufgreifen bzw. allenfalls ihm einen Verbesserungsauftrag erteilen, um die nicht mit der Beschwerde geltend gemachten Beschwerdepunkte ausführen zu können; 3.) den angefochtenen Bescheid hinsichtlich des Spruchpunktes I. aufheben bzw. dahingehend abändern, dass die Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig erklärt und ihm ein Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK erteilt werde; 4.) den Bescheid hinsichtlich der Spruchpunkte II. bis IV. ersatzlos beheben; 5.) das unbefristete Einreiseverbot auf eine angemessene Dauer herabsetzen; 6.) das Einreiseverbot nur für Österreich und nicht für alle Mitgliedstaaten, für die die Rückführungsrichtlinie gilt, erlassen; 7.) der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkennen; 8.) die ordentliche Revision zulassen und in eventu den angefochtenen Bescheid ersatzlos beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückverweisen.

Beigefügt wurden der Beschwerde folgende Unterlagen:

* Vollmacht

* Einzahlungsbestätigung der Beschwerdegebühr

* Bericht von " XXXX "

3.8. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 26.07.2019 wies das BFA die Beschwerde in der Folge vom § 14 Abs. 1 VwGVG als unbegründet ab und wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.), gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 5 und 6 FPG gegen ihn ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.), gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG wurde einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.).

3.9. Begründend wurde in Ergänzung zu den Erwägungen des BFA im Bescheid vom 24.06.2019 zusammenfassend im Wesentlichen ausgeführt, dass seitens des Beschwerdeführers in der Beschwerde zu Unrecht moniert worden wäre, dass durch die belangte Behörde die Prämissen für die Verhängung des Einreiseverbotes nicht entsprechend gewürdigt worden seien. Wie im angefochtenen Bescheid dargelegt, wiege das vom Beschwerdeführer gesetzte Fehlverhalten schwer, da sich aus seinem Verhalten eine erhebliche Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich manifestiere. Die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verletze im gegenständlichen Fall nicht die in Art. 8 EMRK geschützten Rechte. Es müsse daher unter Berücksichtigung des in § 53 Abs. 3 FPG genannten Tatbestandes ebenso davon ausgegangen werden, dass das öffentliche Interesse an Ordnung und Sicherheit das persönliche Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich überwiege, doch angesichts der Uneinsichtigkeit des Beschwerdeführers von einer Tatwiederholung realistischerweise auszugehen sei. Da der Beschwerdeführer ein Haftübel von über drei Jahren zu erleiden habe, scheine auch nicht unrealistisch zu sein, dass er gegenüber dem Staat Österreich negative Gefühle entgegenbringe, was bei dem bisherigen Verhalten eine zusätzliche Gefährdung der Öffentlichkeit durch Terrorismus geradezu indiziere. Laut Gerichtsurteil seien ihm die Machenschaften des "Islamischen Staates" vollinhaltlich bewusst gewesen und habe er deren Weltanschauung und Pläne geteilt. Der Gefährdungs- und Zerstörungsgrad der vom Beschwerdeführer geförderten Terrororganisation sei exorbitant. Es könne der belangten Behörde daher nicht vorgeworfen werden, wenn sie im vorliegenden Fall von einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgehe, welche die Anordnung eines Einreiseverbotes erforderlich mache. Im gegenständlichen Fall werde die Gefahrenprognose zusätzlich durch die wiederholte Begehung von strafbaren Handlungen, durch den mehrfachen Rückfall und die Steigerung des Fehlverhaltens und durch die Begehung weiterer Straftaten trotz bereits erfolgter Verurteilung und Inhaftierung gestützt. Auch habe der Beschwerdeführer keine Gründe aufgezeigt, wonach die Ermessensausübung durch das BFA nicht im Sinne des Gesetzes erfolgt wäre. So habe sich das BFA bei der Erlassung des unbefristeten Einreiseverbotes auf die gesetzlichen Bestimmungen, wonach im Fall der Verwirklichung des Verbrechens der kriminellen Organisation (§ 278a StGB) bzw. einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) ein unbefristetes Aufenthaltsverbot zu erlassen ist, gestützt. Sofern der Beschwerdeführer vorbringe, nach der Strafhaft ein "normales" Leben führen zu wollen, so sei zu entgegnen, dass der Beschwerdeführer dazu bereits in der Vergangenheit die Möglichkeit dazu gehabt hätte. So hätte er bereits nach seiner ersten rechtskräftigen Verurteilung zur Einsicht gelangen und sein Leben ändern können. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer auch durch seine Aussagen im Zuge der Einvernahme klar zum Ausdruck gebracht hätte, die österreichische Rechtsordnung nicht zu akzeptieren und sei er offenbar nicht gewillt, das österreichische Fremdenrecht zu akzeptieren.

