TE Vfgh Erkenntnis 2019/10/3 V11/2019

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Veröffentlicht am 03.10.2019
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Index

L5750 Camping, Mobilheim

Norm

B-VG Art118
B-VG Art139 Abs1 Z1
Stadtverfassung Wr §75, §76, §108
KampierV der Stadt Wien §1, §3
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Keine Bedenken gegen die Wiener Kampierverordnung 1985 betreffend das Verbot verschiedener Arten des Campierens; hinreichende Ermittlung bestehender und zu erwartender Missstände zum Erlassungszeitpunkt; kein Eintritt einer wesentlichen Änderung der maßgeblichen Umstände seit Erlassung der Verordnung

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I.       Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B-VG gestützten Antrag begehrt das Verwaltungsgericht Wien, §1 Z3 der Verordnung des Magistrats der Stadt Wien vom 7. März 1985, betreffend das Verbot des Kampierens (Kampierverordnung 1985), ABI. der Stadt Wien 12/1985, idF ABI. der Stadt Wien 40/1996, in eventu die in dieser Bestimmung enthaltene Wendung "Personenkraftwagen,", in eventu die genannte Verordnung zur Gänze als gesetzwidrig aufzuheben.

II.      Rechtslage

1.       Die §§75, 76 und 108 der Verfassung der Bundeshauptstadt Wien (Wiener Stadtverfassung – WStV), LGBl 28/1968 idF LGBl 25/2018, lauten:

"Eigener Wirkungsbereich

§75

(1) Die Gemeinde hat die Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches im Rahmen der Gesetze und Verordnungen des Bundes und des Landes in eigener Verantwortung frei von Weisungen zu besorgen. Ein Instanzenzug findet nicht statt.

(2) Der eigene Wirkungsbereich umfaßt neben den im folgenden Absatz angeführten Angelegenheiten alle Angelegenheiten, die im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse der in der Gemeinde verkörperten örtlichen Gemeinschaft gelegen und geeignet sind, durch die Gemeinschaft innerhalb ihrer örtlichen Grenzen besorgt zu werden. Die Gesetze haben derartige Angelegenheiten ausdrücklich als solche des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde zu bezeichnen.

(3) Die Gemeinde ist selbständiger Wirtschaftskörper. Sie hat das Recht, innerhalb der Schranken der allgemeinen Bundes- und Landesgesetze Vermögen aller Art zu besitzen, zu erwerben und darüber zu verfügen, wirtschaftliche Unternehmungen zu betreiben sowie im Rahmen der Finanzverfassung ihren Haushalt selbständig zu führen und Abgaben auszuschreiben.

§76

Der Gemeinde sind zur Besorgung im eigenen Wirkungsbereich die behördlichen Aufgaben insbesondere in folgenden Angelegenheiten gewährleistet:

1. Bestellung der Gemeindeorgane unbeschadet der Zuständigkeit überörtlicher Wahlbehörden; Regelung der inneren Einrichtungen zur Besorgung der Gemeindeaufgaben;

2. Bestellung der Gemeindebediensteten und Ausübung der Diensthoheit unbeschadet der Zuständigkeit überörtlicher Disziplinar-, Qualifikations- und Prüfungskommissionen;

3. örtliche Sicherheitspolizei (Art15 Abs2 B-VG), örtliche Veranstaltungspolizei;

4. Verwaltung der Verkehrsflächen der Gemeinde, örtliche Straßenpolizei;

5. Flurschutzpolizei;

6. örtliche Marktpolizei;

7. örtliche Gesundheitspolizei, insbesondere auch auf dem Gebiete des Hilfs- und Rettungswesens sowie des Leichen- und Bestattungswesens;

8. Sittlichkeitspolizei;

9. örtliche Baupolizei; örtliche Feuerpolizei; örtliche Raumplanung;

10. öffentliche Einrichtungen zur außergerichtlichen Vermittlung von Streitigkeiten;

11. freiwillige Feilbietungen beweglicher Sachen.

[…]

Ortspolizei

§108

(1) Der Magistrat hat unter Leitung und Verantwortung des Bürgermeisters die der Gemeinde zustehende Ortspolizei zu handhaben.

(2) In den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde hat der Magistrat das Recht, ortspolizeiliche Verordnungen nach freier Selbstbestimmung zur Abwehr unmittelbar zu erwartender oder zur Beseitigung bestehender, das örtliche Gemeinschaftsleben störender Mißstände zu erlassen sowie deren Nichtbefolgung als Verwaltungsübertretung zu erklären. Diese Verordnungen dürfen nicht gegen bestehende Gesetze und Verordnungen des Bundes und des Landes verstoßen. Übertretungen ortspolizeilicher Verordnungen sind mit Geld bis zu 700 Euro zu bestrafen. Überdies kann der Verfall von Gegenständen ausgesprochen werden, mit denen die strafbare Handlung begangen wurde und deren Wert 700 Euro nicht übersteigt.

