TE Bvwg Beschluss 2019/10/10 W185 2160891-1

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Veröffentlicht am 10.10.2019
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Entscheidungsdatum

10.10.2019

Norm

AsylG 2005 §35
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs3

Spruch

W185 2160891-1/5E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard PRÜNSTER nach Beschwerdevorentscheidung der Österreichischen Botschaft Addis Abeba vom 17.05.2017, Addis-Abeba-ÖB/RECHT/0009/2017, aufgrund des Vorlageantrages der XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, vertreten durch das Österreichische Rote Kreuz, über die Beschwerde gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Addis Abeba vom 20.02.2017, beschlossen:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG stattgegeben, der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung einer neuen Entscheidung an die Behörde zurückverwiesen.

B)

Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige aus Somalia, stellte am 04.02.2016 bei der Österreichischen Botschaft Addis Abeba (im Folgenden: ÖB Addis Abeba) einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG. Begründend führte die Beschwerdeführerin aus, ihr Ehemann, XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, habe mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) vom 14.08.2014 den Status des Asylberechtigten erhalten.

Dem Antrag wurden folgende Unterlagen beigelegt:

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Kopien der Reisepässe der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson

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Geburtsurkunde der Beschwerdeführerin in englischer Übersetzung ausgestellt am 29.01.2016 in Addis Abeba

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Kopie der Heiratsurkunde ausgestellt am 25.06.2013 in Somalia mit englischer Übersetzung

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Kopie des Asylbescheids des Bundesamtes vom 14.08.2014 die Bezugsperson betreffend

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Kopie einer Meldebestätigung die Bezugsperson betreffend

Nachdem die Antragsunterlagen mit dem Zusatz, dass eine Paralleleinvernahme der Bezugsperson angeregt werde, dem Bundesamt übermittelt wurden, teilte dieses in seiner Mitteilung nach § 35 Abs. 4 AsylG, datiert mit 02.01.2017, mit, dass die Gewährung des Status eines Asylberechtigten oder eines subsidiär Schutzberechtigten aus folgenden Gründen nicht wahrscheinlich sei:

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Die von den Antragstellern vorgelegten Urkunden genügen nicht, um die Angehörigeneigenschaft nachzuweisen.

Näheres ergibt sich aus der beiliegenden Stellungnahme des Bundesamtes.

In der angesprochenen Stellungnahme des Bundesamtes, datiert mit 02.01.2017, wurde ausgeführt, dass als Bezugsperson XXXX , geb. XXXX , welcher seit 14.08.2014 asylberechtigt sei, angeführt werde.

Wahrscheinlichkeitsprognose: Im vorliegenden Fall ergaben sich derart gravierende Zweifel am tatsächlichen Bestehen des behaupteten und relevanten (im Sinne von § 35 Abs. 5 AsylG) Familienverhältnisses, weil aufgrund der ha. aufliegenden Erkenntnisse über bedenkliche Urkunden aus dem Herkunftsstaat der Verfahrenspartei, wonach es möglich ist, jegliches Dokument mit jedem nur erdenklichen Inhalt, auch entgegen der wahren Tatsachen auch widerrechtlich zu erlangen, aus Sicht der Behörde keineswegs davon ausgegangen werden kann, dass das behauptete Familienverhältnis als erwiesen (im Sinn eines vollen Beweises) anzunehmen ist, und ergaben sich zudem massive Zweifel an der Echtheit der vorgelegten Urkunden (dem Akteninhalt, bzw. der Äußerungen der ÖB, als auch den Informationen der Staatendokumentation), sodass eine Statusgewährung nicht wahrscheinlich ist. [...] Es ist daher schon aufgrund der Länderinformationen nicht möglich, die Dokumente als echt zu qualifizieren. Auffällig ist zunächst, dass der Reisepass in XXXX ausgestellt wurde, zumal die Antragstellerin laut Angaben der Bezugsperson in XXXX lebte. Es besteht keine Möglichkeit, über amtliche Register verlässliche Auskünfte über somalische Staatsangehörige in Süd- und Zentralsomalia sowie in XXXX zu erhalten. Die Feststellungen von Identitäten erfolgt oft nur durch den Ältestenrat eines Dorfes oder durch Verwandte bzw. Bekannte. Weiters ist auffällig, dass auf der Vorderseite der Heiratsurkunde die Antragstellerin mit dem Namen XXXX angeführt wird, während sie auf der Rückseite mit XXXX geschrieben wird. Bemerkenswert ist weiters, dass die Bezugsperson in der Erstbefragung zwar ausführte, traditionell verheiratet zu sein, jedoch nach den Familienangehörigen befragt, die Antragstellerin lediglich als Lebensgefährtin und nicht als Gattin anführte. Weiters bleibt festzuhalten, dass Antragstellerin und Bezugsperson nie gemeinsam lebten. Sohin kann aufgrund der vorgelegten Dokumente und Aussagen der Bezugsperson nicht von einem vollen Beweis der Familienangehörigkeit ausgegangen werden. Nochmals sei darauf verwiesen, dass die Glaubwürdigkeit nicht ausreicht. Aus den oben dargelegten Gründen ist um derzeitigen Zeitpunkt die Zuerkennung des Status iSd § 35 Abs 4 AsylG 2005 nicht wahrscheinlich