3.10. Mit Schriftsatz vom 12.08.2019 stellte der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsberater fristgerecht einen Vorlageantrag gemäß § 15 Abs. 1 VwGVG und wurde begründend auf den Inhalt der Beschwerde vom 22.07.2019 verwiesen. In der Beschwerde seien zahlreiche Mängel und Rechtswidrigkeiten angeführt worden, welche in der Beschwerdevorentscheidung ignoriert worden seien. Er zeige sich reuig und habe das Unrecht seiner Taten eingesehen, vor allem solle hier nochmals betont werden, dass er kein Anhänger der IS-Ideologie sei. Er habe entgegen den Feststellungen der belangten Behörde sehr wohl Kontakt zu seiner Ehefrau. Er lege großen Wert darauf, ein guter Ehemann und Vater zu sein und seine Frau bei der Erziehung der gemeinsamen Tochter zu unterstützen. In der Beschwerde sei die Mangelhaftigkeit des Verfahrens aufgezeigt worden. So wäre der entscheidungswesentliche Sachverhalt nicht vollständig ermittelt worden und wären wesentliche Aspekte des Parteienvorbringens nicht berücksichtigt worden bzw. vorgelegte Beweismittel nicht überprüft worden. Zudem sei der Beweiswürdigung des BFA substantiiert entgegengetreten worden. Beantragt wurde, das BFA möge die Beschwerden dem BVwG vorlegen und das Bundesverwaltungsgericht möge

1.) eine mündliche Verhandlung unter Einvernahme des BF und seiner Frau durchführen; 2.) falls nicht alle zu Lasten des Beschwerdeführers gehenden Rechtswidrigkeiten im angefochtenen Bescheid in der Beschwerde geltend gemacht worden seien, diese amtswegig aufgreifen bzw. allenfalls ihm einen Verbesserungsauftrag erteilen, um die nicht mit der Beschwerde geltend gemachten Beschwerdepunkte ausführen zu können; 3.) den angefochtenen Bescheid hinsichtlich des Spruchpunktes I. aufheben bzw. dahingehend abändern, dass die Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig erklärt und ihm ein Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK erteilt werde; 4.) den Bescheid hinsichtlich der Spruchpunkte II. bis IV. ersatzlos beheben; in eventu 5.) das unbefristete Einreiseverbot auf eine angemessene Dauer herabsetzen; 6.) das Einreiseverbot nur für Österreich und nicht für alle Mitgliedstaaten, für die die Rückführungsrichtlinie gilt, erlassen;

7.) der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkennen; 8.) die ordentliche Revision zulassen, 9.) den angefochtenen Bescheid ersatzlos beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückverweisen;

3.11. Mit Beschwerdevorlage vom 12.08.2019, hg eingelangt am 14.08.2019, wurden die Beschwerde und der Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht übermittelt.

3.12. Mit hg Schreiben vom 18.10.2019 sind der Beschwerdeseite die neuesten Länderinformationen der Russischen Föderation (Stand 30.09.2019) zu etwaigen Stellungnahme bis 23.10.2019 übermittelt worden. Beschwerdeseitig wurde bis dato keine Stellungnahme dazu abgegeben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Der Ablauf der Verfahrensgänge zu den bisherigen Verfahren wird wie unter Punkt I. dargelegt festgestellt.

1.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation aus der Teilrepublik Dagestan, Angehöriger der Volksgruppe der Awaren und dem muslimischen Glauben zugehörig. Der BF führt die im Spruch angeführten Personalien. Die Identität des Beschwerdeführers steht fest.

Der Beschwerdeführer stellte erstmals in Österreich nach illegaler Einreise am 24.04.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des BFA vom 06.10.2016 wegen der Zuständigkeit Deutschlands zur Prüfung des Asylantrages zurückgewiesen wurde.

Der Beschwerdeführer verließ laut eigenen Angaben am 06.10.2016 daraufhin das österreichische Bundesgebiet freiwillig und reiste in den Herkunftsstaat zurück.

Er reiste neuerlich illegal am 25.04.2017 in das österreichische Bundesgebiet ein und brachte am selben Tag erneut einen Antrag auf internationalen Schutz ein, der letztlich mit Erkenntnis des BVwG vom 25.04.2018, Zl. W237 2184387-2/5E, rechtskräftig abgewiesen wurde. Der Beschwerdeführer kam seiner Ausreiseverpflichtung in der Folge nicht nach, sondern verblieb illegal im Bundesgebiet. Der derzeitige Aufenthalt des Beschwerdeführers ist nicht rechtmäßig.

Der Beschwerdeführer ist jung und arbeitsfähig. Er leidet weder an einer schweren Krankheit, noch ist er längerfristig pflege- und rehabilitationsbedürftig. Sein Gesundheitszustand steht seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht entgegen.