(3) Die ortspolizeilichen Verordnungen sind, wenn durch Gesetz nicht anderes bestimmt ist, im offiziellen Publikationsorgan der Stadt Wien kundzumachen. Sie treten, wenn nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, mit Ablauf des Tages in Kraft, an dem das die Kundmachung enthaltende Stück des offiziellen Publikationsorgans herausgegeben und versendet wird. Sie gelten, wenn nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, für das gesamte Stadtgebiet.

(4) Wenn es im Interesse einer raschen und umfassenden Bekanntmachung liegt, kann der Magistrat überdies anordnen, daß solche Kundmachungen von den Hauseigentümern oder deren Beauftragten in ihren Häusern an einer Stelle anzuschlagen sind, die den Hausbewohnern zugänglich ist. Wer eine solche Anordnung nicht befolgt, begeht eine Verwaltungsübertretung."

2.       Die Verordnung des Magistrats der Stadt Wien vom 7. März 1985 betreffend das Verbot des Kampierens (Kampierverordnung 1985), ABI. der Stadt Wien 12/1985 idF ABI. der Stadt Wien 40/1996, lautet wie folgt (die mit dem Hauptantrag angefochtene Bestimmung ist hervorgehoben):

"Auf Grund der §§76 und 108 der Wiener Stadtverfassung wird verordnet:

§1. Außerhalb von Campingplätzen ist an im Freien gelegenen öffentlichen Orten verboten:

1. das Auflegen und das Benützen von Schlafsäcken,

2. das Aufstellen und das Benützen von Zelten sowie

3. das Abstellen von Personenkraftwagen, Omnibussen, Kombinationskraftwagen, Wohnmobilen, Wohnwagen oder Wohnwagenanhängern zu Wohnzwecken sowie deren Benützen zum Wohnen (Schlafen).

§2. §1 findet auf solche Handlungen keine Anwendung,

1. die in unmittelbarem örtlichem Zusammenhang mit einer erlaubten Tätigkeit stehen (zum Beispiel Straßenbau, genehmigte Veranstaltung) oder

2. die schon nach anderen gesundheitspolizeilichen Vorschriften verboten sind.

§3. Wer gegen ein Verbot des §1 verstößt, begeht eine Verwaltungsübertretung und unterliegt der hierfür im §108 Abs2 Wiener Stadtverfassung-WStV, LGBl für Wien Nr 28/1968 in der jeweils geltenden Fassung, vorgesehenen Strafe."

III.    Antragsvorbringen und Vorverfahren

1.       Beim Verwaltungsgericht Wien ist eine Beschwerde gegen ein Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 22. Bezirk, vom 5. Februar 2018 wegen Übertretung des §108 Abs2 WStV iVm §1 Z3 und §3 Kampierverordnung 1985 (im Folgenden: KampierV) anhängig. In diesem Straferkenntnis wird dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, dass er "am 14.01.2016 um 21.15 Uhr in 1210 Wien, Donauinsel 1, Donauinselparkplatz 3, in der Reihe der Parkplätze nächst Floridsdorfer Brücke, [...] am Parkplatz und somit an einem im Freien gelegenen öffentlichen Ort außerhalb eines Campingplatzes den Personenkraftwagen Volkswagen, Jetta, schwarz, Kennzeichen […], abgestellt und zu Wohnzwecken benutzt" habe.

2.        Das Verwaltungsgericht Wien legt die Bedenken, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, im Wesentlichen wie folgt dar (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

"1. Das Verwaltungsgericht Wien hegt das Bedenken, dass §1 Z3 der Kampierverordnung gegen §108 Abs2 der Wiener Stadtverfassung verstößt.

1.1. §108 Abs2 leg. cit. ermächtigt den Magistrat der Stadt Wien in den Ange-legenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde (vgl §76 leg. cit. in Wiederholung des [Art]118 Abs3 B-VG) zur Erlassung ortspolizeilicher Verordnungen im Sinne des Art118 Abs6 B-VG mit dem Ziel der Abwehr unmittelbar zu erwartender oder der Beseitigung bestehender, das örtliche Gemeinschaftsleben störender Missstände. […]

1.2. Art118 Abs6 B-VG ermächtigt die Gemeinde nur zur Erlassung solcher Verordnungen, welche die Abwehr oder die Beseitigung von das örtliche Gemeinschaftsleben störenden konkreten, für die Gemeinde spezifischen Missständen zum Ziel haben und die für jene Zielerreichung tauglich sind (grundlegend VfSlg 7960/1976). […] Das Vorliegen oder der Eintritt eines konkreten Missstandes ist von der verordnungserlassenden Gemeinde hinreichend zu ermitteln und – durch Berichte, Protokolle, Beschwerden von Betroffenen udgl. – entsprechend nachzuweisen (vgl hiezu etwa VfSlg 15.364/1998, 18.305/2007). […]

