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41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1Leitsatz
Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und Erlassung einer Rückkehrentscheidung betreffend einen afghanischen Staatsangehörigen; keine Auseinandersetzung mit der Nachbehandlungs- und Kontrollbedürftigkeit sowie den Behandlungsmöglichkeiten eines HerzkrankenSpruch
I. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis, soweit damit seine Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, die Nichtzuerkennung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung sowie die Festsetzung der Frist für die freiwillige Ausreise abgewiesen wird, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973) verletzt worden.
Das Erkenntnis wird insoweit aufgehoben.
II. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.
Insoweit wird die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
III. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Der Beschwerdeführer ist ein 1997 geborener afghanischer Staatsangehöriger der Volksgruppe der Tadschiken aus der Provinz Kunduz. Er stellte am 17. April 2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz, den das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 12. Oktober 2017 abwies, einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilte, eine Rückkehrentscheidung erließ, die Zulässigkeit der Abschiebung nach Afghanistan feststellte und eine zweiwöchige Frist für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung setzte.
2. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit angefochtener Entscheidung vom 13. März 2019 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 8. März 2019, in deren Rahmen der Beschwerdeführer ua unter Vorlage entsprechender Belege vorbrachte, dass er sich vor wenigen Wochen einer Herz-Bypass-Operation unterzogen habe und dass diesbezüglich ein weiterer Termin für den 29. Mai 2019 vorgesehen sei, ab.
Zur Abweisung des Antrags auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führt das Bundesverwaltungsgericht ua wörtlich aus:
"Zur Herzerkrankung des Beschwerdeführers ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer seit dem Jahr 2017 in Österreich beruflich tätig ist und ist daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer an keiner dermaßen akuten oder schwerwiegenden Erkrankung leidet, welche im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat allenfalls zu einer Überschreitung der hohen Eingriffsschwelle des Art3 EMRK führen könnten."
3. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt wird.
4. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Gerichts- und Verwaltungsakten vorgelegt und von der Erstattung einer Gegenschrift abgesehen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat keine Gegenschrift erstattet.
II. Erwägungen
1. Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.
2. Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.
Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl zB VfSlg 16.214/2001), wenn das Verwaltungsgericht dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).
Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).
3. Ein solcher Fehler ist dem Bundesverwaltungsgericht unterlaufen:
Das Bundesverwaltungsgericht setzt sich nicht mit den Folgen der Herz-Bypass-Operation, der sich der Beschwerdeführer unterziehen musste, insbesondere der offenbar medizinisch indizierten Nachbehandlungs- und Kontrollbedürftigkeit des Beschwerdeführers auseinander. Auch trifft es keine Feststellungen hinsichtlich entsprechender Behandlungsmöglichkeiten im Herkunftsstaat (zum Erfordernis einer konkreten Auseinandersetzung mit dem Zugang zu medizinischer Versorgung und Behandlung anhand spezifischer Berichte vgl zB VfGH 30.6.2016, E381/2016 ua). Allein der Verweis auf die (bisherige) Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers stellt keine ausreichende Auseinandersetzung mit dessen individueller Situation dar (vgl VfGH 11.6.2019, E3796/2018).
4. Die Behandlung der Beschwerde wird, soweit damit die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten bekämpft wird, aus folgenden Gründen abgelehnt:
Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde ablehnen, wenn von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B-VG). Ein solcher Fall liegt vor, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.
Die gerügten Rechtsverletzungen wären im vorliegenden Fall nur die Folge einer – allenfalls grob – unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen betreffend die (nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts mangelnde) Glaubhaftigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers nicht anzustellen.
III. Ergebnis
1. Der Beschwerdeführer ist durch die angefochtene Entscheidung, soweit damit seine Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, die Nichtzuerkennung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung sowie die Festsetzung der Frist für die freiwillige Ausreise abgewiesen wird, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.
2. Das Erkenntnis ist daher in diesem Umfang aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.
3. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und diese gemäß Art144 Abs3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,–
sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.
Schlagworte
Asylrecht, Entscheidungsbegründung, Ermittlungsverfahren, RückkehrentscheidungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2019:E1489.2019Zuletzt aktualisiert am
06.12.2019