Aus den Länderinformationen zu Somalia ergebe sich zusammengefasst, dass die Authentizität von Heiratsurkunden in manchen Fällen überprüft werde. Es gebe jedoch keine Originale, mit denen eine Kopie verglichen werden könne. Laut Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 29.07.2010 erfolge die Ausstellung von Dokumenten in Somalia allein aufgrund der Angaben der antragstellenden Person. Für Somalier sei es einfach, echte Dokumente unwahren Inhalts zu besorgen. Nach 1991 habe es in Somalia keine Ausstellung von Ausweisen und keine Registrierungen mehr gegeben. Die Echtheit von Dokumenten bzw. Urkundenüberprüfungen hinsichtlich der inhaltlichen Richtigkeit bzw. dem Wahrheitsgehalt von Dokumenten könne von österreichischen Vertretungsbehörden keinesfalls überprüft werden.

Mit Schreiben vom 02.01.2017, zugestellt am 05.01.2017, wurde der Beschwerdeführerin seitens der ÖB Addis Abeba eine Aufforderung zur Stellungnahme (Parteiengehör) übermittelt. Es wurde mitgeteilt, dass das Bundesamt nach Prüfung des Antrags mitgeteilt habe, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei; hingewiesen wurde hiebei auf die beiliegende Mitteilung und Stellungnahme des Bundesamtes vom 02.01.2017. Die von den Antragstellern vorgelegten Dokumente würden nicht genügen, um die Angehörigeneigenschaft nachzuweisen. Daraus ergebe sich, dass Ihr Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 26 FPG in Verbindung mit § 35 Abs. 4 AsylG abzulehnen wäre. Es werde Gelegenheit gegeben, innerhalb der Frist von einer Woche ab Zustellung die angeführten Ablehnungsgründe durch unter Beweis zu stellendes Vorbringen zu zerstreuen.

Das Österreichische Rote Kreuz (im Folgenden: ÖRK) ersuchte mit Schreiben vom 11.01.2017 um Fristverlängerung für die Einbringung einer Stellungnahme. Die ÖB Addis Abeba gewährte eine Fristverlängerung bis zum 19.01.2017.