1.3. Unter der Annahme, dass das Abstellen von Fahrzeugen an öffentlich Orten und deren Benützung zum Wohnen bzw Schlafen einen Missstand im Sinne des Art118 Abs6 B-VG darstellen könne (vgl VfSlg 20.097/2016), vermag das antragstellende Gericht vo[r] dem Hintergrund des beigeschafften Behördenaktes zur Kampierverordnung jedoch nicht zu erkennen, dass dem verordnungsgebenden Magistrat der Stadt Wien der Nachweis, dass ein solcher Missstand im Zeitpunkt der Verordnungserlassung tatsächlich vorgelegen ist oder ernstlich zu befürchten war, gelungen wäre. Ebenso wenig erschließt sich dem Verwaltungsgericht Wien, inwiefern die Verordnungserlassung ein taugliches Mittel zur Beseitigung des behördenseits angenommenen Missstandes sei.

1.4. Wenngleich in den Allgemeinen Erläuterungen zur Kampierverordnung wörtlich ausgeführt wird, dass '[d]as sogenannte wilde Kampieren in den touristischen Ballungszentren auf dazu ungeeigneten und nicht vorgesehenen Flächen mit Wohnmobilen, Wohnwagen, Wohnwagenanhängern, aber auch das regellose 'Zelteln' auf Grünflächen, in Parks etc. [....] durch die bestehenden Rechtsvorschriften [...] offensichtlich nicht beherrschbar' sei, ist hingegen den – dem Verordnungsakt inneliegenden – Aktenvermerken der Magistratsdirektion der Stadt Wien vom 25.5.1984 […], die im Zeitraum der Vorbereitunq der Kampierverordnung verfasst wurden, zu entnehmen, dass zur Regulierung anreisender Campingtouristen bloß an einzelnen Orten (i.e. Heldenplatz, Ballhausplatz, Rathausviertel, Schloss Schönbrunn) Hinweistafeln mit der Aufschrift 'No Camping' angebracht worden seien und sich diese 'bestens bewährt' hätten; zu Pfingsten 1984 sei es 'kaum zu Unzukömmlichkeiten gekommen' bzw sind 'kaum Probleme' aufgetreten.

1.5. Aus dem Gesagten erschließt sich dem Verwaltungsgericht Wien nicht das Vorliegen eines Missstandes im Sinne des Art118 Abs6 B-VG und ist dem gesamten Verordnungsakt auch kein anderer Nachweis zu entnehmen, dass ein solcher Missstand vorgelegen oder dessen Eintritt zu erwarten gewesen sei […]. Gleiches gilt im Hinblick auf die 1996 vorgenommene Novellierung der Kampierverordnung mit (ua) der Aufnahme von 'Omnibussen' in §1 Z3 leg. cit. […]. Zwar wird in einem Schreiben des amtsführenden Stadtrates für Umwelt und Verkehr vom 1.7.1996 […] diesbezüglich – wörtlich – von 'erheblichen sanitären Übelständen am Busparkplatz Neubaugürtel' gesprochen, doch werden jene in keiner Weise konkretisiert oder nachgewiesen. Schließlich vermag das antragstellende Gericht nicht nachzuvollziehen, inwiefern die Erlassung der Kampierverordnung ein taugliches und verhältnismäßiges Mittel zur Hintanhaltung des behördenseits behaupteten Missstandes sei, wenn dem Verordnungsakt selbst zu entnehmen ist, dass alleine mit der Anbringung von Hinweistafeln an einzelnen öffentlichen Orten und der Erlassung von 'differenzierten Parkverboten' nach der StVO […] das Auslangen gefunden werden könne […].

1.6. Zu bemerken ist darüber hinaus, dass dem Verordnungsakt an keiner Stelle zumindest die Behauptung eines konkreten Missstandes in Zusammenhang mit dem Wohnen bzw Schlafen in Personenkraftwagen zu entnehmen ist. Auch erscheint fraglich, inwiefern eine Störung des Gemeinschaftslebens vorliegt, wenn jemand in seinem Personenkraftwagen, etwa zur Überwindung einer Müdigkeit, ausruht […]. Viel eher sieht das Verwaltungsgericht Wien einen Übelstand darin gelegen, dass ein übermüdeter Lenker die Fahrt mit seinem Kraftfahrzeug unter Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer antritt.

