Entscheidungsdatum
12.07.2019Norm
StVO 1960 §5 Abs1Text
Im Namen der Republik!
Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg hat durch sein Mitglied Dr. Herzog über die Beschwerde des M H, F, vertreten durch Heinzle Nagel Rechtsanwälte OG, Bregenz, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft F vom 24.07.2018, Zl X-9-2018/33170, betreffend Übertretung der StVO,
I. zu Recht erkannt:
Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
II. den Beschluss gefasst:
Gemäß § 31 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Antrag des Beschwerdeführers, ihm die Barauslagen für die Gutachten des Privatsachverständigen für forensische Toxikologie und die Rechtsvertretungskosten zu ersetzen, als unzulässig zurückgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis und diesen Beschluss ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig.
Begründung
1. Im angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschuldigten vorgeworfen, er habe am 25.05.2018 um 23.45 Uhr in D auf der L – V Straße, Höhe km XXX, in Fahrtrichtung L das Fahrzeug YYY in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand gelenkt. Die Bezirkshauptmannschaft erblickte darin eine Übertretung des § 99 Abs 1b iVm § 5 Abs 1 StVO. Es wurde eine Geldstrafe von 900 Euro verhängt und für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 245 Stunden festgesetzt.
Dem Beschuldigten wurden im Straferkenntnis gemäß § 5a Abs 2 StVO neben dem Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens auch „Blutalkoholuntersuchungskosten“ in Höhe von insgesamt 942,60 Euro vorgeschrieben.
2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Beschuldigte rechtzeitig Beschwerde erhoben. In dieser wird im Wesentlichen vorgebracht, der Tatvorwurf werde zu Unrecht zugrunde gelegt.
Die polizeiärztliche Stellungnahme des Dr. G vom 26.06.2018 sei unschlüssig. In dem um 00.40 Uhr abgenommenen Blut sei das nicht psychoaktive Kokainstoffwechselprodukt Benzoylecgonin nur in nicht quantifizierbarer Konzentration, also in Spuren, festgestellt worden. Aus diesen gerade noch vorhandenen Spuren sowie aufgrund des Umstandes, dass in dem bereits 25 Minuten nach der Fahrt abgenommenen Harn Kokainstoffwechselprodukte ebenfalls nur noch in Spuren nachweisbar gewesen seien, sei zwingend zu schließen, dass zum Zeitpunkt der Fahrt um 23.45 Uhr kein psychoaktives Kokain im Körper des Beschuldigten vorhanden gewesen sei. Der Grenzwert, ab welchem in Deutschland mit überwiegender Wahrscheinlichkeit von einem Nachweis von Nachwirkungen von Kokain ausgegangen werde, betrage 75 ng/ml Benzoylecgonin. Der beim Beschuldigten festgestellte Wert sei im nicht mehr quantifizierbaren Bereich gelegen. Psychoaktives Kokain sei nicht festgestellt worden. Wissenschaftlich stehe außer Streit, dass Kokain zwei Tage nach dem Konsum keinerlei psychoaktive Wirkungen mehr entfalte. Außerdem habe ein Kokainkonsum unmittelbar nach vollständiger Verstoffwechselung der psychoaktiven Substanzen nicht eine Übermüdung zur Folge. Eine Übermüdung trete als Folge von Kokainkonsum überhaupt nicht ein, jedenfalls nicht in einer Weise, dass diese Übermüdung zwingend Folge eines viele Stunden oder Tage vorher stattgehabten Kokainkonsums wäre.
Dass der Beschwerdeführer an einem Straßenrennen teilgenommen habe, sei eine spekulative Unterstellung des Polizeiarztes, die Voreingenommenheit des Arztes gegen den Beschuldigten indiziere. Erst nachdem der Urintest positiv auf Kokain angezeigt habe, sei der Beschuldigte vom Amtsarzt untersucht worden. Der Amtsarzt sei daher von vorneherein nicht objektiv, sondern voreingenommen gewesen.
Viele der im Drogencheckformular notierten Beobachtungen entsprächen nicht der Realität oder seien künstlich als angeblich auffällig dargestellt. Während der Arzt die geteilte Aufmerksamkeit als vorhanden beurteilt habe, schreibe der Polizist, diese sei gestört gewesen. Während der ärztlichen Untersuchung auf der Dienststelle sei der Polizist anwesend gewesen und habe sich mit dem Arzt verständigt, zu welchem Zweck sie auch wiederholt den Raum verlassen hätten. Wenn der Arzt schreibe „Störung der Erinnerung an den Vorfall, verminderte Kritikfähigkeit, Denkablauf sprunghaft, Ideenflucht, Verhalten lethargisch, apathisch, müde, verlangsamt, abweisend, Stimmung depressiv und gereizt“, seien diese angeblichen Beobachtungen rein subjektive Zuschreibungen, die objektiv nicht gegeben gewesen seien, oder aber nach der eher krassen Kontrollsituation auf der S und dem weiteren Geschehen verständliche Zustände, die nicht in einer tatsächlichen Beeinträchtigung durch Suchtgift, sondern in der insistierenden voreingenommenen Unterstellung einer solchen durch Polizei und Amtsarzt ihre Erklärung fänden. Es sei daher unvertretbar, von Nachwirkungen des Suchtgiftkonsums zu sprechen.
Aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergebe sich, dass § 5 Abs 1 StVO nur dann erfüllt sei, wenn die psychotropen Wirkungen von Alkohol oder Suchtgift noch anhielten, sprich, wenn pharmakologisch aktive Wirkstoffe im Blut noch nachweisbar vorhanden seien (VwGH 24.01.2016, Ra 2016/02/0133, Rz 27). Für eine unterschiedliche Behandlung einer Beeinträchtigung durch Suchtgift und einer Beeinträchtigung durch Alkohol bestehe kein Anlass (Ra 2016/02/0133, Rz 25). Die Tatsache, dass pharmakologisch inaktive Stoffwechselprodukte von Alkohol oder anderen psychotropen Substanzen noch im Körper nachgewiesen werden können, erfülle den Tatbestand der §§ 5 Abs 1, 99 Abs 1b StVO nicht. Dies käme einer Verletzung des strafrechtlichen Analogieverbotes gleich. Aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, der insoweit auf seine Rechtsprechung zum Alkohol zurückgreife, sei klar abzuleiten, dass eine Übertretung des § 5 Abs 1 StVO nur dann vorliege, wenn eine pharmakologisch aktive Substanz im Blut nachgewiesen werden könne. Wenn keine psychoaktiven Substanzen mehr nachweisbar seien, dann kämen weder Alkohol noch Suchtmittel als Mitursache der Beeinträchtigung in Betracht, denn dann seien sie nicht mehr vorhanden.
