TE Lvwg Erkenntnis 2018/8/27 VGW-151/074/7259/2018

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Veröffentlicht am 27.08.2018
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Entscheidungsdatum

27.08.2018

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

NAG §11 Abs1 Z4
NAG §30 Abs1
NAG §37 Abs4
NAG §46 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Mag.a Mandl über die Beschwerde des Herrn A. B., geb.: 1988, StA.: Serbien, vertreten durch Rechtsanwälte OG, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien, Magistratsabteilung 35, vom 21.03.2018, Zl. ..., mit welchem der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck "Rot-Weiß-Rot - Karte plus (§ 46/1/2)" gemäß § 11 Abs. 1 Z 4 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), abgewiesen wurde,

zu Recht e r k a n n t :

I.       Gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

II.      Gemäß § 53b AVG in Verbindung mit § 76 Abs. 1 AVG sowie § 17 VwGVG wird dem Beschwerdeführer der Ersatz der mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes Wien vom 23.8.2018 zur GZ: VGW-KO-... mit 99,00 Euro bestimmten Barauslagen für den zur mündlichen Verhandlung am 21.8.2018 beigezogenen nichtamtlichen Dolmetscher auferlegt. Der Beschwerdeführer hat diese erwachsenen Barauslagen in Höhe von 99,00 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Die Kosten sind auf das Konto, Kontonummer: AT16 12000 00696 212 729, lautend auf MA 6, BA 40 zu entrichten.

III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Der Beschwerdeführer (BF) stellte am 20.10.2017 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck "Rot-Weiß-Rot - Karte plus (§ 46/1/2)", welcher mit Bescheid der belangten Behörde vom 21.3.2018 abgewiesen wurde. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass im Verfahren festgestellt worden sei, dass es sich bei der am ....3.2017 in Wien geschlossenen Ehe um eine Aufenthaltsehe handle.

Dagegen erhob der BF Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien und führte darin zusammengefasst aus, dass die belangte Behörde zur Feststellung der Aufenthaltsehe aufgrund einer Befragung durch die LPD Wien gekommen sei, dabei jedoch übersehe, dass die Befragung ohne Beiziehung eines Gerichtsdolmetschers stattgefunden habe, die erste Niederschrift nicht darstelle, was der BF vor der Behörde ausgesagt habe, der BF bereits am 21.12.2017 vor der LPD Wien ausgesagt habe, ausschließlich aus Liebe geheiratet zu haben, er zu keinem Zeitpunkt die Ehe als Aufenthaltsehe bezeichnet habe, die Polizeibeamten verweigert hätten, Fotos aus dem Eheleben zum Akt zu nehmen und die Ehe zu keinem Zeitpunkt eine Aufenthaltsehe gewesen sei. Die belangte Behörde hätte ihm ermöglichen müssen, die Vernehmung von Zeugen und die Aussetzung des Verfahrens bis zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens zur Zahl ..., welches gegen ihn und seine Ehefrau wegen § 117 Abs. 1 und 4 Fremdenpolizeigesetz geführt werde, zu beantragen sowie Urkunden wie etwa Fotos aus dem Eheleben und gemeinsame Fotos vor der Ehe vorzulegen. Es werde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt und die Vernehmung von in der Beschwerde genannten Zeugen, die Beischaffung des Strafaktes des Bezirksgerichtes ... sowie, das Verfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens mit Beschluss auszusetzen.

Der Akt des Bezirksgerichtes ... zur Zahl ... wurde beigeschafft und wurde vom Gericht Einsicht genommen.

Am 21.8.2018 fand vor dem Verwaltungsgericht Wien die beantragte öffentliche mündliche Verhandlung statt, welche unter Zuziehung eines Dolmetschers für die serbische Sprache durchgeführt wurde. Der BF und die beantragten Zeugen wurden einvernommen. Die belangte Behörde hat auf die Teilnahme an der Verhandlung verzichtet.

Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

Aufgrund des Aktes der belangten Behörde, der Auszüge aus dem Strafakt des Bezirksgerichtes ... zur Zahl ..., der Einsichtnahme in das Fremdenregister des Bundesministers für Inneres, der Daten der Sozialversicherung und des Zentralen Melderegisters sowie des Ergebnisses der durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung wird nachstehender Sachverhalt als erwiesen festgestellt:

Der BF ist am ...1988 geboren und serbischer Staatsangehöriger. Der Reisepass des BF hat eine Gültigkeit bis 11.3.2025.

