Entscheidungsdatum
12.08.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W210 2188328-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Anke SEMBACHER über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch Leitner Rechtsanwalt GmbH, Julius-Raab-Platz 4, 1010 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 21.03.2019 zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer reiste schlepperunterstützt und unter Umgehung der Einreisebestimmungen in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 15.10.2015 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Der Beschwerdeführer wurde am 12.11.2015 von einem Organwalter des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari zu seiner Identität, seiner Reiseroute, seinem Fluchtgrund und einer allfälligen Rückkehrgefährdung befragt. Hier gab er an, am XXXX in Afghanistan, Baghlan, geboren zu sein, den im Spruch wiedergegebenen Namen zu führen und die letzten fünf Jahre im Iran gelebt zu haben. Er habe Afghanistan gemeinsam mit seiner Familie verlassen, weil es dort wegen der Taliban unsicher gewesen sei. Sie hätten gedacht, dass sie im Iran ein besseres Leben führen würden, aber die Umstände im Iran seien sehr schlecht gewesen. Deshalb habe er die Flucht ergriffen.
3. Am 05.02.2018 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari und des im Spruch ausgewiesenen Rechtsvertreters niederschriftlich zu seinem Antrag auf internationalen Schutz einvernommen. Hier gab er an, richtigerweise am XXXX geboren zu sein und nicht über fünf, sondern über acht Jahre Schulbildung zu verfügen. Sonst gebe es keine Fehler im Protokoll der Erstbefragung. Der Grund für die Flucht aus Afghanistan sei, dass er und seine Familie Hazara und Schiiten seien. In den Dörfern habe es viele Paschtunen, Sunniten und Taliban gegeben, diese würden Schiiten nicht mögen. Beim letzten Angriff auf ihr Dorf hätten die Taliban zehn bis zwölf Dorfpolizisten getötet. Am Tag nach diesem Angriff seien Taliban in die Moschee gekommen und hätten einige Jugendliche mitgenommen, wobei sie gesagt hätten, dass sich ihnen aus jeder Familie ein Jugendlicher anschließen müsse.
4. Mit nunmehr angefochtenem Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen [gemeint: 14 Tagen] ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).
5. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch den ausgewiesenen Rechtsvertreter, Beschwerde und beantragte die Abänderung des angefochtenen Bescheides dahingehend, dass seinem Antrag auf internationalen Schutz stattgegeben, in eventu der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die Behörde zurückverwiesen werde. Die Beschwerde behauptet eine mangelnde Beweiswürdigung und eine unrichtige rechtliche Beurteilung. Vorbringen zu den Spruchpunkten III.-VI. des angefochtenen Bescheides wurde nicht erstattet.
Das BFA legte die Beschwerde und den Akt des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
6. Am 21.03.2018 führte das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung in Anwesenheit des Beschwerdeführers, seines Rechtsvertreters und einer Dolmetscherin für die Sprache Dari durch, im Zuge derer der Beschwerdeführer zu seinem Antrag auf internationalen Schutz einvernommen und der stellig gemachte Zeuge
XXXX zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich befragt wurde. Die belangte Behörde verzichtete schriftlich auf die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung.
7. Am 11.04.2019 erfolgte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers samt Urkundevorlage.
8. Dem Beschwerdeführer wurden eine Aktualisierung zum Länderinformationsblatt vom 04.06.2019 und die EASO Country Guidance Notes aus Juni 2019 mit der Möglichkeit zur Stellungnahme zur Kenntnis gebracht.
9. Am 30.07.2019 erfolgte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers zu den aktualisierten Länderberichten.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des BFA und den hiergerichtlichen Akt betreffend den Beschwerdeführer; insbesondere in die Befragungsprotokolle und in die durch das BFA in das Verfahren eingeführten Länderberichte zur Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers sowie durch Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, Einvernahme des Beschwerdeführers und des stellig gemachten Zeugen und Einholung neuer Länderberichte, so das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan vom 29.06.2018 mit Aktualisierungen bis einschließlich 04.06.2019, die UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes afghanischer Asylsuchender, die EASO Country Guidance Notes zu Afghanistan aus Juni 2018 und Juni 2019, die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018, den EASO-Bericht zu Netzwerken in Afghanistan aus Jänner 2018, den Landinfo-Bericht vom 26.09.2017 zur Rekrutierung durch die Taliban, den Landinfo-Bericht vom 23.08.2017 zum Nachrichtendienst der Taliban und den ACCORD-Bericht vom 07.12.2018 zur Lage in Kabul, Herat und Mazar-e Sharif sowie durch Einholung von Stellungnahmen zu diesen Berichten und Berücksichtigung der dort und in der Beschwerde zitierten Berichte und Judikate.
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers und seinem Leben in Afghanistan, im Iran und in Österreich:
Der im Jahr XXXX geborene und somit volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, ledig und kinderlos. Seine Identität steht nicht fest. Er ist der Volksgruppe der Hazara zugehörig, seine Muttersprache ist Dari.
Der Beschwerdeführer ist in der Provinz Baghlan, Distrikt XXXX , geboren, und lebte dort durchgehend bis zu seiner Ausreise in den Iran im Jahr 2009. Er besuchte in Afghanistan mehrere Jahre die Schule und arbeitete in der familieneigenen Landwirtschaft mit. Während seines rund fünfjährigen Aufenthalts im Iran erwarb er zudem Berufserfahrung jedenfalls als Hilfsarbeiter und Schweißer.
Die Eltern und die - bereits verheiratete - Schwester des Beschwerdeführers leben im Iran, weitere Geschwister hat der Beschwerdeführer nicht. Sein Vater arbeitet im Iran in einem Schuhgeschäft und schickte dem Beschwerdeführer bereits zwei Mal Geld nach Österreich, um ihn finanziell zu unterstützen. Der Beschwerdeführer hat regelmäßig Kontakt zu seinen Eltern im Iran.
Der Beschwerdeführer hat in Afghanistan keine familiären Anknüpfungspunkte.
Der Beschwerdeführer reiste im Herbst 2015 aus dem Iran aus und stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 15.10.2015 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
In Österreich leben zwei Cousins des Beschwerdeführers väterlicherseits, diesen wurde in Österreich der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Es besteht weder ein gemeinsamer Haushalt noch ein (finanzielles oder sonstiges) Abhängigkeitsverhältnis zueinander. Weitere Verwandte oder Familienangehörige hat der Beschwerdeführer in Österreich nicht. Es besteht auch sonst kein Abhängigkeits- oder Nahverhältnis zu einer in Österreich aufhältigen Person.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten und hält sich seit seiner Einreise durchgehend im österreichischen Bundesgebiet auf. Er ist nicht erwerbstätig, nicht selbsterhaltungsfähig und bezieht Leistungen aus der Grundversorgung. Er nahm an diversen Deutschkursen bis zum Niveau B2 teil, erwarb Sprachzertifikate bis zum Niveau B1 und verfügt über gute Deutschkenntnisse. Von August 2016 bis September 2017 absolvierte der Beschwerdeführer ein Jugendcollege, nahm im Sommer 2017 an einem Einführungskurs der Technischen Universität im Bereich Informatik teil und besuchte von September 2017 bis Juni 2018 den Lehrgang "Übergangsstufe für Flüchtlinge" an einem Abendgymnasium. Seit Abschluss dieses Lehrgangs hat der Beschwerdeführer keine weiteren Bildungsschritte gesetzt. Er strebt eine Ausbildung im IT-Bereich an, Praktika hat der Beschwerdeführer bislang nicht absolviert. In seiner Freizeit betreibt der Beschwerdeführer Sport, spielt Theater, nimmt an Treffen und Aktionen des Vereins " XXXX " teil und wirkt an bzw. in gesellschaftskritischen Videoclips mit.
Der Beschwerdeführer entstammt einer schiitisch-muslimischen Familie und wurde als schiitischer Moslem erzogen. Er bekannte sich jedenfalls auch in den ersten zweieinhalb Jahren nach seiner Einreise in Österreich stets zur Religion des schiitischen Islam. Beginnend mit Herbst 2018 führte er wiederholt Gespräche im Pastoralamt Erwachsenenkatechumenat der katholischen Kirche im Hinblick auf eine mögliche Taufvorbereitung. Die Vorbereitungsgespräche wurden mittlerweile eingestellt. Der Beschwerdeführer ist bislang weder getauft noch in den Katechumenat aufgenommen worden. Der Taufwunsch des Beschwerdeführers wird vom zuständigen Pastoralamt Erwachsenenkatechumenat nicht bestätigt.
Dem Beschwerdeführer droht in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine gegen ihn gerichtete Bedrohung oder Verfolgung, sei es durch staatliche Organe oder durch Private, aufgrund seiner Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Gesinnung (oder aus anderen Gründen). Im Falle einer Rückkehr hat er eine solche auch nicht zu erwarten.
Der Beschwerdeführer leidet an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung, befindet sich nicht in medizinischer Behandlung und nimmt keine Medikamente.
1.2. Zur Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers - Afghanistan:
Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil (Länderinformationsblatt für Afghanistan vom 29.06.2018 mit letzter Kurzinformation vom 04.06.2019 - LIB 04.06.2019, S. 22). Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (LIB 04.06.2019, S. 65).
Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (LIB 04.06.2019, S. 65). Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt
23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan; für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712. Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert (LIB 04.06.2019, S. 66).
Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im ersten Quartal 2019 1.773 zivile Opfer, darunter 582 Kinder. Dies entspricht einem Rückgang der Opferzahl gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres um 23%. Kampfhandlungen am Boden waren die Hauptursache ziviler Opfer und machten etwa ein Drittel der Gesamtzahl aus (LIB 04.06.2019, S. 13).
Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren. Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt) bedrohen. Dies ist den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zuzuschreiben (LIB 04.06.2019, S. 68). Trotz verschiedener Kampfhandlungen und Bedrohungen blieben mit Stand Dezember 2018 die Provinzzentren aller afghanischen Provinzen unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Regierung (LIB 04.06.2019, S. 22).
Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (LIB 04.06.2019, S.76).
Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht. In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt. Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden; auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (LIB 04.06.2019, S. 69). Ende Mai 2019 und in der ersten Juni-Woche 2019 fanden in Kabul-Stadt einige Anschläge und gezielte Tötungen in kurzen Abständen statt (LIB 04.06.2019, S. 14 f.).
Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (LIB 04.06.2019, S. 69). Die Auflistung der high-profile Angriffe zeigt, dass die Anschläge in großen Städten, auch Kabul, hauptsächlich im Nahebereich von Einrichtungen mit Symbolcharakter (Moscheen, Tempel bzw. andere Anbetungsorte), auf Botschaften oder auf staatliche Einrichtungen stattfinden. Diese richten sich mehrheitlich gezielt gegen die Regierung, ausländische Regierungen und internationale Organisationen (LIB 04.06.2019, S. 70-72).
Afghanistan hat kein zentrales Bevölkerungsregister, das Personenstands- und Urkundenwesen in Afghanistan ist kaum entwickelt. Die lokalen Gemeinschaften verfügen über zahlreiche Informationen über die Familien in dem Gebiet und die Ältesten haben einen guten Überblick (LIB 04.06.2019, S. 351).
Zur Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers - Baghlan:
Baghlan liegt in Nordostafghanistan und gilt als eine der industriellen Provinzen Afghanistans. Sie befindet sich auf der Route der Autobahn Kabul-Nord, welche neun Provinzen miteinander verbindet. Ihre Hauptstadt heißt Pul-i-Khumri und ist als Wirtschaftszentrum bekannt (LIB 04.06.2019, S. 104).
Die Sicherheitslage in Baghlan hat sich seit Anfang 2016 verschlechtert, nachdem die Taliban anfingen, koordinierte Angriffe in Schlüsseldistrikten in der Nähe der Hauptstadt auszuführen. Im Februar 2017 galt Baghlan als eine der am schwersten umkämpften Provinzen des Landes. Baghlan zählt zu jenen Provinzen, in denen eine hohe Anzahl an Zivilisten aufgrund explosiver Kampfmittelrückstände und indirekter Waffeneinwirkung ums Leben kam (LIB 04.06.2019, S. 105.)
Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 102 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden 222 zivile Opfer registriert. Hauptursache waren Bodenoffensiven, gefolgt von Blindgängern/Landminen und gezielten Tötungen. Dies bedeutet einen Rückgang von 38% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. In Baghlan werden militärische Operationen durchgeführt, um bestimmte Gegenden der Provinz von Aufständischen zu befreien. Im Zeitraum 1.1.2017 - 15.7.2017 wurde im Süden der Provinz Baghlan Gewalt gegen die Zivilbevölkerung durch den IS gemeldet, während zwischen dem 16.7.2017 und dem 31.1.2018 keine Vorfälle registriert wurden (LIB 04.06.2019, S. 105 f.).
Zur Provinz Balkh und der Hauptstadt Mazar-e Sharif:
Mazar-e Sharif ist die Hauptstadt der Provinz Balkh. Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana und Pul-e-Khumri und ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst (LIB 04.06.2019, S. 108 f.). Mazar-e Sharif ist auf dem Straßenweg mittels Bus erreichbar, eine Fahrt kostet zwischen 400 und 1.000 Afghani (LIB 04.06.2019, S. 263). In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen, durch den die Stadt über den Luftweg von Kabul sicher zu erreichen ist (LIB 04.06.2019, S. 109, 266). Der Flughafen befindet sich 9 km östlich der Stadt (EASO Country Guidance 2019, Seite 130).
Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan und hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften. Im Zeitraum 1.1.2017 - 30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (LIB 04.06.2019, S. 109 f.). Im Herbst 2018 wurde im Norden Afghanistans - darunter u.a. in der Provinz Balkh - eine große Zahl von Kampfhandlungen am Boden registriert; Vorfälle entlang der Ring Road beeinträchtigten die Bewegungsfreiheit (LIB 04.06.2019, S. 42).
Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte führen regelmäßig militärische Operationen durch, um regierungsfeindliche Aufständische zu verdrängen und sie davon abzuhalten, Fuß im Norden des Landes zu fassen. Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften finden statt (LIB 04.06.2019, S. 110). Im Zeitraum 1.1.2017 - 15.7.2017 wurden keine IS-bezogenen Vorfälle in der Provinz registriert; im Zeitraum 16.7.2017 - 31.1.2018 wurden vom IS verursachten Vorfälle entlang der Grenze von Balkh zu Sar-e Pul registriert (LIB 04.06.2019, S. 111).
In der Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif ist die Gefahr, Opfer willkürlicher Gewalt zu werden, gering (EASO Country Guidance 2019, S. 29 und 92).
Zur Provinz Herat:
Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Provinzhauptstadt ist Herat-Stadt, welche sich im gleichnamigen Distrikt befindet und eine Einwohnerzahl von 506.900 hat (LIB 04.06.2019, S. 145). In der Provinz befinden sich zwei Flughäfen: ein internationaler, etwa 10 km außerhalb von Herat-Stadt und ein militärischer in Shindand (LIB 04.06.2019, S. 145, 266), wobei Herat-Stadt im Allgemeinen ohne ernsthaftes Risiko erreichbar ist (EASO Country Guidance 2019, S. 34).
Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.967.180 geschätzt. In der Provinz leben Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Uzbeken und Aimaken sowie tausende afghanische Binnenflüchtlinge (LIB 04.06.2019, S. 145). Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Das Harirud-Tal, eines der fruchtbarsten Täler des Landes, wo Baumwolle, Obst und Ölsaat angebaut werden, befindet sich in der Provinz. Bekannt ist Herat auch wegen seiner Vorreiterrolle in der Safran-Produktion. Die Safran-Produktion garantierte z.B. auch zahlreiche Arbeitsplätze für Frauen in der Provinz. Auch in unsicheren Gegenden wird Safran angebaut. Trotzdem stieg im Jahr 2017 in der Provinz die Opiumproduktion. In den Distrikten Shindand und Kushk, geprägt von schlechter Sicherheitslage, war der Mohnanbau am höchsten (LIB 04.06.2019, S. 145)
Herat wird als einer der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv (LIB 04.06.2019, S. 146). Es gibt interne Konflikten zwischen verfeindeten Taliban-Gruppierungen. Anhänger des IS haben sich in Herat zum ersten Mal für Angriffe verantwortlich erklärt, die außerhalb der Provinzen Nangarhar und Kabul verübt wurden (LIB 04.06.2019, S. 148).
In der Provinzhauptstadt Herat-Stadt ist die Gefahr, Opfer willkürlicher Gewalt zu werden, gering (EASO Country Guidance 2019, S. 29 und 100). Nach zehnjährigen Entminungstätigkeiten werden 14 der 16 Distrikte Herats seit Februar 2018 nun von der Entminungsorganisation Halo Trust als sicher einstuft. In diesen Gegenden besteht keine Gefahr mehr, Landminen und anderen Blindgängern ausgesetzt zu sein (LIB 04.06.2019, S. 146).
Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 139 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden in der Provinz Herat 495 zivile Opfer (238 getötete Zivilisten und 257 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Selbstmordanschlägen/komplexen Attacken und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 37% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (LIB 04.06.2019, S. 146 f.).
In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um einige Gegenden von Aufständischen zu befreien. Auch werden Luftangriffe verübt. Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen finden statt. In Herat sind Truppen der italienischen Armee stationiert, die unter dem Train Advise Assist Command West (TAAC-W) afghanische Streitmächte im Osten Afghanistans unterstützen (LIB 04.06.2019, S. 147). Gemäß dem Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) zählt Herat neben den Provinzen Badghis, Farah, Faryab, Ghazni, Helmand, Kandahar und Uruzgan zu den Provinzen Afghanistans, in welchen bis Oktober 2018 die meisten Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen stattfanden (LIB 04.06.2019, S. 22).
Dem Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen (UN OCHA) zufolge waren mit Stand 19.03.2019 in der Provinz Herat die Distrikte Ghorvan, Zendejan, Pashtoon Zarghoon, Shindand, Guzarah und Baland Shahi von der Zerstörung und Beschädigung von Häusern infolge starker Regenfällen betroffen. Die Überflutungen folgten einer im April 2018 begonnen Dürre, von der Herat (und die Provinz Badghis) am meisten betroffen war und von deren Folgen (z.B. Landflucht in die naheliegenden urbanen Zentren) sie es weiterhin sind. In den beiden Provinzen wurden am 13.09.2018 ca. 266.000 IDPs (afghanische Binnenflüchtlinge) vertrieben; davon zogen 84.000 Personen nach Herat-Stadt und 94.945 nach Qala-e-Naw, wo sie sich in den Randgebieten oder in Notunterkünften innerhalb der Städte ansiedelten und auf humanitäre Hilfe angewiesen sind (LIB 04.06.2019, S. 18).