Mit Schreiben vom 19.01.2017 erstattete die Beschwerdeführerin, unterstützt vom ÖRK, eine Stellungnahme und brachte im Wesentlichen vor, dass sie die Ehegattin der Bezugsperson XXXX sei, welcher mit Bescheid des Bundesamtes vom 14.08.2014 der Flüchtlingsstatus zuerkannt worden sei. Wie aus der vorgelegten Heiratsurkunde ersichtlich, habe die Eheschließung am 25.06.2013 nach islamischen Recht vor einem Sheik in XXXX stattgefunden. Vom Zeitpunkt der Eheschließung an bis zur Flucht der Bezugsperson am 21.10.2013 hätten die Ehegatten in einer gemeinsamen Wohnung in XXXX gelebt und habe ein gemeinsames Familienleben schon vor der Flucht der Bezugsperson bestanden. Nach der Flucht der Bezugsperson sei die Beschwerdeführerin weder zu ihren Eltern gezogen, wo sie bis Anfang 2016 gelebt habe; danach sei sie nach Addis Abeba geflohen. Betreffend den Ablehnungsgrund aufgrund des Ausstellungsortes des Reisepasses der Beschwerdeführerin sowie der Glaubwürdigkeit somalischer Dokumente wurde ausgeführt, dass der Behörde zugestimmt werde, dass somalische Dokumente nicht als unbedenklich erachtet werden könnten. Dies allein könne jedoch nicht der Grund für eine Ablehnung des Antrages sein; die Behörde müsse vielmehr andere Nachweise für das Bestehen der Familienangehörigeneigenschaft prüfen. Eine zeugenschaftliche Einvernahme der Bezugsperson, um etwaige Zweifel zu klären, habe bisher nicht stattgefunden. Der Reisepass der Beschwerdeführerin sei in XXXX beantragt worden, da dort die Nachfrage viel geringer als in Mogadischu und das Dokument sohin schneller zu erlangen sei. Betreffend die unterschiedlichen Schreibweisen des Namens der Beschwerdeführerin auf der Heiratsurkunde bzw deren Übersetzung sei darauf hinzuweisen, dass sich in der somalischen Sprache die Aussprache von gleich geschriebenen Buchstaben im Deutschen unterscheide. Ein somalisches " XXXX " werde gleich ausgesprochen wie ein deutsches " XXXX ", daher handle es sich um denselben Namen. Eine Recherche des Bundesamtes hätte hier Aufklärung gebracht. Hinsichtlich der Angaben der Bezugsperson zu ihrem Familienstand in der Erstbefragung handle es sich eindeutig um einen Fehler im Protokoll. Diese habe angegeben traditionell verheiratet zu sein; die Bezugsperson habe dabei auch den Namen der Ehefrau angegeben. Weshalb dann die Beschwerdeführerin als Lebensgefährtin und nicht als Gattin angeführt worden sei, sei nicht mehr nachvollziehbar. Darüber hinaus sei nicht nachvollziehbar, weshalb das Bundesamt davon ausgehe, dass die Beschwerdeführerin und die Bezugsperson nie gemeinsam gelebt hätten. Die Bezugsperson sei hiezu nie befragt worden. Das Paar habe sich am 15.06.2012 kennen gelernt. Nach der Hochzeit am 25.06.2013 hätten sie in einem gemeinsamen Haushalt gelebt und ein gemeinsames Familienleben geführt. Das Familienleben sei durch die Flucht der Bezugsperson unfreiwillig unterbrochen worden. Die Fortsetzung des gemeinsamen Familienlebens sei der Wunsch der Genannten. Es werde die Einvernahme der Bezugsperson beantragt.

Nach Übermittlung der von der Beschwerdeführerin abgegebenen Stellungnahme erging seitens des Bundesamtes am 17.02.2017 eine E-Mail folgenden Inhaltes an die ÖB Addis Abeba:

"Sehr geehrte Damen und Herren,

sehr geehrter Herr XXXX !

Bezüglich der im Betreff genannten Angelegenheit wird nach Rücksprache mit meiner Teamleiterin bezüglich der übermittelten Stellungnahme mitgeteilt, dass die Entscheidung aufrecht bleibt und auf die Möglichkeit einer legalen Einreise nach dem FPG/NAG verwiesen.

Mit freundlichen Grüßen"

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 20.02.2017 verweigerte die ÖB Addis Abeba die Erteilung des Einreisetitels gem. § 26 FPG iVm § 35 AsylG. Begründend wurde ausgeführt, dass die von den Antragstellern vorgelegten Dokumente nicht genügen würden, um die Angehörigeneigenschaft nachzuweisen. Die Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 19.01.2017 sei dem Bundesamt übermittelt worden, welches nach deren Prüfung bei der negativen Wahrscheinlichkeitsprognose geblieben sei.

Gegen den Bescheid richtet sich die Beschwerde vom 20.03.2017. Darin wurde im Wesentlichen das Vorbringen der Stellungnahme vom 19.01.2017 wiederholt und ergänzend ausgeführt, dass nicht nachvollziehbar sei, inwieweit die Stellungnahme der Beschwerdeführerin in der neuerlichen Entscheidung des Bundesamtes berücksichtigt worden sei. Im Bescheid werde lediglich darauf hingewiesen, dass die vorgelegten Dokumente nicht ausreichen würden. Die in der Aufforderung zur Stellungnahme angeführten Punkte seien nun weggelassen worden. Der Bescheid erweise sich als inhaltlich rechtswidrig sowie rechtswidrig aufgrund der Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die ÖB Addis Abeba sowie das Bundesamt seien ihrer Verpflichtung zur amtswegigen Ermittlungspflicht nicht nachgekommen. Es habe keine Auseinandersetzung mit den in der Stellungnahme vom 19.01.2017 angeführten Argumenten gegeben. Zweifel hätten durch die zeugenschaftliche Einvernahme der Bezugsperson geklärt werden können. Der Bescheid verletze das Recht auf Parteiengehör.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 17.05.2017 wies die ÖB Addis Abeba die Beschwerde gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG ab.