Der BF ist seit ....3.2017 mit X. Y., geboren 1979, verheiratet. Für die Ehefrau des BF ist es die dritte, für den BF ist es die erste Ehe. Die Ehefrau des BF hat aus der ersten Ehe eine Tochter im Alter von 15 Jahren, die mit ihr im gemeinsamen Haushalt lebt. Die Ehefrau des BF ist mit 35 Stunden pro Woche als Verkäuferin aufrecht beschäftigt. Sie verdient monatlich ca. Euro 1400 netto. Sie verfügt über eine Mietwohnung im ... Bezirk, welche ca. 52 m² misst und aus 3 Zimmern besteht, und für welche sie eine Miete von monatlich Euro 350 bezahlt. Die Wohnung wird unter Einsatz des BF immer wieder saniert und hergerichtet. Es gibt bereits ein neues Badezimmer und demnächst wird eine neue Küche eingebaut. Die Wohnung wird elektrisch mit mobilen Heizgeräten beheizt.

Der BF ist gelernter Fliesenleger und hat als solcher in Serbien gearbeitet, er übt diesen Beruf bereits seit 15 Jahren aus. Der BF hat neuneinhalb Monate lang in C. gearbeitet und zwar von Juli 2015 bis März 2016. Er war mit einem serbischen Unternehmen in D. und war eine Vertragsdauer von einem Jahr vorgesehen.

Während des Aufenthaltes in C. hat der BF seine nunmehrige Frau über Facebook kennen gelernt, er hat am 27.12.2015 eine Freundschaftsanfrage gesendet, welche sie beantwortet hat. Im Anschluss wurde Kontakt gehalten. Die beiden stammen aus der selben serbischen Stadt. Im Februar 2016 haben sich die beiden zum ersten Mal persönlich getroffen. Die Frau hat ihn in D. besucht und ist fünf Tage geblieben. Für diese Zeit wurde eine eigene Wohnung gebucht, da ansonsten der BF mit den anderen Arbeitern zusammengewohnt hat. Im April 2016 war der BF zum ersten Mal in Österreich, er hat seine Frau besucht. Die Tätigkeit in C. endete daher vorzeitig.

Die Ehefrau des BF hatte im Oktober 2015 eine Schilddrüsenoperation, sie war damals einige Wochen im Krankenstand. Sie nimmt seither Medikamente. Der BF und seine Ehefrau sind Raucher. Zu den Ex-Männern hat die Ehefrau keinen Kontakt. Im Haushalt werden einige Aufgaben geteilt. Der BF hat seiner Ehefrau zum Jahrestag eine Silberkette geschenkt. Der BF hat bei einer Familienfeier anlässlich einer Taufe in Serbien im Sommer 2016 die Familie der Ehefrau kennengelernt. Der BF selbst hat keine Geschwister, sein Vater ist bereits verstorben, seine Mutter lebt in Serbien. Eine kirchliche Trauung war und ist geplant, es wird derzeit nach einem Todesfall ein Trauerjahr abgewartet.

Der BF wurde am 21.12.2017 vor der LPD Wien als Beschuldigter einvernommen (AS Akt nicht nummeriert). Ein nicht allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Dolmetscher hat übersetzt. Am selben Tag wurde vor der LPD Wien auch die Ehefrau des BF als Beschuldigte einvernommen.

Im Abschlussbericht der LPD Wien vom 21.12.2017 wurde zusammengefasst, dass die vorangegangene Ehe der Ehefrau des BF, welche vom ....6.2013 bis ....1.2016 gedauert habe, ebenfalls überprüft worden sei, eine Aufenthaltsehe jedoch nicht habe nachgewiesen werden können. Es habe in dieser Ehe zwei Betretungsverbote gegen den Mann gegeben. Eine Nachschau an der Wohnadresse zur aktuellen Ehe sei negativ verlaufen und das Ehepaar habe im Zuge seiner Einvernahme am 21.12.2017 mehrere Fotos von gemeinsamen Unternehmungen vorgelegt, Einsicht in Anruflisten und gemeinsame Facebook Profile und Verläufe gegeben, wobei die Chat-Verläufe lediglich bis September 2017 reichten. Zum ersten gemeinsamen Treffen in C. seien Widersprüche aufgetaucht, es sei sodann eine Beschuldigteneinvernahme durchgeführt worden und mitgeteilt worden, dass diese Ehe der Staatsanwaltschaft angezeigt werde. Dem BF sei der Milderungsgrund eines Geständnisses erklärt worden und habe der BF angegeben, in Serbien ein schweres Leben zu führen und sich durch die Aufenthaltsehe eine Arbeit in Österreich zu erhoffen. Mit dieser Aussage konfrontiert, gab die Ehefrau an, dass ihr dies unverständlich sei und der BF unter Druck gesetzt worden sei. In einer neuerlichen Einvernahme habe der BF angegeben, sehr verwirrt gewesen zu sein; angemerkt wurde, dass der BF „tatsächlich sehr nervös“ gewesen sei, und angegeben habe, ein Geständnis ablegen zu müssen, damit er kein Einreiseverbot erhalte, wovon jedoch keine Rede gewesen sei.