Wirtschaft:
Seit 2002 hat Afghanistan mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft wichtige Fortschritte beim Wiederaufbau seiner Wirtschaft erzielt. Dennoch ist das Land weiterhin arm und von Hilfeleistungen abhängig. Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu (LIB 04.06.2019, S. 357 f.). Mehr als 60% der afghanischen Arbeitskräfte arbeiten im Landwirtschaftssektor, dieser stagniert. Für ca. ein Drittel der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (inklusive Tiernutzung) die Haupteinnahmequelle. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. 55% der afghanischen Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Mehr als ein Drittel der männlichen Bevölkerung (34,3%) Afghanistans ist nicht in der Lage, eine passende Stelle zu finden (LIB 04.06.2019, S. 358, UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018, Seite 19 und 20).
Sogar für gut ausgebildete und gut qualifizierte Personen ist es schwierig ohne ein Netzwerk einen Arbeitsplatz zu finden, wenn man nicht empfohlen wird oder dem Arbeitgeber nicht vorgestellt wird. Vetternwirtschaft ist gang und gebe. Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen. Es gibt lokale Webseiten, die offene Stellen im öffentlichen und privaten Sektor annoncieren. Die meisten Afghanen sind unqualifiziert und Teil des informellen, nicht-regulierten Arbeitsmarktes. Der Arbeitsmarkt besteht Großteils aus manueller Arbeit ohne Anforderungen an eine formelle Ausbildung und spiegelt das niedrige Bildungsniveau wieder. In Kabul gibt es öffentliche Plätze, wo sich Arbeitssuchende und Nachfragende treffen. Viele bewerben sich, nicht jeder wird engagiert. Der Lohn beträgt für Hilfsarbeiter meist USD 4,3 und für angelernte Kräfte bis zu USD 14,5 pro Tag (EASO Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018, S. 29 - 30).
Medizinische Versorgung:
Gemäß Artikel 52 der afghanischen Verfassung muss der Staat allen Bürgern kostenfreie primäre Gesundheitsversorgung in öffentlichen Einrichtungen gewährleisten. In den letzten zehn Jahren hat die Flächendeckung der primären Gesundheitsversorgung in Afghanistan stetig zugenommen. Das afghanische Gesundheitssystem hat in dieser Zeit ansehnliche Fortschritte gemacht. Die Verfügbarkeit und Qualität der Grundbehandlung ist durch Mangel an gut ausgebildeten Ärzten und Assistenzpersonal, mangelnde Verfügbarkeit von Medikamenten, schlechtes Management sowie schlechte Infrastruktur begrenzt. Die Kosten von Diagnose und Behandlung in privat geführten Krankenhäusern und Kliniken variieren stark und müssen von den Patienten selbst getragen werden (LIB 04.06.2019, S. 362).
Medizinische Versorgung wird in Afghanistan auf drei Ebenen gewährleistet: Gesundheitsposten (HP) und Gesundheitsarbeiter (CHWs) bieten ihre Dienste auf Gemeinde- oder Dorfebene an; Grundversorgungszentren (BHCs), allgemeine Gesundheitszentren (CHCs) und Bezirkskrankenhäuser operieren in den größeren Dörfern und Gemeinschaften der Distrikte. Die dritte Ebene der medizinischen Versorgung wird von Provinz- und Regionalkrankenhäusern getragen. In urbanen Gegenden bieten städtische Kliniken, Krankenhäuser und Sonderkrankenanstalten jene Dienstleistungen an, die HPs, BHCs und CHCs in ländlichen Gebieten erbringen. 90% der medizinischen Versorgung in Afghanistan werden von nationalen und internationalen NGOs, die über ein Vertragssystem beauftragt werden, zur Verfügung gestellt. In den Städten besteht ein ausreichendes Netz von Krankenhäusern und Kliniken (LIB 04.06.2019, S. 363 f.).
Eine begrenzte Anzahl an staatlichen Krankenhäusern in Afghanistan bietet kostenfreie medizinische Versorgung. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e Sharif, Herat und Kandahar. In öffentlichen Krankenhäusern in den größeren Städten Afghanistans können leichte und saisonbedingte Krankheiten sowie medizinische Notfälle behandelt werden (LIB 04.06.2019, S. 365).
In Mazar-e Sharif existieren ein privates neuropsychiatrisches Krankenhaus und ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus. In Kabul existiert eine weitere psychiatrische Klinik. Landesweit bieten alle Provinzkrankenhäuser kostenfreie psychologische Beratungen an, die in einigen Fällen sogar online zur Verfügung stehen. Mental erkrankte Personen können beim Roten Halbmond, in entsprechenden Krankenhäusern und bei anderen Nichtregierungsorganisationen behandelt werden. Einige dieser NGOs sind die International Psychological Organisation (IPSO) in Kabul, die Medica Afghanistan und die PARSA (LIB 04.06.2019, S. 364 f.).
Rückkehrer:
Im Jahr 2017 kehrten sowohl freiwillig, als auch zwangsweise insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück. Im Jahr 2018 kehrten mit Stand
21.3. 1.052 Personen aus den an Afghanistan angrenzenden Ländern und nicht-angrenzenden Ländern zurück (LIB 04.06.2019, S. 371).
Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung, wo Rückkehrer/innen für maximal zwei Wochen untergebracht werden können (LIB 04.06.2019, S. 372 f.)