Auch nach dem Beschwerdevorbringen sei unstrittig, dass die Beschwerdeführerin einen Antrag nach §35 Abs. 1 AsylG 2005 gestellt habe und dass eine negative Wahrscheinlichkeitsprognose des Bundesamtes ergangen sei. Auch sei die Stellungnahme der Beschwerdeführerin ordnungsgemäß dem Bundesamt zur neuerlichen Beurteilung der Prognoseentscheidung vorgelegt und erst in der Folge bescheidmäßig abgesprochen worden. Als allein tragender Grund für die Abweisung des von der Beschwerdeführerin gestellten Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels gem. §35 Abs. 1 AsylG 2005 komme somit (nur) in Betracht, dass nach der Mitteilung des Bundesamtes die Erfolgsaussichten eines Antrags der Beschwerdeführerin auf Gewährung desselben Schutzes (wie der Bezugsperson) als nicht wahrscheinlich einzustufen seien. Darauf sei im angefochtenen Bescheid auch ausschließlich Bezug genommen worden. Unabhängig von der Bindungswirkung schließe sich die belangte Behörde den Ausführungen des Bundesamtes an, dass keine Ehe im Herkunftsstaat bestanden habe. Die Echtheit von Dokumenten bzw. Urkundenüberprüfungen hinsichtlich der inhaltlichen Richtigkeit bzw. dem Wahrheitsgehalt von Dokumenten von österreichischen Vertretungsbehörden könne keinesfalls überprüft werden. Vor diesem Hintergrund falle daher ins Gewicht, dass der Reisepass der Beschwerdeführerin in XXXX ausgestellt worden sei, die Beschwerdeführerin laut Angaben der Bezugsperson jedoch in XXXX gelebt habe. Auch sei auffällig, dass der Name der Beschwerdeführerin in der Heiratsurkunde unterschiedlich geschrieben werde. Die Bezugsperson habe in der Erstbefragung zwar ausgeführt, traditionell verheiratet zu sein, jedoch sei die Beschwerdeführerin als Lebensgefährtin und nicht als Gattin angeführt worden.

Mit Schreiben vom 22.05.2017 wurde bei der ÖB Addis Abeba ein Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG eingebracht. Zur Begründung wurde auf die Stellungnahme vom 19.01.2017 sowie auf die Beschwerde vom 20.03.2017 verwiesen.

Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 07.06.2017 wurde dem Bundesverwaltungsgericht der Vorlageantrag samt Verwaltungsakt übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A) Behebung des Bescheides und Zurückverweisung:

Die maßgeblichen Bestimmungen des AsylG 2005 idgF lauten:

Familienverfahren im Inland

"§ 34. (1) Stellt ein Familienangehöriger von

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

3. einem Asylwerber

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

2. aufgehoben

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist;

2. aufgehoben

3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und

4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:

1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;

2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind;

3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG)."

§ 35 Abs. 1 bis 4 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 68/2013 lautet:

(1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen.

(2) Befindet sich der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, im Ausland, ist diesem über Antrag nach der ersten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung des Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten bereits zuerkannt wurde, die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.

(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 und Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.

(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn

1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9) und

2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht.

Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.

[...]

§ 35 Abs. 5 AsylG 2005 idgF lautet:

(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.

§ 75 Abs. 24 AsylG 2005 idF BGBl I Nr. 24/2016 lautet:

(24) Auf Fremde, denen der Status des Asylberechtigten bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016 zuerkannt wurde und auf Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz vor dem 15. November 2015 gestellt haben, sind die §§ 2 Abs 1 Z 15, 3 Abs 4 bis 4b, 7 Abs 2a und 51a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016 nicht anzuwenden. Für diese Fremden gilt weiter § 2 Abs 1 Z 15 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016. §§ 17 Abs 6 und 35 Abs 1 bis 4 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016 sind auf Verfahren, die bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig waren, nicht anzuwenden. Auf Verfahren gemäß § 35, die bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig waren, ist § 35 Abs 1 bis 4 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016 weiter anzuwenden. Handelt es sich bei einem Antragsteller auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs 1 um den Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016 rechtskräftig zuerkannt wurde, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs 2 Z 1 bis 3 nicht zu erfüllen, wenn der Antrag auf Erteilung des Einreisetitels innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016 gestellt wurde.