Der Beschwerdeführer ist seit XXXX mit einer österreichischen Staatsangehörigen, XXXX , geb. XXXX , verheiratet und stammt aus dieser Ehe die gemeinsame Tochter XXXX , geb. XXXX . Zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Ehegattin bestand lediglich zwischen 27.04.2016 und 06.10.2016, sowie zwischen 25.04.2017 und 26.11.2017 ein gemeinsamer Haushalt. Am XXXX erfolgte die Festnahme und Einlieferung des BF. Der aktuelle Kontakt zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Ehegattin beschränkt sich auf fallweise Besuche des Beschwerdeführers durch seine Ehegattin in der Justizanstalt XXXX , wo der Beschwerdeführer seit XXXX inhaftiert ist. Zur Tochter hat der BF zur Zeit keinen unmittelbaren Kontakt.

Die Mutter des Beschwerdeführers hält sich in Deutschland als Asylwerberin auf.

Der Beschwerdeführer weist in Österreich keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher oder gesellschaftlicher Hinsicht auf.

Er ging bislang in Österreich keiner erlaubten und gemeldeten Erwerbstätigkeit nach.

Der Beschwerdeführer wurde bereits in Deutschland strafrechtlich verurteilt. Er wurde am XXXX vom XXXX wegen Einbruchsdiebstahl zu einer 10-monatigen bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt. Weiters wurde er vom XXXX wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten verurteilt.

Der Beschwerdeführer wurde in der Folge auch in Österreich straffällig.

Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichtes für XXXX vom XXXX , rechtskräftig wegen § 105 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 5 Monaten verurteilt.

Weiters wurde er mit Urteil des Landesgerichtes für XXXX vom XXXX , rechtskräftig wegen §§ 278b (2) StGB, 278a Z. 1 StGB, zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten verurteilt.

Er befindet sich seit XXXX in Haft und ist der Entlassungszeitpunkt der XXXX .

1.3. Zur Frage der Rückkehr in die Russische Föderation:

Es existieren in casu keine Umstände, welche einer Abschiebung des BF aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich entgegenstünden. Der BF verfügt über keine sonstigen Aufenthaltsberechtigungen. Es spricht nichts dafür, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF in die Russische Föderation eine Verletzung von Art. 2, Art. 3 oder auch der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention nach sich ziehen würde.

Es sind auch sonst keine Hinweise hervorgekommen, dass allenfalls andere körperliche oder psychische Erkrankungen einer Rückführung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.

Ihm droht auch keine Strafe nach seiner Rückkehr in die Russische Föderation wegen illegaler Ausreise.

Eine in die Russische Föderation zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt. Da der BF im Herkunftsstaat über ein familiäres Netz verfügt, zu welchem er in Kontakt steht, und auf welches er im Falle der Rückkehr zurückgreifen kann um Unterstützung - zumindest in der Anfangsphase- in finanzieller Hinsicht und hinsichtlich der Unterbringung zu erlangen, kann mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass der BF nicht eine aussichtslose Lage geraten wird.

1.4. Zu den Feststellungen zur Lage in der Russischen Föderation:

1.4.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 30.09.2019:

"[...]

Dagestan

Dagestan ist mit ungefähr drei Millionen Einwohnern die größte kaukasische Teilrepublik und wegen seiner Lage am Kaspischen Meer für Russland strategisch wichtig. Dagestan ist das ethnisch vielfältigste Gebiet des Kaukasus (ACCORD 19.6.2019, vgl. IOM 6.2014). Dagestan ist hinsichtlich persönlicher Freiheiten besser gestellt als Tschetschenien, bleibt allerdings eine der ärmsten Regionen Russlands, in der die Sicherheitslage zwar angespannt ist, sich in jüngerer Zeit aber verbessert hat (AA 13.2.2019). Gründe für den Rückgang der Gewalt sind die konsequente Politik der Repression radikaler Elemente und das rigide Vorgehen der Sicherheitskräfte, aber auch die Abwanderung islamistischer Kämpfer in die Kampfgebiete in Syrien und in den Irak (ÖB Moskau 12.2018).

