TE Bvwg Beschluss 2019/10/10 W226 2209976-1

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Veröffentlicht am 10.10.2019
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Entscheidungsdatum

10.10.2019

Norm

AsylG 2005 §7 Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs3

Spruch

W226 2209976-1/9E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. WINDHAGER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, 1090 Wien, Alser Straße 20, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.10.2018, Zl. 821642209-180799674/BMI-BFA_SZB_RD:

A)

Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufgehoben und zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

B e g r ü n d u n g:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, reiste nach eigenen Angaben am 04.01.2011 in das Bundesgebiet ein und stellte am 05.01.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am selben Tag wurde der Beschwerdeführer vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und gab an, er leide an Kopfschmerzen, geschlossener Tuberkulose und chronischem Bronchialasthma. Er sei gemeinsam mit seiner Schwester nach Österreich geflüchtet und habe er noch zwei Brüder in Österreich. Zu seinem Fluchtgrund führte er aus, er sei mehrmals in einen Keller mitgenommen und dort gefoltert worden. Er habe seinen Bruder XXXX nach Tschetschenien zurückbringen sollen und sei er wegen seiner Krankheit wieder freigelassen worden.

Am 01.02.2011 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesasylamt. Dabei führte er aus, dass nunmehr auch seine zweite Schwester ins Bundesgebiet eingereist sei. Zudem legte der Beschwerdeführer einen Zeitungsbericht der Tageszeitung XXXX vom XXXX vor, dem zu entnehmen ist, dass sein Bruder, XXXX persönlicher Adjutant des damaligen Tschetschenienführers XXXX und als solcher an der Verteidigung der tschetschenischen Hauptstadt beteiligt gewesen sei. Aus dem ebenfalls vorgelegten Schreiben von XXXX , dem ehemaligen Pressesprecher der Tschetschenischen Republik Itschkeria geht hervor, dass der Bruder des Beschwerdeführers nach dem Tschetschenienkrieg zum Abgeordneten des Parlaments der Tschetschenischen Republik Itschkeria gewählt worden sei und auch als solcher gegen die Russen gearbeitet habe. Aus diesem Grund hätten sich auch dessen Familienangehörige unter ständiger Beobachtung der Russischen Föderation und Kadyrows Miliz befunden und hätte man von ihnen auch Informationen verlangt. Unter dem Druck der Behörden seien sie daher schließlich gezwungen gewesen, Tschetschenien zu verlassen. Derselbe Inhalt ist aus dem zusätzlich vorgelegten Schreiben von XXXX vom 28.01.2011 ersichtlich. Im Übrigen wurde der Beschwerdeführer vorwiegend zu seinem Aufenthalt in Polen vor der Einreise nach Österreich befragt.

Am 02.03.2011 wurde der Beschwerdeführer neuerlich vor dem Bundesasylamt einvernommen und verwies ergänzend auf einen psychotherapeutischen Befundbericht vom 01.03.2011, mit welchem beim Beschwerdeführer zusätzlich eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert wurde.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 10.03.2011, Zl. 11 00.144, wurde der vom Beschwerdeführer gestellte Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen, weil für dessen Prüfung Polen zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG wurde der Beschwerdeführer nach Polen ausgewiesen und festgestellt, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Polen gemäß § 10 Abs. 4 AsylG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Die dagegen erhobene Beschwerde des Beschwerdeführers vom 21.03.2011 wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 31.03.2011, Zl. S2 418.463-1/2011/2E gemäß § 5 Abs. 1 iVm § 10 Abs. 1 Z 1 und Abs. 4 AsylG als unbegründet abgewiesen.

In der Folge stellte der Beschwerdeführer am 10.11.2012 einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz, dem mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 09.12.2013, Zl. 12 16.422-BAS, stattgegeben und dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15 Abs. 1, 269 Abs. 1 StGB rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, wobei die verhängte Strafe gemäß § 43 Abs. 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Mit Aktenvermerk vom 23.08.2018 wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten des Beschwerdeführers eingeleitet. Begründet wurde dies damit, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung infolge Wegfalls der Umstände, die zur Zuerkennung geführt haben, nicht mehr vorliegen würden.

Am 17.09.2018 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zum eingeleiteten Aberkennungsverfahren einvernommen. Dabei gab er an, dass er aufgrund eines Leistenbruches operiert worden sei und nochmal operiert werden müsse.

Zu seiner Verurteilung befragt führte er aus, er habe einen Asthmaanfall erlitten und ihm sei dunkel vor den Augen geworden, weshalb er auf die Knie gefallen sei. Mit einer Hand habe er sich am Boden aufgestützt. Um nicht mit dem Gesicht auf dem Boden aufzuschlagen, habe er automatisch nach irgendetwas gegriffen, wobei es sich um die Pistole des Polizisten gehandelt habe. Er sei fast bewusstlos gewesen und wisse nicht mehr, was anschließend passiert sei. Er habe an dem Tag schlimme Schmerzen gehabt und in der Hoffnung, dass diese nachlassen würden, eine halbe Flasche Vodka getrunken. Erst später habe er von seinem Leistenbruch erfahren. Er sei Rechtshänder, könne sich aber noch daran erinnern, dass er mit der linken Hand nach der Waffe gegriffen habe. Er habe gedacht, er sei vom Gericht geladen worden, weil er damals betrunken gewesen sei. Er habe sich nur bis zu jener Stelle erinnern können, an der er das Bewusstsein verloren habe. Erst im Krankenhaus sei er wieder aufgewacht.

Zu seinen persönlichen Verhältnissen gab der Beschwerdeführer an, dass er geschieden sei und drei Töchter habe, wobei zwei in Frankreich leben würden. Die dritte lebe gemeinsam mit seiner Frau, von der er geschieden sei, in Österreich und habe er zu ihnen wöchentlich Kontakt. Er erhalte EUR 600,00 Sozialhilfe, habe Deutschkurse besucht und den Beruf des Schweißers erlernt. Freunde habe er nicht, doch würden eine Schwester und zwei Brüder in Österreich leben. In Russland habe er einen älteren Bruder und viele entferntere Verwandte, zu denen er keinen Kontakt habe. In seinem Herkunftsstaat könne er nicht mehr leben. Er sei Offizier im Generalstab von " XXXX " gewesen. Im Falle der Rückkehr werde er in XXXX verhaftet und ins Gefängnis von XXXX gebracht. Gemeinsam mit seinem Bruder sei er schon dort gewesen und im Zuge eines Gefangenenaustausches gegen FSB-Beamte ausgetauscht worden.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 22.10.2018, Zl. 821642209-180799674/BMI-BFA_SZB_RD erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den mit Bescheid vom 12.01.2005, Zl. 04 09.138-BAS, zuerkannten Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 ab. Gemäß § 7 Abs. 4 AsylG wurde festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.). Schließlich wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von vier Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt V.).

Die belangte Behörde stellte im angefochtenen Bescheid die Identität des Beschwerdeführers fest, wobei sich im Verwaltungsakt auch die Kopie seines russischen Personalausweises befindet und das Original von speziell geschulten Sicherheitsorganen auf Echtheit überprüft wurde. Dabei konnten keine Anhaltspunkte für Verfälschungen oder missbräuchliche Verwendung festgestellt werden.

Hinsichtlich der Beweismittel verwies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl auf die vom Beschwerdeführer vorgelegten medizinischen Unterlagen, die schriftliche Urteilsausfertigung des LG XXXX vom XXXX , den Abschlussbericht des Stadtpolizeikommandos XXXX vom 05.02.2018, die Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 17.09.2018, den gesamten Inhalt des Asylaktes, die Priorierung in EKIS, IFA, SA, KPA und AJWEB sowie die landeskundlichen Feststellungen zur Russischen Föderation, zuletzt aktualisiert am 31.08.2018.

Weiters wurde festgestellt, dass sich die Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers seit der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten maßgeblich und nachhaltig geändert habe, sodass er nicht befürchten müsse, Opfer etwaiger gegen ihn persönlich gerichteter Verfolgungshandlungen zu werden. Außerdem sei er von einem österreichischen Strafgericht verurteilt worden. Er leide an keinen lebensbedrohlichen psychischen oder physischen Erkrankungen und sei in der Lage, selbst für seinen Lebensunterhalt zu sorgen. In Österreich würden die Tochter und Ehefrau des Beschwerdeführers, von der er getrennt sei, sowie eine Schwester und zwei Brüder leben. Er sei nie einer bezahlten Erwerbstätigkeit nachgegangen und habe keinen maßgeblichen österreichischen Freundeskreis.

