TE Vwgh Erkenntnis 1998/9/28 96/16/0198

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Veröffentlicht am 28.09.1998
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/10 Grundrechte;
19/05 Menschenrechte;
35/02 Zollgesetz;

Norm

B-VG Art7 Abs1;
MRKZP 07te Art4;
StGG Art2;
ZollG 1988 §174 Abs3;
ZollG 1988 §183 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Repa, über die Beschwerde der K Gesellschaft m.b.H. in Wien, vertreten durch Schuppich, Sporn & Winischhofer, Rechtsanwälte in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 25. Juli 1996, Zl. 3-2a/K/1/1996/So, betreffend Zollerlaß, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird auf das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 96/16/0117, verwiesen.

In einem Schriftsatz vom 21. Juli 1993 stellte die Beschwerdeführerin "gemäß § 236 BAO" den Antrag, jenen Betrag nachzusehen, der den Eingangsabgaben entspricht, die die Beschwerdeführerin "für die eingeführten, wenn auch unrichtig deklarierten Waren" schon entrichtet habe.

Mit Bescheid des Hauptzollamtes Linz vom 10. Februar 1995 wurde der Antrag als unbegründet abgewiesen. In der Begründung des Bescheides wurde insbesondere ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe von vornherein Kenntnis von der Art und Menge der eingeführten Waren gehabt. Sie sei daher nicht gehindert gewesen, gegen die (ursprüngliche) Vorschreibung der Eingangsabgaben Rechtsmittel zu ergreifen.

In der Berufung gegen diesen Bescheid wurde vorgebracht, die Beschwerdeführerin sei mit einem Betrag von S 1,714.469,27 doppelt belastet. Einer solchen Doppelvorschreibung komme aber Strafcharakter zu. Außerdem wurde ausgeführt, das Nachsichtsansuchen beziehe sich nicht auf die in den Bescheiden der Jahre 1987 bis 1992 vorgeschriebenen Eingangsabgaben, sondern auf die mit Bescheid vom 29. Juli 1993 "vorgeschriebenen" Abgaben.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde vertrat in der Begründung dieses Bescheides die Auffassung, in Fällen einer Entstehung der Zollschuld kraft Gesetzes nach § 174 Abs. 3 lit. a ZollG 1988 könne die Gewährung eines Zollerlasses aus Billigkeitsgründen grundsätzlich nicht in Betracht kommen. Im übrigen würde eine Nachsichtsmaßnahme auf eine Begünstigung steuerunehrlichen Verhaltens hinauslaufen.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid wird dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Erlassung von Zollbeträgen verletzt.

Der Bundesminister für Finanzen legte die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift und die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren wurden von der Beschwerdeführerin Ausfertigungen der mit dem Eingangsabgabenverfahren im Zusammenhang stehenden Entscheidungen im gerichtlichen Finanzstrafverfahren gegen den Geschäftsführer der Beschwerdeführerin, Johann Karonitsch, vorgelegt. Danach wurde Johann Karonitsch zunächst mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 26. Juni 1996, 12b Vr 2391/95, schuldig erkannt, er habe als Geschäftsführer der Beschwerdeführerin mit dem Vorsatz, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, in insgesamt 164 (richtig: 162) Angriffen in der Zeit vom 7. August 1997 bis 24. August 1992 vorsätzlich unter Verletzung einer zollrechtlichen Stellungs- und Erklärungspflicht durch Nicht- bzw. falsche Deklarierung von importiertem Obst und Gemüse, sohin eingangsabgabepflichtige Waren im Ausmaß von 1,517.170,50 kg verschiedenster Sorten von Obst und Gemüse importiert oder nach Österreich gebracht, bewirkt, daß Eingangsabgaben um insgesamt S 755.965,80 nicht bzw. zu niedrig festgesetzt wurden. Johann Karonitsch wurde demnach des Finanzvergehens des gewerbsmäßigen Schmuggels nach den §§ 35 Abs. 1, 38 Abs. 1 lit. a FinStrG schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe in Höhe von S 200.000,-- verurteilt. Aus den Urteilsgründen war ersichtlich, daß das Gericht der Meinung war, bei der Ermittlung des strafbestimmenden Wertbetrages seien die auf die unrichtig deklarierten Waren entfallenden und tatsächlich entrichteten Abgaben abzuziehen. Der strafbestimmende Wertbetrag wurde demzufolge als Differenzbetrag von dem letztendlich festgestellten Eingangsabgabenbetrag von S 2,470.435,-- und den im Zuge der Abfertigung der in Rede stehenden Waren zum freien Verkehr entrichteten Abgaben von S 1,714.469,27, sohin mit S 755.965,80, ermittelt.

