TE Vwgh Erkenntnis 1980/9/18 0682/78

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Veröffentlicht am 18.09.1980
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Index

Wege- und Straßenrecht

Norm

AVG §37
BStG 1971 §17
BStG 1971 §20
BStG 1971 §4 Abs1

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):0683/78

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Lehne und die Hofräte Dr. Strassmann, DDr. Hauer, Dr. Wörth und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissär Dr. Forster, über die Beschwerde

a) des Ing. HL und der AL in M, vertreten durch den bevollmächtigten Rechtsanwalt Dr. Herwig Grosch in Kitzbühel, Rathausplatz 2/II, gegen den Bescheid des Bundesministers für Bauten und Technik vom 4. Juni 1976, Zl.: 530.492-III/9/76, b) der AL in M, vertreten durch den bevollmächtigten Rechtsanwalt Dr. Herwig Grosch in Kitzbühel, Rathausplatz 2/II, gegen den Bescheid des Bundesministers für Bauten und Technik vom 3. September 1976, Zl.: 539.679-III/9/76, in allen Fällen betreffend eine Enteignung nach dem Bundesstraßengesetz (mitbeteiligte Partei: Republik Österreich - Bundesstraßenverwaltung, vertreten durch den Landeshauptmann von Salzburg) zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid vom 4. Juni 1976 wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, der angefochtene Bescheid vom 3. September 1976 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 3.350,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Republik Österreich-Bundesstraßenverwaltung, vertreten durch den Landeshauptmann von Salzburg, brachte beim Landeshauptmann von Salzburg als Enteignungsbehörde erster Instanz für Zwecke straßenbaulicher Maßnahmen an der "Paß Thurn-Bundesstraße B 161", Baulos "Spielbichl", den Antrag auf Enteignung der dazu benötigten Grundflächen, darunter Teilen der je zur ideellen Hälfte im Eigentum der Beschwerdeführer stehenden Grundstücke Nr. 531/1, 530/1, 527/1, 519/2, 527/2 und 519/1, alle KG. X, Gemeinde M, ein. Nach dem vorgelegten Plan handelt es sich bei den Baumaßnahmen teils um eine Verbreiterung der bestehenden Trasse und teils um eine neue Trassenführung ohne Verwendung der bisherigen Trasse, letzteres im Bereich des vorhin miterwähnten Grundstückes Nr. 519/1. Der Antrag wurde am 11. September 1974 eingebracht. Am 5. März 1975 hielt die Bundesstraßenverwaltung eine Vorbesprechung mit den betroffenen Anrainern ab. Dabei erklärte der Erstbeschwerdeführer, die Notwendigkeit der Anlage einer dritten Fahrspur im Zuge des Straßenausbaues zu bezweifeln und die Errichtung eines Viehdurchlasses zu begehren. Die Bundesstraßenverwaltung teilte der Enteignungsbehörde mit Schreiben vom 1. April 1975 mit, auf diese Forderungen nicht eingehen zu können.

Die Enteignungsverhandlung wurde in einem Gasthaus in M an drei Verhandlungstagen, nämlich dem 25. April, dem 2. Mai und dem 16. Mai 1975, jeweils unter Beiziehung eines Teiles der Anlieger, durchgeführt. Die Beschwerdeführer wurden lediglich für den zweiten Verhandlungstag (2. Mai 1975) geladen, dies unter Hinweis auf die gesetzlichen Präklusionsfolgen. An den beiden ersten Verhandlungstagen wurden Sachverständigengutachten lediglich für die Grundschätzung eingeholt. Der Erstbeschwerdeführer gab am 2. Mai 1975 folgende Äußerung ab:

"Ich erhebe Einspruch gegen die Notwendigkeit der Enteignung und verweise auf das Protokoll vom 5.3.1975, in dem ich meine Wünsche für eine Vereinbarung mit der Straßenverwaltung bekanntgegeben habe. Gegen die Höhe der vorgeschlagenen Entschädigungen habe ich mich damals nicht ausgesprochen, weshalb ich verlange, daß mit mir und meiner Frau AL eine Vereinbarung getroffen wird, in der alle Probleme, insbesondere auch die gewerblichen, unter Heranziehung eines gerichtlich beeideten Sachverständigen für das Beherbergungsgewerbe behandelt werden (Konzessionsinhaberin ist meine Frau AL). Da auch ein Grundstückstausch mit Bundesstraßengrund Verhandlungsgegenstand sein soll, ersuche ich um Entsendung eines mit allen Vollmachten ausgestatteten Vertreters von seiten der Straßenverwaltung. Auch das Problem der Viehsperren und deren Situierung wurde schon ausreichend erörtert und möge der zuständige Straßenbaubezirksleiter auch diese Angelegenheit im Rahmen einer Vereinbarung klären. Aus den oben angeführten Gründen erübrigt sich eine Stellungnahme zum vorliegenden Gutachten der Sachverständigen."

Dazu äußerte sich der Vertreter der Bundesstraßenverwaltung wie folgt:

"Es wird festgestellt, daß der Grundeigentümer Herr Ing. HL am heutigen Tag Gelegenheit hatte, das beabsichtigte Bauvorhaben in Ausmaß und Art der Beanspruchung erläutert zu bekommen. Der Forderung nach Bereitstellung eines im Bundeseigentum stehenden Ersatzgrundstückes kann heute nicht entsprochen werden, da für Grundabtretungen aus dem Eigentum der Bundesstraßenverwaltung das Bundesministerium zuständig ist. Die Straßenverwaltung ist in der Frage hinsichtlich der Notwendigkeit einer Viehunterführung zugänglich, muß jedoch wie auch im Falle S feststellen, daß die Situierung einer solchen erst auf der Grundlage der erfolgten Abstimmung des Durchgangsinteresses sowie der Regelung der Wegfrage für mehrere Interessenten erfolgen kann. Abschließend sei festgestellt, daß eine umgehende Realisierung des gegenständlichen Bauvorhabens im volkswirtschaftlichen Interesse gelegen ist, da die hohe Verkehrsbelastung der B 161 nach Ausbaumaßnahmen drängt."

Erst am dritten Verhandlungstag, an welchem die Beschwerdeführer nicht geladen waren, wurde ein Befund und Gutachten des straßenbautechnischen Sachverständigen abgegeben, welches lautete:

"Die Paß Thurn-Bundesstraße im gegenständlichen Bereich weist derzeit eine Fahrflächenbreite zwischen 5,0 und 6,0 m auf, der kleinste Kurvenradius beträgt ca. 30 m und die Steigungen liegen zwischen 3 und 5 %. Der durchschnittliche Tagesverkehr (DTV) betrug im Jahre 1974 etwa 5.000 Kfz und lag im Jahre 1973 noch um 10 % höher. Der DTV betrug im Juli 1974 11.831 Fahrzeuge und die höchste Verkehrsbelastung 1974 wurde im August mit einem DTV von 13.557 gezählt. Für die Dimensionierung einer Straße wird jene stündliche Verkehrsmenge herangezogen, welche nur an 30 Stunden im Jahr überschritten wird. Da diese 30 Stunden sicher in den vorgenannten beiden Sommermonaten erreicht werden, kann demnach mit ausreichender Genauigkeit von einem DTV von 12.700 (ungefähres Mittel der Monate Juli und August 1974) als Bemessungsgrundlage ausgegangen werden. Auf Grund der Verkehrszählung 1970 und Beobachtungen des Straßenerhaltungspersonals kann der Anteil an Lkw und Pkw mit Wohnwagenanhängern mit mindestens 10 % und des öfteren bis zu 20 % angenommen werden. Diese Verkehrsbelastung würde gegebenenfalls einen 4-spurigen Ausbau rechtfertigen. Die gegenwärtigen Anlageverhältnisse entsprechen jedoch keinesfalls dem Verkehrsaufkommen. Ein sofortiger Ausbau ist unbedingt erforderlich. Der jetzt geplante Ausbau sieht eine Trasse vor, welche im wesentlichen dem Bestand folgt. Die durchschnittlichen Kurvenradien sind 300 m, der kleinste Radius unter Berücksichtigung der Variante beim Schloß M 100 m. Die Kronenbreite beträgt 12,5 m, die Breite der Fahrbahnfläche 10 m. Dies entspricht wegen der schmäleren Bankette einer Sparausführung des Bundesstraßenregelquerschnittes B 3 (Kronenbreite 13,50 m). Wegen der größtenteils übersichtlichen Linienführung und der relativ geringen Zahl von Wegeinbindungen und Hauseinfahrten kann trotz der hohen Verkehrsdichte und einer Steigung von durchschnittlich 4 % der geplante Ausbau als noch ausreichend bezeichnet werden. Eine weitere Herabsetzung der Fahrflächenbreite würde jedoch die Leistungsfähigkeit der Straße insbes. wegen des Anteils der Lkw und Wohnwagen in die Nähe der derzeitigen Leistungsfähigkeit und somit auf ein unzumutbares Maß herabdrücken. Bezüglich der von der Bundesstraßenverwaltung vorgelegten Trassenvariante im Bereich des Schlosses M wird festgestellt, daß diese gegenüber dem ursprünglichen Projekt vom 13.9.1974 vom Standpunkt der Verkehrssicherheit unbedingt vorzuziehen ist. Im Ursprungsprojekt folgen in kurzen Abständen eine Kurve mit R = 100 m, eine Zwischengerade mit einer Länge von 20 m, eine Kurve mit R = 75 m und darauf eine Kurve mit R = 100 m. Speziell die Änderung der Krümmungsverhältnisse von R = 100 m auf R = 75 m würde besonders bei der Talfahrt zu kritischen Situationen und zu einer Häufung von Verkehrsunfällen führen. In der Variante wird die Folge von verschiedenen Krümmungsverhältnissen durch eine Kurve R = 100 m ersetzt. Dies bedeutet eine wesentliche Hebung der Verkehrssicherheit. Das Ursprungsprojekt in diesem Bereich ist daher abzulehnen. Während der Verhandlung am 2. 5. 1975 sind zwischen dem Herrn JS und Ing. HL Meinungsverschiedenheiten über die Möglichkeit der Aufschließung der Liegenschaft des Herrn S nach dem Umbau der Paß Thurn-Bundesstraße aufgetreten. Dazu wird festgestellt: Die Abänderung der Zufahrt zur Liegenschaft S führt über die Gp. 531/1 des Herrn HL. Zur Errichtung dieser geänderten Zufahrt werden aus dieser Gp. projektsgemäß zusätzlich 520 m2 Grundfläche benötigt. Gegen diese zusätzliche Grundbeanspruchung hat sich während der Begehung am 2. 5. 1975 Herr Ing. HL ausgesprochen und gefordert, diese Einfahrt so abzuändern, daß nur Grundstücke des Herrn S beansprucht werden. Eine Verlegung der Zufahrt in Richtung Westen um ca. 50 m ist jedoch wegen der bergseitigen Verschwenkung der Bundesstraße gegenüber dem derzeitigen Bestand nicht möglich, da dadurch unzumutbar hohe Steigungen auf der Zufahrt auftreten würden und weiters umfangreiche und daher unwirtschaftliche Stützmaßnahmen entlang bestehender Wohnhäuser notwendig würden. Eine Verlegung der Zufahrt an den westlichen Rand der Gp. 539/2 ist wegen der unübersichtlichen Einfahrtsverhältnisse und der dadurch entstehenden Verkehrsgefährdung ebenfalls nicht möglich. Die im Projekt vorgesehene Ausbildung der neuen Einbindung ist somit die einzig mögliche Ausbildung des Anschlusses der bestehenden Zufahrtsstraße."

Den Verwaltungsakten ist kein Hinweis darauf zu entnehmen, daß dieses Gutachten den Beschwerdeführern wenigstens nachträglich zur Kenntnis gebracht worden wäre.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 27. August 1975, Zl.: I-12.342/17-1974, wurden entsprechend dem Antrag der Republik Österreich (Bundesstraßenverwaltung) Teile der Grundstücke 531/1, 530/1, 527/1, 519/2, 527/2 und 519/1, alle KG. X, Gemeinde M, teils vorübergehend, teils dauernd, im Wege der Enteignung in Anspruch genommen. Der Einwand der Beschwerdeführer gegen die Notwendigkeit der Enteignung wurde abgewiesen. In der Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt: Die Bundesstraßenverwaltung habe am 5. März 1975 unter anderem mit den Beschwerdeführern verhandelt. Aus der damals abgegebenen - im Bescheid wörtlich zitierten - Äußerung des Erstbeschwerdeführers gehe hervor, daß eine außerbehördliche Einigung über die erforderliche Grundabtretung nicht möglich gewesen sei. Erst nach Scheitern dieses Verhandlungsversuches habe die Straßenrechtsbehörde das Enteignungsverfahren anberaumt und die Beschwerdeführer nachweislich zur Verhandlung am 2. Mai 1975 unter Hinweis auf die Rechtsfolgen dieser Kundmachung hingewiesen. Auch bei dieser Verhandlung habe sich der Erstbeschwerdeführer darauf beschränkt, "Einspruch gegen die Notwendigkeit der Enteignung" zu erheben, dies unter Hinweis auf das Protokoll vom 5. März 1975. Zur Ablehnung des Straßenprojektes sei nun zu bemerken, daß der von der Straßenrechtsbehörde beigezogene Sachverständige für Straßenbau in seinem Gutachten präzise zum Ausdruck bringe, eine Herabsetzung der Fahrflächenbreite würde den Sinn eines Ausbaues überhaupt zunichte machen und es müsse daher auf die Durchführung des genannten Projektes unbedingt bestanden werden. Da aber von den Grundeigentümern L das Projekt in seiner jetzigen Form grundsätzlich abgelehnt worden sei, sei jeder weitere Versuch einer Einigung sinnlos. In der Folge wurde noch über die Entschädigungsfrage näheres ausgeführt und sodann der Standpunkt vertreten, die Beschwerdeführer hätten für die Ablehnung des Projektes keinerlei sachlich fundierte Begründungen vorbringen können, weshalb ihre Einwendungen hätten abgewiesen werden müssen.

