TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/5 W169 2215648-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.11.2019
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Entscheidungsdatum

05.11.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W169 2215648-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerde XXXX geb XXXX StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.01.2019, Zl. 1159729710-170858142, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF, und §§ 52, 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler, schlepperunterstützter Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 20.07.2017 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 21.07.2017 gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass er aus dem Bundesstaat Andhra Pradesh stamme und die Sprachen Telugu und Englisch spreche. Er gehöre der Religionsgemeinschaft der Hindus und Volksgruppe der Kamma an. Im Herkunftsstaat habe der Beschwerdeführer von 1999 bis 2011 die Grundschule und von 2011 bis 2014 das College besucht. In Indien würden die Eltern und der Bruder des Beschwerdeführers leben. Zu seinem Ausreisegrund führte er an, dass sein Bundesstaat vor ca. zwei Jahren geteilt und dadurch eine neue Hauptstadt (Amravati) festgelegt worden sei. Die Familie des Beschwerdeführers habe Ackerland in dieser Stadt, das nun sehr wertvoll geworden sei. Drei lokale Politiker hätten dieses Land, das auf den Namen des Beschwerdeführers geschrieben sei, unrechtmäßig wegnehmen wollen. Der Beschwerdeführer habe sich jedoch geweigert, das Land herzugeben, weshalb er von diesen Politikern verfolgt worden sei. Sie hätten eine falsche Anzeige bei der Polizei gegen ihn erstattet. Der Beschwerdeführer habe sodann ca. ein Jahr lang bei einem Freund in einer anderen Stadt gewohnt, jedoch sei er weiterhin per Telefon bedroht worden. Deshalb habe der Beschwerdeführer beschlossen, zu fliehen. Im Falle einer Rückkehr befürchte er, umgebracht zu werden.

2. Anlässlich seiner Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 12.12.2018 gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass er aus dem Bundesstaat Andhra Pradesh stamme. Im Herkunftsstaat habe er zwölf Jahre die Grundschule und vier Jahre ein College besucht. Er habe mit seinen Eltern im gemeinsamen Haushalt gelebt. Er stehe in Kontakt mit seinen Eltern; seine Familie schicke ihm manchmal Geld.

Zu seinem Fluchtgrund brachte der Beschwerdeführer Folgendes vor (VP: nunmehriger Beschwerdeführer; LA: Leiter der Amtshandlung):

"(...)

LA: Weshalb haben Sie Ihr Heimatland verlassen? Können Sie nun Ihren Fluchtgrund konkret und mit allen Details schildern bitte!

VP: Vor zwei, drei Jahren hat es ein Problem gegeben, dass Andhra Padesh in zwei Bundesstaaten geteilt worden ist, in Telangana und Andhra Padesh, es wurde ein neuer Staat Telangana gegründet. Es wurde entschieden, dass Telangana die Hauptstadt Hyderabad und in Andra Padesh wurde die Hauptstadt Amarawati. Ich habe ein Agrarland in Amarawati, das lief auf meinen Namen, ich war der Eigentümer. Bevor es die Hauptstadt wurde, der Preis war 800.000,-- indische Rupie gewesen. Aber nachdem es als Hauptstadt für Andra Padesh wurde, der Preis ist um das 10fache gestiegen, 8.000.000,--. Die einflussreichen örtlichen Politiker haben angefangen, mich unter Druck zu setzen, dass ich denen mein Land geben sollte. Jeder wollte das Land haben. Ich habe damals noch studiert. Die Politiker haben angefangen mich zu bedrohen, sie würden mich töten. Sie haben mir gedroht, dass sie mich anzeigen. Deshalb habe ich meinen Heimatort verlassen und bin nach Puna übersiedelt, wo meine Freunde und Verwandte wohnen. Ich habe ca. 1 Jahr lang in Ruhe in Puna gewohnt, es kamen keine Drohanrufe oder ähnliches. Aber plötzlich nach einem Jahr erhielt ich einen Drohanruf. Deshalb habe ich nachgedacht, wo ich hingehen sollte. Deshalb bin ich zu einer anderen Stadt Goa, das ist ca. 90 km entfernt von Puna , dort kam ich mit einer Person aus der Ukraine zusammen. Er hat mir vorgeschlagen, dass ich in die Ukraine komme, um diese Probleme loszuwerden, aber das würde 10.000,-- Euro kosten. Ich habe dann mit meinen Familienangehörigen gesprochen und ich habe über die Probleme nochmals gesprochen. Sie haben gemeint, ja, es sei besser in die Ukraine zu fahren. Sie haben mir dann das Geld gegeben.

LA: Wovon lebten Sie, wenn Sie sich in Puna aufgehalten haben?

VP: Mein Vater hat mich unterstützt.

Auf Nachfrage, meine Familie ist wohlhabend. Er hat auch Agrarland, mein Vater ist auch auf kleiner Ebene in Politiker.

LA: Wann erhielten Sie zuletzt den Drohanruf und von wem?

VP: Den Anruf erhielt ich am 17.2. oder 17.3.2017 war es. Ich weiß nicht, wer mich angerufen hat, es war ein Unbekannter. Ich habe das auch bei der Polizei gemeldet. Mein Vater hat das auch bei der örtlichen Polizei gemeldet in Kambham, weil die Telefonnummer von meiner Region war. Die Polizei hat gesagt, der Anrufer könnte nicht die richtige Identität sein.