2. Aus den oben dargelegten Gründen hegt das Verwaltungsgericht Wien gleichsam das Bedenken, dass §1 Z3 der Kampierverordnung gegen Art118 Abs6 B-VG verstößt.

3. Das Verwaltungsgericht Wien hegt aus den nachfolgenden Gründen ebenfalls das Bedenken, dass §1 Z3 der Kampierverordnung gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art7 Abs1 B-VG und Art2 StGG verstößt.

3.1. […]

3.2. Aus Sicht des antragstellenden Gerichtes normiert §1 Z3 der Kampierverordnung ein absolutes, weil ausnahmsloses und für alle außerhalb von Campingplätzen im Freien gelegenen öffentlichen Orte innerhalb der Grenzen der Gemeinde Wien geltendes (vgl den Einleitungssatz des §1 leg. cit.) Verbot […], das auch keiner zeitliche[n] Beschränkung unterliegt. Weder in der Kampierverordnung selbst noch – soweit ersichtlich – in einer anderen Rechtsnorm werden räumliche oder zeitliche Bereiche oder gewisse Bedingungen festgelegt, in bzw nach denen das sog 'wilde Campieren' oder auch nur die Benützung eines Personenkraftwagens zum Wohnen bzw Schlafen erlaubt wären […]; zur Einrichtung von Erlaubnisbereichen vgl demgegenüber die Verordnung des Magistrates der Stadt Wien betreffend die Bedingungen zur Darbietung von Straßenkunst in Wien […]. Daran vermag aus Sicht des Verwaltungsgerichtes Wien auch die Bestimmung des §2 Z1 der Kampierverordnung nichts zu ändern, zumal jene nur den Anwendungsbereich der Verordnung zu begrenzen scheint, nicht jedoch Ausnahmen innerhalb dieses Anwendungsbereiches ermöglicht […].

3.3. Der Verfassungsgerichtshof hat bereits in der Vergangenheit mehrfach ausgesprochen, dass ein absolut bzw ausnahmslos geltendes Verbot, welches keine differenzierte Anwendung zulässt, sachlich nicht zu rechtfertigen ist […].

3.4. Im Lichte dieser Judikatur erscheint §1 Z3 der Kampierverordnung, v.a. unter Berücksichtigung des Umstandes, dass dem beigeschafften Verordnungsakt kein Nachweis für seine Notwendigkeit – insbesondere in dieser weitreichenden Form […] – zu entnehmen ist, unsachlich, unverhältnismäßig und daher gesetzwidrig.

4. Aus den unter Pkt. […]3. dargestellten Erwägungen hegt das Verwaltungsgericht Wien ebenso das Bedenken, dass §1 Z3 der Kampierverordnung gegen die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art8 EMRK sowie auf Schutz des Hausrechtes gemäß Art9 StGG verstößt, nicht zuletzt da die Benützung eines Wohnwagens oder Personenkraftwagens zur Befriedigung eines Wohnbedürfnisses von den Anwendungsbereichen dieser grundrechtlichen Gewährleistungen erfasst werden […].

5. Schließlich hegt das antragstellende Gericht das Bedenken, dass §1 Z3 der Kampierverordnung aus den unter Pkt. […]3. dargelegten Gründen gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Eigentumsfreiheit gemäß Art5 StGG und Art1 1. ZP-EMRK verstößt, zumal wegen Missachtung des verordneten Gebotes Geldstrafen verhängt werden (vgl §3 der Kampierverordnung iVm §108 Abs2 der Wiener Stadtverfassung) und im Anlassfall über den Beschwerdeführer eine solche auch verhängt wurde […].

6. Die Vornahme einer verfassungskonformen Interpretation des §1 Z3 Kampierverordnung scheidet aus Sicht des antragstellenden Gerichtes aus […], zumal der Wortlaut des Tatbestandes klar ist und eine verfassungskonforme Interpretation ihre Grenze jedenfalls am Wortlaut findet […]."

3.       Die verordnungserlassende Behörde hat die Akten betreffend das Zustandekommen der zur Prüfung gestellten Verordnung vorgelegt und auf die Stellungnahme der Wiener Landesregierung (Pkt. III.4.) verwiesen.

4.       Die Wiener Landesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der den im Antrag dargelegten Bedenken auszugsweise wie folgt entgegengetreten wird (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

"1. […]

2. […] Nach dem dem vorliegenden Antrag des Verwaltungsgerichtes Wien zugrundeliegenden Beschwerdefall […] wurde die damals angezeigte Person in ihrem Personenkraftwagen angetroffen und hat selbst angegeben, dass sie in diesem 'mit ihrem Hund lebt und nächtigt'. Laut dieser Anzeige waren die beiden Sitze des Fahrzeuges umgelegt und mit Decken über den vorderen und hinteren Sitzen zu einer großen Liegefläche umfunktioniert. Auf dieser lag der Angezeigte in einen Schlafsack eingewickelt und von Decken und Pölstern sowie Sackerln umgeben. Neben ihm lag sein Hund und beide schliefen.