Beweiswürdigend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass aufgrund des Länderinformationsblattes davon auszugehen sei, dass sich die russischen bzw. tschetschenischen Behörden nunmehr auf IS-Kämpfer/Unterstützer bzw. auf Personen, welche im Nordkaukasus gegen die Sicherheitskräfte kämpfen würden, konzentriere und Veteranen der Tschetschenienkriege bzw. der Angehörigen keine Verfolgungshandlungen mehr drohen würden. Es sei nicht nachvollziehbar, welches Interesse die tschetschenischen Behörden am Beschwerdeführer haben sollten, zumal er nicht als Person von herausragender Stellung qualifiziert werden könne.

In rechtlicher Hinsicht verwies die Behörde wiederum auf die Länderfeststellungen, woraus zumindest seit 2011 keine Verfolgung von Veteranen der Tschetschenienkriege oder deren Angehörigen durch staatliche Behörden entnommen werden könne, weshalb dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten abzuerkennen sei. Es seien auch keine stichhaltigen Gründe hervorgekommen, wonach der Beschwerdeführer im Falle der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Gefahr laufe, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe ausgesetzt zu sein. Die Rückkehrentscheidung begründete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl damit, dass aufgrund der Gesamtumstände (nämlich Sozialleistungsbezug, Arbeitslosigkeit, geringfügige Deutschkenntnisse, kein österreichischer Freundeskreis, Kriminalität) keine Integration feststellbar sei und insbesondere aufgrund der massiven Straffälligkeit des Beschwerdeführers das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung des geordneten Fremdenwesens das Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich überwiege. Das Einreiseverbot wurde von der belangten Behörde mit § 53 Abs. 3 Z 1 begründet, der Beschwerdeführer weise vier Verurteilungen österreichischer Strafgerichte auf und sei aufgrund des Umstandes, dass er über kein geregeltes Einkommen und kein soziales Netz verfüge, eine Rückfälligkeit nicht ausgeschlossen. Zudem sei der Beschwerdeführer mangels geregelten Einkommens nicht im Stande, die notwendigen Mittel für seinen Unterhalt nachzuweisen und sei daher auch die Voraussetzung des § 53 Abs. 2 Z 6 FPG erfüllt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde in vollem Umfang und brachte dazu vor, die Würdigung der Behörde hinsichtlich der Länderfeststellungen sei nicht nachvollziehbar. Der Beschwerdeführer sei Offizier beim Generalstab von " XXXX " gewesen und sei auch im Bescheid zu lesen, dass politische Gegner eingeschüchtert, unterdrückt und verfolgt würden. An den Gründen, die zur Zuerkennung des Asylstatus geführt hätten, habe sich sohin nichts geändert. Aufgrund seiner Gesundheitsprobleme und seines Alters sei es dem Beschwerdeführer auch nicht möglich, eine Arbeit zu finden, zumal er aufgrund seines Asthmas auch nicht in der Lage sei, einer Beschäftigung nachzugehen. Neben der Exfrau und seiner Tochter würden eine Schwester und zwei Brüder des Beschwerdeführers in Österreich leben, zu denen der Beschwerdeführer eine sehr innige Bindung habe und zu welchen er in ständigem Kontakt stehe. Die Behörde verkenne daher, dass ein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK vorliege.

Am 21.12.2018 übermittelte der Beschwerdeführer dem Bundesverwaltungsgericht eine Beschwerdeergänzung und führte im Wesentlichen aus, dass der im Spruch angeführte Bescheid vom 12.01.2005, Zl. 04 09.138-BAS eine andere Person betreffe. Der Beschwerdeführer werde aufgrund seiner Tätigkeit für den tschetschenischen Widerstand in der Russischen Föderation politisch verfolgt. Aus dem angefochtenen Bescheid gehe aber nicht hervor, dass sich das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit der Situation von Offizieren des Generalstabs von XXXX auseinandergesetzt habe. Da die Familienangehörigen des Beschwerdeführers in Österreich asylberechtigt seien bzw. in der EU leben würden, bestehe auch keine Möglichkeit, sie in der Russischen Föderation zu treffen. Zu seiner in Österreich lebenden Tochter habe der Beschwerdeführer ein enges Verhältnis. Sie kümmere sich um ihn, koche und helfe im Haushalt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts und anzuwendendes Recht:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da im vorliegenden Verfahren keine Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 59 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG, BGBl. I 2012/87 idgF bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und im FPG bleiben unberührt.