Die Organisationen IOM, IRARA, ACE und AKAH bieten Unterstützung und nachhaltige Begleitung bei der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Schulungen an. NRC bietet Rückkehrer/innen aus Pakistan, Iran und anderen Ländern Unterkunft sowie Haushaltsgegenstände und Informationen zur Sicherheit an und hilft bei Grundstücksstreitigkeiten. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) unterstützt Rückkehrer/innen dabei, ihre Familien zu finden. Die internationale Organisation für Migration IOM bietet ein Programm zur unterstützten, freiwilligen Rückkehr und Reintegration in Afghanistan an (LIB 04.06.2019, S. 373 f.). Da nur wenige Rückkehrer die Unterbringungsmöglichkeiten von IOM nutzten bietet IOM gewährt IOM seit April 2019 keine temporäre Unterkunft mehr, sondern unterstützt zwangsrückgeführte Afghanen durch Barzuwendung in Höhe von ca. 150 Euro sowie durch Informationen über Unterkunftsmöglichkeiten (LIB 04.06.2019, S. 16). Auch UNHCR ist bei der Ankunft von Rückkehrer/innen anwesend, begleitet die Ankunft und verweist Personen welche einen Rechtsbeistand benötigen an die Afghanistan Independent Human Rights Commission. Psychologische Unterstützung von Rückkehrer/innen wird über die Organisation IPSO betrieben (LIB 04.06.2019, S. 374).
Hilfeleistungen für Rückkehrer/innen durch die afghanische Regierung konzentrieren sich auf Rechtsbeistand, Arbeitsplatzvermittlung, Land und Unterkunft. Seit 2016 erhalten Rückkehr/innen Hilfeleistungen in Form einer zweiwöchigen Unterkunft (LIB 04.06.2019, S. 374 f.).
Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Nur sehr wenige Afghanen in Europa verlieren den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migranten in Afghanistan dar. Dennoch haben alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen (LIB 04.06.2019, S. 375 f.).
Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (LIB 04.06.2019, S. 376).
Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (LIB 04.06.2019, S. 376).
Ethnische Minderheiten:
In Afghanistan leben mehr als 34.1 Millionen Menschen. Es sind ca. 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara und 9% Usbeken (LIB 04.06.2019, S. 319). Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten, wo diese mehrheitlich gesprochen werden, eingeräumt (LIB 04.06.2019, S. 319 f.).
Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung rechtlich verankert, wird allerdings in der gesellschaftlichen Praxis immer wieder konterkariert. Soziale Diskriminierung und Ausgrenzung anderer ethnischer Gruppen und Religionen im Alltag besteht fort und wird nicht zuverlässig durch staatliche Gegenmaßnahmen verhindert. Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (LIB 04.06.2019, S. 320).
Hazara
Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung. Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (azarajat) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak, Central Bihsud/Behsood und Hisa-i-Awal Bihsud. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind einerseits ihr ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild; andererseits gehören ethnische Hazara hauptsächlich dem schiitischen Islam an (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten). Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten (LIB 04.06.2019, S. 321 f.).
Die Hazara-Gemeinschaft/Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können (LIB 04.06.2019, S. 322).
Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben. Dennoch hat sich die Lage der Hazara, die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgt waren, grundsätzlich verbessert; vornehmlich aufgrund von Bildung und vor allem auf ökonomischem und politischem Gebiet. Hazara in Kabul gehören jetzt zu den am besten gebildeten Bevölkerungsgruppen und haben auch eine Reihe von Dichtern und Schriftstellern hervorgebracht. Auch wenn es nicht allen Hazara möglich war diese Möglichkeiten zu nutzen, so haben sie sich dennoch in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft etabliert (04.06.2019, S. 322).
So haben Hazara eine neue afghanische Mittelklasse gegründet. Im Allgemeinen haben sie, wie andere ethnische Gruppen auch, gleichwertigen Zugang zum Arbeitsmarkt. Nichtsdestotrotz, sind sie von einer allgemein wirtschaftlichen Verschlechterung mehr betroffen als andere, da für sie der Zugang zu Regierungsstellen schwieriger ist - außer ein/e Hazara ist selbst Abteilungsleiter/in. Es existiere in der afghanischen Gesellschaft die Auffassung, dass andere ethnische Gruppierungen schlecht bezahlte Jobs Hazara geben. Hazara beschweren sich über Diskriminierung während des Bewerbungsprozesses, da sie anhand ihrer Namen leicht erkennbar sind. Die Ausnahme begründen Positionen bei NGOs und internationalen Organisationen, wo das Anwerben von neuen Mitarbeitern leistungsabhängig ist. Arbeit für NGOs war eine Einnahmequelle für Hazara - nachdem nun weniger Hilfsgelder ausbezahlt werden, schrauben auch NGOs Jobs und Bezahlung zurück, was unverhältnismäßig die Hazara trifft. Arbeitsplatzanwerbung erfolgt hauptsächlich über persönliche Netzwerke; Hazara haben aber aufgrund vergangener und anhaltender Diskriminierung eingeschränkte persönliche Netzwerke (04.06.2019, S. 322 f.).
Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf; soziale Diskriminierung gegen schiitische Hazara basierend auf Klasse, Ethnie oder religiösen Ansichten finden ihre Fortsetzung in Erpressungen (illegale Steuern), Zwangs-rekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Misshandlung und Festnahmen (LIB 04.06.2019, S. 323). Dennoch existieren keine Berichte über Verfolgung durch den Staat, Angehörige der Hazara sind in Afghanistan allein aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit keiner psychischen und physischen Gewalt ausgesetzt (EASO Country Guidance 2019, Seite 70).
Religionen:
Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben. Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 zwar verbessert, jedoch wird diese noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformerische Muslime behindert. Anhänger religiöser Minderheiten und Nicht-Muslime werden durch das geltende Recht diskriminiert (LIB 04.06.2019, S. 309 f.).
Schiiten
Die Bevölkerung schiitischer Muslime wird auf 10 - 15% geschätzt. Zur schiitischen Bevölkerung zählen die Ismailiten und ein Großteil der ethnischen Hazara. Die meisten Hazara-Schiiten gehören der Jafari-Sekte (Zwölfer-Sekte) an. Im letzten Jahrhundert ist allerdings eine Vielzahl von Hazara zur Ismaili-Sekte übergetreten. Es gibt einige Hazara-Gruppen, die zum sunnitischen Islam konvertierten. Afghanische Schiiten und Hazara neigen dazu, weniger religiös und gesellschaftlich offener zu sein als ihre Glaubensbrüder im Iran (LIB 04.06.2019, S. 312 f.).