Gegen diesen Bescheid beriefen die Beschwerdeführer, dies im wesentlichen mit folgender Begründung: Gemäß § 4 Abs. 1 des Bundesstraßengesetzes 1971 habe der Bundesminister für Bauten und Technik vor dem Bau einer neuen Bundesstraße und vor der Umlegung von Teilen einer bestehenden Bundesstraße unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen der §§ 7 und 20 Abs. 1, erster Satz, dieses Gesetzes nach den Erfordernissen des Verkehrs und darüber hinaus der funktionellen Bedeutung des Straßenzuges den Straßenverlauf im Rahmen der Verzeichnisse durch Verordnung zu bestimmen. Der geplante Ausbau der Paß Thurn-Straße B 161 im Baulos Spielbichl beinhalte nicht nur die Errichtung einer dritten Spur sondern auch die Verlegung eines Teiles der bestehenden Bundesstraße. Zirka 3/4 km der bestehenden Straße würden umgelegt und neu trassiert. Somit sei gegen § 4 des Bundesstraßengesetzes 1971 verstoßen worden. Weiters sei entgegen § 20 dieses Gesetzes nicht versucht worden, den erforderlichen Grund im Verhandlungswege zu erwerben. Bei der am 5. März 1975 stattgefundenen Verhandlung sei es aus technischen und organisatorischen Gründen gar nicht möglich gewesen, Vereinbarungen zu erzielen. Es sei weder ein Sachverständiger anwesend gewesen noch sei ein Lokalaugenschein bei den einzelnen Grundeigentümern vorgenommen worden. Wie der Verhandlungsleiter den Grundeigentümern schriftlich mitgeteilt habe, habe diese Verhandlung lediglich der Information der Grundeigentümer dienen sollen (die Abschrift eines solchen Schreibens vom 8. April 1975 lag der Berufung bei). Zu dem in der Begründung enthaltenen Argument, daß mit den Beschwerdeführern deshalb nicht habe verhandelt werden müssen, weil sie die Notwendigkeit einer dritten Spur bezweifelten, sei festgestellt, daß die wörtliche Protokollierung vom Verhandlungsleiter vorgenommen worden sei und außerdem aus den Wünschen des Erstbeschwerdeführers hervorgegangen sei, daß er sich durchaus nicht gegen den Straßenausbau wehre, sondern lediglich einen Lokalaugenschein begehre und an Ort und Stelle verhandeln wolle. Bei der am 5. März 1975 stattgefundenen Versammlung habe außerdem noch niemand gewußt, wo genau die neue Straße verlaufe. Die Erläuterung des Projektes an Ort und Stelle sei erst bei der endgültigen Enteignungsverhandlung am 2. Mai 1975 erfolgt. Es werde weiters die Verpflichtung zur Abtretung einer Parzelle für die Errichtung einer Einfahrt des Nachbarn bestritten, da es sich dabei um reine Privatinteressen handle. Im übrigen sei der Ausbau der Paß Thurn-Straße von der F-Aktiengesellschaft initiiert worden, die auch den Großteil der Baukosten übernehme. Es handle sich somit überwiegend um Privatinteressen. Zur Berufung nahm die Bundesstraßenverwaltung im wesentlichen, wie folgt, Stellung: Im Bereich der Liegenschaften der Beschwerdeführer werde die Bundesstraße nicht umgelegt, sondern nur verbreitert. Im Falle der Beschwerdeführer sei es nach der Besprechung vom 5. März 1975 deswegen weder zu einem Lokalaugenschein noch zu Verhandlungen über die Höhe der Grundentschädigung gekommen, weil diese bereits einleitend die Anlage einer dritten Spur abgelehnt hätten. Ein detailliertes Schätzgutachten sei der damaligen Besprechung zugrunde gelegen. Der Erstbeschwerdeführer habe im übrigen die Protokollierung seiner damaligen Äußerung vor Unterfertigung genau gelesen. Das Detailprojekt sei damals zur Gänze fertiggestellt gewesen und vorgelegen. Die Herstellung einer Einfahrt zur Liegenschaft S über Grundstücke der Beschwerdeführer sei technisch unumgänglich, weil sonst die Steigungsverhältnisse im Bereich der Zufahrt verkehrstechnisch nicht entsprächen. Schließlich stelle die Beitragsleistung der F-Aktiengesellschaft (40 % der Baukosten) eine privatrechtliche Vereinbarung zwischen der Republik Österreich und dieser Gesellschaft dar, die von der Frage der Notwendigkeit des Ausbaues der Bundesstraße völlig unabhängig sei.