LA: Was wurde Ihnen am Telefon von dieser Person gesagt?

VP: Er hat gesagt, bitte gib mir dein Land. Ich sagte, ich kann das nicht tun. Falls ich ihm das Land nicht übergeben würde, würde er mich töten. Nachdem er mich töten würde, würde er die Landpapiere fälschen mit einem anderen Namen, dann würde ich das Land bekommen.

LA: Hat sich der Anrufer vorgestellt?

VP: Nein, ich weiß nicht, wer es war. Vielleicht war es ein Immobilienmakler.

LA: Von wem konkret wurden Sie unter Druck gesetzt, bevor Sie nach Puna gingen?

VP: Weil mein Vater auch Politiker ist, waren es die Politiker, die gegen meinen Vater waren. Jeder war interessiert an meinem Land.

LA: Wer konkret waren diese Personen?

VP: Jeder Immobilienmakler wollte mein Land haben., weil sie dort Wohnungen bauen wollten.

LA: Nennen Sie die Personen, die Sie unter Druck setzten?

VP: Die Leute, die gegen meinen Vater waren.

LA: Wer waren die?

VP: Namen?

LA: Ja, nennen Sie deren Namen?

VP: Ich kenne die Namen nicht. Aber sie kamen zu mir und haben mich bedroht.

LA: Wie oft war das der Fall?

VP: Ich wurde einmal angerufen und dann kamen 4,5 Leute. Sie kamen zur Bushaltestelle und haben mich dort bedroht.

LA: Wie oft suchten diese Personen Sie auf?

VP: 5 oder 6 mal. Deshalb habe ich dann die Stadt verlassen.

LA: Was haben die Personen getan, wenn sie Sie aufsuchten?

VP: Diese sind mit notariell beglaubigten Papieren gekommen und haben gemeint, dass ich unterschreiben sollte, ich sollte die Fingerabdrücke hergeben.

LA: Handelte es sich immer um die gleichen Personen?

VP: Es waren verschiedene Leute. Zweimal waren es die gleichen Leute. Die anderen Male waren es unterschiedliche.

LA: An welchen Orten haben sie diese aufgesucht? Sie sagten einmal an der Bushaltestelle, wo sonst noch?

VP: Einmal am College, einmal, wie ich auf der Straße mit meinem Motorrad unterwegs war. Sie haben mich gestoppt und auch bedroht. Jedes Mal haben die Papiere vorgelegt, ich sollte unterschreiben und meinen Daumenabdruck abgeben.

LA: Was stand auf diesem Papier?

VP. Notariell beglaubigte Papiere über das Land, wo ich der Eigentümer war. Das Agrarland ist so geteilt, dass 20-30ha gehören meinem Vater und mein Teil des Land, 10ha sind ein Problem.

LA: Warum sind Ihre 10ha ein Problem?

VP: 3,4 ha von meinem Land fallen in das Hauptstadtgebiet. Die befinden sich im Zentrum der Bundesstaat Hauptstadt.

LA: Wo genau befindet sich Ihr Grundstück?

VP: In Guntur.

LA: Aber wo genau, es handelt sich dabei um eine große Stadt?

VP: Amrawati ist ein Agrargebiet, das ist ein neuer Name, da wird eine neue Hauptstadt gebaut.

LA: Aber wo genau befindet sich Ihr Grundstück, wie würden Sie es einer Person beschreiben, die nicht weiß, wo sich das Grundstück befindet? Hat es eine Adresse?

VP: Es wurde eine neue Hauptstadt gegründet. Dort befand sich nur Land.

LA: Aber wie ist es gekennzeichnet, wie weiß man, dass es sich um Ihr Land handelt?

VP: Das ist nur Agrarland, es gibt verschiedene Nummern.

LA: Welche Nummer hat Ihr Land?

VP: Die Länder haben verschiedene Nummern. Jedes Grundstück hat ihre eigene Nummer.

LA: Wie ist die Nummer Ihres Landes?

VP: Ich habe damals studiert, das weiß alles mein Vater.

LA: Waren Sie jemals dort bei diesem Land?

VP: Alles hat mein Vater gemacht, ich habe studiert.

LA: Hatte Ihr Vater Schwierigkeiten?

VP: Wegen der Wahlen, ob er die Wahl gewonnen oder verloren hat, wer die Macht hat.

Auf Nachfrage, er hatte auch Probleme wegen den Grundstücken.

LA: Wie hat Ihr Vater die Probleme gelöst?

VP: Er wartet die Wahlen ab, ob er gewinnt oder nicht. Ich weiß nicht, wann meine Probleme gelöst werden.

LA: Was ist aktuell mit Ihrem Land?

VP: Mein Vater steht in Verhandlungen mit Immobilienmaklern. Aber die anderen Politiker meinen, er soll es nicht verkaufen.

LA: Wie viel Geld würden Sie für das Landstück erhalten?

VP: 100.000.000,-- indische Rupien bzw. 10 Crore.

Auf Nachfrage gebe ich an, dass würde ich aktuell für meine 10ha. Deswegen habe ich die Probleme, weil das Grundstück so viel wert ist.

LA: Weshalb wollen Sie das Grundstück nicht verkaufen?

VP: Weil sie mir kein Geld dafür bezahlen wollten. Wenn ich das Geld bekommen würde, wäre es kein Problem. Aber die Politiker wollen es, ohne mir Geld dafür zu geben.

