TE Vwgh Erkenntnis 1998/9/29 96/09/0172

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.09.1998
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §14a Abs1 idF 1992/475;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §60;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Bachler und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Enzlberger, über die Beschwerde der A M in W, vertreten durch Dr. Lennart Binder, Rechtsanwalt in Wien III, Landstraßer Hauptstraße 58/14, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 2. Mai 1996, Zl. LGSW/Abt. 10/13116/566.926/1996, betreffend Ausstellung einer Arbeitserlaubnis nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Arbeitsmarktservice hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin beantragte mit einem entsprechenden Formblatt am 14. November 1995 die Ausstellung einer Arbeitserlaubnis gemäß § 14a AuslBG.

Mit Bescheid vom 8. Jänner 1996 lehnte die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice "Persönliche Dienste - Gastgewerbe" in Wien diesen Antrag im wesentlichen mit der Begründung ab, im Zuge des Ermittlungsverfahrens sei festgestellt worden, daß die Beschwerdeführerin "nur insgesamt 0 Tage Beschäftigungszeiten" habe nachweisen können, für die Erlangung der Arbeitserlaubnis jedoch 52 Wochen (364 Tage) erforderlich gewesen wären. Da die Voraussetzungen für die Ausstellung einer Arbeitserlaubnis somit nicht gegeben gewesen seien, sei der Antrag abzulehnen gewesen. Dem lag der Computerausdruck der Versicherungsdatei des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger für den Zeitraum vom 1. Jänner 1987 bis 14. November 1995 zugrunde, die beim Dienstgeber Hakus-Real-Immobilienmakler erworbenen Versicherungszeiten als "strittig" aufscheinen und "daher" nach einem - undatierten - Aktenvermerk der Behörde erster Instanz nicht anrechenbar gewesen seien.

In der gegen diesen Bescheid gerichteten Berufung der Beschwerdeführerin machte diese als unrichtige Sachverhaltsfeststellung und damit verbunden auch unrichtige rechtliche Beurteilung geltend, die Beschäftigungszeit bei der Immobilienverwaltung Hakus-Real GesmbH hätte berücksichtigt werden müssen, sie sei selbstverständlich sozialversichert gewesen, das Beschäftigungsverhältnis sei nur deshalb beendet worden, weil am 30. September 1995 ihre Arbeitserlaubnis abgelaufen sei. Die Versicherungspflicht des Beschäftigungsverhältnisses mit der Hakus-Real GesmbH sei völlig unstrittig, es seien auch tatsächlich Beiträge bezahlt worden. Mit der Berufung legte die Beschwerdeführerin einen Auszug aus der zentralen Datenspeicherung des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger vom 14. Juli 1995 sowie eine Bestätigung der Hakus-Real Immobilienmakler GesmbH vom 17. Juli 1995 vor, wonach sie seit dem 1. Jänner 1988 bei der Hausgemeinschaft in Wien III, Hagenmüllergasse 23, aufrecht als Hausbesorgerin angestellt sei.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 14a Abs. 1 AuslBG keine Folge. In der Begründung dieses Bescheides wird ausgeführt, im Zuge des Ermittlungsverfahrens erster Instanz sei festgestellt worden, daß die von der Beschwerdeführerin im Antrag bezeichnete Beschäftigungszeit auf Grund von Erhebungen im Hauptverband der Sozialversicherungsträger nicht zweifelsfrei bestanden habe, sondern vielmehr als "strittig" bezeichnet worden sei. Die weiteren Ermittlungen hätten ergeben, daß im Zuge von arbeitsrechtlichen Unstimmigkeiten ein Verfahren beim Arbeits- und Sozialgericht anhängig gewesen sei, welches nach Auskunft der Behörde ruhe, da nach Angaben der Parteien eine außergerichtliche Einigung erzielt worden sei. Trotz mehrmaliger telefonischer Versuche sei nach Darstellung dieser Ermittlungsergebnisse keine Stellungnahme der Beschwerdeführerin erfolgt. Auch eine telefonische Aufforderung vom 26. Februar 1996, die mit dem Dienstgeber getroffene Vereinbarung vorzulegen, sei ebensowenig befolgt worden wie eine gleichlautende Aufforderung am 15. April 1996. Eine telefonische Gewährung des Parteiengehörs genüge, wenn der Partei ausreichend Zeit gewährt worden sei, hinreichend Stellung zu nehmen. Eine entsprechende Reaktionsfrist sei durch Zuwarten von mehr als einem Monat hinreichend gewährt worden.