3. Das Landesverwaltungsgericht hat in dieser Angelegenheit eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Folgender Sachverhalt steht fest:
Der Beschuldigte lenkte am 25.05.2018 um 23.45 Uhr einen PKW auf der L – V Straße in D in Fahrtrichtung L. Bei km XXX wurde er von einem Polizeibeamten im Rahmen einer allgemeinen Lenker- und Fahrzeugkontrolle angehalten und kontrolliert. Nachdem der einschreitende Polizeibeamte Umstände feststellte, die ihn vermuten ließen, dass der Beschuldigte durch Suchtgift beeinträchtigt ist, wurde er einem Polizeiarzt zur Untersuchung vorgeführt. Der Polizeiarzt untersuchte den Beschuldigten und führte aufgrund der Ergebnisse seiner Untersuchung eine Blutabnahme durch. Die Blutanalyse wurde am Institut für Gerichtliche Medizin der Medizinischen Universität Innsbruck durchgeführt. In der analysierten Blutprobe des Beschuldigten befand sich kein psychoaktives Suchtgift, sondern nur das nicht psychoaktive Kokain-Stoffwechselprodukt Benzoylecgonin, und zwar in einer unter der Bestimmungsgrenze liegenden Konzentration, dh im Bereich zwischen 5 und 24,9 µg/l. Der Beschuldigte war nach dem Ergebnis der klinischen Untersuchung im Lenkzeitpunkt fahruntauglich, eine Beeinträchtigung durch Suchtgift lag aber nicht vor.
4. Dieser Sachverhalt wird auf Grund der behördlichen Strafaktes und des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesondere auf Grund der Aussage der Zeugen RI T und Dr. G, des Gutachtens des GMI T, des Gutachtens des Privatsachverständigen für forensische Toxikologie Dr. B und des Gutachtens der medizinischen Amtssachverständigen Dr. G als erwiesen angenommen.
4.1. Der bei der Lenker- und Fahrzeugkontrolle einschreitende Polizeibeamte RI T hielt seine Beobachtungen am 25.05.2018 um 23.45 Uhr in einem Polizeiprotokoll fest. Zum Fahrverhalten des Beschuldigten merkte er „Kurvenfahren: eckig KH D“ an. Zur anschließenden Anhaltung des Beschuldigten hielt er fest: „Reaktion: verzögert; Körperliche Auffälligkeiten: Zittern, Unruhe; Augen: Bindehäute gerötet, wässrig/glänzend; Pupillen: erweitert, Weite: links 8,0 Millimeter, rechts 8,0 Millimeter; Pupillenreaktion: träge; Aussprache/Reden: verwaschen; Ansprechbarkeit, Orientierung: lässt sich leicht ablenken; Geteilte Aufmerksamkeit: gestört, kann 2 - 3 gleichzeitig gestellte Aufgaben nicht richtig lösen; Gang: breitbeinig; Alkomattest: ja um 23.49 Uhr, 0,04 mg/l.“
4.2. Im polizeiamtsärztlichen Gutachten vom 26.05.2018, 00.50 Uhr, werden die wesentlichen Ergebnisse der Untersuchung des Beschuldigten wie folgt festgehalten:
„Letzte Schlafenszeit: von 24.5.2018 23.00 Uhr bis 25.5.2018 4.30 Uhr + 25.5.2018 12 – 14.00 Uhr; Medikamenteneinnahme: ja, Nasivin Spray; Drogeneinnahme: ja, Kokain vor 4 Tagen 21.05.2018 abends unbekannte Menge; Nase: ständiges Nasenrinnen/Nasenhochziehen wie bei Schnupfen; Nasenseptum: blutunterlaufen, Schleimhaut geschwollen“.
Zur Augenuntersuchung: „Augenlider: Zittern der Augenlider, bei geschlossenen Augen feines Zittern; Kontaktlinsen: nein; Skleren: gerötet, wässrig glänzend; Pupillengröße: stark erweitert, rechts 7,0, links 7,0; Lichtreaktion: nach 5 Sekunden, träge; deutliches Zucken bei max. Auslenkung: rechts, links.“
Zu den psychophysischen Bewegungs- und Konzentrationstests: „Ein-Bein-Stehtest: unsicher, schwankt beim Balancieren, links, rechts; Geh- und Drehtest: Testablauf normal; Finger-Finger-Test: langsam, von 6 Versuchen 5 Fehlversuche; Finger-Nase-Test: trifft Nase nicht; Romberg-Test: beginnt zu früh, kürzer um 5 Sekunden; Psychophysisch: Störung der Erinnerung an den Vorfall, verminderte Kritikfähigkeit; Denkablauf: sprunghaft, Ideenflucht; Geteilte Aufmerksamkeit: vorhanden; Verhalten: müde, verlangsamt; Stimmung: depressiv“.
Weiters ist vermerkt, dass ein fakultativer freiwilliger Urintest mit dem Ergebnis „positiv für Kokain“ durchgeführt wurde und eine Blutabnahme um 00.40 Uhr vorgenommen wurde.
Der Polizeiarzt hielt aufgrund der Ergebnisse seiner Untersuchung den Beschuldigten für beeinträchtigt durch „Suchtgift“ und “Übermüdung“ und für nicht fahrfähig.
4.3. Die Blut- und Harnprobe des Beschuldigten wurden am Institut für Gerichtliche Medizin der Medizinischen Universität Innsbruck (GMI T) chemisch-toxikologisch untersucht. Im Gutachten vom 19.06.2018 führt das GMI T im Wesentlichen aus, dass die immunologischen Voruntersuchungen hinsichtlich eines Cocain-Stoffwechselproduktes in der Harnprobe schwach positiv und in der Serumprobe negativ verlaufen seien. Bei der spezifisch-chemischen Untersuchung der Blutprobe KF sei dann Benzoylecgonin nachgewiesen worden. Die quantitative Analyse habe die Konzentration „in Spuren“ ergeben. Im menschlichen Blut werde Cocain in die physiologisch inaktiven Metaboliten Benzoylecgonin und Methylecgonin umgewandelt, wobei die Halbwertszeit von Cocain mit etwa 45 bis 90 Minuten angegeben werde.
Zusammenfassend wird im Gutachten festgestellt:
„4.1 In den am 26.05.2018 um 00.40 Uhr asservierten Blutproben des H M, geb. am XX.XX.XXXX, ist das nicht psychoaktive Cocain-Stoffwechselprodukt Benzoylecgonin enthalten. Weiters wurde Coffein und das Nikotinstoffwechselprodukt Cotinin nachgewiesen.
4.2 Der Nachweis von Benzoylecgonin belegt den stattgefundenen Konsum von Kokain oder Crack. Zum Zeitpunkt der Probenahme stand H nicht (mehr) unter dem Einfluss von Cocain.
4.3 Weitere Suchtmittel wurden nicht nachgewiesen.“
4.4. Der Beschuldigte gab in der mündlichen Verhandlung zur Frage eines dem Lenken vorausgegangenen Kokainkonsums an, dass es sein könnte, dass am Wochenende vor der Kontrolle (Pfingstwochenende) ein Konsum stattgefunden habe, er sich darüber aber nicht sicher sei.
4.5. Der Zeuge RI T sagte in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen aus, dass er mit dem Beschuldigten an Ort und Stelle gewisse Standardtests gemacht habe, zum Beispiel das Gehen auf einer Linie, den Ein-Bein-Stand, den Finger-Nase-Test und die Augendiagnostik. Bei verschiedenen Tests habe der Beschuldigte Symptome auf eine Suchtgiftbeeinträchtigung aufgewiesen. Der durchgeführte Alkomatvortest sei auf 0,04 mg/l positiv ausgefallen. Aufgrund dessen habe er sich entschieden, den Beschuldigten zum Polizeiarzt vorzuführen. Während der Fahrt zur PI D habe sich der Beschuldigte als Beifahrer im Fahrzeug neben ihm befunden und teilweise eine euphorische, situationsunangepasste Haltung gezeigt. Während der Fahrt habe er das Selfie gemacht. Nach der Ankunft bei der PI D sei der Beschuldigte dem Polizeiarzt Dr. Z übergeben worden, der mit dem Beschuldigten in weiterer Folge einen Urintest durchgeführt habe. Anschließend habe Dr. Z den Beschuldigten dem Polizeiarzt Dr. G übergeben. Das Drogencheck-Formular habe er (der Zeuge) korrekt gemäß seinen Beobachtungen ausgefüllt. Als der Beschuldigte in D in die Kreuzung mit der L eingebogen sei, sei ihm aufgefallen, dass der Beschuldigte die Kurve nicht rund gefahren sei. Die Aussprache des Beschuldigten sei definitiv verändert gewesen.
4.6. Der Polizeiarzt Dr. G gab als Zeuge in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen an, dass er die Ergebnisse der Untersuchung in seinem Gutachten korrekt festgehalten habe. Es sei ihm damals zunächst ein auf Kokain positiver Harntest des Beschuldigten vorgelegt worden. Wenn es um die Einzelergebnisse der Untersuchung gehe, könne er dies heute nur mehr aufgrund des schriftlichen Formulargutachtens beantworten. Die Pupillen seien beim Beschuldigten stark erweitert gewesen. Auf Vorhalt des polizeiärztlichen Gutachtens gebe er an, dass er aus folgenden Gründen von einer Beeinflussung der Fahrtüchtigkeit durch Kokain ausgegangen sei: Für ihn sei zB symptomatisch gewesen, dass der Beschuldigte nicht auf einem Fuß stehen habe können. Auch das Ergebnis des Finger-Nase-Tests sei ausschlaggebend gewesen und dass der Beschuldigte beim Finger-Finger-Test von sechs Versuchen fünf Fehlversuche gehabt habe. Weiters die erweiterten Pupillen. Das Verhalten sei folgendermaßen gewesen: verminderte Kritikfähigkeit, verlangsamt, gereizt, eher in Richtung depressive Verstimmung. Diese Faktoren seien für ihn ausschlaggebend gewesen, dass eine Fahrtauglichkeit nicht vorliege. Dann auch die Information, dass kurz zuvor Alkohol getrunken worden sei, und die eigene Aussage, dass der Beschuldigte wenig geschlafen habe. Nur eine Übermüdung alleine würde den Zustand, den er beim Beschuldigten festgestellt habe, nicht erklären. Zum Beispiel könne man bei Übermüdung auf einem Bein stehen. Zu den Angaben zur Nasenuntersuchung gebe er an, dass dies auch ein Zeichen für Kokainkonsum sei, weil Kokain geschnupft werde und die Nasenschleimhäute beeinflusse und beschädige. Der Proband habe angegeben, dass er verschnupft sei und einen Nasivin-Spray verwendet habe. Seiner Meinung nach würde ein Schnupfen bzw die Verwendung eines Nasensprays das Ergebnis seiner Nasenuntersuchung nicht erklären. Zu den festgestellten fünf Sekunden für die Lichtreaktion der Pupille gebe er an, dass dies eine träge Reaktion sei. Normal wären zwei Sekunden. Er habe die Information gehabt, dass der Beschuldigte Selfies gemacht habe und eher euphorisch gewesen sei. Ab dem Zeitpunkt, wo er zur Untersuchung gekommen sei, habe sich das Verhalten eher in Richtung depressive Phase verändert. Gemäß Standardliteratur der Gerichtsmedizin sei auch dies ein Indiz für Kokainkonsum. Die Blutabnahme sei mit Zustimmung des Probanden erfolgt und im Gutachten mit 00.40 Uhr vermerkt.
Das gerichtsmedizinische Gutachten der Universität Innsbruck vom 19.06.2018 sei ihm bekannt. Bei dieser Untersuchung habe man im Blut das Abbauprodukt von Kokain festgestellt. Die Halbwertszeit des Benzoylecgonin betrage etwa 5 bis 8 Stunden. Die Aussage des Probanden, dass er vier Tage vorher konsumiert habe, könne in diesem Fall nicht stimmen. Er glaube, dass seine Einschätzung der Fahrtüchtigkeit des Beschuldigten damals richtig gewesen sei, weil der Konsum von Kokain nachgewiesen sei, der Zeitverlauf nachweise, dass weniger als vor vier Tagen ein Konsum erfolgt sei und aufgrund der Zusammenschau Laborbefund plus klinischer Befund eine Beeinträchtigung nur so erklärbar sei. Für ihn seien beispielsweise die festgestellten Symptome bei der Nase nur mit einem Kokainkonsum erklärbar. Herr H habe damals sonst keine Symptome eines Schnupfens aufgewiesen. Die Häufigkeit des Kokainkonsums spiele auch eine Rolle dabei, wie schnell dieses abgebaut werde. Wenn er kein Ergebnis des Urintestes gehabt hätte oder kein Urintest durchgeführt worden wäre, hätte er aufgrund der festgestellten Pupillengröße sicher nachgebohrt, warum dies so sei. Dazu kämen noch die anderen Tests, die auffällig gewesen seien. Aufgrund dessen müsse er annehmen, dass eine Beeinträchtigung vorhanden sei.
Es könne durchaus sein, dass, wenn Kokain konsumiert werde, nach 5 bis 6 Stunden nichts mehr im Blut nachweisbar sei, aber doch eine Beeinträchtigung durch Kokain gegeben sei. Dies ergebe sich aus der Standardliteratur des Professor R.
Er könne sagen, dass der Beschuldigte beeinträchtigt gewesen sei. Es könne sein, dass er durch Kokain beeinträchtigt gewesen sei. Die Aussage halte er auch vor dem Hintergrund aufrecht, dass Benzoylecgonin nur in Spuren nachgewiesen werden habe können. Aufgrund der klinischen Untersuchung sei für ihn klar gewesen, dass der Beschuldigte beeinträchtigt sei. Er habe im Gutachten sowohl Übermüdung als auch Suchtgift als Ursache der Beeinträchtigung angekreuzt.
Wenn ein positiver Harntest vorliege, sei das nichts anderes als eine Information, dass jemand Kontakt mit der Droge gehabt habe. Es sei kein Beweis oder Indiz dafür, dass man beeinträchtigt sei.
4.7. Der Beschuldigte holte das Gutachten des Privatsachverständigen für forensische Toxikologie Dr. B vom 02.09.2018 ein, welches er am Schluss der mündlichen Verhandlung vorlegte.
Darin wird im Wesentlichen ausgeführt, dass Benzoylecgonin ein nicht psychoaktiv wirksames Stoffwechselprodukt des Kokains sei, sich binnen Minuten nach einer Aufnahme von Kokain bilde und nach etwa zwei bis drei Stunden seine Maximalkonzentration im Blut erreiche. Danach erfolge die Elimination aus dem Blut mit einer Halbwertszeit von etwa sechs Stunden. Mit einer Benzoylecgonin-Konzentration „in Spuren“ sei ein numerischer Wert in der Größenordnung von 5 ng/mL assoziierbar. Nach einem Kokain-Einzelkonsum würde somit die Benzoylecgonin-Konzentration im Blut typischerweise etwa zwei Tage (minimal etwa ein Tag, maximal etwa vier Tage) nach dem Konsum „im Spurenbereich“ liegen. Die Halbwertszeit des Kokains liege bei etwa 45 bis 90 Minuten. Die Maximalkonzentration im Blut werde von Kokain wesentlich früher erreicht als von Benzoylecgonin und erreiche durch die rasche Verstoffwechselung nur etwa die Hälfte der Maximalkonzentration des Benzoylecgonin. Der Konzentrationsabfall des psychoaktiven Kokains erfolge damit vielfach rascher als der des nicht psychoaktiven Benzoylecgonin.
Zu berücksichtigen sei, dass der Konzentrationsabfall des Kokains im Blut rascher als im Gehirn erfolge. Es sei deshalb möglich, dass bei niedrigen Kokain-Konzentrationen bzw auch beim Fehlen von Kokain im Blut noch Kokain-bedingt beeinträchtigungsrelevante Wirkungen vorliegen können. In diesen Fällen müsse aber ein deutlich positiver Benzoylecgonin-Befund vorliegen, um den Rückschluss auf eine entsprechend zeitnahe Kokain-Aufnahme treffen zu können. Nach Meinung des Sachverständigen wäre in Fällen fehlender oder sehr geringer Kokain-Konzentrationen eine Benzoylecgonin-Konzentration im Blut im Bereich von 75 ng/mL erforderlich, um dokumentierte Auffälligkeiten und Ausfallserscheinungen, die typisch für die abklingende Wirkung von Kokain wären, als hinreichend in direktem Zusammenhang mit einer Kokain-Aufnahme stehend zu sehen. Im vorliegenden Fall sei die Benzoylecgonin-Konzentration im Spurenbereich und damit wohl erheblich unter 75 ng/mL gelegen gewesen. Aus den vorliegenden Überlegungen ergebe sich, dass innerhalb von 55 Minuten keine erhebliche Konzentrationsänderung des Benzoylecgonin im Blut erfolgen könne. Liege Benzoylecgonin zum Zeitpunkt der Blutentnahme „in Spuren“ vor, so könne zeitgleich keine mit einer psychoaktiven Wirkung assoziierbare Kokain-Konzentration im Blut vorliegen. Gleiches gelte für den 55 Minuten vor der Blutabnahme gelegenen Zeitpunkt der Anhaltung.
Zum Zustand der „Übermüdung“ als Folge eines Kokain-Konsums wird im Gutachten ausgeführt, dass dann, wenn keine oder nur mehr eine sehr geringe Kokain-Konzentration im Blut vorhanden sei, ein Erschöpfungs- bzw Müdigkeitszustand regelhaft nur dann in direkte Verbindung mit einer Aufnahme von Kokain zu bringen sein werde, wenn eine relevante, etwa im Bereich von 75 ng/mL liegende Konzentration an Benzoylecgonin festgestellt werde. Bei deutlich darunterliegenden Benzoylecgonin-Konzentrationen sei der Konnex von Auffälligkeiten/Ausfallserscheinungen mit einem Kokain-Konsum aus toxikologischer Sicht zunehmend spekulativ. Mit den heutigen Untersuchungsverfahren könne Benzoylecgonin im Blut mitunter noch nachgewiesen werden, wenn die Blutentnahme etwa vier Tage nach dem letzten Kokain-Konsum stattgefunden habe. Ein in direktem Zusammenhang mit einem Kokain-Konsum stehender Zustand von Erschöpfung und Müdigkeit klinge jedoch, sofern eine entsprechende Regeneration zugelassen werde und kein chronisch intensiver Kokain-Konsum vorliege, binnen des ersten Tages nach dem Konsum ab. Das technisch erreichbare Nachweisfenster des Benzoylecgonin im Blut sei damit deutlich größer als das Zeitfenster der mit einer Kokain-Aufnahme unmittelbar assoziierten Beeinträchtigung.
4.8. Aus einer vom Beschuldigten eingeholten Stellungnahme des GMI T vom 11.09.2018 ergibt sich, dass bei Benzoylecgonin die Nachweisgrenze 5 µg/l und die Bestimmungsgrenze 25 µg/l betragen. Bei einer Angabe „in Spuren“ liege der Messwert daher zwischen 5 und 24,9 µg/l.
4.9. Aus einem vom Beschuldigten vorgelegten ergänzenden Gutachten des Privatsachverständigen für forensische Toxikologie Dr. B vom 28.10.2018 ergeben sich folgende wesentliche Aussagen:
Aus toxikologischer Sicht seien die vom Polizeiarzt genannten Phänomene hinweisgebend für eine akute Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit durch Kokain.