Damit ist klar erkennbar, dass seitens der damals angezeigten Person der Tatbestand des 'wilden Kampierens' (§1 Z3 der Kampierverordnung 1985) erfüllt wurde und nicht ein bloßes 'Ausruhen' eines übermüdeten Lenkers vor Fahrtantritt erfolgte.

Wie sich im Umkehrschluss aus §2 Z2 Kampierverordnung 1985 ergibt, wurde die ortspolizeiliche Verordnung im Rahmen der im eigenen Wirkungsbereich von den Gemeinden zu besorgenden Gesundheitspolizei erlassen […]. Es handelt sich dabei somit um kein Verbot zur Regulierung von Freizeitaktivitäten und Tourismus, sondern um eine Maßnahme der örtlichen Gesundheitspolizei. Dies deshalb, da öffentliche Orte (der öffentliche Raum) nicht zum 'wilden Kampieren' eingerichtet sind. An diesen Orten fehlen Waschgelegenheiten für Menschen und für die Reinigung von Bekleidung sowie eine ausreichende Zahl von WC-Anlagen. Die Kampierverordnung 1985 ist nach ihrem eigenen Verständnis somit als gesundheitspolizeiliche Vorschrift zu qualifizieren, heißt es doch im §2 Z2 dieser Verordnung hinsichtlich der Ausnahmen vom Anwendungsbereich ausdrücklich, dass sie auf solche Handlungen keine Anwendung findet, die schon nach anderen gesundheitspolizeilichen Vorschriften verboten sind […].

Das örtliche Gemeinschaftsleben der Gemeinde Wien störende Missstände sind beim Nächtigen in Personenkraftwagen an im Freien gelegenen öffentlichen Orten in Wien ohne sanitäre Anlagen und ohne Entsorgungsmöglichkeiten für größere Abfallmengen jedenfalls unmittelbar zu erwarten. […]

Als Missstand ist daher nicht das bloße Übernachten zu verstehen. Der Missstand besteht in den hygienischen Folgen der Nächtigung an öffentlichen Orten im Freien ohne sanitäre Anlagen und ohne Müllentsorgungsmöglichkeiten, wie sie für Hausmüllmengen erforderlich sind.

Klar entgegenzutreten ist insbesondere auch den Ausführungen in Punkt […] 1.3. des Antrages. Dem Behördenakt der Magistratsabteilung 62 zur Kampierverordnung 1985 sind vielmehr umfangreiche Erwägungen zu entnehmen, die zu deren Erlassung geführt haben […]. Anlass der Verordnungserlassung war insbesondere das Abstellen und Benützen von Wohnmobilen und Campingbussen auf Straßen und Plätzen Wiens und damit im Zusammenhang auftretende sanitäre Übelstände. Am 24. Mai 1984 fand dazu eine Besprechung in der Magistratsdirektion unter Teilnahme auch der BPD Wien statt, in deren Rahmen neben kurzfristigen Maßnahmen auch die Verordnungserlassung als längerfristige Maßnahme in Aussicht genommen wurde (siehe dazu den Aktenvermerk über diese Besprechung AS 30 bis 35 des Legistikaktes). Es bestand damals auch Einigkeit, dass längerfristig der Problematik nur mit einer ortspolizeilichen Verordnung begegnet werden kann. Im Behördenakt klar festgehalten wurde auch, dass für das Kampieren in Wien schon damals in ausreichender Anzahl gewidmete Plätze zur Verfügung standen. Dies trifft auch heute noch zu. Alle diese Erwägungen sind auch den Erläuterungen zur Kampierverordnung 1985 zu entnehmen. […]

Der Verfassungsgerichtshof hat bereits in der Begründung des Beschlusses vom 18. September 2015 zu E726-727/2014-23 festgehalten, dass §1 Z1 der Kampierverordnung 1985 der Abwehr unmittelbarer zu erwartender oder der Beseitigung bestehender, das örtliche Gemeinschaftsleben störender Missstände dient, die durch das Auflegen und Benützen von Schlafsäcken an öffentlichen Orten im Freien entstehen. Nach damaliger Auffassung des Verfassungsgerichtshofes besteht keine Verfassungswidrigkeit des genannten §1 Z1 der Kampierverordnung 1985.

Den in §1 Z1 bis 3 der Kampierverordnung 1985 geregelten Verboten betreffend

- das Auflegen und Benützen von Schlafsäcken,

- das Aufstellen und Benützen von Zelten sowie

- das Abstellen von Personenkraftwagen, Omnibussen, Kombinationskraftwagen, Wohnmobilen, Wohnwagen oder Wohnwagenanhängern zu Wohnwecken sowie deren Benützen zum Wohnen (Schlafen)

liegen dieselben Erwägungen zugrunde.