Was das politische Klima betrifft, gilt die Republik Dagestan im Vergleich zu Tschetschenien noch als relativ liberal. Die Zivilgesellschaft ist hier stärker vertreten als in Tschetschenien (SWP 4.2015) und wird nicht ganz so ausgeprägt kontrolliert wie in Tschetschenien (AA 13.2.2019). Ebenso existiert - anders als in der Nachbarrepublik - zumindest eine begrenzte Pressefreiheit. Die ethnische Diversität stützt ein gewisses Maß an politischem Pluralismus und steht autokratischen Herrschaftsverhältnissen entgegen (SWP 4.2015). Die Bewohner Dagestans sind hinsichtlich persönlicher Freiheit besser gestellt, und auch die Menschenrechtslage ist grundsätzlich besser als im benachbarten Tschetschenien (AA 13.2.2019), obwohl auch in Dagestan mit der Bekämpfung des islamistischen Untergrunds zahlreiche Menschenrechtsverletzungen durch lokale und föderale Sicherheitsbehörden einhergehen (AA 13.2.2019, vgl. SWP 4.2015). Im Herbst 2017 setzte Präsident Putin ein neues Republiksoberhaupt ein. Mit dem Fraktionsvorsitzenden der Staatspartei Einiges Russland in der Staatsduma und ehemaligen hohen Polizeifunktionär Wladimir Wassiljew wurde das zuvor behutsam gepflegte Gleichgewicht der Ethnien ausgehebelt. Der Kreml hatte länger schon damit begonnen, ortsfremde Funktionäre in die Regionen zu entsenden. Im Nordkaukasus hatte er davon Abstand genommen. Wassiljew ist ein altgedienter Funktionär und einer, der durch den Zugriff Moskaus auf Dagestan - und nicht in Abgrenzung von der Zentralmacht - Ordnung, Sicherheit und wirtschaftliche Prosperität herstellen soll. Er gilt als Gegenmodell zu Kadyrows ungestümer Selbstherrlichkeit. Mit Wassiljew tritt jemand mit wirklich direktem Draht zur Zentralmacht im Nordkaukasus auf. Das könnte ihn, zumindest für einige Zeit, zum starken Mann in der ganzen Region machen (NZZ 12.2.2018).

Anfang 2018 wurden in der Hauptstadt Dagestans, Machatschkala, der damalige Regierungschef [Abdussamad Gamidow], zwei seiner Stellvertreter und ein kurz vorher abgesetzter Minister von föderalen Kräften verhaftet und nach Moskau gebracht. Ihnen wird vorgeworfen, sie hätten eine organisierte kriminelle Gruppierung gebildet, um die wirtschaftlich abgeschlagene und am stärksten von allen russischen Regionen am Tropf des Zentralstaats hängende Nordkaukasus-Republik auszubeuten. Kurz vorher waren bereits der Bürgermeister von Machatschkala und der Stadtarchitekt festgenommen worden (NZZ 12.2.2018, vgl. Standard.at 5.2.2018).

[...]

Sicherheitslage

Wie verschiedene Anschläge mit zahlreichen Todesopfern in den letzten Jahren gezeigt haben, kann es in Russland, auch außerhalb der Kaukasus-Region, zu Anschlägen kommen. Todesopfer forderte zuletzt ein Terroranschlag in der Metro von St. Petersburg im April 2017. Die russischen Behörden halten ihre Warnung vor Anschlägen aufrecht und rufen weiterhin zu besonderer Vorsicht auf (AA 3.9.2019a, vgl. BMeiA 3.9.2019, GIZ 8.2019d). Trotz verschärfter Sicherheitsmaßnahmen kann das Risiko von Terrorakten nicht ausgeschlossen werden. Die russischen Sicherheitsbehörden weisen vor allem auf eine erhöhte Gefährdung durch Anschläge gegen öffentliche Einrichtungen und größere Menschenansammlungen hin (Untergrundbahn, Bahnhöfe und Züge, Flughäfen etc.) (EDA 3.9.2019).

Russland tritt als Protagonist internationaler Terrorismusbekämpfung auf und begründet damit seinen Militäreinsatz in Syrien. Vom Beginn des zweiten Tschetschenienkriegs 1999 bis ins Jahr 2013 sah es sich mit 75 größeren Terroranschlägen auf seinem Staatsgebiet konfrontiert, die Hunderten Zivilisten das Leben kosteten. Verantwortlich dafür war eine über Tschetschenien hinausgehende Aufstandsbewegung im Nordkaukasus. Die gewaltsamen Zwischenfälle am Südrand der Russischen Föderation gingen 2014 um 46% und 2015 um weitere 51% zurück. Auch im Global Terrorism Index, der die Einwirkung des Terrorismus je nach Land misst, spiegelt sich diese Entwicklung wider. Demnach stand Russland 2011 noch an neunter Stelle hinter mittelöstlichen, afrikanischen und südasiatischen Staaten, weit vor jedem westlichen Land. Im Jahr 2016 rangierte es dagegen nur noch auf Platz 30 hinter Frankreich (Platz 29), aber vor Großbritannien (Platz 34) und den USA (Platz 36). Nach der Militärintervention in Syrien Ende September 2015 erklärte der sogenannte Islamische Staat (IS) Russland den Dschihad und übernahm die Verantwortung für den Abschuss eines russischen Passagierflugzeugs über dem Sinai mit 224 Todesopfern. Seitdem ist der Kampf gegen die Terrormiliz zu einer Parole russischer Außen- und Sicherheitspolitik geworden, auch wenn der russische Militäreinsatz in Syrien gewiss nicht nur von diesem Ziel bestimmt ist, sondern die Großmachtrolle Russlands im Mittleren Osten stärken soll. Moskau appelliert beim Thema Terrorbekämpfung an die internationale Kooperation (SWP 4.2017).