Ein länger als drei Stunden nach dem Konsum noch bestehendes euphorisches Intervall werde unabhängig vom Konsumweg praktisch nicht beobachtet. Ein Kokain-bedingter Wechsel im Zustandsbild von euphorisch auf depressiv mit Übermüdungszeichen im hier knapp eine Stunde umfassenden Zeitintervall zwischen Anhaltung und Blutentnahme würde im Falle intranasaler Aufnahme einen Konsumzeitpunkt verlangen, der nicht mehr als zwei Stunden vor der Blutentnahme gelegen sei. Ein zur Blutentnahme zeitlich derart naher Konsum einer berauschungsrelevanten Kokain-Dosis sei mit dem vorliegenden Blutbefund nicht vereinbar.
Ausgehend von den typischen Konzentrationsverläufen des Benzoylecgonin habe unter Berücksichtigung des negativen Kokain-Befundes in Fluorid-stabilisiertem Blut im vorliegenden Fall der Konsum einer berauschungsrelevanten Kokain-Dosis mehr als 24 Stunden, wahrscheinlich mehr als 48 Stunden, vor der Blutabnahme stattgefunden. Als maximales Zeitfenster zwischen berauschungsrelevantem Kokain-Konsum und Blutentnahme wären Literaturangaben folgend drei bis vier Tage anzusetzen, um den gegenständlichen Blutbefund erklärbar zu machen.
Im Falle eines für den Probanden ungünstigen, nämlich besonders raschen, Benzoylecgonin-Abbaus, der hier mit einer Halbwertszeit von fünf Stunden angenommen werde, wäre eine Benzoylecgonin-Konzentration von 75 ng/mL im ungünstigsten Fall acht Stunden vor der Blutabnahme vorgelegen. Der Zeitpunkt der Anhaltung sei knapp eine Stunde vor der Blutentnahme gelegen. Auf Basis des Blutbefundes sei von einem mehr als 24 Stunden, wahrscheinlich mehr als 48 Stunden, zurückliegenden Konsum einer berauschungsrelevanten Kokain-Dosis auszugehen. Eine akute Kokain-Wirkung lasse sich deshalb mit dem gegenständlichen Blutbefund längst nicht mehr belegen (vgl die sinngemäß gleiche Beurteilung im Gutachten der Gerichtsmedizin Innsbruck vom 19.06.2018). Aufgrund des lediglich knapp eine Stunde umfassenden Zeitintervalls zwischen Anhaltung und Blutentnahme seien in Zusammenhalt des vorliegenden Blutbefundes mit dem laut klinischer Untersuchung konkurrierenden Erklärungsmodell einer (wodurch auch immer bedingten) Übermüdung daher aus toxikologischer Sicht insgesamt keine hinreichenden Voraussetzungen gegeben, um einen Konsum von Kokain mit der erforderlichen Sicherheit als erkennbar mitursächlich für die vorgelegene Beeinträchtigung festzustellen. Umgekehrt könnte der Ausschluss einer Kokain-mitbedingten Beeinträchtigung ebenso wenig bewiesen werden, da beispielsweise der chronische Kokain-Missbrauch zu Schlafstörungen führen könne und Übermüdung hier als Beeinträchtigungsgrund angegeben worden sei.
Aus wissenschaftlichen Studien ergebe sich kein Hinweis, dass die Abbaugeschwindigkeiten von Kokain und Benzoylecgonin wesentlich von der Konsumhäufigkeit abhänge.
4.10. In dem vom Verwaltungsgericht eingeholten Gutachten der medizinischen Amtssachverständigen Dr. G vom 29.11.2018 wird auf der Grundlage der vorliegenden Beweisergebnisse im Wesentlichen ausgeführt, dass die bei der Verkehrskontrolle am 20.05.2018 durchgeführte polizeiärztliche Untersuchung (psychoaktive Tests, Harntest, etc) um 24:00 Uhr ergeben habe, dass der Beschuldigte zu diesem Zeitpunkt aufgrund von Nachwirkungen eines Suchtgiftkonsums (Kokain) und Übermüdung nicht mehr fahrtauglich gewesen sei. Dem gerichtsmedizinischen Gutachten sei zu entnehmen, dass in den um 00:40 Uhr abgenommenen Blutproben neben dem Nikotinstoffwechselprodukt Cotinin lediglich das nicht psychoaktive Cocain-Stoffwechselprodukt Benzoylecgonin und dieses auch nur in Spuren (zwischen 5 und 24,9 ng/ml) enthalten gewesen sei. Dieser Befund belege zwar einen in der Vergangenheit stattgefundenen Cocain- oder Crack-Konsum, bedeute jedoch laut Beschreibung der Fachärztin für Gerichtsmedizin Dr. Pavlic und laut dem Privatgutachten des forensischen Toxikologen Dr. B, dass der Beschuldigte zum Zeitpunkt der Blutabnahme um 00:40 Uhr nicht mehr unter dem aktiven Einfluss dieser Droge gestanden habe. Dr. B erörtere in seinem Gutachten auch, dass selbst in dem für den Probanden ungünstigen Falle eines besonders raschen Benzoylecgonin-Abbaus (Halbwertszeit 5 Stunden) eine fahrtauglichkeits-beeinflussende Benzoylecgonin-Konzentration von mindestens 75 ng/ml (das wäre gemäß Studien die Benzoylecgonin-Konzentration, bei der die überwiegende Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung der Fahrtauglichkeit bestehe) in einem Zeitraum von 8 Stunden vor der Blutabnahme nachweisbar hätte sein müssen. Der Zeitpunkt der Anhaltung habe aber ca eine Stunde vor der Blutabnahme gelegen und sei anhand des aktuellen Blutbefundes (Wert zwischen 5 und 24,9 ng/ml) daher von einem mehr als 24 Stunden zurückliegenden berauschungsrelevanten Cocain-Konsum auszugehen. Weiters werde angeführt, dass ein chronischer Konsum von Kokain zu verschiedenen psychischen sowie physischen Symptomen, wie unter anderem auch zu Konzentrations- und Schlafstörungen führen und somit Übermüdungserscheinungen hervorrufen könne. Ein chronischer Kokainmissbrauch könne jedoch nur durch eine Haaranalyse oder durch regelmäßige engmaschige Blutuntersuchungen bestätigt werden.
