Rechtssatznummer
1Entscheidungsdatum
30.10.2019Rechtssatz
* Da der Verkauf von Waren mittels Automaten in der heutigen Zeit generell eine standardmäßige Vertriebsform darstellt, sodass dieser auch in Bezug auf Tabakprodukte zum dem in § 11 Abs. 2 letzter Halbsatz TNRSchG angeführten „allgemeinen Geschäftsverkehr“ zählt, sind die nicht an der Außenseite der Tabaktrafik, sondern anderswo angebrachten Zigarettenautomaten gleichsam als eine zum Geschäftslokal des Trafikanten gehörige „Außenstelle“ anzusehen. Ob das generelle Werbeverbot auch insoweit zum Tragen kommt, hängt davon ab, ob und inwieweit eine der in § 11 Abs. 2 TNRSchG genannten Maß-nahmen jeweils dem Ziel der der direkten oder indirekten Verkaufsförderung dient.
* Die bloße Anbringung von Logos der unterschiedlichen an solchen dislozierten Automaten käuflichen Zigarettensorten stellt keine verbotene Werbung dar. Hingegen verstößt die Affichierung eines die gesamte Sichtfläche des Zigarettenautomaten zu nahezu einem Viertel einnehmenden Posters, auf dem eine spezifische Zigarettenmarke als „Testsieger“ angepriesen wird, als nicht unter den Ausnahmetatbestand des § 11 Abs. 2 letzter Halbsatz TNRSchG subsumierbare Tathandlung gegen das generelle Werbeverbot des § 11 Abs. 1 und 2 TNRSchG, weil diese zweifelsfrei das Ziel der Verkaufsförderung verfolgt, indem auch solche – v.a. jugendliche – Personen zum Kauf von Tabakerzeugnissen animiert werden sollen, die solchen bisher abstinent gegenübergestanden sind.
* Wurde das Ziel der direkten oder indirekten Verkaufsförderung, das ein essentielles Tatbestandsmerkmal i.S.d. § 44a Z. 1 VStG verkörpert, dem Bf. mit dem angefochtenen Straferkenntnis nicht angelastet und würde in der Folge der Spruch seitens des VwG entsprechend ergänzt, so käme dies aus systematischer Sicht einer Ausdehnung der Anklageschrift – als eine solche ist nämlich nach Ansicht der beiden Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts das erstinstanzliche Straferkenntnis zu qualifizieren (vgl. VfGH vom 14. März 2017, E 3282/2016, RN 38, und VwGH vom 13. Dezember 2016, Ra 2016/09/0040) – gleich. Ungeachtet des Grundsatzes der Amtswegigkeit (vgl. § 25 VStG i.V.m. § 38 VwGVG) ist es jedoch einem Verwaltungsgericht bereits dem Anschein nach verwehrt, richterliche und Anklagefunktion zu vermischen (vgl. EGMR vom 20. September 2016, 926/08, und EuGH vom 14. Juni 2017, C 685/15), sodass mit Bescheidaufhebung und Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens vorzugehen war.
Schlagworte
Zigaretten; Automatenverkauf; Werbeverbot; Zielrichtung; Verkaufsförderung; Anbringung eines Posters; Jugendschutz; Nichtraucherschutz; essentielle Tatbestandsmerkmale; Spruchkonkretisierung; Ergänzung (Korrektur) durch VwG, keine; Funktionsvermischung; (ersatzlose) BescheidaufhebungAnmerkung
Alle Entscheidungsvolltexte sowie das Ergebnis einer gegebenenfalls dazu ergangenen höchstgerichtlichen Entscheidung sind auf der Homepage des Oö LVwG www.lvwg-ooe.gv.at abrufbar.European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGOB:2019:LVwG.000359.2.Gf.RoKZuletzt aktualisiert am
06.08.2020