In der Beschwerde werden sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht und im wesentlichen auf den bereits in der Berufung behaupteten Sachverhalt verwiesen. Eine Anfrage bei der Gebietskrankenkasse hätte diese Behauptungen bestätigen können.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie

die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 14a Abs. 1 AuslBG, BGBl. Nr. 218/1975 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung, BGBl. Nr. 475/1992, ist einem Ausländer auf Antrag eine Arbeitserlaubnis auszustellen, wenn der Ausländer in den letzten 14 Monaten insgesamt 52 Wochen im Bundesgebiet im Sinne des § 2 Abs. 2 mit einer dem Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Tätigkeit erlaubt beschäftigt war.

Die belangte Behörde ging bei Erlassung des angefochtenen Bescheides davon aus, daß für die Beschwerdeführerin die genannten zeitlichen Voraussetzungen der Beschäftigungsdauer für die beantragte Ausstellung der Arbeitserlaubnis nicht erfüllt gewesen seien. Diese Sachverhaltsannahme beruhte einzig auf dem Umstand, daß im Ausdruck der Versicherungsdatei des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger die dort angegebenen Beschäftigungszeiten als "strittig" (von wem und auf Grund welcher Informationen scheint nicht auf) bezeichnet worden waren. Weitere Ermittlungsergebnisse liegen - obwohl sich die Behörde erster Instanz um Übermittlung der beim Arbeits- und Sozialgericht Wien anhängigen Akten erfolglos bemüht hat - nicht vor. Die belangte Behörde beruft sich in diesem Zusammenhang lediglich darauf, auch von der Beschwerdeführerin (bzw. deren Rechtsvertreter) sei eine Aufklärung bzw. Stellungnahme nicht erfolgt. Die telefonische Aufforderung der Behörden an den Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin, Urkunden über das gegen diese anhängig gemachte arbeitsgerichtliche Verfahren vorzulegen, enthebt jedoch die im Beschwerdefall involvierten Behörden nicht von ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in zahlreichen Erkenntnissen dargelegt, daß die Mitwirkungspflicht einer Partei nicht soweit geht, daß sich die Behörde ein ordnungsgemäßes Verfahren ersparen könnte, zu dessen Durchführung sie im Sinne der §§ 39, 40 und 60 AVG verpflichtet ist. Der Mitwirkungspflicht kommt lediglich dort Bedeutung zu, wo es der Behörde nicht möglich ist, von sich aus und ohne Mitwirkung der Partei tätig zu werden (vgl. hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 1995, Zl. 94/19/0413, und die diesem anschließende Judikatur). Dies trifft auf Auskünfte anderer amtlicher Stellen - d.h. der Gerichte, aber auch der zuständigen Gebietskrankenkassen - nicht zu. Die Behörden des Verwaltungsverfahrens haben es vielmehr im Beschwerdefall völlig unterlassen, sich - wenn auch nur telefonisch - über den Gegenstand der beim Bezirksgericht Innere Stadt bzw. beim Arbeits- und Sozialgericht Wien anhängigen Verfahren zu informieren. Aus dem Streitgegenstand wäre dann bereits klar gewesen, daß es nicht um die für die Vergangenheit zu beantwortende Frage nach einem aufrechten Beschäftigungsverhältnis und damit gültiger Versicherungszeiten gegangen ist, sondern um dessen Auflösung. Damit erweist sich aber auch die Annahme der Behörde, die Versicherungszeiten der Beschwerdeführerin seien "strittig" und damit nicht anrechenbar, als durch dieses Beweisergebnis nicht gedeckt.

Aus diesen Gründen belastete die belangte Behörde ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, sodaß er gemäß § 43 Abs. 2 Z. 3 lit. C VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 29. September 1998

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1996090172.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten