Entscheidungsdatum
15.11.2018Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
VwGVG §7 Abs4Text
Das Verwaltungsgericht Wien fasst durch seinen Richter Mag. Pichler über die Beschwerde der Frau A. B. vom 4. September 2018, vertreten durch Mag. C. D., gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 31. Juli 2018, Zl. ... den
BESCHLUSS
I. Die Beschwerde wird gemäß § 7 Abs. 4 i.V.m. § 31 VwGVG als verspätet zurückgewiesen.
II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 und Abs. 9 B-VG unzulässig.
Begründung
I. Verfahrensgang und Sachverhalt
1. Frau A. B. stellte am 3. Mai 2018 bei der belangten Behörde einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Studenten“ gemäß § 64 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz – NAG idgF.
2. Mit Bescheid vom 31. Juli 2018, zugestellt am 4. August 2018, wies die belangte Behörde den Antrag von Frau A. B. auf Erteilung eines Aufenthaltstitels ab.
3. Gegen diesen Bescheid langte bei der belangten Behörde am 2. September 2018 ein E-Mail, eingebracht von Mag. C. D. in Vertretung für Frau A. B., ein. In dieser E-Mail verwies der Einschreiter sowohl auf ein im Anhang befindliches Beschwerdeschreiben als auch eine Einzahlungsbestätigung im Hinblick auf die für die Beschwerdeerhebung zu leistende Pauschalgebühr. Der E-Mail war aber ausschließlich die Einzahlungsbestätigung angeschlossen.
Am 4. September 2018 übermittelte Mag. C. D. ein weiteres E-Mail an die belangten Behörde, dem erstmals ein Beschwerdeschreiben angeschlossen war. Dieses Beschwerdeschreiben war ausschließlich von Mag. C. D. unterfertigt. Mit einer weiteren, am 5. September 2018 bei der belangten Behörde eingelangten E-Mail übermittelte der Einschreiter eine beglaubigte Übersetzung aus der persischen Sprache des „Personalausweis[es]/Geburtsurkunde/Eheeintrag“ von Frau A. B..
4. Die belangte Behörde sah von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung ab und legte den gegenständlichen Verwaltungsakt dem Verwaltungsgericht Wien zur Entscheidung vor, wo dieser am 16. Oktober 2018 einlangte.
5. Mit verfahrensleitender Anordnung vom 23. Oktober 2018, zugestellt am 30. Oktober 2018, forderte das Verwaltungsgericht Wien Mag. D. auf, innerhalb einer Frist von zwei Wochen eine schriftliche Vollmacht vorzulegen, sowie glaubhaft zu machen, dass der Einschreiter zum Einbringungszeitpunkt zur Vertretung der Beschwerdeführerin bevollmächtigt war. Unter einem wurde der Einschreiter darauf aufmerksam gemacht, dass die vierwöchige Rechtsmittelfrist am 3. September 2018 endete und die am 4. September 2018 bei der belangten Behörde eingebrachte Beschwerde offensichtlich verspätet sei.
6. Am 9. November 2018 übergab der Beschwerdeführer persönlich eine auf den 12. August 2018 datierte, ihn zu Vertretungshandlungen für Frau A. B. vor dem Verwaltungsgericht Wien befähigende Vollmacht.
Bezüglich des Verspätungsvorhalts führte Mag. D. im Wesentlichen aus, der Zustellungsversuch des angefochtenen Bescheides sei erst am 6. August 2018 erfolgt, Frau B. habe diesen dann am 7. August 2018 von der Post abgeholt. Die „Finanzamtgebühr“ sei bereits am 28. August 2018 eingezahlt worden, wodurch Bereitschaft und Willenserklärung zur Abgabe einer Beschwerde vermittelt wurde. Aufgrund von Übermittlungsproblemen (Datenmenge) sei das Beschwerdeschreiben nicht gemeinsam mit dem E-Mail vom 2. September 2018 übermittelt worden, er habe es daher am 4. September 2018 nachgeschickt - dies sei noch innerhalb der Beschwerdefrist gewesen.
II. Beweiswürdigung
Das Verwaltungsgericht Wien gelangt zu diesem Ergebnis aufgrund der folgenden Beweiswürdigung:
1. Das Verwaltungsgericht Wien hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt, Würdigung des Beschwerdevorbringens und den im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen, sowie der Stellungnahme des Mag. C. D..
