Entscheidungsdatum
19.11.2019Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich erkennt durch seine Richterin Dr. Gubesch über die Beschwerde der M I GmbH, vertreten durch W R GmbH & Co KG in W, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Gmunden vom 14.12.2018, GZ: BauR1-153/9-49428-2018, in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Gmunden vom 27.3.2019, BauR1-153/9-49428-2018/Dr.Ps/Schö, betreffend Untersagung der Bauausführung
A. zu Recht:
I. Die Beschwerdevorentscheidung des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Gmunden vom 27.3.2019, BauR1-153/9-49428-2018/Dr.Ps/Schö, wird ersatzlos aufgehoben.
II. Gegen diese Entscheidung ist eine Revision zulässig.
B. und fasst den Beschluss:
I. Das verwaltungsgerichtliche Verfahren wird eingestellt.
II. Gegen diese Entscheidung ist eine Revision zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang, Sachverhalt:
1. Mit Schriftsatz vom 25.1.2019 erhob die (rechtsfreundlich vertretene) Beschwerdeführerin (in der Folge: Bf) Beschwerde gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Gmunden (in der Folge: belangte Behörde) vom 14.12.2018, mit dem der Bf die Ausführung des Bauvorhabens zur Änderung des Verwendungszweckes eines näher bezeichneten Objektes auf einem näher genannten Grundstück in der KG Ort-Gmunden von „Archiv, Büro, Wohnung und Veranstaltung“ in „Wohnnutzung“ durch Einbau von fünf Wohnungen entsprechend den vorgelegten Grundrissplänen untersagt wurde.
2. Mit Bescheid (Beschwerdevorentscheidung) vom 27.3.2019 wies die belangte Behörde die erhobene Beschwerde als unbegründet ab.
3. Mit Schriftsatz vom 11.4.2019 brachte die Bf rechtzeitig einen Vorlageantrag ein. Die belangte Behörde legte dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (in der Folge: LVwG Oö.) daher die Beschwerde samt bezughabenden Verwaltungsakt zur Entscheidung vor.
4. Mit Schriftsatz vom 15.11.2019 (beim LVwG Oö. am 15.11.2019 eingelangt) zog die Bf die erhobene Beschwerde sowie den Vorlageantrag ausdrücklich zurück.
II. Beweiswürdigung:
Der unter Punkt I. dargelegte entscheidungswesentliche Verfahrensgang und Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus der Aktenlage.
III. Rechtliche Beurteilung:
Zu A.I. und B.I.:
Gemäß § 17 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG iVm § 13 Abs. 7 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG können Anbringen in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden, sohin auch noch während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 13 Rz 42 [Stand 1.1.2014, rdb.at], mwN).
Die Bf hat die erhobene Beschwerde während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ausdrücklich zurückgezogen. Die Zurückziehung der Beschwerde ist unwiderruflich, es handelt sich dabei um eine einseitige, verbindliche Prozesserklärung (Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte² [2017] § 7 K 7; Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2018] § 7 Anm 8; siehe zur Berufung Hengstschläger/Leeb, AVG² § 66 Rz 41).
Die Zurückziehung der Beschwerde hat grundsätzlich zur Folge, dass das die Entscheidungspflicht des Verwaltungsgerichts hervorrufende Begehren nicht mehr vorliegt und der damit bekämpfte Bescheid in Rechtskraft erwächst (vgl. VwGH 29.4.2015, Fr 2014/20/0047). Im hier zu beurteilenden Einzelfall ist aber zu beachten, dass die Zurückziehung der Beschwerde nach Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung erfolgte. In der derzeit vorhandenen Literatur ist fraglich, ob nach Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung und Stellung eines Vorlageantrages auch die Beschwerde wieder zurückgezogen werden kann und bejahendenfalls ob dann der ursprünglich angefochtene Bescheid (Ausgangsbescheid) oder weiterhin die Beschwerdevorentscheidung gilt. In der Literatur kommt es bei der Beantwortung dieser Rechtsfrage auf die jeweilige Fallkonstellation (eine erhobene Beschwerde oder mehrere erhobene Beschwerden) und das jeweils anzuwendende Verfahrensrecht (Bundesabgabenordnung - BAO oder VwGVG) an (siehe die Literaturdarstellung in Goldstein/Neudorfer, in Raschauer/Wessely [Hrsg.], Kommentar zum VwGVG § 15 Rz 4).