Zur Einvernahme des BF vor der LPD Wien ist festzuhalten, dass diese ohne Beiziehung eines allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Dolmetschers stattgefunden hat, die Niederschrift der LPD nicht darstellt, was der BF vor der Behörde ausgesagt hat, gleichzeitig auch festhält, dass der BF ausgesagt hat, ausschließlich aus Liebe geheiratet zu haben. Selbst von der LPD wurde angemerkt, dass der BF sehr nervös gewesen sei. In seiner zweiten Einvernahme, nachdem der BF seiner Frau das Ergebnis seiner Einvernahme mitgeteilt hatte, hat der BF seine Aussage revidiert.

In der mündlichen Verhandlung hat der BF dazu angegeben, sich bei der Einvernahme wie ein Krimineller vorgekommen zu sein. Zur Anmerkung der LPD, dass der BF sehr nervös gewesen sei, ist festzuhalten, dass auch bei der Einvernahme des BF vor Gericht dieser recht nervös gewirkt hat, sich die Unsicherheit und Nervosität nach kurzem sichtbar gelegt haben. Der BF beantwortete die Fragen ohne allzu viele Umschweife und konnte konkrete Angaben zum Familien- und Zusammenleben machen, welche sich mit den Aussagen der übrigen vernommenen Zeugen deckten. Der BF vermittelte den Eindruck, den Familienanschluss, welche ihm die Ehefrau bietet, zu schätzen und ihr sehr zugetan zu sein. Dies zeigt sich in verschiedener Hilfestellung im Alltag, etwa Unterstützung im Haushalt und beim Wohnungsumzug sowie etwa beim Wohnungsumbau und der Wohnungssanierung.

Die zeugenschaftlich vernommene Ehefrau beantwortete die Fragen des Gerichtes teils sehr ausführlich, etwa wenn es um das Kennenlernen oder ihre Krankheit ging. Dass die Ehefrau nach der schlechten Erfahrung mit dem letzten Ehemann, gegen den Betretungsverbote ausgesprochen wurden, nochmals geheiratet hat, hat sie damit erklärt, sich nun längere Zeit zum Kennenlernen genommen zu haben. Ausgehend vom Kennenlernen zum Jahresende 2015, dem Besuch in D. im Februar 2016, dem Besuch des BF in Wien im April 2016, der Familienfeier in Serbien im Sommer 2016 und der Heirat am ....3.2017 erschien diese Aussage glaubhaft.

Die zeugenschaftlich Vernommenen gaben übereinstimmend an, dass der BF und seine Ehefrau sehr gut zueinander passen würden und - etwa im Vergleich mit den Ex-Männern - der BF am besten zur Ehefrau passe, der Altersunterschied von zehn Jahren sei Tatsache, jedoch kein Thema und würden sich die beiden lieben. Es wurde ebenso übereinstimmend von gemeinsamen Unternehmungen, Ausflügen und einer Familienfeier berichtet. Die zeugenschafltich vernommene Arbeitskollegin der BF hat die beiden (und die Tochter der Ehefrau) eine Zeit lang in ihrer Wohnung wohnen lassen und war etwa eine Woche mit ihnen gemeinsam in ihrer 38m2 Wohnung; ihrer Aussage kam besonderes Gewicht zu, da sie kein verwandtschaftliches Naheverhältnis zur Ehefrau oder dem BF hat und von einem „normalen“ Liebesverhältnis erzählt hat. Die ebenfalls zeugenschaftlich einvernommene Vorgesetzte der Ehefrau, die sie erst seit etwa einem Jahr kennt, beschrieb das Verhältnis der Ehefrau und des BF als ein freundliches Miteinander; glaubhaft gab sie an, die beiden beim Abholen der Ehefrau im Geschäft beobachten zu können und sich mit ihm bei Übersetzung durch die Ehefrau auch zu unterhalten, sowie dass sich die Ehefrau mit rechtlichen Problemen an sie wende und sie ihr Rat gebe. Offensichtlich besteht hier ein Vertrauensverhältnis und konnte auch ihre Aussage den Feststellungen zugrunde gelegt werden.