Die belangte Behörde führte am 15. Jänner 1976 im Zuge des Berufungsverfahrens eine mündliche Verhandlung durch, bei welcher der Erstbeschwerdeführer, auch als Vertreter der Zweitbeschwerdeführerin, anwesend war. In der Niederschrift heißt es:

"Erörtert wird die Sach- und Rechtslage, wobei die Bundesstraßenverwaltung angibt: ?Es ist richtig, daß aus der Bp. 531/1, KG. X eine Grundfläche im Ausmaß von 520 m2 zur Anlegung einer Zufahrt für das Nachbargehöft S beansprucht wird.'

Der Verhandlungsleiter erläutert, daß es nicht möglich ist, im Enteignungsverfahren die Bundesstraßenverwaltung zur Abgabe von Bundesgrundstücken im Tauschwege zu verhalten. Ferner wird darauf hingewiesen, daß für die Inanspruchnahme der Grundstücke 519/1 und 527/2 auch die Beibringung einer Verordnung gemäß § 4 BStG 1971 erforderlich sein wird. Nach ausführlicher weiterer Erörterung etwaiger Vergleichsmöglichkeiten kommt aus dem Umstande, daß der Berufungswerber auf die Zusicherung, im Fall der Abgabe von Grundflächen, die zum Straßenwärterhaus T gehören, berücksichtigt zu werden, besteht, ein Vergleich nicht zustande."

Am 16. Jänner 1976 richteten die Beschwerdeführer an die belangte Behörde einen Schriftsatz, worin sie auf die Berufungsverhandlung bezug nahmen und unter anderem vorbrachten:

"Da wir die Verständigung nur wenige Tage vorher erhielten, hatten wir in der Kürze keine Möglichkeit, uns um eine rechtsfreundliche Vertretung umzuschauen, und auch die Kammern konnten wegen vorhandener Termine keinen Rechtsbeistand stellen. Infolgedessen wurden einige Angelegenheiten nicht behandelt und wir erlauben uns daher, diese noch schriftlich bekanntzugeben:

..."

In der Folge wurde unter anderem die Beiziehung eines Sachverständigen für das Beherbergungsgewerbe beantragt und darauf hingewiesen, daß dieses Verlangen schon in der Berufung gestellt worden sei. Im einzelnen wurde noch ausgeführt, warum die Beiziehung eines solchen Sachverständigen von den Beschwerdeführern für erforderlich gehalten werde, wobei die Gestaltung und Benützbarkeit der Zufahrten, die Frage der Lärmbelästigung und die Schätzung und Verkehrsminderung des Gewerbebetriebes sowie Fragen der Überbrückung der Bauzeit angeführt wurden. Des weiteren wurde neuerlich die Notwendigkeit eines Viehdurchlasses betont und das Schätzungsgutachten des landwirtschaftlichen Sachverständigen bemängelt.