Gemäß §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

Zu A) Zurückverweisung der Beschwerde:

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Nach § 28 Abs. 2 leg.cit. hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen und die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG (Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, 2013, § 28 VwGVG, Anm. 11 mwN).

§ 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat.

Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu der vergleichbaren Bestimmung des § 66 Abs. 2 AVG ergibt sich, dass nur Mängel der Sachverhaltsfeststellung d.h. im Tatsachenbereich zur Behebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit berechtigen (vgl. VwGH 19.11.2009, 2008/07/0168).

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit den Erkenntnissen vom 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315 und Zl. 2000/20/0084, grundsätzliche Ausführungen zur Anwendbarkeit des § 66 Abs. 2 AVG im Asylverfahren im Allgemeinen und durch den Unabhängigen Bundesasylsenat im Besonderen getätigt. Dabei hat er im letztgenannten ausgeführt: "Bei der Abwägung der für und gegen eine Entscheidung gemäß § 66 Abs. 2 AVG sprechenden Gesichtspunkte muss auch berücksichtigt werden, dass das Asylverfahren nicht nur möglichst kurz sein soll. Zur Sicherung seiner Qualität hat der Gesetzgeber einen Instanzenzug vorgesehen, der zum unabhängigen Bundesasylsenat und somit zu einer gerichtsähnlichen, unparteilichen und unabhängigen Instanz als besonderem Garanten eines fairen Asylverfahrens führt (vgl. das E 16.4.2002, Zl. 99/20/0430). Die dem unabhängigen Bundesasylsenat in dieser Funktion schon nach der Verfassung zukommende Rolle einer "obersten Berufungsbehörde" (Art. 129c Abs. 1 B-VG) wird aber ausgehöhlt und die Einräumung eines Instanzenzuges zur bloßen Formsache degradiert, wenn sich das Asylverfahren einem eininstanzlichen Verfahren vor der Berufungsbehörde nähert, weil es das Bundesasylamt ablehnt, auf das Vorbringen sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse in Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsstaat in das Verfahren einzuführen (vgl. in einem etwas anderen Zusammenhang schon das E 21.11.2002, Zl. 2000/20/0020). Diese über die Unvollständigkeit der Einvernahme hinaus gehenden Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens sprechen auch bei Bedachtnahme auf die mögliche Verlängerung des Gesamtverfahrens unter dem Gesichtspunkt, dass eine ernsthafte Prüfung des Antrages nicht erst bei der "obersten Berufungsbehörde" beginnen und zugleich - abgesehen von der im Sachverhalt beschränkten Kontrolle der letztinstanzlichen Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof - bei derselben Behörde enden soll, für die mit der Amtsbeschwerde bekämpfte Entscheidung."

Nach der aktuellen - restriktiven - Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu § 28 Abs. 3 VwGVG ist die Zurückverweisung dann gerechtfertigt, wenn sich die Behörde offenkundig notwendiger Erhebungen entledigen und auf das BVwG übertragen wollte (VwGH vom 06.11.2018 Ra 2017/01/0292) bzw. seitens des BVwG in Relation zu den Ermittlungsanstrengungen des Bundesamtes nicht "lediglich ergänzende Ermittlungen" vorzunehmen wären (VwGH vom 10.09.2018, Ra 2018/19/0172).)

