Index
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §116;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Repa, über die Beschwerde der K Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Schuppich, Sporn & Winischhofer, Rechtsanwälte in Wien I, Falkestraße 6, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 11. Juni 1996, Zl. 2-1/K 47/1/1/1996/H, betreffend Abweisung eines Wiederaufnahmeantrages in einer Eingangsabgabenangelegenheit, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird auf das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 96/16/0117, verwiesen. Noch vor Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides des Hauptzollamtes Linz vom 29. Juli 1993 - mit welchem Bescheid die Entstehung der Zollschuld kraft Gesetzes im Sinne des § 174 Abs. 3 lit. a ZollG hinsichtlich von 162 Fakten festgestellt worden ist - stellte die Beschwerdeführerin in einem Schriftsatz vom 21. Juli 1993 an das Hauptzollamt Linz den Antrag, die Verfahren hinsichtlich der von der Beschwerdeführerin in den Jahren 1987 bis 1992 "eingeführten und richtig deklarierten Waren" wiederaufzunehmen.
Mit Bescheid des Hauptzollamtes Linz vom 7. Februar 1996 wurde der Wiederaufnahmeantrag insoweit, als in näher bezeichneten Fällen die Abfertigung durch diese Abgabenbehörde erfolgt war, zurückgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides wurde die Meinung vertreten, die Beschwerdeführerin habe von dem Wiederaufnahmegrund bereits in den Zeitpunkt, in dem ihr die Waren von der Anmelderin übergeben wurden, Kenntnis erlangt. Der Wiederaufnahmeantrag sei daher als verspätet zurückzuweisen.
In der Berufung gegen diesen Bescheid wird vorgebracht, die neue Tatsache, nämlich "die Änderung der tatsächlichen Grundlage der behördlichen Vorschreibung der Eingangsabgabe" sei der Beschwerdeführerin erst mit der Zustellung eines Vorhaltes vom 7. Mai 1993 bekannt geworden.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. In der Begründung wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe stets unmittelbar vor oder nach den Verzollungen von den Abweichungen zwischen gelieferten und zollamtlich angemeldeten Waren Kenntnis erlangt. Die Verzollungen hätten zwischen dem 11. Oktober 1988 und dem 6. August 1992 stattgefunden. Der Antrag vom 21. Juli 1993 sei daher verspätet gewesen.
In der Beschwerde gegen diesen Bescheid werden dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Wiederaufnahme des Verfahrens verletzt.
Der Bundesminister für Finanzen legte die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift und die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren beruft sich die Beschwerdeführerin darauf, es seien (nach Abschluß des Zollverfahrens) neue Tatsachen hervorgekommen. Weiters vertritt sie die Meinung, daß der Vorfragentatbestand im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. c BAO gegeben sei. Mit beiden Auffassungen ist die Beschwerdeführerin nicht im Recht:
Wie auch dem in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 16. September 1997, 12b Vr 2391/95, zu entnehmen ist, hat Johann Karonitsch in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Beschwerdeführerin in den in Rede stehenden Fakten unrichtige Gewichtsangaben gemacht bzw. die importierten Waren falsch deklariert, wobei Johann Karonitsch dabei im Zusammenwirken mit Bediensteten italienischer, griechischer und holländischer Lieferfirmen sowie österreichischer Agenturen gehandelt habe. Damit ist aber schon klargestellt, daß im gegebenen Zusammenhang von neu hervorgekommenen Tatsachen keinesfalls die Rede sein kann. Als Tatsachen sind nämlich die mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängenden tatsächlichen Umstände anzusehen (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 2970). Die entscheidungsrelevanten Umstände waren aber darin begründet, daß die Beschwerdeführerin unrichtige Angaben in den Anmeldungen gemacht bzw. die dementsprechenden Veranlassungen getroffen hatte. Im Ergebnis zutreffend ist auch die belangte Behörde davon ausgegangen, daß der Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Erlassung der Eingangsabgabenbescheide alle maßgeblichen Umstände bekannt gewesen sind. Damit ist aber - aus der hier maßgeblichen Sicht der Beschwerdeführerin - das Tatbestandsmerkmal der "neuen Tatsachen" von vornherein nicht gegeben. Im Gegensatz zur Meinung der Beschwerdeführerin kommt es auf den Umstand, daß und wann die Abgabenbehörde von der Unrichtigkeit der Anmeldungen Kenntnis erlangt hat, für das Vorliegen der Voraussetzungen einer Wiederaufnahme des Verfahrens keinerlei Maßgeblichkeit zu.
Nicht weiter nachvollziehbar ist die Berufung der Beschwerdeführerin auf den Vorfragentatbestand im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. c BAO. Bei einer Vorfrage handelt es sich um eine Frage, die Gegenstand eines Abspruches rechtsfeststellender oder rechtsgestaltender Natur durch eine andere Behörde oder durch ein Gericht ist (vgl. das Erkenntnis vom 17. Mai 1990, Zl. 89/16/0037). Das Vorbringen, daß die Behörde mit der - erstmaligen - Feststellung über die Entstehung der Zollschuld kraft Gesetzes nach § 174 Abs. 3 lit. a ZollG 1988 über eine Vorfrage entschieden hätte, "die retrospektiv für die früheren Vorschreibungen der Eingangsabgaben in den Jahren 1987 bis 1992 entscheidend" gewesen sei, ist geradezu unverständlich.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 28. September 1998
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1996160158.X00Im RIS seit
20.11.2000