Eine weitere Tätergruppe rückt in Russland ins Zentrum der Medienaufmerksamkeit, nämlich Islamisten aus Zentralasien. Die Zahl der Zentralasiaten, die beim sog. IS kämpfen, wird auf einige tausend geschätzt (Deutschlandfunk 28.6.2017).

[...]

Nordkaukasus

Die Menschenrechtsorganisation Memorial beschreibt in ihrem Bericht über den Nordkaukasus vom Sommer 2016 eindrücklich, dass die Sicherheitslage für gewöhnliche Bürger zwar stabil ist, Aufständische einerseits und Kritiker der bestehenden Systeme sowie Meinungs- und Menschenrechtsaktivisten andererseits weiterhin repressiven Maßnahmen und Gewalt bis hin zum Tod ausgesetzt sind (AA 13.2.2019). In internationalen sicherheitspolitischen Quellen wird die Lage im Nordkaukasus mit dem Begriff "low level insurgency" umschrieben (SWP 4.2017).

Das Kaukasus-Emirat, das seit 2007 den islamistischen Untergrundkampf im Nordkaukasus koordiniert, ist seit Ende 2014 durch das Überlaufen einiger Feldkommandeure zum sog. IS von Spaltungstendenzen erschüttert und geschwächt. Der IS verstärkte 2015 seine russischsprachige Propaganda in Internet-Foren wie Furat Media, ohne dass die Behörden laut Nowaja Gazeta diesem Treiben große Aufmerksamkeit widmeten. Am 23. Juni 2015 rief der IS-Sprecher Muhammad al-Adnani ein ‚Wilajat Kavkaz', eine ‚Provinz Kaukasus', als Teil des IS-Kalifats aus. Es war ein propagandistischer Akt, der nicht bedeutet, dass der IS in dieser Region militärisch präsent ist oder sie gar kontrolliert, der aber den zunehmenden Einfluss dieser Terrormiliz auf die islamistische Szene im Nordkaukasus symbolisiert. Zuvor hatten mehr und mehr ideologische und militärische Führer des Kaukasus-Emirats dem ‚Kalifen' Abu Bakr al-Baghdadi die Treue geschworen und sich von al-Qaida abgewandt. Damit bestätigte sich im islamistischen Untergrund im Nordkaukasus ein Trend, dem zuvor schon Dschihad-Netzwerke in Nordafrika, Jemen, Pakistan und Afghanistan gefolgt waren (SWP 10.2015). Das rigide Vorgehen der Sicherheitskräfte, aber auch die Abwanderung islamistischer Kämpfer in die Kampfgebiete in Syrien und in den Irak, haben dazu geführt, dass die Gewalt im Nordkaukasus in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen ist. Innerhalb der extremistischen Gruppierungen verschoben sich in den vergangenen Jahren die Sympathien zur regionalen Zweigstelle des sog. IS, die mittlerweile das Kaukasus-Emirat praktisch vollständig verdrängt hat. Dabei sorgt nicht nur Propaganda und Rekrutierung des sog. IS im Nordkaukasus für Besorgnis der Sicherheitskräfte. So wurden Mitte Dezember 2017 im Nordkaukasus mehrere Kämpfer getötet, die laut Angaben des Anti-Terrorismuskomitees dem sog. IS zuzurechnen waren (ÖB Moskau 12.2018). Offiziell kämpfen bis zu 800 erwachsene Tschetschenen für die Terrormiliz IS. Die Dunkelziffer dürfte höher sein (DW 25.1.2018). 2018 erzielten die Strafverfolgungsbehörden maßgebliche Erfolge, die Anzahl terroristisch motivierter Verbrechen wurde mehr als halbiert. Sechs Terroranschläge wurden verhindert und insgesamt 50 Terroristen getötet. In den vergangenen Jahren hat sich die Hauptkonfliktzone von Tschetschenien in die Nachbarrepublik Dagestan verlagert, die nunmehr als gewaltreichste Republik im Nordkaukasus gilt, mit der vergleichsweise höchsten Anzahl an extremistischen Kämpfern. Die Art des Aufstands hat sich jedoch geändert: aus großen kampferprobten Gruppierungen wurden kleinere, im Verborgenen agierende Gruppen (ÖB Moskau 12.2018).