2. Der Zeitpunkt der Zustellung des angefochtenen Bescheides ergibt sich aus dem im Akt befindlichen Zustellnachweis, der nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshof eine öffentliche Urkunde darstellt (vgl. VwGH 19.10.2017, Ra 2017/20/0290).
3. Die Feststellungen zur Vorlage der Vollmacht sowie der Ausführungen zur verspäteten Beschwerdeerhebung ergeben sich aus den im verwaltungsgerichtlichen Akt befindlichen Unterlagen.
IV. Rechtslage:
1. Die im Beschwerdefall maßgebliche Bestimmung des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG, BGBl. Nr. 51/1991, idF BGBl. I Nr. 58/2018, lautet:
„§ 33. (1) Beginn und Lauf einer Frist werden durch Samstage, Sonntage oder gesetzliche Feiertage nicht behindert.
(2) Fällt das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag, Karfreitag oder 24. Dezember, so ist der nächste Tag, der nicht einer der vorgenannten Tage ist, als letzter Tag der Frist anzusehen.
(3) Die Tage von der Übergabe an einen Zustelldienst im Sinne des § 2 Z 7 des Zustellgesetzes zur Übermittlung an die Behörde bis zum Einlangen bei dieser (Postlauf) werden in die Frist nicht eingerechnet.
(4) Durch Gesetz oder Verordnung festgesetzte Fristen können, wenn nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, nicht geändert werden.“
2. Die im Beschwerdefall maßgebliche Bestimmung des Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013, idF BGBl. I Nr. 57/2018, lauten:
„2. Hauptstück
Verfahren
1. Abschnitt
Beschwerde
Beschwerderecht und Beschwerdefrist
§ 7. (1) Gegen Verfahrensanordnungen im Verwaltungsverfahren ist eine abgesonderte Beschwerde nicht zulässig. Sie können erst in der Beschwerde gegen den die Sache erledigenden Bescheid angefochten werden.
(2) Eine Beschwerde ist nicht mehr zulässig, wenn die Partei nach der Zustellung oder Verkündung des Bescheides ausdrücklich auf die Beschwerde verzichtet hat.
(3) Ist der Bescheid bereits einer anderen Partei zugestellt oder verkündet worden, kann die Beschwerde bereits ab dem Zeitpunkt erhoben werden, in dem der Beschwerdeführer von dem Bescheid Kenntnis erlangt hat.
(4) Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG, gegen Weisungen gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 4 B-VG oder wegen Rechtswidrigkeit des Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG beträgt vier Wochen. Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG beträgt sechs Wochen. Sie beginnt
1. in den Fällen des Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer nur mündlich verkündet wurde, mit dem Tag der Verkündung
2. in den Fällen des Art. 132 Abs. 1 Z 2 B-VG dann, wenn der Bescheid dem zuständigen Bundesminister zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, sonst mit dem Zeitpunkt, in dem der zuständige Bundesminister von dem Bescheid Kenntnis erlangt hat,
3. Befehls- und Zwangsgewalt erlangt hat, wenn er aber durch diese behindert war, von seinem Beschwerderecht Gebrauch zu machen, mit dem Wegfall dieser Behinderung,
4. in den Fällen des Art. 132 Abs. 4 B-VG mit dem Zeitpunkt, in dem die Schulbehörde, an die die Weisung gerichtet ist, von dieser Kenntnis erlangt hat, und
5. in den Fällen des Art. 132 Abs. 5 B-VG dann, wenn der Bescheid dem zur Erhebung der Beschwerde befugten Organ zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, sonst mit dem Zeitpunkt, in dem dieses Organ von dem Bescheid Kenntnis erlangt hat.
3. Abschnitt
Verfahren vor dem Verwaltungsgericht
Anzuwendendes Recht
§ 17. Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.“
V. Rechtliche Erwägungen:
1. Gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG ist die Beschwerde innerhalb von vier Wochen nach Zustellung des angefochtenen Bescheides zu erheben. Diese gesetzlich normierte Frist ist gemäß § 33 Abs. 4 AVG nicht erstreckbar.
Der angefochtene Bescheid der Beschwerdeführerin wurde dieser am 4. August 2018 mittels Hinterlegung zugestellt. Dies ließ sich dem Zustellnachweis der Post entnehmen, welcher gemäß § 47 AVG iVm § 17 VwGVG eine öffentliche Urkunde darstellt und somit gemäß § 292 Abs. 1 ZPO den vollen Beweis ihres Inhalts liefert (vgl. VwGH 19.10.2017, Ra 2017/20/0290).