Mit dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof erstangefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 4. Juni 1976, zugestellt am 11. Juni 1976, wurde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 teilweise Folge gegeben und das Ausmaß der aus dem Grundstück 531/1 der KG. X in Enteignung gezogenen Grundflächen von 940 m2 auf 420 m2 verringert. Das diesbezügliche Mehrbegehren der Enteignungswerberin wurde abgewiesen. Hingegen wurde das übrige gegen die Enteignung der Grundstücke 531/1, 530/1, 527/1, 519/2 und 527/2 der genannten Katastralgemeinde gerichtete Berufungsbegehren abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt, wobei ausgesprochen wurde, daß sich die zuerkannte Entschädigung auf die Gesamtsumme von S 271.550,-- verminderte. Weiters wurde die Entscheidung über die im erstinstanzlichen Bescheid auf dem Grundstück 519/1 in Enteignung gezogene Fläche einem gesonderten Bescheid vorbehalten. In der Begründung dieses Bescheides wurde nach Darstellung des Verfahrensverlaufes und des Berufungsvorbringens im wesentlichen ausgeführt: Aus dem Enteignungsplan gehe hervor, daß die aus den Grundstücken 530/1, 527/1, 519/2 und 527/2 enteigneten Grundflächen zum Zwecke des Ausbaues der B 161 Paß Thurn-Straße in Anspruch genommen würden. Auch aus dem Grundstück 531/1 werde eine Fläche von 420 m2 zum Zwecke des Ausbaues dieser Straße beansprucht, während weitere 520 m2 der Anlage einer Zufahrt zum Gehöft S dienen sollen. Im Bereich dieser Grundstücke erfahre die B 161 im Zuge des Ausbaues lediglich eine Verbreiterung, wobei die Linienführung der ausgebauten Trasse dem alten Trassenverlauf folge. Der derzeitige Ausbauzustand der B 161 entspreche im gegenständlichen Baulos nicht dem Verkehrsaufkommen. Der geplante Ausbau dieser Bundesstraße könne gerade als noch ausreichend betrachtet werden, um den Verkehrserfordernissen Rechnung zu tragen. Eine Herabsetzung der im Projekt der Bundesstraßenverwaltung vorgesehenen Fahrbahnbreite würde die Leistungsfähigkeit der Trasse, insbesondere wegen des Anteiles der Pkw und Wohnwagen, in die Nähe der derzeitigen Leistungsfähigkeit und somit auf ein unzumutbares Maß herabdrücken. Bei Verwirklichung des vorliegenden Ausbauprojektes sei die Inanspruchnahme der gegenständlichen Grundstücke notwendig. Diese Feststellungen seien auf Grund der vorliegenden Planunterlagen sowie des unbedenklichen und schlüssigen Gutachtens des technischen Amtssachverständigen getroffen worden, das bereits im Verfahren erster Instanz eingeholt worden sei. Demgegenüber hätten die Berufungswerber im Verfahren erster Instanz sowie im Berufungsverfahren keine Hinweise vorgebracht, die an diesen Ausführungen Zweifel begründen könnten. In rechtlicher Hinsicht sei zu erwägen gewesen: Gemäß § 17 BStG 1971 könne für die Herstellung, Erhaltung und Umgestaltung von Bundesstraßen samt den zugehörigen baulichen Anlagen sowie aus Verkehrsrücksichten das Eigentum an Liegenschaften, die dauernde oder zeitweilige Einräumung, Einschränkung und Aufhebung von dinglichen Rechten an solchen im Wege der Enteignung in Anspruch genommen werden. Gemäß § 4 dieses Gesetzes habe der Bundesminister für Bauten und Technik vor dem Bau einer neuen Bundesstraße und vor der Umlegung von Teilen einer bestehenden Bundesstraße unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen der §§ 7 und 20 Abs. 1, erster Satz, nach den Erfordernissen des Verkehrs und darüber hinaus der funktionellen Bedeutung des Straßenzuges den Straßenverlauf im Rahmen der Verzeichnisse durch Verordnung zu bestimmen. Wie aus diesen Feststellungen