Ein Risikomoment für die Stabilität in der Region ist die Verbreitung des radikalen Islamismus. Während in den Republiken Inguschetien und Kabardino-Balkarien auf einen Dialog innerhalb der muslimischen Gemeinschaft gesetzt wird, verfolgen die Republiken Tschetschenien und Dagestan eine konsequente Politik der Repression radikaler Elemente (ÖB Moskau 12.2018).

Im Jahr 2018 sank die Gesamtzahl der Opfer des bewaffneten Konflikts im Nordkaukasus gegenüber 2017 um 38,3%, und zwar von 175 auf 108 Personen. Von allen Regionen des Föderationskreis Nordkaukasus hatte Dagestan im vergangenen Jahr die größte Zahl der Toten und Verwundeten zu verzeichnen; Tschetschenien belegte den zweiten Platz. Im gesamten Nordkaukasus sind von Jänner bis Juni 2019 mindestens 31 Menschen dem Konflikt zum Opfer gefallen. Das ist fast die Hälfte gegenüber dem ersten Halbjahr 2018, als es mindestens 63 Opfer waren. In der ersten Jahreshälfte 2019 umfasste die Zahl der Konfliktopfer 23 Tote und acht Verletzte. Zu den Opfern gehören 22 mutmaßliche Aufständische und eine Exekutivkraft. Verwundet wurden sieben Exekutivkräfte und ein Zivilist. In den ersten sechs Monaten des Jahres 2019 lag Kabardino-Balkarien mit der Zahl der erfassten Opfer, neun Tote und ein Verletzter, an der Spitze. Als nächstes folgt Dagestan mit mindestens neun Toten, danach Tschetschenien mit zwei getöteten Personen und vier Verletzten. In Inguschetien wurde eine Person getötet und drei verletzt; im Gebiet Stawropol wurden zwei Personen getötet. Dagestan ist führend in der Anzahl der bewaffneten Vorfälle - mindestens vier bewaffnete Zusammenstöße fanden in dieser Republik in den ersten sechs Monaten des Jahres 2019 statt. Im gleichen Zeitraum wurden in Kabardino-Balkarien drei bewaffnete Vorfälle registriert, zwei in Tschetschenien, einer in Inguschetien und im Gebiet Stawropol. Seit Anfang dieses Jahres gab es in Karatschai-Tscherkessien und in Nordossetien keine Konfliktopfer und bewaffneten Zwischenfälle mehr (Caucasian Knot 30.8.2019).

[...]

Dagestan

Die russische Teilrepublik Dagestan im Nordkaukasus gilt seit einigen Jahren als Brutstätte von Terrorismus. Mehr als 1.000 Kämpfer aus dem Land sollen sich dem sog. Islamischen Staat in Syrien und im Irak angeschlossen haben. Terroristen aus Dagestan sind auch in anderen Teilen Russlands und im Ausland aktiv. Viele Radikale aus Dagestan sind außerdem in den Nahen Osten ausgereist. In den Jahren 2013 und 2014 brachen ganze salafistische Familien dorthin auf. Die russischen Behörden halfen den Radikalen damals sogar bei der Ausreise. Vor den Olympischen Spielen in Sotschi wollte Russland möglichst viele Gefährder loswerden. Nach Angaben der Sicherheitsbehörden Dagestans Anfang 2017 kämpften etwa 1.200 Männer aus Dagestan in den Reihen der Terrormiliz Islamischer Staat in Syrien und im Irak. Mittlerweile werden Radikale, die sich terroristischen Organisationen im Ausland anschließen wollen, von den russischen Behörden an der Ausreise gehindert und festgenommen, was die Terrorgefahr in Dagestan erhöht (Deutschlandfunk 28.6.2017). Den russischen Sicherheitskräften werden schwere Menschenrechtsverletzungen bei der Durchführung der Anti-Terror-Operationen in Dagestan vorgeworfen. Das teils brutale Vorgehen der Sicherheitsdienste, gekoppelt mit der noch immer instabilen sozialwirtschaftlichen Lage in Dagestan, schafft wiederum weiteren Nährboden für die Radikalisierung innerhalb der dortigen Bevölkerung. So werden von den Sicherheitskräften mitunter auch Imame verhaftet, die dem Salafismus anhängen sollen. Aus der Perspektive der Sicherheitsdienste sollen ihre Moscheen als Rekrutierungsstätten für IS-Anhänger dienen, für einen Teil der muslimischen Bevölkerung stellen diese Maßnahmen jedoch ungebührliche Schikanen dar. Relativ häufig kommt es zu Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Extremisten. Letztere gehörten bis vor einiger Zeit primär zum 2007 gegründeten sogenannten Kaukasus-Emirat, bekundeten jedoch vermehrt ihre Loyalität gegenüber dem sog. IS. Auch operativ ist der sog. IS im Nordkaukasus in Erscheinung getreten. Einige Angriffe auf Polizisten bzw. Polizeieinrichtungen wurden unter dem Deckmantel des IS ausgeführt; im Dezember 2015 bekannte sich der sog. IS zu einem Anschlag auf eine historische Festung in Derbent. Inwieweit der IS nach der territorialen Niederlage im Nahen Osten entsprechende Ressourcen verschieben wird, um im Nordkaukasus weitere terroristische Umtriebe zu entfalten oder die regionale Zweigstelle weiterhin zu Propagandazwecken nutzen wird, um seinen globalen Einfluss zu unterstreichen, wird von den russischen Sicherheitskräften genau verfolgt werden (ÖB Moskau 12.2018).