LA: Stand das auf dem Papier geschrieben, dass Sie kein Entgelt für den Verkauf des Grundstückes erhalten sollten?

VP: Ja, sie haben mir ein Papier hingehalten, sodass ich mit meinem Daumenabdruck bestätigen sollte, dass sie es kostenfrei bekommen.

LA: Was war der ausschlaggebende Grund, weshalb Sie schließlich Khambham?

VP: ich war auf der Straße vom College nach Hause unterwegs, er hatte mir ein Messer an den Hals gehalten und bedroht, mich umzubringen. Dann kamen plötzlich viele Leute gekommen, deshalb sind diese Leute weggelaufen. Am nächsten Tag habe ich meinen Studienort verlassen und bin nach Puna gefahren.

LA: Wie weit entfernt liegt XXXX von Ihrem Landgrundstücksbesitz?

VP: Um die 30km.

LA: Was konkret befürchten Sie im Falle einer Rückkehr in Ihr Heimatland?

VP: Ich würde dort getötet werden, wenn ich jetzt zurückgehen müsste. Ich würde dort entführt oder getötet werden.

Wenn meine Probleme gelöst sind, werde ich nach Indien zurückkehren, weil ich dort genug Geld habe.

LA: Wie können Ihre Probleme gelöst werden?

VP: Ich warte, weil mein Vater ist in Kontakt mit dem Immobilienmakler. Wenn ein entsprechender Preis bezahlt wird, dann würde ich das Grundstück verkaufen.

LA: Wie ist die Situation bei den anderen Grundstücksbesitzern?

VP: Mein Land ist gegenüber dem Amtshaus. Der Hauptgegner meines Vaters, ein Politiker, er möchte es kostenfrei bekommen.

LA: Wer ist diese Person?

VP: Der Bürgermeister der Stadt.

Frage wird wiederholt.

VP: Ich kenne seinen Namen nicht.

LA: Haben Sie die Möglichkeit, Ihren Wohnort innerhalb Ihres Heimatlandes zu verlegen?

VP: Ich war schon an einem anderen Ort, aber das Problem ist damit nicht gelöst. Mein Leben ist mir wichtiger.

(...)"

Zu den Lebensumständen in Österreich führte der Beschwerdeführer an, dass er hier keine Verwandten habe. Er sei kein Mitglied in einem Verein und besuche keinen Deutschkurs.

3. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen kein Glauben geschenkt werde. Unabhängig davon stehe dem Beschwerdeführer aber eine innerstaatliche Fluchtalternative offen. Auch eine refoulementschutzrechtlich relevante Gefährdung im Falle einer Rückkehr nach Indien sei nicht gegeben. Der Beschwerdeführer erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der nicht sehr langen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von relevanten familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien. Die Frist für die freiwillige Ausreise von vierzehn Tagen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die der Beschwerdeführer bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien.

4. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und wurde nach Wiederholung der Fluchtgründe insbesondere ausgeführt, dass die Beweiswürdigung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nicht nachvollziehbar sei und nicht mit dem Protokoll der Einvernahme übereinstimme. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl habe nur jene Aussagen des Beschwerdeführers verwertet, die der Argumentation der Behörde zuträglich gewesen seien. Der Beschwerdeführer habe genaue Zeit- und Ortsangaben getätigt und die Ereignisse chronologisch konsistent - einschließlich Erklärungen über sämtliche relevante Personen sowie scheinbar nebensächlicher Detailangaben - wiedergegeben. Es sei dem Beschwerdeführer zugute zu halten, dass er nicht alle Details schildern habe können, da daraus zu schließen sei, dass er nichts erfunden habe. Der Beschwerdeführer habe - unter Verweis auf einen Wikipedia-Artikel - bezüglich des Vorbringens, wonach Amaravati die Hauptstadt des Bundesstaates Andhra Pradesh sei, Recht. Der Beschwerdeführer sei bis zu seiner Flucht Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen. Aus der Einvernahme gehe hervor, dass die indischen Behörden schutzunwillig oder schutzunfähig seien, was vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl entsprechend zu untersuchen gewesen wäre. Auch Verfolgung durch Privatpersonen könne Asylrelevanz zukommen. Es treffe nicht zu, dass eine innerstaatliche Fluchtalternative bestehe. In Indien herrsche eine katastrophale Sicherheitslage und der Beschwerdeführer wäre im Falle einer Rückkehr einer hoffnungslosen, existenzbedrohenden Situation ausgesetzt. Der Beschwerdeführer verfüge über kein Auffangnetz in Indien und sei aus seiner Heimat entwurzelt. Der Beschwerdeführer sei schon "seit über sieben Jahren" in Österreich aufhältig, unbescholten und selbsterhaltungsfähig, habe die deutsche Sprache erlernt und soziale Kontakte geknüpft. Eine Abschiebung würde gegen Art. 2, Art. 3 und Art. 8 EMRK verstoßen.

Beantragt wurde die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien aus dem Bundesstaat Andhra Pradesh, gehört der Religionsgemeinschaft der Hindus und der Volksgruppe der Kamma an. Seine Identität steht nicht fest. Er spricht die Sprachen Telugu und Englisch. Im Herkunftsstaat besuchte er zwölf Jahre die Grundschule und vier Jahre ein College. Er wurde von seinem Vater finanziell unterstützt. Der Beschwerdeführer ist ledig, kinderlos und gesund.