Aus all diesen Gründen erweist sich die Kampierverordnung 1985 als im Einklang stehend mit den (verfassungs-)gesetzlichen Vorgaben.

3. Zu Punkt […] 3.1. bis 3.4. des Antrages:

[Es] wird erneut verkannt, dass der zu befürchtende Missstand nicht im Abstellen von Fahrzeugen an öffentlichen Orten und deren Benützung zum Wohnen bzw Schlafen selbst besteht, sondern in den daraus regelmäßig resultierenden hygienischen Problemen. Die Anordnung eines örtlich oder zeitlich beschränkten Kampierverbotes stellt kein taugliches Mittel zur Verhinderung des zu befürchtenden Missstandes dar. Dies deshalb, weil es damit bloß zu einer Verlagerung der wild kampierenden Personen in Wien käme. Eine Abstufung des Verbotes des wilden Kampierens an im Freien gelegenen öffentlichen Orten ist aufgrund der gleichen hygienischen Konsequenzen nicht möglich. […]

Aus Sicht des antragstellenden Gerichtes normiert §1 Z3 der Kampierverordnung 1985 'ein absolutes, weil ausnahmsloses und für alle außerhalb von Campingplätzen im Freien gelegenen öffentlichen Orte innerhalb der Grenzen der Gemeinde Wien geltendes Verbot, das auch keiner zeitlichen Beschränkung unterliegt', wodurch das allgemeine Sachlichkeitsgebot des Gleichheitsgrundsatzes verletzt würde.

Dem ist entgegenzuhalten, dass die Kampierverordnung 1985 selbst mit §1, 1. Satz bereits eine Einschränkung im Hinblick auf das Kampieren in Wien vornimmt, zumal von deren Anwendungsbereich ausschließlich das Kampieren an im Freien gelegenen öffentlichen Orten außerhalb von Campingplätzen umfasst ist. Daraus folgt, dass das Kampieren durch Benützen von Schlafsäcken, das Aufstellen und das Benützen von Zelten sowie das Abstellen von bestimmten Fahrzeugen zu Wohnzwecken im Freien innerhalb von Campingplätzen oder aber überhaupt auf Privatgrundstücken sehr wohl zulässig ist.

[…]

Im Hinblick auf die vom Verwaltungsgericht Wien ins Treffen geführte Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, wonach absolute bzw ausnahmslos geltende Verbote, die keine differenzierte Anwendung zulassen, sachlich ungerechtfertigt sind, ist festzuhalten, dass sich daraus im Umkehrschluss ergibt, dass eine Regelung, die ein Verhalten pauschal verbietet, jedenfalls dann eine sachliche Rechtfertigung erfährt, wenn ein diesbezüglicher Konnex zu einer spezifischen Störung des Gemeinschaftslebens, zu deren Beseitigung eine ortspolizeiliche Verordnung das taugliche Mittel wäre, vorliegt (vgl u. a. VfSlg 7960/1976).

Abgesehen davon, dass, wie oben bereits ausgeführt, überhaupt kein ausnahmsloses bzw absolutes Verbot des Kampierens im Freien in Wien existiert, sind die gegenständlichen von §1 Kampierverordnung 1985 umfassten Verbote des Kampierens im Freien auf öffentlichen Plätzen außerhalb von Campingplätzen jedenfalls sachlich gerechtfertigt, zumal nur so dem spezifischen Missstand, nämlich der Gesundheitsgefährdung, die aus dem Kampieren im Freien resultiert, begegnet werden kann. Auch ist die gegenständliche Regelung das — nicht zuletzt auch aus verwaltungsökonomischen Erwägungen — gelindeste zum Ziel führende Mittel, das erforderlich ist, um dem öffentlichen Interesse an der Vermeidung von Gesundheitsgefährdungen von Mensch und Tier, insbesondere auch in einer stark von Touristen frequentierten Weltstadt wie Wien, zu begegnen. §1 Z3 Kampierverordnung 1985 enthält demnach keine mit den Anforderungen des Gleichheitssatzes unvereinbare Regelung.

4. Zu Punkt […] 4. des Antrages:

[…]

Die in der Kampierverordnung 1985 normierten Verbote sind im Verhältnis zu dem von ihnen verfolgten gesundheitspolitischen Ziel alternativlos notwendig, geeignet und angemessen. Das Verbot des wilden Kampierens an im Freien gelegenen öffentlichen Orten ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung geboten und geeignet, um hygienisch untragbare Missstände durch das Fehlen sanitärer Anlagen und sonstiger Entsorgungseinrichtungen zu vermeiden.