hervorgehe, werde im Bereich der Grundstücke 531/1, 530/1, 519/2 und 527/2 der KG. X jedoch lediglich ein Ausbau der bestehenden Trasse der B 161 vorgenommen, wobei die ausgebaute Trasse dem alten Trassenverlauf folge. Es handle sich in diesem Bereich daher weder um den Bau einer neuen Bundesstraße noch um eine Umlegung eines Teiles der bestehenden Bundesstraße. Eine Verordnung nach § 4 BStG 1971 sei daher als Grundlage der Enteignung der aus diesen Grundstücken beanspruchten Flächen nicht erforderlich. Wohl aber gehe aus dem Grundeinlösungsplan hervor, daß die aus dem Grundstück 519/1, KG. X, mit dem erstinstanzlichen Bescheid enteignete Teilfläche im Umfange der Enteignung im Zusammenhang mit der in der Folge beabsichtigten Umlegung eines Teiles der B 161 stehe. Da für diese Umlegung eine Verordnung gemäß § 4 BStG 1971 noch nicht ergangen, das Verordnungsverfahren jedoch eingeleitet sei und sich im Stadium des Anhörensverfahrens nach § 7 BStG 1971 befinde, sei über die aus diesem Grundstück beanspruchte Fläche noch keine Entscheidung getroffen worden. Der Einwand, die antragstellende Bundesstraßenverwaltung habe nicht versucht, die benötigten Grundflächen ohne Begründung eines Zwangsrechtes zu erwerben, und es sei daher die Notwendigkeit der Enteignung gemäß § 20 BStG 1971 nicht erwiesen, sei nicht zielführend. Vielmehr sei der Versuch der Bundesstraßenverwaltung, die benötigten Grundflächen vor Einleitung des Enteignungsverfahrens im privatrechtlichen Weg zu erwerben, wie sich aus einer darüber aufgenommenen Niederschrift ergebe, offenbar an den Einwendungen und Nebenforderungen der Grundeigentümer L gescheitert. Diese Überzeugung habe die Berufungsbehörde auch im Zuge der Berufungsverhandlung vom 15. Jänner 1976 gewinnen können, da auch in dieser von seiten der Grundeigentümer Forderungen erhoben worden seien, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Enteignung stünden, sodaß auch eine Einigung im Zuge des Berufungsverfahrens nicht möglich gewesen sei. Gegen das Ausmaß der beanspruchten Fläche bei Durchführung des vorliegenden Projektes hätten die Berufungswerber keine Einwendungen erhoben und es ergäben sich hier auch bei Vergleich des Lageplanes mit dem Grundeinlösungsplan keine Bedenken. Auch dem Umstand, daß der Ausbau der Paß Thurn-Straße von der F-Aktiengesellschaft initiiert und zum Teil finanziert werde, habe keine rechtliche Bedeutung, weil dies keinen Einfluß auf die Anwendbarkeit des Bundesstraßengesetzes und die Beurteilung der Notwendigkeit des Ausbaues einer Bundesstraße habe. Soweit im Schriftsatz vom 16. Jänner 1976 die kurze Vorbereitungszeit für die Berufungsverhandlung gerügt werde, müsse darauf verwiesen werden, daß die Beschwerdeführer bei dieser Verhandlung keinen Vertagungsantrag gestellt hätten. Das weitere Vorbringen in diesem Schriftsatz beziehe sich auf die Entschädigungsfestsetzung und könne daher im Berufungsverfahren gemäß § 20 Abs. 3 BStG 1971 nicht berücksichtigt werden. Ebenso könne auf die zahlreichen Nebenforderungen nicht eingegangen werden, weil die Bundesstraßenbehörde keine Möglichkeit habe, dem Enteignungswerber Auflagen zu erteilen. Da die Inanspruchnahme des Grundstückes 531/1, KG. X um eine Fläche von 520 m2 verringert worden sei und über die Inanspruchnahme des Grundstückes 519/1 derselben Katastralgemeinde noch kein Abspruch erfolgt sei, hätten die für diese Flächen im erstinstanzlichen Bescheid vorgesehenen Entschädigungsbeträge von S 19.760,-- und S 5.550,-- von der darin zugesprochenen Gesamtentschädigungssumme (S 296.860,--) in Abzug gebracht werden müssen.

