RS Vfgh 2019/9/23 E2272/2019

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 23.09.2019
beobachten
merken

Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
EU-Grundrechte-Charta Art47 Abs2
BFA-VG §21 Abs7
AsylG 2005 §3, §8, §10, §57
FremdenpolizeiG 2005 §46, §52, §55
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung Fremder untereinander und im Recht auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch Abweisung eines Antrags auf internationalen Schutz eines iranischen Staatsangehörigen; keine Durchführung einer mündlichen Verhandlung zur Beurteilung des persönlichen Eindrucks des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner Konversion vom Islam zum Christentum

Rechtssatz

Da das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) jegliche Auseinandersetzung in einem für die Begründung seiner Entscheidung wesentlichen Aspekt, nämlich der aktenkundig behaupteten und mit Beweisanboten untermauerten Konversion des Beschwerdeführers, vermissen lässt, wurde der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt. Selbst wenn, wie es in seiner Gegenschrift erläutert, dem BVwG bei seiner Entscheidungsfindung nicht der gesamte Akt (auch in Papierform) vorgelegen sein sollte, hat dies nicht der Beschwerdeführer zu verantworten.

Für die Beurteilung der behaupteten Konversion kommt der Frage der inneren (Glaubens-)Überzeugung des Beschwerdeführers maßgebliche Bedeutung zu. Für diese Beurteilung ist insbesondere der persönliche Eindruck des Beschwerdeführers wesentlich. Einen solchen vermag vor dem Hintergrund des Falles aber nur eine Einvernahme in einer mündlichen Verhandlung vor dem BVwG zu vermitteln.

Im vorliegenden Fall, in dem die Entscheidung über das Vorliegen eines Asylgrundes wesentlich von der Glaubwürdigkeit des Asylwerbers in Bezug auf seine innere Einstellung, nämlich hier seine religiöse Überzeugung, abhängt, für deren Beurteilung der persönliche Eindruck maßgeblich ist, verlangt Art47 Abs2 GRC, dass sich das erkennende Gericht selbst unmittelbar in einer mündlichen Verhandlung diesen Eindruck verschafft. Unterlässt dies das erkennende Gericht, unterstellt es §21 Abs7 BFA-VG einen mit Art47 Abs2 GRC nicht zu vereinbarenden Inhalt und verletzt damit den Beschwerdeführer in seinem durch diese Bestimmung verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Asylrecht, Verhandlung mündliche, Ermittlungsverfahren, Entscheidungsbegründung, Glaubens- und Gewissensfreiheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2019:E2272.2019

Zuletzt aktualisiert am

06.12.2019
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten