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41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
EU-Grundrechte-Charta Art47 Abs2Leitsatz
Verletzung im Recht auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz eines iranischen Staatsangehörigen; keine hinreichende Klärung des Sachverhalts hinsichtlich der Glaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens sowie der Beurteilung des Glaubensabfalls des BeschwerdeführersSpruch
I. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht gemäß Art47 Abs2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verletzt worden.
Das Erkenntnis wird aufgehoben.
II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seiner Rechtsvertreterin die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Der Beschwerdeführer ist iranischer Staatsangehöriger und stellte am 2. Juni 2015 nach seiner Einreise in das Bundesgebiet einen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den Antrag mit Bescheid vom 21. September 2015 ab. Das Bundesverwaltungsgericht wies die dagegen erhobene Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 10. Oktober 2016 mit Erkenntnis vom 22. März 2017 ab.
2. Am 7. Mai 2018 stellte der Beschwerdeführer einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz.
2.1. Im Rahmen seines ersten Antrages auf internationalen Schutz gab der Beschwerdeführer an, er habe seinen Heimatstaat verlassen, weil Freunde von der Hauskirche des Beschwerdeführers in Ahvaz im Juni/Juli 2014 festgenommen worden seien. Deshalb habe er Angst bekommen und das Land verlassen. Danach habe er sich einen Monat lang bei einem Freund in Teheran aufgehalten. Sodann habe er zwei Monate in einer anderen Stadt gearbeitet und sei im Anschluss daran in die Türkei ausgereist. In der Türkei sei er nach einigen Monaten getauft worden. Er habe durch seinen Bruder erfahren, dass seine Freunde aus der Hauskirche festgenommen, dann aber wieder freigelassen worden seien, nachdem sie verleugnet hätten. Er sei über seinen Gitarrenlehrer mit dem Christentum in Berührung gekommen.
2.2. Aus Anlass des zweiten Antrages auf internationalen Schutz gab der Beschwerdeführer an, seine alten Fluchtgründe seien nach wie vor aufrecht und er wolle hinzufügen, dass er sich bestens in der Gemeinde eingefügt habe und als ehrenamtlicher Helfer in einer Pfarre tätig sei. Der Beschwerdeführer legte ein Schreiben vor, aus dem hervorging, er lebe auf Grund seiner zahlreichen ehrenamtlichen Tätigkeiten für die Pfarre ohne Bezahlung in der Gemeinde und erhalte Kost und Logis. Er besuche regelmäßig Gottesdienste und den Katechumenat Unterricht bei einem näher bezeichneten Pfarrer. Er verfüge inzwischen über ausreichende Deutschkenntnisse, die es ihm ermöglichten, als Assistent des Pfarrers beim Katechumenat tätig zu sein. Eine derartige Tätigkeit setze eine Zugehörigkeit zum römisch-katholischen Glauben voraus, was eine neuerliche Beurteilung des Falles unerlässlich mache.
2.3. In der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl brachte der Beschwerdeführer ein Konvolut an medizinischen Unterlagen vor sowie ein Unterstützungsschreiben und eine Taufbescheinigung der römisch-katholischen Pfarre. Es wird vorgebracht, der Beschwerdeführer sei getauft und gefirmt, er nehme regelmäßig an Gottesdiensten teil und lebe seinen Glauben täglich. Sie würden beten und er empfange auch die Sakramente. Er sei Assistent des Pfarrers und erkläre die Bibel den neuen Bewerbenden in Farsi.
3. Nach der Einvernahme am 9. Juli 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 23. August 2018 zurück, erteilte keinen Aufenthaltstitel gemäß §57 AsylG 2005, erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung zulässig sei. Gleichzeitig wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise gesetzt.
4. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, durch die mittlerweile erfolgte, intensive Einbindung des Beschwerdeführers in seine Kirche (Dolmetschertätigkeit, Messner, Ministrant) und die offizielle Konversion liege ein neuer Fluchtgrund vor.
5. Das Bundesverwaltungsgericht wies die Beschwerde mit Erkenntnis vom 25. September 2018 ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab. Zur Begründung wird im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
5.1. Das Bundesverwaltungsgericht teile die Auffassung der belangten Behörde, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Gesamtheit als unglaubwürdig anzusehen sei. Der Beschwerdeführer habe als neuen Sachverhalt zunächst im Zuge der Erstbefragung nur vorgebracht, seine alten Fluchtgründe seien immer noch aufrecht und er wolle hinzufügen, dass er sich bestens in seiner Gemeinde eingefügt habe und als ehrenamtlicher Helfer in der Pfarre tätig sei. Der Beschwerdeführer sei mittlerweile auch getauft und besuche dafür den Katechumenat Unterricht in der Pfarre. Er sei auch Assistent des Pfarrers.
5.2. Nun sei – so das Bundesverwaltungsgericht – der belangten Behörde zunächst nicht entgegenzutreten, wenn sie annehme, dass die persönliche Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers zunächst bereits massiv darunter leide, dass er im gesamten ersten Asylverfahren und auch vor der belangten Behörde durchgehend angegeben habe, sein Bruder lebe im Iran und er stehe in Kontakt mit diesem. Demgegenüber habe er in völligem Widerspruch dazu in seinem von ihm selbst vorgelegten ärztlichen Entlassungsbrief angegeben, auf der Flucht habe sein ihn begleitender Bruder in der Türkei Selbstmord begangen. Er habe dies noch einmal wiederholt und gleichzeitig angegeben, ein weiterer Bruder habe Selbstmord begangen, als der Beschwerdeführer in der Türkei gewesen sei. Nun sei nicht nachvollziehbar, warum der Beschwerdeführer dies nicht bereits im ersten Verfahren vorgebracht habe und der belangten Behörde sei auch nicht entgegenzutreten, wenn sie ausführe, die persönliche Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers werde dadurch bereits massiv belastet. Darüber hinaus sei es mehr als auffällig, dass ein derart wichtiges Ereignis wie der Selbstmord eines nahen Familienangehörigen nicht bereits im ersten Asylverfahren vorgebracht werde, sondern erst im Folgeverfahren und auch dort nicht vor der belangten Behörde.
5.3. Zudem sei es auffällig, dass der Beschwerdeführer am 5. März 2017 zumindest formell zum römisch-katholischen Glauben konvertiert sei, seine Vorbereitung dafür und die sicherlich wohlüberlegte Überlegung der Konversion im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 10. Oktober 2016 aber in keiner Weise erwähnt habe. Der Beschwerdeführer sei darauf bedacht, sich als "praktizierender Protestant" zu präsentieren. Es begegne keinen Bedenken, dass der Konversion der glaubhafte Kern abgesprochen worden sei.
5.4. Es sei zudem nicht nachvollziehbar, warum die angebliche Konversion – die bereits vor der Rechtskraft des ersten Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes eingetreten sein solle – dem Bundesverwaltungsgericht nicht vorgelegt worden sei, sondern ihm erst einige Monate später eine Konversionsbestätigung zugesendet worden sei.
5.5. Es begründe keinen neuen Sachverhalt, dass der Beschwerdeführer Gottesdienste besuche, da er dies bereits im ersten Verfahren vorgebracht habe. Zudem seien die Aussagen des Beschwerdeführers in Bezug auf seine Gespräche mit anderen, die zum Christentum zu konvertieren überlegten, nicht glaubwürdig. Auf die Frage einer offiziellen Missionierungstätigkeit komme es außerdem gar nicht an, da dem gesamten Vorbringen der glaubhafte Kern abzusprechen sei. Das nunmehrige Vorbringen des Beschwerdeführers sei auf Grund der massiven Ungereimtheiten und Widersprüche nicht glaubwürdig und begründe daher keinen neuen Sachverhalt. Daran vermochten auch die nunmehr vorgebrachten kirchlichen Aktivitäten des Beschwerdeführers nichts zu ändern, zumal die persönliche Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers derart massiv angegriffen sei, dass auch das Vorbringen, der Beschwerdeführer sei nunmehr innerlich konvertiert, keinen neuen Sachverhalt begründen könne.