§ 22 Abs 1 gilt für Verfahren, die mit Ablauf des 31. Mai 2018 bereits anhängig waren, auch noch nach dem 31. Mai 2018 weiter.

Der gegenständliche Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels wurde am 04.02.2016, und somit vor Inkrafttreten des § 35 AsylG idF BGBl. I Nr. 24/2016 am 01.06.2016, eingebracht. Gemäß der Übergangsbestimmung § 75 Abs. 24 AsylG 2005 war daher § 35 Abs. 1 bis 4 AsylG 2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013 anzuwenden.

Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) idgF lauten:

Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

"§ 11 (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.

(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.

(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.

Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.

(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.

(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.

(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt.

Visa zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG2005

§ 26 Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Fremden ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen."

§ 28 Abs. 1 bis 3 VwGVG lautet wie folgt:

"§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist."

Die Regelung des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes im Falle, dass die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat.

Mit Erkenntnis vom 26.6.2014, Ro 2014/03/0063, hat der VwGH festgestellt, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen werde daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gelte, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden.

Im Erkenntnis vom 01.03.2016, Ro 2015/18/20002 bis 0007, hält der VwGH zunächst fest, dass der in § 35 Abs. 4 AsylG 2005 angeordnete Beweismaßstab, nach dem das Bundesamt zu beurteilen hat, ob es eine positive oder negative Mitteilung abgibt, für sich betrachtet rechtsstaatlich nicht bedenklich erscheint. Da das Gesetz vorsieht, dass eine positive Mitteilung des Bundesamtes schon dann zu ergehen hat, wenn die Gewährung von internationalem Schutz bloß wahrscheinlich ist, bedeutet dies im Umkehrschluss, dass eine negative Prognose nur dann erfolgen darf, wenn die Gewährung dieses Schutzes in einem nach Einreise in Österreich zu führenden Asylverfahren nicht einmal wahrscheinlich ist; Gewissheit darüber, dass dem Antragsteller internationaler Schutz in Österreich gewährt werden wird, erfordert die Erteilung einer Einreiseerlaubnis hingegen nicht.

Um somit die Einreiseerlaubnis nach Österreich zu erhalten, muss der Antragsteller lediglich die niedrigere Beweisschwelle der Wahrscheinlichkeit einer künftigen Gewährung internationalen Schutzes überspringen. Schon dann steht ihm die Möglichkeit offen, in das Bundesgebiet einzureisen und dort ein Familienverfahren nach § 34 AsylG 2005 - mit allen Verfahrensgarantien - zu absolvieren. Dass § 35 Abs. 4 AsylG 2005 die Vergabe eines Visums an die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes im künftigen Asylverfahren bindet, erscheint unter diesem Blickwinkel mit dem rechtsstaatlichen Prinzip somit nicht im Widerspruch zu stehen.

Der Verfassungsgerichtshof hat mehrfach ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, sofern in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere mit einem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes. Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 13.302/1992 mwN sowie VfSlg. 14.421/1996 und 15.743/2000).

Die Behörde hat die Pflicht, für die Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhalts erforderlichen Beweise zu sorgen und auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhaltes von Bedeutung sein kann, einzugehen. Die Behörde darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (vgl. VwGH vom 10.04.2013, Zl. 2011/08/0169 sowie dazu Walter/Thienel:

"Verwaltungsverfahren Band I2", E 84 zu § 39 AVG).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG an die Mitteilung des Bundesasylamtes (nunmehr: des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl) über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung subsidiären Schutzes gebunden, und zwar auch an eine negative Mitteilung. Diesbezüglich kommt ihr keine eigene Prüfungskompetenz zu (vgl. das im Beschwerdefall im ersten Rechtsgang ergangene Erkenntnis VwGH 16.12.2014, Ro 2014/22/0034 unter Hinweis auf VwGH 17.10.2013, 2013/21/0152; VwGH 19.06.2008, 2007/21/0423).