Die politische Repräsentation und die Beteiligung an den nationalen Institutionen seitens der traditionell marginalisierten schiitischen Minderheit, der hauptsächlich ethnische Hazara angehören, ist seit 2001 gestiegen. Obwohl einige schiitischen Muslime höhere Regierungsposten bekleiden, behaupten Mitglieder der schiitischen Minderheit, dass die Anzahl dieser Stellen die demographischen Verhältnisse des Landes nicht reflektiere; auch vernachlässige die Regierung in mehrheitlich schiitischen Gebieten die Sicherheit (LIB 04.06.2019, S. 312 f.).
Die Diskriminierung der schiitischen Minderheit durch die sunnitische Mehrheit ist zurückgegangen; dennoch kommt es zu lokalen Diskriminierungsfällen. Afghanischen Schiiten ist es möglich, ihre Feste öffentlich zu feiern; einige Paschtunen sind jedoch wegen der Feierlichkeiten missgestimmt, was gelegentlich in Auseinandersetzungen mündet. In den Jahren 2016 und 2017 wurden schiitische Muslime, hauptsächlich ethnische Hazara, oftmals Opfer von terroristischen Angriffen u.a. der Taliban und des IS (LIB 04.06.2019, S. 312).
Angehörige der Schiiten sind in Afghanistan allein aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit keiner psychischen und physischen Gewalt ausgesetzt (EASO Country Guidance 2019, Seite 70).
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und seinem Leben:
Der im Spruch angeführte Name und das im Spruch wiedergegebene Geburtsdatum des Beschwerdeführers dienen mangels Vorlage unbedenklicher Identitätsdokumente ausschließlich zur Identifizierung des Beschwerdeführers als Verfahrenspartei. Zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers ist auszuführen, dass dieses in der Erstbefragung mit " XXXX " vermerkt wurde (BFA-Akt, Erstbefragungsprotokoll, S. 1). In der Einvernahme vor dem BFA gab der Beschwerdeführer hierzu an, richtiger Weise am XXXX geboren zu sein (BFA-Akt, Einvernahmeprotokoll, S. 3). Eine Tazkira legte der Beschwerdeführer nicht vor. Der Beschwerdeführer ist jedoch nach beiden Geburtsdaten im Jahr XXXX geboren und somit jedenfalls volljährig. Auch wurde das im Spruch wiedergegebene Geburtsdatum des Beschwerdeführers (wie auch der von ihm angeführte Name) bereits dem angefochtenen Bescheid zu Grunde gelegt, was in der Beschwerde unbeanstandet blieb.
Die übrigen Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, sohin zu seiner Staatsangehörigkeit, Herkunftsprovinz und Volksgruppenzugehörigkeit sowie zu seiner Muttersprache und seinem Familienstand, gründen sich auf die Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen - im gesamten Verfahren gleich gebliebenen - Aussagen zu zweifeln.
Zur Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers ist festzuhalten, dass dieser im verwaltungsbehördlichen Verfahren und auch in der Beschwerde stets angab, schiitischer Moslem zu sein. Eingangs der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht erklärte er sodann, nun konvertiert und Katholik zu sein (BVwG-Akt, OZ 3, S. 5). Der Beschwerdeführervertreter relativierte diese Behauptung sogleich dahingehend, dass der Beschwerdeführer erst dabei sei, zu konvertieren und es diesbezüglich auch noch keine Unterlagen gebe. Auch war der Beschwerdeführer nach eigenen Angaben bislang noch in keiner Kirche (BVwG-Akt, OZ 3, S. 5 f.). Zum Beweis seiner angestrebten Konversion legte der Beschwerdeführer in weiterer Folge eine Anfragebeantwortung der Katholischen Kirche, Referat Erwachsenenkatechumenat, vom 10.04.2019 vor. Aus diesem Schreiben ergibt sich, dass der Beschwerdeführer das Pastoralamt Erwachsenenkatechumenat seit Herbst 2018 einige Male aufgesucht und dort Gespräche im Hinblick auf eine Taufvorbereitung geführt hat. In diesem Schreiben wird jedoch weiter ausgeführt, dass der Beschwerdeführer im Rahmen dieser Gespräche zwar viele Fragen allgemeiner Natur zum Christentum gestellt habe, eine vertiefende Beschäftigung mit der Bibel oder eine Taufvorbereitung aufgrund seiner gefährdeten Wohnsituation aber nicht habe stattfinden können, weshalb es nicht sinnvoll erscheine, weitere Vorbereitungsgespräche zu führen. Eine ordnungsgemäße Taufvorbereitung könne im Fall des Beschwerdeführers erst durchgeführt werden, wenn dieser in der Lage sei, sich angstfrei und regelmäßig mit dem Glauben der Kirche zu beschäftigen. Eine Aufnahme in den Katechumenat habe aus eben diesen Gründen bislang nicht stattgefunden, eine Bestätigung des Taufwunsches des Beschwerdeführers sei erst nach Aufnahme in den Katechumenat möglich (BVwG-Akt, OZ 9. Beilage ./10). Es waren daher die entsprechenden Feststellungen zu treffen.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan eine mehrjährige Schulbildung erhielt, gründet auf seinen Angaben im Verfahren: In der Erstbefragung wurde festgehalten, dass der Beschwerdeführer fünf Jahre die Grundschule besucht habe (BFA-Akt, Erstbefragungsprotokoll, S. 1). Vor dem BFA korrigierte der Beschwerdeführer diese Angabe dahingehend, dass er die Schule bis zur achten Klasse besucht habe, den Fehler im Protokoll könne er sich nicht erklären (BFA-Akt, Einvernahmeprotokoll, S. 2). Auch in der mündlichen Verhandlung gab er an, in Afghanistan acht Jahre in der Schule gewesen zu sein (BVwG-Akt, OZ 3, S. 6). Im Abschlussbericht des Jugendcolleges, das der Beschwerdeführer in Österreich besucht hat, wurde vermerkt, dass der Beschwerdeführer über eine elfjährige Schulbildung in Afghanistan verfüge (BFA-Akt, Anlage zum Einvernahmeprotokoll). Aus einer Zusammenschau dieser - wenn auch uneinheitlichen Angaben - ergibt sich, dass der Beschwerdeführer jedenfalls über eine mehrjährige Schulbildung in Afghanistan verfügt.