5.6. Vor diesem Hintergrund schließe sich das Bundesverwaltungsgericht dem Ergebnis der beweiswürdigenden Überlegungen der belangten Behörde vollinhaltlich an, nämlich dass der Beschwerdeführer auch seinen Folgeantrag nunmehr rechtsmissbräuchlich zur Verlängerung seines Aufenthaltes gestellt habe.
5.7. Auf Grundlage der vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl herangezogenen Länderberichte und dem Vorbringen des Beschwerdeführers könne nicht erkannt werden, dass im Fall einer Rückkehr eine Gefahr der Verletzung der Rechte des Beschwerdeführers aus Art3 EMRK drohe. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach §57 AsylG 2005 komme ebenso wenig in Betracht und es sei auch zu dem Ergebnis zu kommen, dass die Rückkehrentscheidung keine Verletzung von Art8 EMRK darstelle, da die Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich nicht überwögen. Die Abschiebung in den Iran sei zudem zulässig und die Beschwerde sei daher als unbegründet abzuweisen.
5.8. Die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung könne gemäß §24 Abs2 Z1 VwGVG unterbleiben, da der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei zurückzuweisen sei.
6. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt wird. Begründend wird dazu im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
6.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, das angefochtene Erkenntnis verletze ihn in seinen Rechten aus Art2 und 3 EMRK sowie aus Art8 EMRK und Art47 GRC.
6.2. Der Beschwerdeführer bringt vor, er sei in der römisch-katholischen Pfarre getauft und gefirmt worden. Er lebe den Glauben täglich und bete gemeinsam mit dem Pfarrer jeden Tag; weiters empfange er auch täglich die Sakramente und sei Assistent des Pfarrers. Wesentlich sei, dass der Beschwerdeführer die Urkunden, insbesondere den Konversionsschein bereits im Vorverfahren an das Bundesverwaltungsgericht übermittelt habe. Offenkundig seien diese jedoch nicht angekommen. Sie seien im Verfahren nicht berücksichtigt worden.
6.3. Das Bundesverwaltungsgericht führe schlichtweg mit Negativfeststellungen aus, dass keine Gefahren für den Beschwerdeführer im Herkunftsstaat festgestellt werden könnten. Das Bundesverwaltungsgericht begründe floskelartig, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen jungen "gesunden" Mann handle, der arbeitsfähig sei.
6.4. Das Bundesverwaltungsgericht setze sich in keiner Weise mit dem Vorbringen zum religiösen Hintergrund des Beschwerdeführers auseinander. Es finde keinen Eingang in die Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes, dass der Beschwerdeführer vorgebracht habe, er sei am 5. März 2017 zum römisch-katholischen Glauben konvertiert. Das Bundesverwaltungsgericht setze sich zudem nicht damit auseinander, inwiefern Christen im Iran verfolgt würden. Dies sei insbesondere deshalb bemerkenswert, weil im Erstverfahren von einer Verfolgung bei missionarischer Tätigkeit im Iran ausgegangen worden sei.
6.5. Im Erstverfahren seien die Umstände der Konversion nicht berücksichtigt worden. Zwar sei der Wechsel zum römisch-katholischen Glauben vor der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes im Erstverfahren erfolgt, er sei darin aber dennoch nicht berücksichtigt worden. Es könne vor diesem Hintergrund nicht davon ausgegangen werden, dass die Konversion von der Rechtskraftwirkung umfasst sei. Es könne nicht dem Beschwerdeführer angelastet werden, dass er die Konversion erst im Jahr 2018 geltend gemacht habe. Er habe nicht davon ausgehen können, dass das Bundesverwaltungsgericht im März 2017 zwei Wochen nach seiner Konversion entscheiden würde; das Verfahren habe vorher bereits zwei Jahre angedauert. Da das Erkenntnis im Erstverfahren die Konversion in keiner Weise behandelt habe, könne ein Absprechen darüber nicht von der Rechtskraft umfasst sein. Daher sei sie vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bzw vom Bundesverwaltungsgericht zu berücksichtigen gewesen.