2. Die vierwöchige gesetzliche Beschwerdefrist begann daher am 4. August 2018 zu laufen. Da das Ende der vierwöchigen Frist auf einen Samstag (1. September 2018) fiel, eine verfahrensrechtliche Frist an Samstagen und Sonntagen jedoch gemäß § 33 Abs. 2 AVG iVm. § 17 VwGVG nicht auslaufen kann, endete die Frist mit Ablauf des 3. Septembers 2018 (Montag).
Die erst am 4. September 2018 bei der belangten Behörde eingebrachte Beschwerde erweist sich daher als verspätet.
3. An diesem Ergebnis vermögen auch die Ausführungen des Einschreiters in seiner Stellungnahme an das Verwaltungsgericht Wien, wonach er das E-Mail samt Beschwerdeschreiben rechtzeitig (am 2. September 2018) abgeschickt, es jedoch aufgrund der großen Datenmenge Übermittlungsprobleme gegeben habe, weshalb es erst am 4. September 2018 (nach nochmaliger Übermittlung) bei der belangten Behörde angekommen sei, nichts zu ändern:
Nach Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Anbringen nach § 13 Abs. 1 AVG nur dann als eingebracht anzusehen, wenn es der Behörde tatsächlich zugekommen ist. Selbst eine vorliegende Sendebestätigung lässt nicht den zwingenden Schluss zu, dass das gesendete E-Mail beim Empfänger auch tatsächlich eingelangt ist (vgl. VwGH 24.06.2014, 2012/05/0180).
Im vorliegenden Fall hat der Einschreiter selbst eingeräumt, dass es bei der ersten Übermittlung am 2. September 2018 zu Übertragungsproblemen gekommen sei. Es wäre daher an ihm gelegen, sich zu vergewissern, dass jene E-Mail, an die der Beschwerdeschriftsatz angeschlossen war, auch tatsächlich an die belangte Behörde übermittelt wurde. Dass lediglich der Einzahlungsbeleg, nicht jedoch auch der Beschwerdeschriftsatz am 2. September 2018 an die belangte Behörde übermittelt wurde, hat ferner auch der Einschreiter in seiner beim Verwaltungsgericht Wien eingebrachten Stellungnahme eingeräumt.
4. An diesem Ergebnis vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass innerhalb der Beschwerdefrist der belangten Behörde ein Einzahlungsbeleg über die Zahlung der Pauschalgebühr für die Beschwerdeerhebung an das Finanzamt für Gebühren, Verkehrssteuern und Glücksspiel übermittelt wurde: Der Nachweis über die Einzahlung der Pauschalgebühr kann nicht als mangelhafte „Beschwerdeeingabe“ gedeutet werden, weil die Übermittlung des Zahlungsbeleges lediglich dem Nachweis der Einzahlung der Pauschalgebühr dient (vgl. idS VwGH, 21.11.2013, 2011/16/0097).
5. Festzuhalten ist außerdem, dass es sich bei der Beschwerdefrist um eine gesetzliche Frist handelt, die auch durch das Verwaltungsgericht Wien zwingend zu beachten ist und nicht erstreckt werden darf. Voraussetzung für die Zurückweisung eines Rechtsmittels als verspätet ist allein die Versäumung der Rechtsmittelfrist und nicht auch ein Verschulden des Einbringers des Rechtsmittels an der Verspätung (vgl. zB VwGH 11.7.1988, 88/10/0113).
6. Daher ist der angefochtene Bescheid bereits in Rechtskraft erwachsen und dem Verwaltungsgericht Wien rechtlich verwehrt, eine Sachentscheidung zu treffen (vgl. zB VwGH 27.3.1990, 89/08/0173).
7. Die somit am 4. September 2018 verspätet eingebrachte Beschwerde war ohne Eingehen auf die Beschwerdeausführungen sowie ohne Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien (vgl. § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG) spruchgemäß als verspätet zurückzuweisen.
7. Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen (obzitierten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche, über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung der hier zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal auch die Gesetzeslage eindeutig ist.
Schlagworte
Beschwerdefrist; gesetzliche Frist; Rechtzeitigkeit; Zustellung durch Hinterlegung; Zustellnachweis; öffentliche Urkunde; Anbringen; BeweislastAnmerkung
VwGH v. 17.09.2019, Ra 2018/22/0310; AufhebungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2018:VGW.151.019.13709.2018Zuletzt aktualisiert am
05.12.2019