Im Jahr 2018 gab es mindestens 49 Opfer des bewaffneten Konflikts in Dagestan, davon wurden 36 Personen getötet und 13 verletzt. Die meisten getöteten Personen sind, wie 2017, unter den Aufständischen zu finden, nämlich 27. Von den Exekutivkräften wurden drei getötet und elf verletzt. Sechs Zivilisten wurden getötet und zwei verletzt. Im Vergleich zu 2017, als es 55 Opfer gab, sank die Gesamtopferzahl um 10,9%. In Dagestan gab es in der ersten Hälfte des Jahres 2019 neun getötete Personen im Zuge des bewaffneten Konflikts (Caucasian Knot 30.8.2019).

Laut dem Leiter des dagestanischen Innenministeriums gab es bei der Bekämpfung des Aufstands in Dagestan einen Durchbruch . Die Aktivitäten der Gruppen, die in der Republik aktiv waren, sind seinen Angaben zufolge praktisch komplett unterbunden worden. Nach acht Mitgliedern des Untergrunds, die sich Berichten zufolge im Ausland verstecken, wird gefahndet. Trotzdem besteht laut Analysten und Journalisten weiterhin die Möglichkeit von Anschlägen durch einzelne Täter (ACCORD 19.6.2019).

[...]

Tschetschenien und Dagestan

Das russische föderale Recht gilt für die gesamte Russische Föderation, einschließlich Tschetscheniens und Dagestans. Neben dem russischen föderalen Recht spielen sowohl Adat als auch Scharia eine wichtige Rolle in Tschetschenien. Republiksoberhaupt Ramzan Kadyrow unterstreicht die Bedeutung, die der Einhaltung des russischen Rechts zukommt, verweist zugleich aber auch auf den Stellenwert des Islams und der tschetschenischen Tradition.

Das Adat ist eine Art Gewohnheitsrecht, das soziale Normen und Regeln festschreibt. Dem Adat-Recht kommt in Zusammenhang mit der tschetschenischen Lebensweise eine maßgebliche Rolle zu. Allgemein gilt, dass das Adat für alle Tschetschenen gilt, unabhängig von ihrer Clanzugehörigkeit. Das Adat deckt nahezu alle gesellschaftlichen Verhältnisse in Tschetschenien ab und regelt die Beziehungen zwischen den Menschen. Im Laufe der Jahrhunderte wurden diese Alltagsregeln von einer Generation an die nächste weitergegeben. Das Adat ist in Tschetschenien in Ermangelung einer Zentralregierung bzw. einer funktionierenden Gesetzgebung erstarkt. Daher dient das Adat als Rahmen für die gesellschaftlichen Beziehungen. In der tschetschenischen Gesellschaft ist jedoch auch die Scharia von Bedeutung. Die meisten Tschetschenen sind sunnitische Muslime und gehören der sufistischen Glaubensrichtung des sunnitischen Islams an [Anm. d. Staatendokumentation: für Informationen bezüglich Sufismus vgl.: ÖIF Monographien (2013):

Glaubensrichtungen im Islam]. Der Sufismus enthält u. a. auch Elemente der Mystik. Eine sehr kleine Minderheit der Tschetschenen sind Salafisten (EASO 9.2014). Scharia-Gerichtsbarkeit bildet am Südrand der Russischen Föderation eine Art "alternativer Justiz". Sie steht zwar in Widerspruch zur Gesetzgebung Russlands, wird aber, mit Einverständnis der involvierten Parteien, für Rechtsprechung auf lokaler Ebene eingesetzt (SWP 4.2015). Somit herrscht in Tschetschenien ein Rechtspluralismus aus russischem Recht, traditionellen Gewohnheitsrecht (adat) einschließlich der Tradition der Blutrache und Scharia-Recht. Hinzu kommt ein Geflecht an Loyalitäten, das den Einzelnen bindet. Nach Ansicht von Kadyrow stehen Scharia und traditionelle Werte über den russischen Gesetzen (AA 13.2.2019). Somit bewegt sich die Republik Tschetschenien in Wirklichkeit außerhalb der Gerichtsbarkeit des russischen Rechtssystems, auch wenn sie theoretisch darunter fällt. Dies legt den Schluss nahe, dass sowohl Scharia als auch Adat zur Anwendung kommen, und es unterschiedliche Auffassungen bezüglich der Frage gibt, welches der beiden Rechte einen stärkeren Einfluss auf die Gesellschaft ausübt. Formal gesehen hat das russische föderale Recht Vorrang vor Adat und Scharia (EASO 9.2014).