Dem Akt des Bezirksgerichtes ... zur Zahl ... wurden folgende Aktenteile in Kopie entnommen:

- Strafantrag gegen den BF sowie gegen die Ehefrau des BF,

- Erhebungsersuchen im dg. Verfahren an die Fremdenpolizei,

- Hauptverhandlungsprotokoll vom 11.4.2018, in welchem die Einvernahme und zeugenschaftliche Aussage von zwei auch im hg. Verfahren vernommenen Zeugen bereits vorhanden ist und deren Aussagen nach Vorhalt im Verfahren den Feststellungen zugrunde gelegt werden konnte, sowie

- zwei Konvolute an Fotografien von Familienfeiern sowie partnerschaftlichen Fotos der Ehefrau und des BF, teils auch mit Arbeitskollegen und mit Verwandten, deren Namen dazu geschrieben wurde und teils das der Aufnahme zugrunde liegende Ereignis (etwa Besuch in D. 2016, Taufe/Familienfeier in Serbien Sommer 2016, Christkindlmarkt Rathausplatz 2017, Hochzeit am Standesamt, etc.).

Die im dg. Verfahren von den beiden Zeugen gemachten Aussagen brachten keinen Widerspruch zu den Aussagen im hg. Verfahren. Der als Dometsch zur Trauung beigezogene und als Zeuge beantragte und vernommene DI Z. legte im nunmehrigen Verfahren dar, in gar keinem persönlichen Verhältnis zum BF und seiner Ehefrau zu stehen. Die Tochter der Ehefrau des BF wurde ebenso unter Heranziehung ihrer zeugenschaftlichen Einvernahme im Strafverfahren als Zeugin befragt, sie beantwortete die an sie gerichteten Fragen ohne Umschweife. Sie konnte zu den hervorgehenden beiden Beziehungen ihrer Mutter ebenso Angaben machen wie zum nunmehrigen Ehemann ihrer Mutter, dem BF. Ihre Aussage deckt sich mit den Angaben des BF betreffend Wohnung und bisheriges Zusammenleben, in welchem Ausflüge, Familienfeiern und Alltägliches stattfinden.

Rechtlich folgt daraus:

Gemäß § 30 Abs. 1 NAG dürfen sich Ehegatten oder eingetragenen Partner, die ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht führen, für die Erteilung und Beibehaltung von Aufenthaltstitel nicht auf die Ehe oder eingetragenen Partnerschaft berufen.

Gemäß § 37 Abs. 4 NAG hat die Behörde, wenn sie bei Vornahme einer Amtshandlung nach diesem Bundesgesetz den begründeten Verdacht hat, dass in Bezug auf einen bestimmten Fremden eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption besteht, die Landespolizeidirektion von diesem Verdacht zu verständigen. Diese Verständigung hemmt den Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG bis zum Einlangen einer Mitteilung der Landespolizeidirektion gemäß § 110 FPG bei der Behörde. Teilt die Landespolizeidirektion mit, dass keine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption besteht, oder erfolgt die Mitteilung der Landespolizeidirektion nicht binnen drei Monaten, hat die Behörde vom Vorliegen einer Ehe, eingetragenen Partnerschaft oder Adoption auszugehen, es sei denn die Landespolizeidirektion gibt binnen dieser Frist begründet bekannt, dass die Erhebungen noch nicht abgeschlossen werden konnten. Diesfalls verlängert sich die Frist für die Mitteilung gemäß § 110 FPG einmalig um weitere zwei Monate.