Außerdem muss nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs die Begründung eines Bescheids erkennen lassen, welchen Sachverhalt die Behörde ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat, aus welchen Erwägungen sie zur Ansicht gelangt ist, dass gerade dieser Sachverhalt vorliegt und aus welchen Gründen die Behörde die Subsumtion des Sachverhalts unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet (vgl. dazu etwa die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I, 2. Auflage, zu § 60 AVG unter E 19 angeführten Erkenntnisse). Zu einer lückenlosen Begründung gehört nicht nur die Feststellung des Sachverhalts, sondern auch die Anführung der Beweismittel (im Einzelnen), auf die die Feststellungen gegründet werden (vgl. VwGH vom 28. März 2007, Zl. 2006/12/0115). Die Begründung eines Bescheides bedeutet die Bekanntgabe der Erwägungen, aus denen die Behörde zur Überzeugung gelangt ist, dass ein bestimmter Sachverhalt vorliegt und dass damit der Tatbestand einer bestimmten Rechtsnorm verwirklicht ist. Die Begründung eines Bescheides hat Klarheit über die tatsächlichen Annahmen der Behörde und ihre rechtlichen Erwägungen zu schaffen. In sachverhaltsmäßiger Hinsicht hat sie daher alle jene Feststellungen in konkretisierter Form zu enthalten, die zur Subsumierung dieses Sachverhaltes unter die von der Behörde herangezogene Norm erforderlich sind. Denn nur so ist es möglich, den Bescheid auf seine Rechtsrichtigkeit zu überprüfen (vgl. VwGH vom 23.11.1993, Zl. 93/04/0156, vom 13.10.1991, Zl. 90/09/0186, Slg. Nr. 13.520/A, und vom 28.7.1994, Zl. 90/07/0029).

Im Fall des Beschwerdeführers erweist sich der Bescheid in Bezug auf den ermittelten Sachverhalt aus den folgenden Gründen als mangelhaft:

Im angefochtenen Bescheid wurde zunächst hinsichtlich der ursprünglich erfolgten Zuerkennung des Status des Asylberechtigten auf einen Bescheid vom 12.01.2005, Zl. 04 09.138-BAS, Bezug genommen. Einerseits ergibt sich allerdings aus der im Verwaltungsakt enthaltenen Erstbefragung des Beschwerdeführers vom 05.01.2011, dass er erstmals am 04.01.2011 nach Österreich eingereist ist, andererseits legte der Beschwerdeführer in der Einvernahme vom 17.09.2018 einen Bescheid vom 09.12.2013, Zl. 12 16.422-BAS, vor. Den Ausführungen des Beschwerdeführers in seiner Beschwerdeergänzung, wonach der im Spruch genannte Bescheid eine andere Person betreffe, ist daher zuzustimmen, sodass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bereits im Spruch einen falschen Zuerkennungsbescheid zugrunde gelegt und damit auf einen den Beschwerdeführer nicht zutreffenden Sachverhalt verwiesen hat.

Zudem stützte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Aberkennung des Status des Asylberechtigten auf § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG und führte begründend aus, dass sich die Lage in der Russischen Föderation im Sinne des Art. 1 Abschnitt C Z 5 Genfer Flüchtlingskonvention seit Ausreise des Beschwerdeführers erheblich geändert habe.

Dazu ist zunächst auszuführen, dass die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht von Amts wegen zu ermitteln hat, ob eine die Anwendung des Endigungsgrundes des Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK rechtfertigende relevante Änderung der Verhältnisse im Herkunftsstaat eingetreten ist und unter Berücksichtigung der Fluchtgeschichte bzw. der Fluchtgründe eines Asylwerbers zu prüfen hat, ob diese noch immer einen asylrechtlich relevanten Aspekt haben könnten (vgl. VwGH 31.01.2019, Ra 2018/14/0121).