Die Verfolgungsbehauptungen des Beschwerdeführers sind nicht glaubhaft. Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer in Indien eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung droht. Er hatte keine persönlichen Probleme mit den Behörden im Heimatland. Dem Beschwerdeführer steht in Indien eine inländische Schutz- bzw. Fluchtalternative offen.

Der Beschwerdeführer hat keine Verwandten oder Familienangehörige in Österreich, besuchte keine Deutschkurse und spricht kein Deutsch. Er ist nicht Mitglied in einem Verein. Der Beschwerdeführer nimmt keine Leistungen in Anspruch. Er wird in Österreich finanziell auch von seiner Familie unterstützt. Er ist strafrechtlich unbescholten. Der Beschwerdeführer steht im erwerbsfähigen Alter. Die Eltern und der Bruder des Beschwerdeführers leben im Herkunftsstaat. Mit diesen steht der Beschwerdeführer in Kontakt.

1.2. Zur Situation im Herkunftsstaat wird Folgendes festgehalten:

Allgemeine Menschenrechtslage

Indien hat 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte unterzeichnet (AA 16.8.2016). Die nationale Gesetzgebung in Menschenrechtsangelegenheiten ist breit angelegt. Alle wichtigen Menschenrechte sind verfassungsrechtlich garantiert (ÖB 12.2016). Die Umsetzung dieser Garantien ist allerdings häufig nicht in vollem Umfang gewährleistet (AA 16.8.2016). Eine Reihe von Sicherheitsgesetzen schränken die rechtsstaatlichen Garantien, z.B. das Recht auf ein faires Verfahren, aber ein. Diese Gesetze wurden nach den Terroranschlägen von Mumbai im November 2008 verschärft; u. a. wurde die Unschuldsvermutung für bestimmte Straftatbestände außer Kraft gesetzt. Besonders in Unruhegebieten haben die Sicherheitskräfte zur Bekämpfung sezessionistischer und terroristischer Gruppen weitreichende Befugnisse, die oft exzessiv genutzt werden (AA 16.8.2016).

Die wichtigsten Menschenrechtsprobleme sind Missbrauch durch Polizei und Sicherheitskräfte einschließlich außergerichtlicher Hinrichtungen, Folter und Vergewaltigung. Korruption bleibt weit verbreitet und trägt zur ineffektiven Verbrechensbekämpfung, insbesondere auch von Verbrechen gegen Frauen, Kinder und Mitglieder registrierter Kasten und Stämme sowie auch gesellschaftlicher Gewalt aufgrund von Geschlechts-, Religions-, Kasten- oder Stammeszugehörigkeit bei (USDOS 13.4.2016).

Die Menschenrechtslage ist in Indien regional sehr unterschiedlich (BICC 6.2016), eine verallgemeinernde Bewertung kaum möglich:

Drastische Grundrechtsverletzungen und Rechtsstaatsdefizite koexistieren mit weitgehenden bürgerlichen Freiheiten, fortschrittlichen Gesetzen und engagierten Initiativen der Zivilgesellschaft. Vor allem die Realität der unteren Gesellschaftsschichten, die die Bevölkerungsmehrheit stellen, ist oftmals von Grundrechtsverletzungen und Benachteiligung geprägt (AA 16.8.2016). Ursache vieler Menschenrechtsverletzungen in Indien bleiben tiefverwurzelte soziale Praktiken wie nicht zuletzt das Kastenwesen (AA 16.8.2016). Frauen, Mitglieder ethnischer und religiöser Minderheiten sowie niedriger Kasten werden systematisch diskriminiert (BICC 6.2016). Während die Bürger- und Menschenrechte von der Regierung größtenteils respektiert werden, ist die Lage in den Regionen, dort wo es interne Konflikte gibt teilweise sehr schlecht. Dies trifft insbesondere auf Jammu und Kaschmir und den Nordosten des Landes zu. Den Sicherheitskräften, aber auch den nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen, seien es separatistische Organisationen oder regierungstreue Milizen, werden massive Menschenrechtsverletzungen angelastet. Dem Militär und den paramilitärischen Einheiten werden Entführungen, Folter, Vergewaltigungen, willkürliche Festnahmen und außergerichtliche Hinrichtungen vorgeworfen. Insbesondere hinsichtlich der Spannungen zwischen Hindus und Moslems, welche im Jahr 2002 zu Tausenden von Todesfällen führten, wird den Sicherheitskräften Parteilichkeit vorgeworfen Die Stimmung wird durch hindunationalistische Parteien angeheizt, welche auch in der Regierung vertreten sind (BICC 6.2016).

Separatistische Rebellen und Terroristen in Jammu und Kaschmir, den nordöstlichen Bundesstaaten und im Maoistengürtel begehen schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, darunter Morde an Zivilisten, Polizisten, Streitkräften und Regierungsbeamten. Aufständische sind für zahlreiche Fälle von Entführung, Folter, Vergewaltigung, Erpressung und den Einsatz von Kindersoldaten verantwortlich (USDOS 13.4.2016).

Die Behörden verstoßen auch weiterhin gegen die Privatsphäre der Bürger. In manchen Bundesstaaten schränkt das Gesetz die religiöse Konversion ein und es gibt Berichte von Verhaftungen, aber keine Verurteilungen nach diesem Gesetz. Manche Einschränkungen in Bezug auf die Bewegungsfreiheit dauern an (USDOS 13.4.2016).