Die Sitte, Blutrache durch einen Blutpreis zu ersetzen, hat sich im letzten Jahrhundert in Tschetschenien weniger stark durchgesetzt als in den anderen Teilrepubliken. Republiksoberhaupt Kadyrow fährt eine widersprüchliche Politik: Einerseits spricht er sich öffentlich gegen die Tradition der Blutrache aus und leitete 2010 den Einsatz von Versöhnungskommissionen ein, die zum Teil mit Druck auf die Konfliktparteien einwirken, von Blutrache abzusehen. Andererseits ist er selbst in mehrere Blutrachefehden verwickelt. Nach wie vor gibt es Clans, welche eine Aussöhnung verweigern (AA 13.2.2019).

In Einklang mit den Prinzipien des Föderalismus ist das tschetschenische Parlament autorisiert, Gesetze innerhalb der Zuständigkeit eines Föderationssubjektes zu erlassen. Laut Artikel 6 der tschetschenischen Verfassung überwiegt das föderale Gesetz gegenüber dem tschetschenischen im Bereich der ausschließlichen Zuständigkeit der Föderalen Regierung, wie beispielsweise Gerichtswesen und auswärtige Angelegenheiten, aber auch bei geteilten Zuständigkeiten wie Minderheitenrechten und Familiengesetzgebung. Bei Themen im Bereich der ausschließlichen Zuständigkeit der Republik überwiegt das tschetschenische Gesetz. Die tschetschenische Gesetzgebung besteht aus einem Höchstgericht und 15 Distrikt- oder Stadtgerichten, sowie Friedensgerichten, einem Militärgericht und einem Schiedsgericht. Die formale Qualität der Arbeit der Judikative ist vergleichbar mit anderen Teilen der Russischen Föderation, jedoch wird ihre Unabhängigkeit stärker angegriffen als anderswo, da Kadyrow und andere lokale Beamte Druck auf Richter ausüben (EASO 3.2017). So musste zum Beispiel im Mai 2016 der Vorsitzende des Obersten Gerichts Tschetscheniens nach Kritik von Kadyrow zurücktreten, obwohl die Ernennung/Entlassung der Richter grundsätzlich zu den föderalen Kompetenzen fällt (ÖB Moskau 12.2018).

Die Bekämpfung von Extremisten geht laut glaubwürdigen Aussagen von lokalen NGOs mit rechtswidrigen Festnahmen, Sippenhaft, Kollektivstrafen, spurlosem Verschwinden, Folter zur Erlangung von Geständnissen, fingierten Straftaten, außergerichtlichen Tötungen und Geheimgefängnissen, in denen gefoltert wird, einher. Die strafrechtliche Verfolgung der Menschenrechtsverletzungen ist unzureichend (AA 13.2.2019, vgl. ÖB Moskau 12.2018, AI 22.2.2018, HRW 17.1.2019). Es gibt ein Gesetz, das die Verwandten von Terroristen zur Zahlung für erfolgte Schäden bei Angriffen verpflichtet. Menschenrechtsanwälte kritisieren dieses Gesetz als kollektive Bestrafung. Angehörige von Terroristen können auch aus Tschetschenien vertrieben werden (USDOS 13.3.2019). Recherchen oder Befragungen von Opfern vor Ort durch NGOs sind nicht möglich; Regimeopfer müssten mitsamt ihren Familien Tschetschenien verlassen. Bestimmte Gruppen genießen keinen effektiven Rechtsschutz (AA 13.2.2019), hierzu gehören neben Journalisten und Menschenrechtsaktivisten (ÖB Moskau 12.2018) auch Oppositionelle, Regimekritiker und Frauen, welche mit den Wertvorstellungen ihrer Familie in Konflikt geraten, Angehörige der LGBTI-Gemeinde und diejenigen, die sich mit Republiksoberhaupt Kadyrow bzw. seinem Clan angelegt haben. Auch Künstler können Beeinträchtigungen ausgesetzt sein, wenn ihre Arbeit nicht im Einklang mit Linie oder Geschmack des Republiksoberhaupts steht. Regimekritikern und Menschenrechtsaktivisten droht unter Umständen Strafverfolgung aufgrund fingierter Straftaten und physischen Übergriffen bis hin zum Mord.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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