§ 37 Abs. 4 NAG bindet das Verwaltungsgericht nicht. Vielmehr kann dieses das Vorliegen einer Aufenthaltsehe im Rahmen seiner freien Beweiswürdigung eigenständig einer Beurteilung unterziehen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat ausgesprochen, dass das Vorliegen einer Aufenthaltsehe nach § 30 Abs. 1 NAG voraussetzt, dass sich die Ehegatten für die Erteilung und Beibehaltung von Aufenthaltstiteln auf die Ehe berufen, obwohl sie ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht führen. Dabei besteht insofern ein zeitlicher Zusammenhang, als das Berufen auf ein Familienleben zu einem Zeitpunkt erfolgen muss, zu dem ein Familienleben nicht (mehr) geführt wird (vgl. VwGH vom 27. März 2007, Zl. 2006/21/0391; VwGH vom 27. Jänner 2011, Zl. 2008/21/0633). § 30 Abs. 1 NAG stellt somit bloß auf den zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Nichtführen eines Familienlebens und dem Berufen auf ein nicht geführtes Familienleben ab (vgl. VwGH vom 27. März 2007, Zl. 2006/21/0391).

Das Fehlen eines gemeinsamen Haushalts bzw. eines gemeinsamen Wohnsitzes zwischen Ehegatten kann nach höchstgerichtlicher Judikatur nicht per se zu der Annahme führen, es fehle das in § 30 Abs. 1 NAG angesprochene gemeinsame Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK. Das ergibt sich im Fall der Beantragung eines Erstaufenthaltstitels schon daraus, dass der die Erteilung eines Erstaufenthaltstitels zum Zweck der Familienzusammenführung beantragende Fremde in Österreich regelmäßig noch keinen Wohnsitz begründet hat, bedarf es doch gerade dazu des angestrebten Titels. Entscheidend ist vielmehr die Absicht des Fremden, wie der angestrebte Titel zu nutzen sei (vgl. VwGH vom 24. November 2000, Zl. 2000/19/0126; VwGH vom 20. Oktober 2011, Zl. 2010/21/0177). Bei der Beurteilung, ob eine Aufenthaltsehe im Sinne des § 11 Abs. 1 Z 4 NAG vorliegt, kommt es auf die Absicht des anderen Ehepartners somit nicht an, sondern auf die des Fremden, dem die Schließung der Aufenthaltsehe vorgeworfen wird (VwGH vom 20. Oktober 2011, Zl. 2010/21/0177).

Gegenständlich ist aufgrund der oben getroffenen Feststellungen vom Vorliegen eines Familienlebens auszugehen und ist die Absicht des BF, ein Leben mit seiner Frau und ihrer Familie im Bundesgebiet zu führen, im Verfahren hervorgekommen. Dies manifestiert sich etwa im Umbau und der Sanierung der Wohnung, welche großteils vom BF als Handwerker gemacht wurde und wird, gemeinsamen Unternehmungen und Plänen, wie z.B. einem gemeinsamen Kind.

Zur beantragten beschlussmäßigen Aussetzung des hg. Verfahrens bis zum Abschluss des Strafverfahrens vor dem Bezirksgericht ... ist auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Zahl Ra 2017/22/0086 vom 23.11.2017 sowie auf Ra 2018/22/0090 bis 0091 vom 22.5.2018 zu verweisen. Im Zuge der mündlichen Verhandlung wurde von Seiten der Beschwerdeführervertreterin, die auch im Strafverfahren vertritt, angegeben, dass das Bezirksgericht ... den vollständigen Akt der belangten Behörde abwarten wolle.

Auf die beantragte zeugenschaftliche Einvernahme einer weiteren Arbeitskollegin der Ehefrau des BF, der Schwiegermutter des BF und Halbgeschwister der Ehefrau konnte verzichtet werden, da die Feststellungen auf Grund der einvernommenen acht Zeugen getroffen werden konnten und der Sachverhalt hinreichend geklärt war.

Nachdem eine Aufenthaltsehe entgegen den Ergebnissen der fremdenpolizeilichen Einvernahme und der Begründung im abweisenden Bescheid nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung und zeugenschaftlicher Einvernahme von Zeugen nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt hat werden können, und der BF nach den getroffenen Feststellungen mit seiner Ehefrau ein Familienleben führt, war der angefochtene Bescheid aufzuheben und spruchgemäß zu entscheiden.

H I N W E I S

Die Vorschreibung der Kosten für den beigezogenen nichtamtlichen Dolmetscher gründet sich auf die angeführten Gesetzesstellen. Die Kosten sind auf das Konto, Kontonummer: AT16 12000 00696 212 729, lautend auf MA 6, BA 40 zu entrichten.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen; Aufenthaltsehe; freie Beweiswürdigung; Aufhebung

Anmerkung

VwGH v. 25.7.2019, Ra 2018/22/0270; Aufhebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2018:VGW.151.074.7259.2018

Zuletzt aktualisiert am

05.12.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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