6.6. Es scheine, als hätten weder das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl noch das Bundesverwaltungsgericht die Fluchtgründe, insbesondere die Verfolgung von Christen, überhaupt würdigen wollen. Dem Beschwerdeführer würde jedenfalls die Verbreitung des christlichen Glaubens in der Öffentlichkeit verboten. Es könne auch zu Inhaftierungen im Iran kommen.
6.7. Der Beschwerdeführer werde mit "an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" einer Verletzung seiner Rechte aus Art2 und 3 EMRK ausgesetzt werden.
6.8. Zudem habe sich der Beschwerdeführer sehr gut in der Gemeinde integriert; er sei für die Kirche als Dolmetscher, Messner und Ministrant tätig. Er habe eine Deutschprüfung auf dem Niveau A2 bestanden und er sei strafrechtlich unbescholten. Er habe ein umfangreiches Privatleben in Österreich; er habe Freunde und sei ein anerkanntes und gern gesehenes Mitglied der Gemeinde. Er werde im Falle einer Abschiebung in seinen Rechten aus Art8 EMRK verletzt. Er erfülle mittlerweile im Übrigen auch die Voraussetzungen des §55 AsylG 2005.
6.9. Beweismittel, die er angeboten habe, seien nicht angenommen worden. Das Recht auf ein faires Verfahren sei verletzt worden.
7. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Gerichts- und Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift aber Abstand genommen und auf die Begründung der angefochtenen Entscheidung verwiesen.
II. Erwägungen
Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.
1. Für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht regelt §21 Abs7 BFA-VG den Entfall der mündlichen Verhandlung. Das Absehen von einer mündlichen Verhandlung steht – sofern zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde – jedenfalls in jenen Fällen im Einklang mit Art47 Abs2 GRC, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist (vgl VfSlg 19.632/2012).
1.1. Das Absehen von einer mündlichen Verhandlung, wenn diese zur Gewährleistung einer, den Anforderungen des Art47 Abs2 GRC an ein faires Verfahren entsprechenden Entscheidung des erkennenden Gerichtes geboten ist, stellt aber eine Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht gemäß Art47 Abs2 GRC dar (VfGH 13.3.2013, U1175/12 ua; 26.6.2013, U1257/2012; 22.9.2014, U2529/2013).
1.2. Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, dass Art47 Abs2 GRC in einem Fall, in dem die Entscheidung über das Vorliegen eines Asylgrundes wesentlich von der Glaubwürdigkeit des Asylwerbers in Bezug auf seine innere Einstellung, insbesondere etwa in Bezug auf seine religiöse Überzeugung abhängt, für deren Beurteilung der persönliche Eindruck maßgeblich ist, grundsätzlich verlangt, dass sich das erkennende Gericht selbst unmittelbar in einer mündlichen Verhandlung diesen Eindruck verschafft (vgl in diesem Zusammenhang zB VfGH 26.2.2018, E3296/2017; 24.9.2018, E3106/2018; 28.2.2019, E3436/2018; 6.6.2019, E1592/2019; weiters mwN VfSlg 19.632/2012).
2. Im vorliegenden Fall ist dem Bundesverwaltungsgericht eine Verletzung von Art47 Abs2 GRC anzulasten:
2.1. Die Entscheidung über das Vorliegen eines Asylgrundes hängt hier wesentlich von der Glaubwürdigkeit des Asylwerbers in Bezug auf seine innere Einstellung, nämlich seine religiöse Überzeugung, ab. Für die Beurteilung, ob es sich bei der Konversion des Beschwerdeführers um eine Scheinkonversion handelt, kommt nach der ständigen Rechtsprechung von Verfassungsgerichtshof und Verwaltungsgerichtshof der Frage der inneren (Glaubens-)Überzeugung des Beschwerdeführers maßgebliche Bedeutung zu (vgl VfSlg 19.837/2013; VfGH 12.6.2013, U2087/2012; 22.9.2014, U2193/2013; VwGH 2.9.2015, Ra 2015/19/0091; 23.5.2017, Ra 2017/18/0028). Für diese Beurteilung ist insbesondere der persönliche Eindruck des Beschwerdeführers wesentlich.