Ungeachtet dieser für die Vertretungsbehörden bestehenden Bindungswirkung an die Prognoseentscheidung des Bundesamtes steht es dem Bundesverwaltungsgericht allerdings nunmehr - innerhalb des mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz - FNG, BGBl. I Nr. 87/2012, geschaffenen geschlossenen Rechtsschutzsystems - offen, auch die Einschätzung des Bundesamtes über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002). Auch wenn es sich bei der Mitteilung des Bundesamtes um keinen Bescheid handelt, der vom Antragsteller (selbständig) angefochten werden kann (VwGH 06. 10.2010, 2008/19/0527), setzt die Möglichkeit einer Überprüfung der Richtigkeit dieser Prognose durch das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls voraus, dass dieser Mitteilung des Bundesamtes in nachvollziehbarer Weise zu entnehmen ist, aus welchen Gründen das Bundesamt die Zuerkennung des beantragten Schutzstatus für nicht wahrscheinlich hält.

Im gegenständlichen Fall liegt eine Mangelhaftigkeit im Sinne des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG vor bzw. wurde auch Verfahrensvorschriften nicht ausreichend Rechnung getragen:

Die Beschwerdeführerin gibt an, die Ehefrau des als Bezugsperson angeführten XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, welchem mit Bescheid des Bundesamtes vom 14.08.2014 der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden sei, zu sein.

Das Bundesamt stützte seine negative Wahrscheinlichkeitsprognose vom 02.01.2017 einerseits auf den Umstand, dass es nicht möglich sei, somalische Dokumente als echt zu qualifizieren. Andererseits wurde releviert, dass der Reisepass der Beschwerdeführerin in XXXX ausgestellt worden sei, obwohl die Bezugsperson angegeben habe, die Beschwerdeführerin würde in XXXX leben. Auch sei der Name der Beschwerdeführerin auf der Heiratsurkunde unterschiedlich geschrieben worden und habe die Bezugsperson in der Erstbefragung in ihrem Asylverfahren angegeben, traditionell verheiratet zu sein, in der Folge die Beschwerdeführerin jedoch als Lebensgefährtin genannt worden sei. Außerdem hätten die Beschwerdeführerin und die Bezugsperson nie gemeinsam gelebt.

Die am 19.01.2017 verfasste Stellungahme der Beschwerdeführerin vermochte an der Ansicht des Bundesamtes nichts zu ändern; die Behörde blieb bei ihrer negativen Prognose.

In der Folge verweigerte die ÖB Addis Abeba mit dem angefochtenen Bescheid vom 20.02.2017 die Erteilung des Einreisetitels gem. § 26 FPG iVm § 35 AsylG mit der (alleinigen) Begründung, dass die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Dokumente nicht genügen würden, um die Angehörigeneigenschaft nachzuweisen.

Erst in der Beschwerdevorentscheidung vom 17.05.2017 führte die Behörde - neben der Feststellung, dass keine Ehe im Herkunftsstaat bestanden hätte - zusätzlich (wieder) an, dass aufgrund mangelnder unbedenklicher Urkunden daher ins Gewicht fallen würde, dass der Reisepass der Beschwerdeführerin in XXXX ausgestellt worden sei, diese jedoch laut Angaben der Bezugsperson in XXXX gelebt habe. Hingewiesen wurden auch auf die unterschiedliche Schreibweise des Namens der Beschwerdeführerin in der vorgelegten Heiratsurkunde sowie die Angaben der Bezugsperson, welche in ihrer Erstbefragung zwar angegeben hätte, traditionell verheiratet zu sein, die Beschwerdeführerin im Protokoll jedoch (lediglich) als Lebensgefährtin und nicht als Gattin angeführt worden sei.

Im Hinblick auf die seitens der Behörde - sowohl generell als auch hinsichtlich der vorgelegten Unterlagen - geäußerten Bedenken an der Beweiskraft somalischer Dokumente, ist vorweg festzuhalten, dass dies alleine die Ablehnung eines Einreiseantrages nicht zu begründen vermag. In einem solchen Fall hat die Behörde andere Nachweise für das Bestehen der Familienangehörigeneigenschaft zu prüfen; darunter fallen etwa Einvernahmeprotokolle der Bezugsperson, deren zeugenschaftliche Einvernahme oder die Durchführung von DNA-Tests.

