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41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1Leitsatz
Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander hinsichtlich der Abweisung eines Antrags auf internationalen Schutz betreffend einen afghanischen Staatsangehörigen; keine ausreichende Auseinandersetzung mit der Konversion vom Islam zum ChristentumRechtssatz
Im vorliegenden Fall könnte eine Konversion des Beschwerdeführers einen Grund für eine asylrelevante Verfolgung zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) darstellen. Für die Beurteilung, ob es sich bei der Konversion des Beschwerdeführers um eine Scheinkonversion handelt, kommt nach der Rechtsprechung des VfGH wie jener des VwGH der Frage der inneren (Glaubens-)Überzeugung des Beschwerdeführers maßgebliche Bedeutung zu. Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung ist die Glaubwürdigkeit der Konversion anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln. Sobald auf Grund äußerer Tatsachen ein Wechsel der Religion aus innerer Überzeugung nicht unwahrscheinlich ist, muss sich auf Grund der Persönlichkeit, aller Umstände der persönlichen Glaubwürdigkeit sowie darauf aufbauend einer ins Einzelne gehenden Beweiswürdigung und allenfalls der Einvernahme von Personen, die Auskunft über den Glaubenswechsel und die diesem zugrunde liegenden Überzeugungen geben können, ein detaillierter Eindruck darüber verschafft werden, inwieweit der Religionswechsel auf einer persönlichen Glaubensentscheidung beruht.
Diesen Anforderungen wird das BVwG angefochtenen Erkenntnis nicht gerecht: Das Erkenntnis unterlässt eine Auseinandersetzung mit jenen Fragen, die es dem Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung zu seinem Wissen über das Christentum gestellt hat, und insbesondere eine solche mit den Antworten des Beschwerdeführers auf diese Fragen. Das BVwG argumentiert, der Beschwerdeführer habe Afghanistan allein wegen der schlechten Sicherheitslage verlassen, die er der Religion zuschreibe. Seine ablehnende Haltung zu Gewalt könne nicht als innere religiöse Glaubenseinstellung verstanden werden. Sonstige Gründe oder ein Schlüsselerlebnis, das zur Hinwendung zum Christentum geführt habe, seien nicht vorgebracht worden. Auch das fehlende Bedürfnis des Beschwerdeführers, seiner Mutter von seiner Konversion zu berichten, begründe seine Unglaubwürdigkeit. Da der innere Entschluss, sich vom Islam abzuwenden und sich dem Christentum zuzuwenden, nicht glaubwürdig sei, komme es nicht darauf an, welchen religiösen Aktivitäten der Beschwerdeführer nachgehe und ob er sich inhaltlich mit dem Christentum beschäftigt habe. Diese Aspekte, die Aussagen der befragten Lebensgefährtin des Beschwerdeführers sowie eine Befragung weiterer Zeugen hätten außer Acht gelassen werden können, weil sie die innere Überzeugung des Beschwerdeführers ohnehin nicht hätten belegen können.
Diese Argumentation des BVwG ist vor dem Hintergrund der dargestellten Rsp des VfGH nicht nachvollziehbar. Das BVwG hätte sich gerade mit dem abgefragten inhaltlichen Wissen des Beschwerdeführers, den Aussagen von Zeugen, den vorgebrachten Tatsachen in Hinblick auf die kirchlichen und religiösen Aktivitäten des Beschwerdeführers und seine Einbindung in die Gemeinde auseinandersetzen und diese Aspekte in die Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers einbeziehen müssen. Der VfGH geht davon aus, dass die Glaubwürdigkeit der inneren Überzeugung in einer Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände - hiezu nennt der VfGH in seiner Rechtsprechung ausdrücklich etwa Zeugenaussagen und die religiösen Aktivitäten der betroffenen Person - zu beurteilen ist. Dem widerspricht die Argumentation des BVwG, das die mangelnde Überzeugungskraft des Beweggrundes zur Konversion genügen lässt und die übrigen Umstände wie das Wissen um das Christentum, die Besuche der Gottesdienste und die religiösen Aktivitäten sowie die Aussagen der Lebensgefährtin und die Befragung anderer Zeugen - etwa des Dompfarrers - unter Hinweis auf ihre vor dem Hintergrund der mangelnden Überzeugung des Beweggrundes anzunehmende Irrelevanz vollständig und ausdrücklich außer Acht lässt. Auf diese Weise hat das BVwG der verfassungsrechtlichen Anforderung, die Glaubwürdigkeit des Glaubenswechsels im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu ermitteln, nicht Genüge getan.
Schlagworte
Asylrecht, Ermittlungsverfahren, Entscheidungsbegründung, RückkehrentscheidungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2019:E450.2019Zuletzt aktualisiert am
05.12.2019