Die erkennende Richterin geht davon aus, dass in einem Verfahren, in dem das VwGVG anzuwenden ist, gemäß § 17 VwGVG iVm § 13 Abs. 7 AVG die Zurückziehung der Beschwerde auch nach Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung während eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens möglich ist.
Nach Ansicht der erkennenden Richterin muss im gegenständlichen Fall die Zurückziehung der einzigen Beschwerde nach Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zum selben Ergebnis führen, wie die Zurückziehung eines verfahrenseinleitenden Antrages in einem Rechtsmittelverfahren. Die erkennende Richterin schließt sich insofern der Ansicht von Goldstein/Neudorfer, in Raschauer/Wessely, Kommentar zum VwGVG § 15 Rz 4 an. Die Beschwerdevorentscheidung ist daher wegen (nachträglich entstandener) Unzuständigkeit der belangten Behörde mit Erkenntnis ersatzlos zu beheben. Wegen Zurückziehung der Beschwerde ist zugleich das verwaltungsgerichtliche Verfahren mit Beschluss einzustellen (zur Verfahrenseinstellung mittels Beschluss vgl. VwGH 29.4.2015, Fr 2014/20/0047; 9.9.2016, Ra 2016/02/0137).
Im Ergebnis ist für den hier zu beurteilenden Einzelfall daher festzuhalten, dass durch die Zurückziehung der einzigen Beschwerde nach Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens der ursprüngliche Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Gmunden vom 14.12.2018 (Ausgangsbescheid) wieder wirksam wird.
Der Vollständigkeit halber wird noch festgehalten, dass hier auch der Vorlageantrag zurückgezogen wurde. Dies führt aber schon deshalb zu keinem anderen Ergebnis, weil sich der Vorlageantrag nach dem VwGVG ohnehin (nur) darauf richtet, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht vorgelegt wird (vgl. die richtungsweisende Entscheidung des VwGH vom 17.12.2015, Ro 2015/08/0026, betreffend das Verhältnis von Beschwerdevorentscheidung und Ausgangsbescheid und die Vorgehensweise des Verwaltungsgerichts bei einem Vorlageantrag).
Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.
IV. Zulässigkeit der ordentlichen Revision:
Zu A.II. und B.II.:
Die ordentliche Revision ist zulässig. Es besteht keine höchstgerichtliche Judikatur zu der hier relevanten Frage, ob bei Zurückziehung der einzigen Beschwerde nach Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung während eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, in dem das VwGVG anzuwenden ist, der Ausgangsbescheid oder die Beschwerdevorentscheidung wirksam wird. Für den Fall, dass der Ausgangsbescheid wirksam wird, wäre schon aus Gründen der Rechtssicherheit über den hier konkreten Einzelfall hinaus von Bedeutung, ob die Beschwerdevorentscheidung durch das Verwaltungsgericht explizit aufgehoben werden muss, oder ob mit dem Einstellungsbeschluss des Verwaltungsgerichts der Ausgangsbescheid automatisch wiederauflebt (vgl. zur Gegenstandsloserklärung gemäß § 256 Abs. 3 BAO, die offenbar ein automatisches Wiederaufleben des angefochtenen Ausgangsbescheides bewirkt, etwa BFG 20.7.2018, RV/7103164/2018 mHa Ritz, BAO-Kommentar, 5. Auflage, Tz 14 zu § 256 BAO; vgl. weiters die erwähnte Literaturdarstellung in Goldstein/Neudorfer, in Raschauer/Wessely, Kommentar zum VwGVG § 15 Rz 4).
Schlagworte
Beschwerde; Zurückziehung nach Erlassung der Beschwerdevorentscheidung; ersatzlose Aufhebung; EinstellungAnmerkung
Alle Entscheidungsvolltexte sowie das Ergebnis einer gegebenenfalls dazu ergangenen höchstgerichtlichen Entscheidung sind auf der Homepage des Oö LVwG www.lvwg-ooe.gv.at abrufbar.European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGOB:2019:LVwG.152147.12.VGZuletzt aktualisiert am
05.12.2019