Im Oktober 1993 wurde die Nationale Menschenrechtskommission (National Human Rights Commission - NHRC) gegründet. Ihre Satzung beinhaltet den Schutz des Menschenrechtgesetzes aus dem Jahre 1993. Die Kommission verkörpert das Anliegen Indiens für den Schutz der Menschenrechte. Sie ist unabhängig und wurde durch ein Umsetzungsgesetz des Parlaments gegründet. Die NHRC hat die Befugnis eines Zivilgerichtes (NHRC o.D.). Die NHRC empfiehlt, dass das Kriminalermittlungsbüro alle Morde, in denen die angeblichen Verdächtigen während ihrer Anklage, Verhaftung, oder bei ihrem Fluchtversuch getötet wurden, untersucht. Viele Bundesstaaten sind diesem unverbindlichen Rat nicht gefolgt und führten interne Revisionen im Ermessen der Vorgesetzten durch. Die NHRC Richtlinien weisen die Bundesstaatenregierungen an, alle Fälle von Tod durch Polizeihandlung binnen 48 Stunden an die NHRC zu melden, jedoch hielten sich viele Bundesstaatenregierungen nicht an diese Richtlinien. Die NHRC forderte von den Bundesstaatenregierung, den Familien von Opfern eine finanzielle Kompensation zu bieten, aber die Bundesstaatenregierungen erfüllten diese Richtlinien nicht konsequent. Die Behörden haben die Streitkräfte nicht dazu aufgefordert, Todesfälle während der Haft an die NHRC zu melden (USDOS 13.4.2016).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

-

BICC - Bonn International Centre for Conversion (6.2016):

Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien,

http://ruestungsexport.info/uploads/pdf/countries/201607/indien.pdf, Zugriff 13.12.2016

-

NHRC - The National Human Rights Commission India (o. D.): The National Human Rights Commission India, http://www.nhrc.nic.in/Documents/Publications/NHRCindia.pdf, Zugriff 5.1.2017

-

ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

-

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 13.12.2016

Bewegungsfreiheit

Das Gesetz gewährt landesweite Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Migration und Repatriierung und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 13.4.2016). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt. Abgesehen davon ist Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes gewährleistet (AA 16.8.2016).

Die Regierung lockerte Einschränkungen in Bezug auf Reisen nach Arunachal Pradesh, Nagaland, Mizoram, Manipur und Teilen von Jammu und Kaschmir, außer für Ausländer aus Pakistan, China und Burma. Das Innenministerium und die Bundesstaatenregierungen verlangen vor Reiseantritt von den Bürgern spezielle Genehmigungen einzuholen, um in bestimmte gesperrte Regionen bzw. Sperrzonen zu reisen. Die Sicherheitskräfte untersuchen Wagen und deren Inhaber bei Checkpoints im Kaschmirtal, vor öffentlichen Veranstaltungen in Neu Delhi oder nach großen terroristischen Angriffen (USDOS 13.4.2016).

Die Regierung darf die legale Ausstellung eines Passes, an einen Anwärter, von dem geglaubt wird, dass er in Aktivitäten außerhalb des Landes verwickelt ist, die "schädlich für die Souveränität und Integrität der Nation" sind, verweigern Bürger von Jammu und Kaschmir sind auch weiterhin mit massiven Verzögerungen bei der Ausstellung eines Passes konfrontiert, oft dauert es bis zu zwei Jahre, bis ihnen das Außenministerium einen Pass ausstellt oder erneuert. Die Regierung setzt Antragsteller - geboren in Jammu und Kaschmir -, darunter auch Kinder von Militäroffizieren Berichten zufolge zusätzlichen Kontrollen aus, bevor sie einen Pass erhalten (USDOS 16.8.2016).

Mit dem geplanten Datenverbundsystem für die zentralen Sicherheitsbehörden und die Unionsstaaten, Crime and Criminal Tracking Network System (CCTNS), soll künftig ein Informationsaustausch auf allen Ebenen gewährleistet sein. Für 2012 war eine Anbindung von 15.000 Polizeistationen und 6.000 übergeordneten Stellen vorgesehen. Die Umsetzung des ambitionierten Vorhabens liegt jedoch weit hinter dem ursprünglichen Zeitplan (AA 3.3.2014).

Indien ist das siebtgrößte Land der Erde mit über einer Milliarde Einwohnern (ÖB 12.2016). Es ist davon auszugehen, dass Betroffene sich durch Flucht in einen anderen Landesteil jeglicher Art der privaten/halbstaatlichen Probleme entziehen können, da nicht davon auszugehen ist, dass über das Dorf hinaus Anwohner oder lokale Behörden Hinweise erhalten oder recherchieren können oder sich überhaupt dafür interessieren, was ein Zugezogener in der Vergangenheit gemacht haben könnte. Es fehlen jegliche zentrale Aktenführung oder Informationsaustausch. Es bedarf lediglich eines sehr einfachen, öffentlichen Namensänderungsverfahrens, um seine Identität zu verschleiern (AA 3.3.2014).

Es gibt kein staatliches Melde- oder Registrierungssystem, so dass ein Großteil der Bevölkerung keinen Ausweis besitzt. Dies begünstigt die Niederlassung in einem anderen Landesteil im Falle von Verfolgung. Auch bei laufender strafrechtlicher Verfolgung ist nicht selten ein unbehelligtes Leben in ländlichen Bezirken eines anderen Landesteils möglich, ohne dass die Person ihre Identität verbergen muss (AA 16.8.2016). Ob der Betreffende nach der Umsiedlung dort die Möglichkeit hat, sich ein wirtschaftliches Auskommen zu verschaffen, hängt ausschließlich von seiner Eigeninitiative ab (AA 3.3.2014).