Im vorliegenden Fall wurden das Protokoll der Erstbefragung der Bezugsperson in deren Asylverfahren sowie jenes der Einvernahme vor dem Bundesamt am 03.06.2014 herangezogen. In seinem Asylverfahren gab die Bezugsperson an, traditionell verheiratet zu sein und nannte sowohl das Datum der Eheschließung als auch den Namen und das (ungefähre) Alter seiner "Frau" ( XXXX , ca 21 Jahre alt) zutreffend. Dass die Beschwerdeführerin im Protokoll dann als "Lebensgefährtin" - und nicht wie von der Behörde releviert, als "Gattin" angeführt wird - vermag, entgegen der Ansicht der Behörde, nicht als Anhaltspunkt für das Nichtvorliegen der Familienangehörigeneigenschaft zu dienen. In Österreich wird eine nach traditionellem islamischen Ritus geschlossene Ehe als Lebensgemeinschaft angesehen und die Partner dementsprechend als Lebensgefährten bezeichnet. Insofern ist auch von einer korrekten Protokollierung der Aussagen der Bezugsperson auszugehen; als ungenau bzw unzutreffend wäre vielmehr die Bezeichnung der Beschwerdeführerin als "Ehefrau" bzw "Gattin" gewesen.

Abgesehen davon ist der Behörde grundsätzlich beizupflichten, dass es hinsichtlich der Ausführungen betreffend das Familienleben in Somalia vor der Flucht der Bezugsperson zu gravierenden Differenzen in den Aussagen gekommen ist. So hat die Beschwerdeführerin in ihrem Einreiseverfahren (Stellungnahme vom 19.01.2017) angegeben, mit der Bezugsperson vom Zeitpunkt der Trauung an bis zu deren Flucht in einer gemeinsamen Wohnung gelebt und ein gemeinsames Familienleben geführt zu haben. Demgegenüber gab die Bezugsperson in der Einvernahme vor dem Bundesamt am 06.04.2014 an, dass es ihr nach der Eheschließung aus finanziellen Gründen nicht möglich gewesen sei, mit der Beschwerdeführerin in einem gemeinsamen Haushalt zu leben; vielmehr habe die Bezugsperson auch nach der Trauung bei ihren Eltern und Geschwistern, die Beschwerdeführerin bei deren Eltern, gelebt.

Eine zeugenschaftliche (Parallel)einvernahme der Bezugsperson, wie von der ÖB Addis Abeba bereits zu Beginn des Verfahrens angeregt, erfolgte nicht. Im Zuge einer solchen hätten allfällige Widersprüche und Unklarheiten, wie etwa zum angesprochenen gemeinsamen Familienleben in Somalia, geklärt bzw ausgeräumt werden können. Im fortgesetzten Verfahren wird die Bezugsperson jedenfalls mit den entsprechenden Ausführungen der Beschwerdeführerin (und vice versa) zu konfrontieren sein.

Eine Relevanz, in welchem Teil Somalias der Reisepass der Beschwerdeführerin ausgestellt worden ist, kann das Bundesverwaltungsgericht nicht erkennen; dies auch bereits deshalb, da mangels staatlicher Strukturen nicht von der Unbedenklichkeit somalischer Urkunden auszugehen ist, worauf auch die Behörde selbst zu Recht hinweist.

Zur von der Behörde als weiteren Anhaltspunkt für die Ablehnung des Antrags herangezogenen unterschiedlichen Schreibweise des Namens der Beschwerdeführerin in der Heiratsurkunde bleibt auf das zutreffende Vorbringen in der Beschwerde zu verweisen, wonach es an der Behörde gelegen wäre, diesen Umstand durch eine zweckmäßige Recherche aufzuklären. An dieser Stelle und in diesem Zusammenhang bleibt auch allgemein festzuhalten, dass sich aus der Aktenlage nicht nachvollziehbar ergibt, dass sich das Bundesamt oder die ÖB Addis Abeba mit den substantiellen Ausführungen und Erklärungsversuchen der Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 19.01.2017 auseinandergesetzt hätten. So erschöpft sich die die zweite Wahrscheinlichkeitsprognose des Bundesamtes im Wortlaut: "Bezüglich der im Betreff genannten Angelegenheit wird nach Rücksprache mit meiner Teamleiterin bezüglich der übermittelten Stellungnahme mitgeteilt, dass die Entscheidung aufrecht bleibt und auf die Möglichkeit einer legalen Einreise nach dem FPG/NAG verwiesen wird."

Eine nachvollziehbare Begründung dieser Entscheidung findet sich nicht. Auch in dem angefochtenen Bescheid vom 20.02.2017 sowie der Beschwerdevorentscheidung vom 17.05.2017 haben die Ausführungen der Stellungnahme keinen ersichtlichen Eingang gefunden. Es ist davon auszugehen, dass diese Ausführungen und Klarstellungen tatsächlich keine Berücksichtigung im vorliegenden Fall gefunden haben.