Mit Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 20. März 1997, 12 Os 4/98, wurde den beiden Nichtigkeitsbeschwerden des Johann Karonitsch und des Hauptzollamtes Linz Folge gegeben und das angefochtene Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien aufgehoben. Unter Hinweis auf den Umstand, daß sich der Angeklagte dahin verantwortet habe, bei den ihm angelasteten Tathandlungen sei stets das Ziel verfolgt worden, die damals bestandenen Einfuhrbeschränkungen durch Kontingentierung des Imports bestimmter Obst- und Gemüsesorten zwecks Erhaltung der Lieferfähigkeit gegenüber Großmarktketten zu umgehen, ging dabei der Oberste Gerichtshof davon aus, daß die Wiedergabe des Gesetzestextes des § 70 StGB für die entscheidende Annahme, ob es dem Angeklagten bei seinem Tatverhalten (subjektiv) auf einen derartigen Effekt (einer fortlaufenden Einnahmequelle) auch geradezu ankam, nicht ausreichte. Im Hinblick darauf, daß der Tenor des angefochtenen Urteils sowohl Tatbestandsmerkmale des Schmuggels (§ 35 Abs. 1 FinStrG) als auch der Eingangsabgabenhinterziehung (§ 35 Abs. 2 FinStrG) enthielt, war nach der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes ferner die Frage zu klären, ob das Tatverhalten des Angeklagten den Tatbestand des Schmuggels - bei allenfalls teilweiser richtiger Stellung der Ware mit bloß falscher Wertangabe insoweit - dem Tatbestand der Hinterziehung von Eingangsabgaben nach § 35 Abs. 2 FinStrG zu unterstellen war.

Im fortgesetzten Verfahren wurde Johann Karonitsch mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 16. September 1997, 12b Vr 2391/95, schuldig erkannt, in insgesamt 162 Angriffen vorsätzlich unter Verletzung einer zollrechtlichen Stellungs- und Erklärungspflicht durch Nicht- bzw. Falschdeklarierung von importiertem Obst und Gemüse verschiedenster Sorten im Ausmaß von etwa 1,5 Tonnen eingangsabgabepflichtige Waren dem Zollverfahren entzogen zu haben. Er wurde demnach des Finanzvergehens des Schmuggels nach § 35 Abs. 1 FinStrG schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe von S 200.000,-- verurteilt. Aus den Urteilsgründen war ersichtlich, daß das Gericht auf eine allein die Kontingentierungsbeschränkung umgehende Tatausrichtung ohne gewerbsmäßige Täterabsicht geschlossen hatte.

Die gegen dieses Urteil erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Hauptzollamtes Linz wurde mit Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 12. März 1998, 12 Os 4/98, zurückgewiesen.

Mit Urteil vom 26. Mai 1998, 22 Bs 145/98, wurde der Berufung des Hauptzollamtes Linz vom Oberlandesgericht Wien nicht Folge gegeben. In der Begründung verwies das Oberlandesgericht Wien auf die vorliegende exzeptionelle Fallgestaltung. Die Handlungsweise des Angeklagten hätte nicht vorrangig die Hinterziehung von Abgaben zum Ziel gehabt, sondern sei auf das Bestreben des Angeklagten zurückzuführen gewesen, im - aus den staatlichen Kontingentierungsmaßnahmen resultierenden - Konkurrenzkampf wirtschaftlich bestehen zu können.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 183 Abs. 1 ZollG können Zollbeträge und Ersatzforderungen für einzelne Fälle auf Antrag des Zollschuldners ganz oder teilweise erlassen werden, wenn die Entrichtung nach Lage der Sache oder nach den persönlichen Verhältnissen des Zollschuldners unbillig wäre.

Die Beschwerdeführerin macht nach ihrem Vorbringen erkennbar eine sachliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung geltend. Eine solche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung liegt vor, wenn im Einzelfall bei Anwendung ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt (vgl. das Erkenntnis vom 14. September 1993, Zl. 93/15/0024, zur insoweit vergleichbaren Bestimmung des § 236 BAO).