In den großen Städten ist die Polizei jedoch personell und materiell besser ausgestattet, so dass die Möglichkeit, aufgespürt zu werden, dort größer ist. Bekannte Persönlichkeiten ("high profile" persons) können nicht durch einen Umzug in einen anderen Landesteil der Verfolgung entgehen, wohl aber weniger bekannte Personen ("low profile" people) (ÖB 12.2016).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (3.3.2014): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien

-

AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

-

ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

-

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Pracitces 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 28.12.2016

Meldewesen

Es gibt kein Meldewesen in Indien (AA 16.8.2016).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

Grundversorgung/Wirtschaft

Indiens Wirtschaft hat sich zuletzt erholt und an Dynamik gewonnen. Indien zählt nach wie vor zu den am stärksten expandierenden Volkswirtschaften der Welt. Das Wirtschaftswachstum lag im Haushaltsjahr 2015/2016 bei 7,6% (AA 9.2016).

Das Land hat eine aufstrebende urbane Mittelschicht. Die große Zahl an Facharbeitskräften macht es zu einem beliebten Ziel für internationale Firmen, die versuchen ihre Arbeit auszulagern. Der Großteil der ländlichen Bevölkerung ist weiterhin arm, da deren Leben auch weiterhin durch das altertümliche Hindukastensystem beeinflusst wird, welches jeder Person einen Platz in der sozialen Hierarchie zuweist (BBC 27.9.2016)

Das hohe Wachstum der Jahre bis 2011 hat die regionalen Entwicklungsunterschiede auf dem Subkontinent und das zunehmende Einkommensgefälle zwischen der expandierenden städtischen Mittelschicht und der überwiegend armen Bevölkerung auf dem Lande, wo noch knapp 70% aller Inder leben, schärfer hervortreten lassen. Ende September 2014 verkündete Premierminister Modi die "Make in India" Kampagne und rief ausländische Investoren dazu auf, in Indien bei verbesserten Investitionsbedingungen zu produzieren. Zur Ankurbelung der weiteren Industrialisierung werden groß angelegte Infrastrukturprojekte verfolgt. Auch im Bereich Schiene, den Häfen und im Luftverkehr sind erhebliche Investitionen nötig und geplant. Wachstum und Wohlstand verdankt Indien vor allem dem Dienstleistungssektor mit einem Anteil von über 53% am BIP. Hiervon profitiert aber bei einem Beschäftigungsanteil von etwa 30% nur ein kleiner Teil der Bevölkerung. Zur Überwindung der Massenarmut sollen neue Arbeitsplätze geschaffen werden, vor allem auch für nicht oder gering qualifizierte Kräfte (AA 9.2016).

Indien hat eine Erwerbsbevölkerung von 404,5 Millionen, von welchen 43 Millionen im formellen Sektor und 361 Millionen im informellen Sektor arbeiten, wo sie weder gegen Krankheit oder Arbeitsunfälle abgesichert sind, noch Anspruch auf soziale Leistungen oder Altersversorgung haben (AA 9.2016). Der Hauptteil der Menschen, die im informellen Sektor arbeiten, sind im privaten Sektor tätig (BAMF 12.2015). Die überwiegende Mehrheit der indischen Bevölkerung lebt in ländlich-bäuerlichen Strukturen und bleibt wirtschaftlich benachteiligt. Der Anteil der Landwirtschaft an der indischen Wirtschaftsleistung sinkt seit Jahren kontinuierlich und beträgt nur noch etwa 17,4% (2015/16) der Gesamtwirtschaft, obgleich rund 50% der indischen Arbeitskräfte in diesem Bereich tätig sind (AA 9.2016).

Die Regierung hat überall im Land mehr als 900 Arbeitsagenturen (Employment Exchanges) eingeführt um die Einstellung geeigneter Kandidaten zu erleichtern. Arbeitssuchende registrieren sich selbständig bei den Arbeitsagenturen und werden informiert sobald eine geeignete Stelle im Regierungssekte frei ist. Das MGNREGA Gesetz (Mahatma Gandhi National Rural Employment Guarantee Act) ist ein Arbeitsgarantieprogramm. Erwachsenen eines ländlichen Haushalts, welche gewillt sind Handwerksarbeit zum Mindestlohn zu verrichten, wird hierdurch eine gesetzliche Jobgarantie für 100 Tage im Jahr gewährt. Das Kommissariat oder Direktorat der Industrie (The Commissionerates or Directorates of Industries) bieten Hilfe bei der Geschäftsgründung in den verschiedenen Staaten. Einige Regierungen bieten Arbeitslosenhilfe für Personen, die bereits mehr als drei Jahre bei der Stellenbörse registriert sind (BAMF 12.2015)

Indien steht vor gewaltigen Herausforderungen bei der Armutsbekämpfung und in der Bildungs- und Infrastrukturentwicklung. Das durchschnittliche jährliche Pro-Kopf-Einkommen liegt bei 1.313 Euro. Etwa 30% der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze von 1 USD pro Kopf und Tag. Rund 70% haben weniger als 2 USD pro Tag zur Verfügung. Auf dem Human Development Index des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (United Nations Development Programme - UNDP) steht Indien auf Platz 135 unter 187 erfassten Staaten. Während es weltweit die meisten Millionäre und Milliardäre beheimatet, liegt Indien bei vielen Sozialindikatoren deutlich unter den Durchschnittswerten von Subsahara-Afrika. Gleichzeitig konnten in den letzten beiden Jahrzehnten hunderte Millionen Menschen in Indien der Armut entkommen (AA 9.2016).

In Indien haben derzeit von 400 Millionen Arbeitskräften nur etwa 35 Millionen Zugang zum offiziellen Sozialen Sicherungssystem in Form einer Altersrentenabsicherung. Dies schließt Arbeiter des privaten Sektors, Beamte, Militärpersonal und Arbeitnehmer von Unternehmen des staatlich öffentlichen Sektors ein (BAMF 8.2014). Die Regierung betreibt eine Vielzahl von Programmen zur Finanzierung von Wohnungen. Diese richten sich jedoch zu meist an Personen unterhalb der Armutsgrenze. Weiters bieten die Regierungen eine Vielzahl an Sozialhilfen an welche sich jedoch an unterprivilegierte Gruppen, wie die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze richten. Diese Programme werden grundsätzlich durch die lokalen Verwaltungen umgesetzt (Panchayat) (BAMF 12.2015).

Die Arbeitnehmerrentenversicherung ist verpflichtend und mit der Arbeit verknüpft. Das staatliche Sozialversicherungsprogramm (National Social Assistance Programme) erfasst nur die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze oder physisch Benachteiligte. Das staatliche Rentensystem National Pension System (NPS) ist ein freiwilliges, beitragsbasiertes System, welches es den Teilnehmer ermöglicht systematische Rücklagen während ihres Arbeitslebens anzulegen (BAMF 12.2015).

Etwa ein Viertel der Bevölkerung lebt unter dem Existenzminimum. Sofern es nicht zu außergewöhnlichen Naturkatastrophen kommt, ist jedoch eine für das Überleben ausreichende Nahrungsversorgung auch den schwächsten Teilen der Bevölkerung grundsätzlich sichergestellt. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe oder ein anderes soziales Netz. Rückkehrer sind auf die Unterstützung der Familie oder Freunde angewiesen. Vorübergehende Notlagen können durch Armenspeisungen im Tempel, insbesondere der Sikh-Tempel, die auch gegen kleinere Dienstleistungen Unterkunft gewähren, ausgeglichen werden (AA 16.8.2016).

Als Teil einer Armutsbekämpfungsinitiative wurde seit 2010 Millionen indischer Bürger eine Aadhaar ID Nummer ausgestellt. Obwohl diese nicht verpflichtend ist, gaben Beamte an, dass der Nichtbesitz den Zugang zur Staatshilfe limitieren werden könnte (FH 3.10.2013). Die unverwechselbare Identitätsnummer ermöglicht es beispielsweise, dass staatliche Zuschüsse direkt an den Verbraucher übermittelt werden. Anstatt diese auf ein Bankkonto zu senden, wird sie an die unverwechselbare Identitätsnummer überwiesen, die mit der Bank verbunden ist und geht so an das entsprechende Bankkonto. 750 Millionen Inder haben derzeit eine derartige Identitätsnummer, ca. 130 Millionen haben diese auch mit ihrem Bankkonto verknüpft (International Business Times, 2.2.2015).

Die Identifizierungsbehörde Indiens wurde eingerichtet, um die rechtliche und technische Infrastruktur zu schaffen, die notwendig ist, um allen indischen Einwohnern eine 12-stellige Identitätsnummer (UID) auszustellen, die online überprüft werden können. Dieses Projekt soll gefälschte und doppelte Identitäten ausschließen. Das neue Identitätssystem wird mit Fotos, demographischen und biometrischen Details (Fingerabdrücke und IrisBild) verbunden. Der Erwerb einer UID ist freiwillig und kostenlos. Es gibt keine rechtliche Verpflichtung, sich registrieren zu lassen (UK Home Office 2.2015).

Da die im Rahmen des UID bzw. Aadhaar Projektes gesammelten Daten nicht in das nationale Bevölkerungsregister (NPR) integriert werden, stellt dieses jedoch nur eine bloße Auflistung von Namen und demographischen Details dar. Bisher wurden 1,04 Milliarden Aadhaar Nummern generiert, mit dem Plan der vollständigen Erfassung der Bevölkerung bis März 2017. Die zuständige Behörde für die einheitliche Identifikationsnummer weigert sich, die gesammelten Daten an das für das Bevölkerungsregister zuständige Innenministerium weiterzuleiten, da sie aufgrund des im Juli 2016 verabschiedeten Gesetzes von einem Datenaustausch ausgeschlossen ist (HT 8.8.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (9.2016): Indien, Wirtschaft, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_8E633C2F61937CFE7189E5065CD31B93/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Wirtschaft_node.html, Zugriff 23.12.2016

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BBC - British Broadcasting Corporation (27.9.2016) India profile - Overview, http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 28.12.2016

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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (8.2014):

Länderinformationsblatt Indien, http://www.bamf.de/SharedDocs/MILo-DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/Informationsblaetter/cfs_indien-dl_de.pdf?__blob=publicationFile, Zugriff 29.12.2016

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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (12.2015):

Länderinformationsblatt Republik Indien, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/772099/18364589/Indien_-_Country_Fact_Sheet_2015%2C_deutsch.pdf?nodeid=17927013&vernum=-2, Zugriff 29.12.2016