Im fortgesetzten Verfahren wird die Behörde die Stellungnahme der Beschwerdeführerin in das Verfahren einzubeziehen, zu würdigen und das Ergebnis ihrer Prüfung nachvollziehbar darzulegen haben. Dies auch, um der Beschwerdeführerin zweckentsprechende und zielgerichtete Ausführungen iSe abschließenden Stellungnahme zu ermöglichen.

Wenn die Behörde schließlich grundlegend ausführt, dass "keine Ehe im Herkunftsstaat bestanden" habe, ist hiezu Folgendes festzuhalten:

Übereinstimmend haben die Bezugsperson und die Beschwerdeführerin in ihren Verfahren jeweils angegeben, dass die Eheschließung am 25.06.2013 nach islamischen Ritus vor einem Sheik in XXXX stattgefunden hat. Divergierende Aussagen gibt es, wie bereits dargelegt, zu einem gemeinsamen Familienleben vor der Ausreise der Bezugsperson aus Somalia.

Was die Frage der Beurteilung der Rechtsgültigkeit einer Eheschließung von Drittstaatsangehörigen im Ausland betrifft, so entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass ausländisches Recht keine Rechtsfrage, sondern eine Tatfrage darstellt, welche in einem - grundsätzlich amtswegigen - Ermittlungsverfahren festzustellen ist, wobei eine Mitwirkungspflicht der Partei besteht, soweit dies erforderlich ist (z.B. VwGH, 27.06.2017, Ra 2016/18/0277; 19.03.2009, 2007/01/0633).

Dennoch hat es die Behörde gegenständlich unterlassen, Ermittlungen zu den Umständen der (angeblich) im Jahr 2013 traditionell geschlossenen Ehe anzustellen und Ausführungen zur Rechtsgültigkeit der Ehe zu treffen. Feststellungen, ob und wenn ja weshalb eine Eheschließung nach islamischem Ritus keine bereits im Herkunftsstaat (bzw. nach nunmehriger Rechtslage vor der Einreise der Bezugsperson) gültige Ehe gewesen sein soll, sind fallgegenständlich zur Gänze unterblieben. Es fehlt jegliche Auseinandersetzung mit den rechtlichen Voraussetzungen einer staatlich anerkannten Ehe in Somalia im Allgemeinen, sowie - die seit vielen Jahren fehlende staatliche Strukturen berücksichtigend - den dortigen Gepflogenheiten und der dortigen behördlichen Anwendungspraxis. Ebenso zu der Frage, ob es zwingend einen gemeinsamen Haushalt bzw ein gemeinsames Familienleben ieS zwischen den Partnern geben muss, um als gültige Ehe angesehen werden zu können.

Im fortgesetzten Verfahren werden daher geeignete Ermittlungen zu den einschlägigen somalischen Rechtsvorschriften einschließlich der dortigen Gepflogenheiten und der Anwendungspraxis in Bezug auf Eheschließungen und die Voraussetzungen ihrer Anerkennung bzw Gültigkeit - wie etwa durch Zugriff auf Informationen der Staatendokumentation - anzustellen und entsprechende Feststellungen zu treffen sein. In deren Lichte wären sodann die Rechtsgültigkeit einer in Somalia traditionell geschlossenen Ehe (allfällig auch ohne Begründung eines gemeinsamen Haushaltes) - und damit die Familienangehörigeneigenschaft der Beschwerdeführerin iSd § 35 Abs. 5 AsylG 2005 - einer neuerlichen Beurteilung zu unterziehen. Allenfalls wird auch die auch Heiratsurkunde kriminaltechnisch einer Echtheitsuntersuchung zu unterziehen sein.

Gravierende, zur Kassation iSd § 28 Abs. 3 VwGVG berechtigende Ermittlungslücken iSd vorstehend wieder gegebenen höchstgerichtlichen Judikatur liegen demnach gegenständlich vor.

Das Bundesverwaltungsgericht weist noch auf die Spezifika und die verfahrensrechtlichen Einschränkungen (siehe § 11a FPG) des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens hin, weshalb die Durchführung der notwendigen Ermittlungen nicht im Interesse der Effizienz, Raschheit und Kostenersparnis durch dieses selbst durchgeführt werden können.

Gemäß § 11a Abs. 2 FPG war dieser Beschluss ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu treffen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen wiedergegeben.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelle
Verhältnisse, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W185.2160891.1.00

Zuletzt aktualisiert am

04.12.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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