Eine solche sachliche Unbilligkeit erblickt die Beschwerdeführerin in dem Umstand, daß die in Rede stehende Eingangsabgabenschuld festgestellt wurde, obgleich bereits Eingangsabgaben in Höhe von S 1,714.469,27 entrichtet worden sind. Ausgehend von diesem dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Sachverhalt kann nicht übersehen werden, daß die von der Beschwerdeführerin monierte Doppelbelastung ihre ausschließliche Ursache in dem Umstand hat, daß die Beschwerdeführerin zur Deckung ihrer Vorgangsweise, in einer außerordentlich großen Anzahl von Fällen die Einfuhr der Waren unter Verletzung der Erklärungspflicht zu veranlassen, die Erklärung anderer Waren vortäuschte. Allein auf Grund dieser, einen strafbaren Tatbestand erfüllenden Deckungshandlungen hat die Beschwerdeführerin Eingangsabgaben im angegebenen Umfang bereits entrichtet. Da die Vorgangsweise der Beschwerdeführerin, Eingangsabgaben für in Wahrheit gar nicht eingeführte Waren zu entrichten, Teil eines Gesamtkonzepts war, bei dem einerseits die zum Schutze der inländischen Landwirtschaft erlassenen, marktordnungsrechtlichen Vorschriften verletzt wurden, andererseits aber eine nicht unbedeutende Abgabenersparnis lukriert wurde, kann in der der Beschwerdeführerin nach Aufdeckung ihrer Machenschaften zur Last fallenden Abgabenbelastung eine Unbilligkeit nicht erblickt werden.

Von einer "exzeptionellen Fallgestaltung" kann dabei nur insoferne gesprochen werden, als es im Beschwerdefall zu einer außerordentlichen Häufung der einzelnen Angriffe gekommen ist und neben der Abgabenhoheit des Staates auch die inländische Landwirtschaft und damit die inländische Volkswirtschaft durch die Täuschungshandlungen in bezug auf die Einholung von Einfuhrbewilligungen nachhaltig geschädigt worden ist, wobei aus den vorgelegten Verwaltungsakten nicht erkennbar ist, inwieweit der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin für die Verletzung der Kontingentierungsbestimmungen strafrechtlich zur Verantwortung gezogen worden ist. Das Gesamtkonzept der Beschwerdeführerin war damit darauf ausgerichtet, im Rahmen des von ihr betriebenen gewerblichen Unternehmens durch eine wiederkehrende Verletzung sowohl abgabenrechtlicher als auch marktordnungsrechtlicher Bestimmungen fortlaufende Einnahmen zu erzielen. Eine solche Vorgangsweise der Beschwerdeführerin kann aber nicht bewirken, daß die Einhebung der dadurch entstandenen Eingangsabgaben unbillig im Sinne des § 181 Abs. 1 Abs. 1 ZollG ist. Dabei ist es nicht maßgeblich, daß auch die Mitbewerber der Beschwerdeführerin am inländischen Obst- und Gemüsemarkt auf vergleichbare Weise vorgegangen sind.

Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin kommt auch der Feststellung, daß hinsichtlich der in Rede stehenden Eingangsabgaben die Zollschuld kraft Gesetzes entstanden ist, kein Strafcharakter zu. Abgesehen davon, daß die Beschwerdeführerin als GmbH nicht deliktsfähig ist (vgl. insbesondere § 1 FinStrG), ist die Entstehung der Eingangsabgabenschuld objektive Folge der Erfüllung des gesetzlichen Tatbestandes. Davon, daß die Bestimmungen des § 174 Abs. 3 ZollG 1988 eine Strafe als Sanktion für ein rechtswidriges Verhalten vorsehen, kann keine Rede sein. Damit geht aber auch die - in einem erst nach Einbringung der Beschwerde diese ergänzenden Schriftsatz vom 9. Juni 1998 erfolgte - Berufung auf Art. 4 7. ZPEMRK ins Leere, zumal zwischen dem zu einer Geldstrafe von S 200.000,-- verurteilten Geschäftsführer und Gesellschafter einerseits und der Beschwerdeführerin keine Personenidentität besteht. Schließlich übersieht die Beschwerdeführerin auch, daß der angefochtene Bescheid bereits vor der am 16. September 1997 erfolgten Verurteilung des Johann Karonitsch erlassen worden ist.

Ungeachtet des Umstandes, daß die in Rede stehende Abgabenschuldigkeit der Beschwerdeführerin zu Unrecht vorgeschrieben wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 96/16/0117), entsprach der hier angefochtene Bescheid im Zeitpunkt seiner Erlassung dem Gesetz, sodaß die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 28. September 1998

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1996160198.X00

Im RIS seit

19.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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