Wie oben bereits zum allgemeinen Sachlichkeitsgebot ausgeführt, hat auch eine Interessenabwägung stattgefunden und hat sich das öffentliche Interesse am Gesundheitsschutz schwerer wiegend als die privaten Interessen Einzelner am freien Kampieren an öffentlichen Orten außerhalb von Campingplätzen in Wien erwiesen. Auch stellt das verhängte Verbot das gelindeste zur Erreichung des öffentlichen Interesses geeignete Mittel dar, weswegen der Eingriff in Art8 EMRK sachlich gerechtfertigt und verhältnismäßig ist.

[…]

Der inhaltlich weitere Tatbestand des Art8 EMRK kann im gegenständlichen Fall zwar zur Prüfung herangezogen werden, scheitert jedoch wohl am Umstand, dass der Begriff der Wohnung iSd Art8 EMRK enger gezogen ist als der Begriff der 'Räumlichkeiten' iSd HausrechtsG, weswegen ein schlichter Personenkraftwagen wohl nicht unter den Begriff der 'Wohnung' iSd Art8 EMRK subsumiert werden kann. Aber selbst wenn man einen schlichten Personenkraftwagen auch vom Begriff der 'Wohnung' iSd Art8 EMRK erfasst sähe, so erwiese sich — wie oben bereits ausgeführt — das Verbot des Abstellens eines solchen oder anderer Fahrzeuge auf öffentlichen Plätzen im Freien außerhalb von Campingplätzen zu Wohnzwecken mit dem Ziel des öffentlichen Gesundheitsschutzes jedenfalls als verhältnismäßig.

Soweit mit den Ausführungen in Punkt […] 4. des Antrages gemeint ist, dass die EMRK besondere Vorgaben in Bezug auf sozial benachteiligte Gruppen und einen besonderen Schutz vor Eingriffen durch den Staat vorsehe und die Wiener Kampierverordnung unverhältnismäßig in die subjektiven Rechte sozial benachteiligter Gruppen eingreife, kann dem aus den nachstehenden Gründen nicht gefolgt werden:

Zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausschließung von Menschen gilt in Wien das Wiener Mindestsicherungsgesetz — WMG (LGBl für Wien Nr 38/2010, zuletzt geändert durch LGBl für Wien Nr 49/2018). Gemäß §1 Abs2 WMG erfolgt die Bedarfsorientierte Mindestsicherung durch Zuerkennung von pauschalierten Geldleistungen ua zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs. Auf diese Leistungen besteht ein Rechtsanspruch.

[…]

Abgesehen davon, dass es Angehörigen des 'fahrenden Volks' in Wien unbenommen ist, auf Campingplätzen im Freien oder aber auf Privatgrundstücken ihre Wohnwägen abzustellen, so bietet die Stadt Wien neben den Rechtsansprüchen auf Mindestsicherung (Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs sowie allfällige darüber hinausgehende Mietbeihilfe) auch im Wege des FSW allen Obdachlosen soziale Unterstützung, insbesondere ein Angebot an Schlafstellen und besondere Hilfestellungen für Wohnungssuchende.

[…]

5. Zu Punkt […] 5. des Antrages:

[…] Im gegenständlichen Fall beruht die Verhängung einer Geldstrafe auf einer unbedenklichen Rechtsgrundlage, weswegen die behauptete Grundrechtsverletzung nicht vorliegt."

IV.      Erwägungen

1.       Zur Zulässigkeit des Antrages

1.1.     Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B-VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

Es ist nichts hervorgekommen, das daran zweifeln ließe, dass das Verwaltungsgericht Wien die mit dem (Haupt-)Antrag angefochtene Bestimmung bei seiner Entscheidung denkmöglich anzuwenden hat.

1.2.    Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der (Haupt-)Antrag als zulässig. Es erübrigt sich daher, auf die Eventualanträge einzugehen.

2.       In der Sache

Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B-VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Verordnung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).

Der Antrag ist nicht begründet.

2.1.    Das Verwaltungsgericht Wien hegt – auf das Wesentliche zusammengefasst – zunächst das Bedenken, dass die angefochtene Bestimmung mangels entsprechenden Missstandsnachweises gegen ihre gesetzliche Grundlage (§108 Abs2 WStV) und auch gegen Art118 Abs6 B-VG verstoße.

2.1.1.  Mit der KampierV werden verschiedene Arten des Kampierens – hier insbesondere das Abstellen näher spezifizierter Fahrzeugtypen "zu Wohnzwecken sowie deren Benützen zum Wohnen (Schlafen)" gemäß der angefochtenen Bestimmung des §1 Z3 KampierV – verboten, sofern keine Ausnahmen gemäß §2 KampierV vorliegen. In §3 KampierV werden Zuwiderhandlungen gegen die normierten Verbote unter Strafe gestellt.

Gestützt werden diese Regelungen auf die gesetzliche Grundlage der §§76 und 108 WStV. Gemäß §108 Abs2 WStV hat der Verordnungsgeber, also der Magistrat der Stadt Wien, in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde das Recht, ortspolizeiliche Verordnungen nach freier Selbstbestimmung zur Abwehr unmittelbar zu erwartender oder zur Beseitigung bestehender, das örtliche Gemeinschaftsleben störender Missstände zu erlassen sowie deren Nichtbefolgung als Verwaltungsübertretung zu erklären, wobei diese Verordnungen nicht gegen bestehende Gesetze und Verordnungen des Bundes und des Landes verstoßen dürfen.

Solche (zu erwartende oder bestehende) Missstände müssen von der verordnungserlassenden Behörde gemäß der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes jeweils ermittelt und nachgewiesen werden (zur Missstandsbekämpfung vgl insb. VfSlg 20.157/2017; zur grundsätzlichen Zulässigkeit der Unterbindung "wilden" Kampierens vgl ferner VfSlg 20.097/2016 und VfGH 24.11.2016, V41/2016).

2.1.2.  Der Verfassungsgerichtshof teilt die Bedenken des Verwaltungsgerichtes Wien nicht, dass es der verordnungserlassenden Behörde nicht gelungen sei, einen solchen Missstand im Zeitpunkt ihrer Erlassung hinreichend zu belegen:

Aus dem der KampierV zugrunde liegenden Aktenmaterial geht hervor, dass die Wiener Landesregierung bereits im Jahr 1983 Bedenken gegen das "'wilde' Campieren sowie das Aufstellen von Wohnwagen bzw Reisemobilen auf öffentlichen Verkehrsflächen in sanitärer Hinsicht" hegte und dass durch "Campingfahrzeuge, deren Beliebtheit bei den Reisenden ständig wächst", Belästigungen für die Anrainer entstünden (Schreiben der Verbindungsstelle vom 18. Juli 1983). "Mißstände mit Wohnwagencampern" seien "gerade auf Verkehrsflächen in prominenter Lage" aufgetreten (Schreiben des Magistrats der Stadt Wien vom 30. März 1984), und zwar an verschiedenen öffentlichen Orten (im Gegensatz zu Privatgrundstücken), worauf das Verwaltungsgericht Wien auch selbst hinweist (vgl zudem den Aktenvermerk der Magistratsdirektion der Stadt Wien vom 29. Juni 1984).

Zwar sei es im Beobachtungszeitraum (insbesondere Pfingsten 1984) "kaum zu Unzukömmlichkeiten gekommen", jedoch werde – offenbar auf Grund des damit verbundenen erheblichen Aufwands, insbesondere einer damals verstärkten Überwachung des Heldenplatzes – auf Dauer "jedenfalls ein gesetzliches Verbot des Abstellens und Benützens von Wohnmobilen und Campingbussen zu Wohnzwecken auf Straßen und Plätzen notwendig sein".

Für den Verfassungsgerichtshof ist auch nicht ersichtlich, dass sich die maßgeblichen Umstände, die zur Erlassung der KampierV geführt haben, wesentlich geändert hätten.

2.2.    Der Auffassung des Verwaltungsgerichtes Wien, dass §1 Z3 KampierV ein absolutes Verbot normiere und daher gegen Art7 Abs1 B-VG und Art2 StGG verstoße, kann ebenfalls nicht gefolgt werden: Das normierte Verbot gilt nicht für private Liegenschaften, insbesondere (ausreichend zur Verfügung stehende) Campingplätze, unterliegt Ausnahmeregelungen (§2 KampierV) und setzt zudem das Abstellen zu Wohnzwecken sowie das Benützen zum Wohnen voraus, wobei der Klammerausdruck "Schlafen" den Willen des Verordnungsgebers verdeutlicht, dass das Schlafen in einem der aufgeführten Fahrzeuge nur dann gegen §1 Z3 KampierV verstößt, wenn es auch einen Wohnzweck erfüllt.

2.3.    Bereits aus diesen Gründen gehen auch die weiteren Bedenken des Verwaltungsgerichtes Wien hinsichtlich der behaupteten Verstöße gegen das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, auf Schutz des Hausrechts sowie des Rechts auf Eigentumsfreiheit fehl.

V.       Ergebnis

1.       Der Antrag ist daher abzuweisen.

2.       Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Campingplätze, Verordnungserlassung, Verordnung ortspolizeiliche

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2019:V11.2019

Zuletzt aktualisiert am

04.12.2019
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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