Die Feststellungen zur Arbeitserfahrung des Beschwerdeführers in Afghanistan und im Iran gründen ebenfalls auf seinen eigenen Aussagen. Im Rahmen der Erstbefragung wurde als letzter ausgeübter Beruf des Beschwerdeführers "Bauarbeiter" vermerkt (BFA-Akt, Erstbefragungsprotokoll, S. 2). Vor dem BFA erklärte der Beschwerdeführer, während seiner Schulzeit in Afghanistan in der familieneigenen Landwirtschaft geholfen und im Iran sodann als Hilfsarbeiter und Schweißer gearbeitet zu haben (BFA-Akt, Einvernahmeprotokoll, S. 4). Im Abschlussbericht des Jugendcolleges wurde zum bisherigen Werdegangs des Beschwerdeführers festgehalten, dass dieser im Iran zwei Jahre als Teppichknüpfer sowie drei Jahre in der Metallverarbeitung tätig gewesen sei (BFA-Akt, Anlage zum Einvernahmeprotokoll). Daraus resultiert die getroffene Feststellung, dass der Beschwerdeführer zumindest über Berufserfahrung in der Landwirtschaft, als Hilfsarbeiter und als Schweißer verfügt.
Die Feststellungen zum Ausreisdatum des Beschwerdeführers aus Afghanistan und der Dauer seines Aufenthalts im Iran ergeben sich aus seinen Angabe vor dem BFA (BFA-Akt, Einvernahmeprotokoll, S. 4 und 7).
Die Feststellung zum Aufenthaltsort seiner Kernfamilie im Iran gründet auf den diesbezüglich gleichbleibenden Angaben des Beschwerdeführers (BFA-Akt, Erstbefragungsprotokoll, S. 5; Einvernahmeprotokoll, S. 5; BVwG-Akt, OZ 3, S. 6). In der mündlichen Verhandlung erklärte der Beschwerdeführer zudem, dass seine Schwester mittlerweile verheiratet sei und, dass sein Vater im Iran als Hilfskraft in einem Schuhgeschäft arbeite (BVwG-Akt, OZ 3, S. 6 f.). Aus der Aussage des Beschwerdeführers vor dem BFA ergibt sich weiter, dass sein Vater ihm bereits zweimal Geld aus dem Iran nach Österreich geschickt hat, um ihn finanziell zu unterstützen (BFA-Akt, Einvernahmeprotokoll, S. 3). Dass der Beschwerdeführer mit seinen Familienangehörigen im Iran in regelmäßigem Kontakt steht, entspringt ebenfalls dessen eigener Aussage, wonach er ein- bis zweimal im Monat mit diesen telefoniere (BVwG-Akt, OZ 3, S. 11).
Dass in Österreich zwei Cousins des Beschwerdeführers väterlicherseits leben, welchen in Österreich der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers in Übereinstimmung mit den vorgelegten Bescheiden des BFA betreffend die Cousins. Ein gemeinsamer Haushalt des Beschwerdeführers mit seinen Cousins wurde weder behauptet noch belegt, vielmehr gab der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung selbst an, seine Cousins manchmal wöchentlich, manchmal nur ein- oder zweimal im Monat zu treffen (BVwG-Akt, OZ 3, S. 11). Auch Anhaltspunkte für das Bestehen eines Abhängigkeitsverhältnisses zueinander sind nicht hervorgekommen. Weitere Verwandte oder Familienangehörige in Österreich führte der Beschwerdeführer nicht ins Treffen. Der Beschwerdeführer hat nach eigenen Angaben derzeit auch keine Freundin (BVwG-Akt, OZ 3, S. 8), ein intensives Nahverhältnis zu einer in Österreich aufhältigen Person ist somit zu verneinen.
Der Feststellung hinsichtlich fehlender familiärer Anknüpfungspunkte des Beschwerdeführers in Afghanistan liegt Folgendes zu Grunde:
Befragt nach weiteren Familienangehörigen erklärte der Beschwerdeführer vor dem BFA, im Iran einen Onkel väterlicherseits und eine Tante mütterlicherseits zu haben. Onkel mütterlicherseits und Tanten väterlicherseits gebe es keine (BFA-Akt, Einvernahmeprotokoll, S. 6). Weitere Verwandte führte er nicht in ins Treffen und ergaben sich hieraus keine familiären Anknüpfungspunkte des Beschwerdeführers in Afghanistan. Der Cousin des Beschwerdeführers väterlicherseits gab im Zuge seines Asylverfahrens zwar an, zwei Onkel und drei Tanten väterlicherseits zu haben, wovon ein Onkel und zwei Tanten in Afghanistan leben würden, und ist festzuhalten, dass die Verwandten des Cousins auf väterlicher Seite auch die Verwandten des Beschwerdeführers väterlicherseits sind. Über Vorhalt der Angaben seines Cousins erklärte der Beschwerdeführer jedoch, von diesen Verwandten in Afghanistan nichts zu wissen (BVwG-Akt, OZ 3, S. 8). Für die konkrete Situation des Beschwerdeführers war daher festzustellen, dass dieser über keine familiären Anknüpfungspunkte in Afghanistan verfügt. Die Aussage des Cousins ist dem vorgelegten Bescheid, mit welchem dem Cousin in Österreich der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, zu entnehmen.
Die Feststellungen zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich und den hier gesetzten Integrationsschritten ergeben sich aus den im Verfahren vorgelegten Dokumenten in Zusammenschau mit den vom Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung getätigten Angaben (BVwG-Akt, OZ 3, S. 12 f.). Dass der Beschwerdeführer in Entsprechung seiner erworbenen Sprachzertifikate über gute Deutschkenntnisse verfügt, ergab seine Einvernahme in der mündlichen Verhandlung. Hier antwortete der Beschwerdeführer - zunächst durchgehend und im weiteren Verlauf seiner Befragung zumindest teilweise - ohne Zuhilfenahme der Dolmetscherin auf Deutsch. Dass sich der Beschwerdeführer in staatlicher Grundversorgung befindet und nicht erwerbstätig ist, ergibt sich aus dem eigeholten Auszug aus der Datenbank des Grundversorgungssystems. Daraus resultiert auch die fehlende Selbsterhaltungsfähigkeit des Beschwerdeführers in Österreich.
Die strafrechtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus der hg. eingeholten Strafregisterauskunft (BVwG-Akt, OZ 4).