Die vorliegenden Gutachten seien aus Sicht der Amtssachverständigen schlüssig, nachvollziehbar und durch entsprechende Fachliteratur und wissenschaftliche Studien ausreichend gestützt. Zusammenfassend sei somit die Frage, ob davon auszugehen sei, dass der Beschuldigte im Lenkzeitpunkt am 25.05.2018 um 23.45 Uhr in seiner Fahrtüchtigkeit jedenfalls auch durch Suchtgift (Kokain) beeinträchtigt gewesen sei, wie folgt zu beantworten: Aus medizinischer Sicht könne nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass der Beschuldigte im angegebenen Zeitpunkt jedenfalls auch durch Suchtgift (Kokain) beeinträchtigt gewesen sei.
4.11. In einer von der Bezirkshauptmannschaft F am 22.02.2019 vorgelegten (undatierten) Stellungnahme des GMI T wird im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschuldigte im Rahmen der Anhaltung durch die Polizei und bei der nachfolgenden polizeiärztlichen Untersuchung als nicht fahrtüchtig beurteilt worden sei. Damit stehe aus gerichtsmedizinischer Sicht eine Beeinträchtigung zum Anhaltezeitpunkt fest. Die nachfolgenden toxikologischen Untersuchungen könnten bei Nachweis einer psychoaktiven Substanz die Ursache der Beeinträchtigung erklären. Falls keine psychoaktive Substanz nachgewiesen worden sei, bedeute das jedoch nicht, dass der Proband deswegen fahrtüchtig gewesen wäre. Die Ursache für die Beeinträchtigung müsse dann eine andere gewesen sein.
Im vorliegenden Fall sei beim Beschuldigten eine stattgefundene Kokaineinnahme toxikologisch belegt, wobei sich bei der klinischen Untersuchung offensichtlich auch Befunde für einen wiederholten nasalen Kokainkonsum ergeben hätten. Ein Kokainrausch gehe typischerweise mit einer anfänglichen stark euphorischen Phase einher, die dann in einen berauschenden Zustand übergehe. In diesen Phasen sei Kokain selbst im Blut nachweisbar. In der Folge komme es zur depressiven Phase, die durch Nervosität, Unkonzentriertheit, negative Stimmungslage, Gier nach neuerlichem Kokainkonsum, Kopfschmerzen, Erschöpfung und Müdigkeit bei gleichzeitigem Unvermögen zu schlafen, Reizbarkeit, Orientierungsverlust mit Verwirrung bis hin zu psychotischen Zuständen gekennzeichnet sei. In dieser Phase sei Kokain im Blut nicht mehr nachweisbar. Im vorliegenden Fall sei das die Fahruntüchtigkeit bedingende Verhalten des Beschuldigten vom Polizeiarzt offenbar auf Kokainkonsum zurückgeführt worden, was angesichts der bekannten Kokain-Rauschphasen medizinisch gerechtfertigt erscheine. Ob die in jedem Fall vorgelegene Fahruntüchtigkeit auf stattgefundenen Kokainkonsum oder allenfalls auf andere psychische Verhaltensauffälligkeiten zurückzuführen gewesen sei, sei letztlich eine Rechtsentscheidung.
4.12. Aufgrund der glaubwürdigen Aussage des Zeugen RI T in Verbindung mit dem von ihm ausgefüllten Polizeiprotokoll vom 25.05.2018 ist nachvollziehbar belegt, dass dieser anlässlich der Lenker- und Fahrzeugkontrolle objektive Umstände feststellte, die ihn zu Recht vermuten ließen, dass der Beschuldigte durch Suchtgift beeinträchtigt ist. Die im Protokoll vermerkte eckige Kurvenfahrt war dabei lediglich ein Umstand am Rande, ausschlaggebend waren die mit der Zeugenaussage bestätigten Beobachtungen des Zeugen im Zuge der Amtshandlung nach der Anhaltung. Damit durfte der Beschuldigte dem Polizeiarzt vorgeführt werden.
4.13. Im vorliegenden Fall lässt sich aber das Ergebnis der klinischen Untersuchung durch den Polizeiarzt mit dem späteren Ergebnis der Blutanalyse nicht ohne weiteres in Einklang bringen. Denn während die klinische Untersuchung eine Beeinträchtigung des Beschuldigten ergeben hat, die (neben einer Übermüdung) auch auf Suchtgiftkonsum zurückgeführt wurde, wurde in der Blutanalyse kein Suchtgiftgehalt im Blut festgestellt, sondern nur „in Spuren“ das nicht psychoaktive Kokain-Stoffwechselprodukt Benzoylecgonin. Das Gutachten des GMI T vom 19.06.2018 stellte auch fest, dass der Beschuldigte zum Zeitpunkt der Probenahme nicht (mehr) unter dem Einfluss von Kokain stand.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist wesentliches Beweisergebnis für die Annahme einer Beeinträchtigung durch Suchtgift das Ergebnis der klinischen Untersuchung durch den Arzt, die Blutanalyse dient allenfalls der Bestätigung der ärztlichen Feststellung einer Beeinträchtigung durch Suchtgift (vgl VwGH 24.10.2016, Ra 2016/02/0133; 02.05.2018, Ra 2018/02/0134).
Hinsichtlich der Beurteilung einer Beeinträchtigung durch Alkohol hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung erkannt, dass mit der Blutabnahme ein Beweismittel zur Verfügung steht, das zur Widerlegung der klinischen Beurteilung an sich geeignet ist (vgl zB VwGH 29.01.1992, 91/02/0123; 23.02.1996, 95/02/0588). Da für eine unterschiedliche Behandlung einer Beeinträchtigung durch Suchtgift und einer Beeinträchtigung durch Alkohol kein Anlass besteht (VwGH 24.10.2016, Ra 2016/02/0133), kann diese Rechtsprechung wohl auch im Falle einer Beeinträchtigung durch Suchtgift herangezogen werden.
Es wird in diesem Zusammenhang auch darauf hingewiesen, dass die Verpflichtung in § 5 Abs 10 StVO, eine Blutprobe abzugeben, vor dem Hintergrund eingeführt wurde, dass immer wieder Beweisprobleme auftauchen und es erforderlich ist, die Untersuchung durch den Arzt durch das Ergebnis einer Blutanalyse zu untermauern (vgl den Bericht des Verkehrsausschusses zur StVO-Novelle BGBl I Nr 128/2002, NR XXI. GP, Blg 1210, S. 2).
4.14. Nach dem Ergebnis der Blutanalyse steht unstrittig fest, dass sich am 26.05.2018 um 00.40 Uhr im Blut des Beschuldigten nur das nicht psychoaktive Kokain-Stoffwechselprodukt Benzoylecgonin in einer Konzentration zwischen 5 und 24,9 µg/l befunden hat, aber kein Kokain selbst.