Der verfahrensgegenständliche Verwaltungsakt enthält allerdings weder den Bescheid, mit welchem über die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgesprochen wurde, noch finden sich darin sonstige Unterlagen, wie etwa Einvernahmeprotokolle des Beschwerdeführers oder zur Untermauerung des Asylbegehrens vorgelegte Urkunden, aus welchen die Fluchtgeschichte bzw. die Fluchtgründe des Beschwerdeführers eindeutig hervorgingen. Vielmehr beschränkt sich der Verwaltungsakt auf das dem Asylverfahren vorangegangene Dublin-Verfahren, das mit dem Erkenntnis des Asylgerichtshof vom 31.03.2011 endete. Dem ist lediglich zu entnehmen, dass der unmittelbar nach seiner Einreise in Österreich am 05.01.2011 gestellte Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz infolge Zuständigkeit von Polen zurückgewiesen und der Beschwerdeführer nach Polen ausgewiesen wurde. Auch aus den in diesem Zusammenhang durchgeführten Einvernahmen des Beschwerdeführers lassen sich seine Fluchtgründe nicht erkennen, da sich die dabei gestellten Fragen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl überwiegend auf den vorübergehenden Aufenthalt des Beschwerdeführers in Polen vor seiner Einreise nach Österreich bezogen und sich maßgeblich mit einer möglichen Rückkehr dorthin befassten. Daraus können aber keine konkreten Rückschlüsse auf die Gründe für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gezogen werden, die aber für die Beurteilung, ob tatsächlich eine erhebliche Änderung der Verhältnisse im Herkunftsstaat eingetreten ist, unabdingbar sind.

In der Erstbefragung vom 05.01.2011 gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt zwar an, dass er wegen seinem Bruder XXXX geflüchtet sei, weil er mehrmals in einen Keller mitgenommen und gefoltert worden sei, damit er diesen wieder nach Tschetschenien zurückbringe und ergibt sich auch aus den im Dublin-Verfahren vorgelegten Unterlagen des Beschwerdeführers, dass sein Bruder eine der führenden Personen unter dem Tschetschenienführer " XXXX " gewesen ist, doch lassen sich die Fluchtgründe des Beschwerdeführers, welche zur Zuerkennung des Status des Asylberechtigten geführt haben, daraus nicht ableiten, zumal der Beschwerdeführer in der Beschwerde bzw. seiner Beschwerdeergänzung ausführte, er sei selbst Teil des Generalstabs von " XXXX " gewesen. Auch hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sämtliche Ermittlungen dahingehend unterlassen, ob und welche Auswirkungen die Stellung des Bruders des Beschwerdeführers, der entsprechend den im Verwaltungsakt befindlichen Unterlagen eine der führenden Persönlichkeiten an der Seite von " XXXX " war, im Falle der Rückkehr des Beschwerdeführers auf ihn haben könnte.

In der Einvernahme vom 17.09.2018 war somit der konkrete Grund für die Asylgewährung gar nicht bekannt ("Wurde Ihnen der Asylstatus in Zusammenhang mit den Tschetschenien- kriegen zuerkannt?" "Ja, aber Genaueres kann ich nicht sagen, ich war sehr krank, als ich nach

Österreich kam.......")

Weiters begründete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Aberkennung des Status des Asylberechtigten damit, dass insbesondere den Länderfeststellungen entnommen werden könne, dass seit zumindest 2011 keine Verfolgung von Veteranen der Tschetschenienkriege oder deren Angehörige durch staatliche Behörden stattfinden würden. Diese Ausführungen erweisen sich jedoch bezogen auf den zu beurteilenden Einzelfall bei weitem als zu unkonkret, um auf deren Basis objektiv beurteilen zu können, ob die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten tatsächlich weggefallen sind. In Verletzung der dargestellten Grundsätze verabsäumt es das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl insbesondere gänzlich, darzulegen, inwiefern sich die persönliche Situation des Beschwerdeführers seit der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten verändert hat. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang insbesondere auch darauf, dass sich die vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Bescheid zugrunde gelegten Beweismittel ausschließlich auf den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers, seine Verurteilung und die aktuelle allgemeine Situation in der Russischen Föderation beziehen, aber keinerlei Beweismittel zur Situation des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Asylzuerkennung berücksichtigt und auch nicht ermittelt wurden.

Schließlich ist anzumerken, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Beschwerdeführer bei seiner Einvernahme zur Aberkennung vom 17.09.2018 darüber belehrt hat, dass Grund dafür seine Straffälligkeit sei und wurde lediglich ergänzend auf eine Lageänderung im Herkunftsstaat verwiesen. Zudem beschränkte sich die Einvernahme hauptsächlich auf seine Verurteilung wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt sowie seine Integration in Österreich, hingegen wurde ihm zur ursprünglichen Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie einer möglichen Rückkehr in die Russische Föderation jeweils nur eine Frage gestellt.