Die Feststellungen zu den Freizeitaktivitäten des Beschwerdeführers in Österreich resultieren ebenfalls aus den vorgelegten Unterlagen und der Aussage des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung (BVwG-Akt, OZ 3, S. 12 f.; Beilage ./4 zu OZ 3). Dass der Beschwerdeführer Österreich an bzw. in gesellschaftskritischen Videoclips mitwirkt, ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung in Zusammenschau mit der Aussage des einvernommenen Zeugen XXXX (BVwG-Akt, OZ 3, S. 16) und den in der Verhandlung (Beilagen ./1 und ./3 zu OZ) sowie mit der Stellungnahme vom 11.04.2019 (BVwG-Akt, OZ 9) vorgelegten Unterlagen.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers entspringen seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung, wo dieser erklärte, sich nicht in medizinischer Behandlung zu befinden und keine Medikamente zu nehmen (BVwG-Akt, OZ 3, S. 3). Das Vorliegen einer lebensbedrohlichen Erkrankung wurde zudem zu keiner Zeit behauptet und ergaben sich hierfür auch keinerlei Anhaltspunkte im Verfahren.
2.2. Zu den Feststellungen hinsichtlich des Fluchtvorbringens des Beschwerdeführers und seiner Rückkehrbefürchtungen:
Gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Aufgabe des Asylwerbers, durch ein in sich stimmiges und widerspruchsfreies Vorbringen, allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel, einen asylrelevanten Sachverhalt glaubhaft zu machen (VwGH 25.03.1999, 98/20/0559). Der Verwaltungsgerichtshof hat in mehreren Erkenntnissen betont, dass die Aussage des Asylwerbers die zentrale Erkenntnisquelle darstellt und daher der persönliche Eindruck des Asylwerbers für die Bewertung der Glaubwürdigkeit seiner Angaben von Wichtigkeit ist (VwGH 24.06.1999, 98/20/0453; VwGH 25.11.1999, 98/20/0357).
Der Beschwerdeführer wurde im Laufe des Verfahrens drei Mal niederschriftlich zu seinem Antrag auf internationalen Schutz einvernommen. Er hatte somit ausreichend Zeit und Gelegenheit, seine Fluchtgründe umfassend und im Detail darzulegen. Er wurde mehrmals zur umfassenden und detaillierten Schilderung aufgefordert sowie über die Folgen unrichtiger Angaben belehrt. Die erkennende Richterin konnte im Zuge der mündlichen Verhandlung zudem einen umfassenden persönlichen Eindruck vom Beschwerdeführer gewinnen.
Dem Beschwerdeführer ist es nicht gelungen, eine asylrelevante Verfolgung in seinem Herkunftsstaat glaubhaft zu machen. Dies aufgrund folgender Erwägungen:
In der Erstbefragung gab der Beschwerdeführer zu seinem Fluchtgrund an, er habe Afghanistan gemeinsam mit seiner Familie verlassen, weil es dort wegen der Taliban unsicher gewesen sei. Sie hätten gedacht, dass sie im Iran ein besseres Leben führen würden, aber die Umstände im Iran seien sehr schlecht gewesen. Sie hätten keine Aufenthalts- und keine Arbeitsgenehmigung erhalten und seien von den Iranern immer misshandelt worden. Deshalb habe er die Flucht ergriffen (BFA-Akt, Erstbefragungsprotokoll, S. 6). Mit diesem Vorbringen machte der Beschwerdeführer bei erster Gelegenheit zur Darlegung seiner Bewegründe für die Ausreise aus Afghanistan keine ihn konkret und persönlich treffende Verfolgungsgefahr in seinem Herkunftsstaat geltend. Dabei wird nicht verkannt, dass sich die Angaben in der Erstbefragung gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 nicht auf die "näheren" Fluchtgründe zu beziehen haben (vgl. VfGH 20.02.2014, U 1919/2013 ua; 27.06.2012, U 98/12). Ein Beweisverwertungsverbot ist damit jedoch nicht normiert.
Auch vor dem BFA stützte der Beschwerdeführer seinen Fluchtgrund primär auf seine Zugehörigkeit zur Gruppe der schiitischen Hazara und führte dazu aus, dass es in den Dörfern viele Paschtunen, Sunniten und Taliban gegeben habe, welche Schiiten nicht mögen würden. Beim letzten Angriff auf ihr Dorf hätten die Taliban zehn bis zwölf Dorfpolizisten getötet. Am Tag nach diesem Angriff seien Taliban in die Moschee gekommen und hätten einige Jugendliche mitgenommen, wobei sie gesagt hätten, dass sich ihnen aus jeder Familie ein Jugendlicher anschließen müsse. Über Rückfrage konkretisierte der Beschwerdeführer, dass er dies von seinem Vater wisse, der damals in der Moschee anwesend gewesen sei. Noch in derselben Nach sei der Beschwerdeführer mit seinem Vater aus dem Heimatdorf Richtung Iran ausgereist (BFA-Akt, Einvernahmeprotokoll, S. 6 f.).
In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht machte der Beschwerdeführer in freier Erzählung zunächst beinahe wortgleiche Ausführungen zu seinem Fluchtgrund (BVwG-Akt, OZ 3, S. 9). Gibt der Beschwerdeführer über Rückfrage seines Rechtsvertreters, ob die Aufforderung der Taliban konkretisiert worden sei, sodann jedoch an, die Taliban hätten damals in der Moschee zu seinem Vater gesagt, dass der Beschwerdeführer mit ihnen mitgehen solle (BVwG-Akt, OZ 3, S. 9), modifizierte er hiermit sein Fluchtvorbringen im Vergleich zu seinen ursprünglichen Angaben nicht nur merklich, sondern steigerte er dieses - im Hinblick auf eine nunmehr behauptet persönliche Bedrohung seiner Person - auch massiv. Bis zu diesem Zeitpunkt war nämlich keine Rede davon, dass sein Vater damals in der Moschee direkt von den Taliban angesprochen worden sei, geschweige denn, dass die Taliban mit ihrer Aufforderung gezielt auf die Person des Beschwerdeführers abgestellt hätten. Vielmehr verneinte der Beschwerdeführer eine persönliche Bedrohung seiner Person wie auch seiner Familie vor dem BFA noch explizit (BFA-Akt, Einvernahmeprotokoll, S. 7).