Im vorliegenden forensisch-toxikologischen Gutachten wird nachvollziehbar aufgezeigt, dass aus toxikologischer Sicht bei dieser geringen Konzentration des Benzoylecgonin die beim Beschuldigten festgestellten Auffälligkeiten und Ausfallserscheinungen nicht mehr hinreichend mit einem Kokain-Konsum in direktem Zusammenhang gebracht werden können. Zwar schließt der Gutachter Kokain-bedingte beeinträchtigungsrelevante Wirkungen auch bei einem Fehlen von Kokain im Blut nicht generell aus, weil der Konzentrationsabfall des Kokains im Blut rascher als im Gehirn erfolge, doch müsste laut Gutachter in diesem Fall ein deutlich positiver Benzoylecgonin-Befund vorliegen. Diesen deutlich positiven Befund setzte der Gutachter bei 75 µg/l an. Im vorliegenden Fall liegt die festgestellte Konzentration aber sehr deutlich unter diesem Wert, und zwar im Spurenbereich bzw unterhalb der Bestimmungsgrenze. Seine Einschätzung, dass die Auffälligkeiten und Ausfallserscheinungen nicht mehr hinreichend mit einem Kokain-Konsum in direktem Zusammenhang gebracht werden können, bezog der Gutachter auch auf den 55 Minuten vor der Blutabnahme gelegenen Zeitpunkt der Anhaltung (= Lenkzeitpunkt). Dies erscheint angesichts des von ihm dargelegten langsamen Konzentrationsabfalls des Benzoylecgonin ebenfalls nachvollziehbar. Auch ein Erschöpfungs- und Müdigkeitszustand könnte nach dem forensisch-toxikologischen Gutachten nur dann in direkte Verbindung mit einem Kokain-Konsum gebracht werden, wenn noch eine relevante, etwa im Bereich von 75 µg/l liegende Konzentration an Benzoylecgonin festgestellt worden wäre. Dies ist aber hier nicht der Fall. Eine Benzoylecgonin-Konzentration in dieser Höhe lag nach dem Gutachten im Falle eines für den Beschuldigten ungünstigen, nämlich besonders raschen Benzoylecgonin-Abbaus, der mit einer Halbwertszeit von fünf Stunden angenommen wurde, im ungünstigsten Fall bereits acht Stunden vor der Blutabnahme vor. Somit kommt der Gutachter zum Schluss, dass auf Basis des Blutbefundes von einem mehr als 24 Stunden, wahrscheinlich mehr als 48 Stunden, zurückliegenden Konsum einer berauschungsrelevanten Kokain-Dosis auszugehen sei und eine akute Kokain-Wirkung sich deshalb mit dem gegenständlichen Blutbefund längst nicht mehr belegen lasse.
Die medizinische Amtssachverständige hat sich vor dem Hintergrund des unstrittigen Ergebnisses der Blutanalyse mit den Ausführungen im forensisch-toxikologischen Gutachten eingehend auseinandergesetzt, ist diesen Ausführungen gefolgt und zum Ergebnis gekommen, dass nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden könne, dass der Beschuldigte im Lenkzeitpunkt am 25.05.2018 um 23.45 Uhr auch durch Suchtgift (Kokain) beeinträchtigt war. Diesen Ausführungen schließt sich das Landesverwaltungsgericht an.
Dass der Beschuldigte nicht fahrtauglich war, ergibt sich aus dem polizeiamtsärztlichen Gutachten. Der Polizeiarzt wurde in der mündlichen Verhandlung zur Durchführung der klinischen Untersuchung und seiner medizinischen Einschätzung der Testergebnisse genau befragt. Er hat die Vorgangsweise bei der Untersuchung näher erläutert. Es bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit seiner Angaben in der mündlichen Verhandlung. Das Landesverwaltungsgericht sieht es daher als erwiesen an, dass die im polizeiamtsärztlichen Gutachten angeführten Testergebnisse korrekt festgestellt wurden und sich daraus schlüssig ergibt, dass der Beschuldigte nicht fahrtauglich war. Auch die medizinische Amtssachverständige hat die Feststellung der Fahruntauglichkeit im Rahmen der klinischen Diagnose des Polizeiarztes nicht angezweifelt.
Der Polizeiarzt hat in seinem Gutachten festgehalten, dass der Beschuldigte durch Suchtgift und Übermüdung beeinträchtigt sei. Der Polizeiarzt hat in der mündlichen Verhandlung auch jene Testergebnisse benannt, die für ihn maßgebend waren, eine Beeinträchtigung aufgrund eines Kokainkonsums anzunehmen. Die bei der klinischen Untersuchung getroffene Einschätzung des Polizeiarztes, es liege eine Suchtgiftbeeinträchtigung vor, wird aber durch die Blutuntersuchung in Verbindung mit deren Analyse durch das forensisch-toxikologischen Gutachten nicht bestätigt. Auch hat der Polizeiarzt selbst in der mündlichen Verhandlung seine Einschätzung dahingehend relativiert, dass er sagen könne, dass der Beschuldigte beeinträchtigt gewesen sei und es sein könne, dass er durch Kokain beeinträchtigt gewesen sei.
Weiters ist auszuführen, dass die am 22.02.2019 vorgelegte Stellungnahme des GMI T nicht näher auf das forensisch-toxikologische Gutachten und die dortige Auseinandersetzung mit der festgestellten geringen Benzoylecgonin-Konzentration eingeht. Diese Stellungahme vermag daher das Landesverwaltungsgericht nicht davon zu überzeugen, dass der vorliegende Befund der Blutanalyse (kein Nachweis von Kokain, nur Nachweis des nicht psychoaktiven Kokain-Stoffwechselproduktes Benzoylecgonin „in Spuren“ bzw unterhalb der Bestimmungsgrenze) der Einschätzung des Polizeiarztes bei der klinischen Untersuchung nicht entgegensteht. Letztlich besagt diese Stellungnahme des GMI T nur, dass jedenfalls eine Fahruntüchtigkeit vorgelegen habe, und die Frage, ob diese auf stattgefundenen Kokainkonsum oder allenfalls auf andere Verhaltensauffälligkeiten zurückzuführen sei, eine Rechtsentscheidung sei.