Bei Gesamtbetrachtung aller dargelegten Umstände hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl daher in Bezug auf den Aberkennungsgrund kaum Ermittlungsschritte gesetzt, sodass das Bundesverwaltungsgericht beinahe sämtliche Ermittlungen selbst nachholen müsste.

Die Beschwerde richtet sich zudem auch gegen die vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erlassene Rückkehrentscheidung und moniert insbesondere, dass diese massiv und unverhältnismäßig in das nach Art. 8 EMRK geschützte Familien- und Privatleben des Beschwerdeführers eingreife.

Dazu ist auszuführen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aktenwidrig davon ausging, dass ein Familien- und Privatleben des Beschwerdeführers in Österreich überhaupt nicht bestehe. In seiner Einvernahme am 17.09.2018 gab der Beschwerdeführer nämlich an, dass er zu seiner Exfrau und der gemeinsamen Tochter, die ebenfalls in Österreich leben würden, nach wie vor wöchentlich Kontakt habe, was im Rahmen der Interessenabwägung keineswegs berücksichtigt wurde. Zudem führte der Beschwerdeführer aus, dass er in Österreich eine Schwester und zwei Brüder habe. Diesbezüglich unterließ es die Behörde gänzlich, Ermittlungen zu einem allenfalls bestehenden Kontakt vorzunehmen und wurden diese im Rahmen des Privatlebens überhaupt nicht berücksichtigt.

Auch soweit das Bundesamt die Verhängung eines Einreiseverbots für geboten erachtete, hätte es (zumindest) für die Bemessung der Höhe auf die privaten und familiären Interessen des Fremden Bedacht nehmen müssen (VwGH 30.06.2015, Ra 2015/21/0002; vgl. auch Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, 2016, § 53 FPG, K12). Außerdem ist in Bezug auf die für ein Einreiseverbot zu treffende Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme (hier: "schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit") gerechtfertigt ist (vgl. VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0289, mwN). Dabei ist - abgesehen von der Bewertung des bisherigen Verhaltens des Revisionswerbers - darauf abzustellen, wie lange die von ihm ausgehende Gefährdung zu prognostizieren ist. Diese Prognose ist nachvollziehbar zu begründen (vgl. VwGH 06.11.2018, Ra 2018/18/0203; 30.6.2015, Ra 2015/21/0002, mwN).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat es diesbezüglich im angefochtenen Bescheid unterlassen, eine nachvollziehbare Begründung/Gefährdungsprognose hinsichtlich des Einreiseverbots vorzunehmen. Zum einen ging es nämlich auch hier - wie in der Beschwerdeergänzung zutreffend ausgeführt - aktenwidrig von vier Verurteilungen des Beschwerdeführers aus, obwohl im Strafregister lediglich eine Verurteilung aufscheint. Zum anderen unterließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ebenso wie bei der Interessenabwägung im Rahmen der Rückkehrentscheidung die Berücksichtigung der familiären bzw. privaten Anknüpfungspunkte des Beschwerdeführers. Darüber hinaus hätte es allenfalls bestehende private Kontakte zu seinen Töchtern in Frankreich berücksichtigen müssen (vgl. VwGH 15.03.2018, Ra 2018/21/0023).

Im vorliegenden Fall wäre zudem selbst bei bloßer Berücksichtigung der einmaligen Verurteilung des Beschwerdeführers nicht ohne Weiteres von einem Einreiseverbot in der Dauer von 4 Jahren auszugehen gewesen, zumal bei der Gefährdungsprognose nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen ist (vgl. VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0289; 24.03.2015, Ra 2014/21/0049). Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat aber weder darauf abgestellt, dass der Beschwerdeführer während seiner Aufenthaltsdauer lediglich einmal verurteilt wurde, noch, dass die Freiheitsstrafe bedingt nachgesehen wurde. Zudem ließ die belangte Behörde den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers völlig außer Acht, sodass auch die vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl getroffene Gefährdungsprognose sowie die festgesetzte Höhe des Einreiseverbots nicht nachvollziehbar sind.

Aus den dargelegten Gründen hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts nur völlig ungeeignete Ermittlungen gesetzt bzw. teilweise überhaupt keine Ermittlungsschritte vorgenommen, der rechtlichen Beurteilung aktenwidrige Inhalte zugrunde gelegt und dadurch letztendlich versucht, Ermittlungsschritte an das Bundesverwaltungsgericht zu delegieren.

Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Ermittlung und Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann nicht im Sinne des Gesetzes liegen, vor allem unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als Spezialbehörde im Rahmen der Staatendokumentation gemäß § 5 BFA-Einrichtungsgesetz für die Sammlung relevanter Tatsachen zur Situation in den betreffenden Staaten samt den Quellen zuständig ist und weil eine ernsthafte Prüfung des Antrages nicht erst beim Bundesverwaltungsgericht beginnen und zugleich enden soll. Die belangte Behörde würde durch ihre Verfahrensführung die wesentliche Ermittlungs- und Begründungstätigkeit quasi an die Rechtsmittelinstanz delegieren (vgl. VwGH 26.06.2014, Zl. 2014/03/0063). Würde in diesem konkreten Fall das Bundesverwaltungsgericht - jene Instanz die zur eigentlichen Rechtskontrolle eingerichtet wurde - die Instanz sein, die im Verfahren erstmals einen begründeten Bescheid mit den Feststellungen des maßgeblichen Sachverhaltes erlässt, so wäre damit der Rechtsschutz des Beschwerdeführers de facto eingeschränkt. Es ist in erster Linie die Aufgabe der belangten Behörde als Tatsacheninstanz zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung sich sachgerecht mit dem Antrag auseinanderzusetzen, den maßgeblichen Sachverhalt vollständig festzustellen und ihre Begründung im Bescheid nachvollziehbar darzustellen.

Im fortgesetzten Verfahren wird sich das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, nach entsprechender Durchführung der gebotenen Ermittlungsschritte, insbesondere der Beischaffung des Verwaltungsaktes über die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie Heranziehung von einzelfallspezifischen Länderberichten, mit der Frage auseinanderzusetzen haben, welche Fluchtgeschichte bzw. welche Fluchtgründe zur Zuerkennung des Status des Asylberechtigten geführt haben und ob sich bei Würdigung dieser ursprünglichen Zuerkennungsgründe und einem Abgleich der Situation im Herkunftsstaat zum Zeitpunkt der Zuerkennung mit der Situation im Entscheidungszeitpunkt eine tatsächliche und nachhaltige Veränderung der Verhältnisse im Herkunftsstaat ergeben hat, sodass nicht mehr von einer asylrechtlich relevanten Gefährdung des Beschwerdeführers ausgegangen werden kann. Dabei wird das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl insbesondere zu berücksichtigen haben, ob Kämpfer der Tschetschenienkriege im Allgemeinen und der Beschwerdeführer im Besonderen eine Position einnehmen, die für die Behörden im Herkunftsstaat von Interesse ist, welcher Einfluss der Stellung des Bruders des Beschwerdeführers in diesem Zusammenhang zukommt, welche Unterlagen im Zuerkennungsverfahren gewürdigt wurden und aufgrund welcher Dokumente konkret allenfalls davon auszugehen ist, dass eine aktuelle Gefährdung des Beschwerdeführers nicht mehr besteht. Nach Durchführung entsprechender Abklärungen wird das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erneut eine Interessenabwägung vorzunehmen und dabei zu berücksichtigen haben, ob und welche privaten Kontakte der Beschwerdeführer in Österreich hat. In Bezug auf die für ein Einreiseverbot zu treffende Gefährdungsprognose wird das Gesamtverhalten des Beschwerdeführers in Betracht zu ziehen sein und aufgrund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen sein, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist - abgesehen von der Bewertung des bisherigen Verhaltens des Beschwerdeführers - darauf abzustellen, wie lange die von ihm ausgehende Gefährdung zu prognostizieren ist. Diese Prognose ist nachvollziehbar zu begründen.

Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - auch angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes - nicht ersichtlich.

Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben. Da der maßgebliche Sachverhalt noch nicht feststeht, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid des Bundesamtes gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen.

Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG unterbleiben, da bereits aus der Aktenlage ersichtlich war, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl unzureichende Ermittlungsschritte gesetzt hat und der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu

A) wiedergegeben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelle
Verhältnisse, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W226.2209976.1.00

Zuletzt aktualisiert am

04.12.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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