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FH - Freedom House (3.10.2013): Freedom on the Net 2013 - India, http://www.ecoi.net/file_upload/3714_1380802722_fotn-2013-india.pdf, Zugriff 9.1.2017

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HT - Hindustan Times (8.8.2016): National Population Register project now a Rs 4,800-crore sinkhole, http://www.hindustantimes.com/india-news/national-population-register-project-now-a-rs-4-800-crore-sinkhole/story-xwmSEA3NwijJFoOpxYe3dN.html, Zugriff 9.1.2017

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International Business Times (2.2.2015): One Billion Indians To Have UID Numbers By Year-End As India Seeks To Boost Social Security,

http://www.ibtimes.com/one-billion-indians-have-uid-numbers-year-end-india-seeks-boost-social-security-1802126, Zugriff 9.1.2017

-

UK Home Office (2.2015): Country Information and Guidance India:

Background information, including actors of protection, and internal relocation,

https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/402790/cig_india_background_2015_02_04_v2_0.pdf, Zugriff 29.12.2016

Rückkehr

Allein die Tatsache, dass eine Person in Deutschland einen Asylantrag gestellt hat, führt nicht zu nachteiligen Konsequenzen nach der Abschiebung. In den letzten Jahren hatten indische Asylbewerber, die in ihr Heimatland abgeschoben wurden, grundsätzlich - abgesehen von einer intensiven Prüfung der (Ersatz-) Reisedokumente und einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden - keine Probleme. Polizeilich gesuchte Personen müssen allerdings bei Einreise mit Verhaftung und Übergabe an die Sicherheitsbehörden rechnen (AA 16.8.2016). Die indische Regierung hat kein Reintegrationsprogramm und bietet auch sonst keine finanzielle oder administrative Unterstützung für Rückkehrer (BAMF 12.2015).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (12.2015):

Länderinformationsblatt Republik Indien, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/772099/18364589/Indien_-_Country_Fact_Sheet_2015%2C_deutsch.pdf?nodeid=17927013&vernum=-2, Zugriff 29.12.2016

2. Beweiswürdigung:

2.1. Mangels Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments steht die Identität des Beschwerdeführers nicht fest. Seine Staatsangehörigkeit und seine Herkunft erscheinen auf Grund seiner Sprach- und Ortskenntnisse glaubhaft.

Die Feststellungen über die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Verwandten im Herkunftsstaat, sowie die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer in Österreich keine Verwandten hat, ledig, kinderlos und gesund ist, beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers im Zuge der Erstbefragung durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 21.07.2017 bzw. dem Unterbleiben gegenteiliger Behauptungen im Rahmen der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 20.12.2018 oder dem Beschwerdeschriftsatz. Die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer sowohl im Herkunftsstaat als auch in Österreich von seiner Familie unterstützt wurde bzw. wird, mit ihnen in Kontakt steht, keinen Deutschkurs besuchte, kein Deutsch spricht und nicht Mitglied in einem Verein ist, beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 12.12.2018. Soweit im - rund zwei Monate nach Durchführung der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingebrachten - Beschwerdeschriftsatz behauptet wird, der Beschwerdeführer verfüge "über kein Auffangnetz in seiner Heimat", sei "bereits seit über sieben Jahren in Österreich" aufhältig und habe die deutsche Sprache erlernt, entspricht dies, wie der Akteninhalt und die Angaben des Beschwerdeführers in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl belegen, eindeutig nicht den Tatsachen, weshalb darauf nicht weiter einzugehen war.

Dass der Beschwerdeführer keine Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch nimmt und strafgerichtlich unbescholten ist, ergibt sich aus der Einsichtnahme ins Grundversorgungssystem und ins österreichische Strafregister.

Dass der Beschwerdeführer keine Probleme mit den Behörden in seinem Herkunftsstaat hatte, ergibt sich daraus, dass der Beschwerdeführer im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl keine diesbezüglichen Probleme vorbrachte.

Die Beurteilung der belangten Behörde, wonach das Vorbringen des Beschwerdeführers über die Bedrohung durch Privatpersonen nicht glaubhaft sei, ist zutreffend. Der Beschwerdeführer hat zwar eine derartige Bedrohungssituation sowohl im Verlauf der sicherheitsbehördlichen Erstbefragung am 21.07.2017 als auch bei seiner Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 12.12.2018 behauptet, seine diesbezüglichen Angaben sind jedoch, wie im angefochtenen Bescheid richtig festgehalten, als widersprüchlich, wenig konkret und detailliert und logisch nicht nachvollziehbar zu qualifizieren.

Wie im angefochtenen Bescheid zu Recht festgehalten, war der Beschwerdeführer im Rahmen des Verfahrens nicht in der Lage, seine Verfolger genau zu definieren und widersprach sich dabei. Der Beschwerdeführer konnte weder Name noch Beruf bzw. Funktion seiner Verfolger angeben bzw. widersprach sich dabei. Während der Beschwerdeführer noch in der Erstbefragung vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes angab, von "3 Politiker[n]" verfolgt zu werden, sprach er in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zunächst nur von einer unbestimmten Zahl einflussreicher örtlicher Politiker, die ihn unter Druck gesetzt hätten, um sodann auszuführen, dass "jeder" das Land haben hätte wollen. Der Beschwerdeführer sei zuletzt

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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