2.2. Einen solchen persönlichen Eindruck vermag vor dem Hintergrund des vorliegenden Falles aber nur eine Einvernahme in einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zu vermitteln. Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung ist die Glaubwürdigkeit der Konversion anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln (vgl zB VfGH 12.12.2013, U2272/2012).
2.3. Das Bundesverwaltungsgericht hat im vorliegenden Fall keine mündliche Verhandlung durchgeführt und es damit unterlassen, sich einen persönlichen Eindruck vom Beschwerdeführer zu verschaffen, obwohl es die Frage des Vorliegens eines Asylgrundes wesentlich von der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers in Bezug auf seine innere Einstellung abhängig macht.
2.4. Die Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers wird nämlich wesentlich damit begründet, die persönliche Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers werde durch Widersprüche im Vorbringen massiv beeinträchtigt. Die Angaben zu seiner Konversion stellten gegenüber dem ersten Verfahren keinen neuen Sachverhalt dar, da sie im ersten Verfahren bereits vorgebracht worden seien. Dem gesamten Vorbringen sei "der glaubhafte Kern abzusprechen". Das nunmehrige Vorbringen des Beschwerdeführers sei auf Grund massiver Ungereimtheiten und Widersprüche nicht glaubwürdig und begründe daher keinen neuen Sachverhalt. Daran vermochten auch die nunmehr vorgebrachten kirchlichen Aktivitäten des Beschwerdeführers nichts zu ändern, zumal die persönliche Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers derart massiv angegriffen sei, dass auch das Vorbringen, der Beschwerdeführer sei nunmehr innerlich konvertiert, keinen neuen Sachverhalt begründen könne. Vor diesem Hintergrund schließe sich das Bundesverwaltungsgericht dem Ergebnis der beweiswürdigenden Überlegungen der belangten Behörde vollinhaltlich an, nämlich dass der Beschwerdeführer auch seinen Folgeantrag nunmehr rechtsmissbräuchlich zur Verlängerung seines Aufenthaltes gestellt habe.
2.5. Damit unterlässt es das Bundesverwaltungsgericht, sich – im Einklang mit der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes – durch eine mündliche Verhandlung einen persönlichen Eindruck vom Beschwerdeführer zu verschaffen, obwohl es sich um einen Fall handelt, in dem es entscheidend auf die für das Vorliegen eines Asylgrundes maßgebliche religiöse Überzeugung, somit die innere Einstellung, des Beschwerdeführers ankommt.
2.6. Da der Beschwerdeführer vorliegend detailliert seine Mitarbeit und sein Engagement in der Kirche und seine intensive Einbindung in die Arbeit der Gemeinde schildert sowie seinen praktizierten Glauben vorbringt und auch Urkunden zum Beleg dessen vorlegt, handelt es sich auch nicht um einen Fall, in dem der persönliche Eindruck ausnahmsweise nicht maßgeblich ist und das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung aus diesem Grund in dieser Hinsicht keine Bedenken im Hinblick auf Art47 Abs2 GRC aufwerfen würde (vgl hiezu VfGH 28.2.2019, E3436/2018).
2.7. Indem das erkennende Gericht es im vorliegenden Fall unterlassen hat, sich im Wege einer mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck zu verschaffen, unterstellt es §21 Abs7 BFA-VG einen mit Art47 Abs2 GRC nicht zu vereinbarenden Inhalt und verletzt damit den Beschwerdeführer in seinem durch diese Bestimmung verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht.
III. Ergebnis
1. Der Beschwerdeführer ist somit durch die angefochtene Entscheidung in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht gemäß Art47 Abs2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verletzt worden.
2. Das Erkenntnis ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.
Schlagworte
Asylrecht, Verhandlung mündliche, Ermittlungsverfahren, EU-RechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2019:E968.2019Zuletzt aktualisiert am
05.12.2019