Die im Beschwerdeverfahren angestellte weitergehende Überlegung, ob die beim Beschuldigten bei der klinischen Untersuchung festgestellte Übermüdung allenfalls auf einen chronischen Kokain-Missbrauch zurückzuführen sei, ist schon deshalb nicht weiter zu verfolgen, weil allein aufgrund der vorliegenden singulären Blutanalyse und ohne das Vorliegen einer Haaranalyse keine verlässliche Aussage darüber möglich ist, ob beim Beschuldigten ein chronischer Kokain-Missbrauch vorliegt. Somit sind auch daran anknüpfende Überlegungen rein spekulativ. Auch das vom Polizeiarzt festgestellte ständige Nasenrinnen lässt für sich allein keine verlässlichen Rückschlüsse auf einen chronischen Kokain-Missbrauch zu.
Aufgrund der vorliegenden Beweisergebnisse kann daher zwar festgestellt werden, dass der Beschuldigte fahruntauglich war, nicht aber, dass sein Zustand durch Suchtgift beeinträchtigt war.
5. Nach § 99 Abs 1b StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 800 Euro bis 3.700 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von einer bis sechs Wochen, zu bestrafen, wer in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt.
Die hier maßgebenden Bestimmungen des § 5 StVO lauten:
„(1) Wer sich in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand befindet, darf ein Fahrzeug weder lenken noch in Betrieb nehmen. ...
(5) Die Organe der Straßenaufsicht sind weiters berechtigt, Personen, von denen vermutet werden kann, dass sie sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befinden, zum Zweck der Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Alkohol zu einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden, bei einer Landespolizeidirektion tätigen, bei einer öffentlichen Krankenanstalt diensthabenden oder im Sinne des § 5a Abs 4 ausgebildeten und von der Landesregierung hierzu ermächtigten Arzt zu bringen, sofern eine Untersuchung gemäß Abs 2 1. keinen den gesetzlichen Grenzwert gemäß Abs 1 erreichenden Alkoholgehalt ergeben hat oder 2. aus in der Person des Probanden gelegenen Gründen nicht möglich war. …
(9) Die Bestimmungen des Abs. 5 gelten auch für Personen, von denen vermutet werden kann, daß sie sich in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand befinden; wer zum Arzt gebracht wird, hat sich der Untersuchung zu unterziehen. Die in Abs 5 genannten Ärzte sind verpflichtet, die Untersuchung durchzuführen.
...
(10) (Verfassungsbestimmung) An Personen, die gemäß Abs 9 zu einem Arzt gebracht werden, ist nach Feststellung einer Beeinträchtigung, die auf eine Suchtgifteinnahme schließen lässt, eine Blutabnahme vorzunehmen. Die Betroffenen haben die Blutabnahme vornehmen zu lassen.
...“
Das Verwaltungsgericht übersieht bei der Beurteilung der festgestellten Sachverhaltsumstände nicht, dass es für die Annahme des Tatbildes des § 5 Abs 1 StVO genügt, wenn die Fahruntüchtigkeit nicht allein auf die Beeinträchtigung durch Suchtgift, sondern noch auf weitere Ursachen, wie etwa Ermüdung, zurückzuführen ist (vgl VwGH 24.10.2016, Ra 2016/02/0133; 26.01.2017, Ra 2016/02/0168; 28.07.2017, Ra 2017/02/0126). Allerdings hat der Verwaltungsgerichtshof dies auch nur insoweit ausgesprochen, als durch die Blutuntersuchung tatsächlich auch Suchtgift im Blut festgestellt wurde (VwGH 24.10.2016, Ra 2016/02/0133: 1,2 ng/ml THC; VwGH 26.01.2017, Ra 2016/02/0168: 1,9 ng/ml THC; VwGH 28.07.2017, Ra 2017/02/0126: 1,7 ng/ml THC; VwGH 02.05.2018, Ra 2018/02/0134: Substanzen aus der Cannabinoid-Gruppe, wobei das Gutachten aufgrund der Konzentration der Cannabinoide von einer keinesfalls gegebenen Fahrtüchtigkeit ausging).
Dem Beschuldigten wurde vorgeworfen, ein Fahrzeug in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand gelenkt zu haben. Da jedoch Suchtgift als Mitursache der ärztlich festgestellten Fahruntüchtigkeit nicht festgestellt werden kann, hat der Beschuldigte die ihm angelastete Übertretung nicht begangen. Das angefochtene Straferkenntnis war daher aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs 1 Z 2 VStG einzustellen.
Wie bereits ausgeführt, wurde festgestellt, dass der Beschuldigte fahruntauglich war. Eine entsprechende Abänderung des Straferkenntnisses und Bestrafung des Beschuldigten ist nicht möglich, weil das Verwaltungsgericht in diesem Fall über eine Tat entscheiden würde, die nicht Gegenstand des behördlichen Verfahrens war.
6. Gemäß § 5a Abs 2 StVO sind die Kosten der Untersuchung vom Untersuchten zu tragen, wenn bei einer Untersuchung nach § 5 Abs 2, 4a, 5, 6 oder 8 Z 2 eine Alkoholbeeinträchtigung festgestellt worden ist. Dasselbe gilt im Falle der Feststellung einer Suchtgiftbeeinträchtigung. Die Kosten der Untersuchung sind nach den Bestimmungen des Gebührenanspruchsgesetzes 1975, BGBl Nr 136, vorzuschreiben.
Da eine Suchtgiftbeeinträchtigung des Beschuldigten nicht festgestellt werden kann, entfällt auch die Kostentragungspflicht für die aufgelaufenen Untersuchungskosten.
7. Der Beschwerdeführer beantragte beim Landesverwaltungsgericht den Zuspruch der Barauslagen für die Gutachten des Privatsachverständigen für forensische Toxikologie und den Ersatz der Rechtsvertretungskosten zumindest in Form eines pauschalierten Beitrages.
Das VwGVG sieht den vom Beschwerdeführer begehrten Ersatz von Barauslagen und Vertretungskosten vor dem Verwaltungsgericht im Falle der Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens nicht vor. Die im Grunde des § 38 VwGVG iVm § 24 VStG zur Anwendung kommende Bestimmung des § 74 Abs 1 AVG sieht vielmehr vor, dass jeder Beteiligte die ihm im Verwaltungsverfahren erwachsenden Kosten selbst zu bestreiten hat.
Mangels eines Rechts des Beschwerdeführers auf Zuerkennung des begehrten Kostenersatzes war sein diesbezüglicher Antrag zurückzuweisen.
8. Die Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Fahruntauglich, Blutprobe ergibt keine Beeinträchtigung durch SuchtgiftAnmerkung
Revision wurde vom Verwaltungsgerichtshof (11.11.2019, Ra 2019/02/0167) zurückgewiesen.European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGVO:2019:LVwG.1.457.2018.R5Zuletzt aktualisiert am
09.12.2019