Mit Verordnung des Bundesministers für Bauten und Technik vom 13. Juli 1976, kundgemacht am 29. Juli 1976 im BGBl. Nr. 383/1976, wurde auf Grund des § 4 Abs. 1 des Bundesstraßengesetzes 1971 der Straßenverlauf eines Abschnittes der B 161 Paß Thurn-Straße im Bereich der Gemeinde M wie folgt bestimmt:

"Die neu herzustellende Straßentrasse, die südlich der Talbachkehre verläuft, beginnt bei km 126,800 und endet bei km 127,500. Im einzelnen ist der Straßenverlauf aus der beim Bundesministerium für Bauten und Technik, beim Amt der Salzburger Landesregierung sowie bei der Gemeinde M aufliegenden Planunterlage (Maßstab 1 : 2880) zu ersehen. § 15 Bundesstraßengesetz 1971 findet auf den vorangeführten Straßenabschnitt Anwendung. Der in dessen Abs. 2 genannte Geländestreifen beträgt 35 m beiderseits der Straßenachse."

Mit dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof zweitangefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 3. September 1976 wurde über die Berufung, soweit sich diese gegen die Inanspruchnahme eines Teiles des Grundstückes 519/1 der KG. X richtet, unter Hinweis auf den Bescheid vom 4. Juni 1976, Zl.: 530.492-III/9-76, dahingehend entschieden, daß der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid des Landeshauptmannes, soweit er sich auf das Grundstück 519/1 beziehe, bestätigt werde. Die Entschädigung für die aus dem Grundstück 519/1 dauernd in Anspruch genommene Fläche von 222 m2 errechne sich mit S 5.550,--. In der Begründung wurde nach einer Darstellung des Verfahrensverlaufes, des Berufungsvorbringens und der Stellungnahme der Bundesstraßenverwaltung zur Berufung im wesentlichen ausgeführt:

Nunmehr liege auch die Verordnung des Bundesministers vom 13. Juli 1976, BGBl. Nr. 283/1976 (richtig: 383/1976), vor, deren Ergebnis von der Berufungsbehörde für wesentlich erachtet worden sei, und es könne daher auch über das Grundstück 519/1 eine Entscheidung ergehen. In der Folge wurde der Wortlaut der Verordnung in seinen wesentlichen Teilen wiedergegeben und bemerkt: Aus dem Grundeinlösungsplan gehe hervor, daß die mit dem in Rede stehenden Bescheid des Landeshauptmannes enteignete Teilfläche innerhalb des durch die Verordnung des Bundesministers für Bauten und Technik vom 13. Juli 1976 festgelegten Straßenabschnittes gelegen sei. Die Inanspruchnahme der aus dem Grundstück 519/1 enteigneten Fläche diene daher zum Teil der Herstellung eines neuen Straßenabschnittes, zum Teil der Verbreiterung der alten Straßentrasse der B 161. In der Folge wurde zur Notwendigkeit des Projektes dasselbe ausgeführt wie im erstangefochtenen Bescheid. Es wurde ferner darauf hingewiesen, daß die erkennende Behörde an die Verordnung der nach § 4 des Bundesstraßengesetzes 1971 unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen der §§ 7 und 20 Abs. 1, erster Satz, dieses Gesetzes erlassenen Verordnung gebunden sei. Zur Frage der Möglichkeit einer Erwerbung ohne Begründung von Zwangsrechten, zum Ausmaß der beanspruchten Fläche bei Durchführung des vorliegenden Projektes, zur Beteiligung der F-Aktiengesellschaft und zum Schriftsatz der Beschwerdeführer vom 16. Jänner 1976 finden sich dieselben Ausführungen wie im erstangefochtenen Bescheid. Schließlich wurde noch angeführt, die Entschädigungssumme errechne sich aus dem von der Bundesstraßenbehörde erster Instanz der Entschädigungsbemessung zugrunde gelegten Preis von S 25,-- pro Quadratmeter.

Gegen die beiden Berufungsbescheide der belangten Behörde vom 4. Juni 1976 und vom 3. September 1976 erhoben die Beschwerdeführer vorerst gemäß Art. 144 des Bundes-Verfassungsgesetzes Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 19. Dezember 1977, GZ.: B 300/76-15, B 444/76-11, die Beschwerde des Ing. HL gegen den Bescheid vom 3. September 1976 zurückgewiesen; der Antrag, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, wurde abgewiesen. Die Beschwerden des Ing. HL und der AL gegen den Bescheid vom 4. Juni 1976 sowie die Beschwerde der AL gegen den Bescheid vom 3. September 1976 wurden abgewiesen und zur Entscheidung darüber, ob die Beschwerdeführer durch die angefochtenen Bescheide in einem sonstigen (nicht verfassungsgesetzlich gewährleisteten) Recht verletzt worden sind, dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bezeichneten die Beschwerdeführer in einem Ergänzungsschriftsatz gemäß § 34 Abs. 2 VwGG 1965 die Beschwerdepunkte mit dem Recht auf Anwendung des § 16 Abs. 1 des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954 und des § 37 AVG 1950 sowie des § 4 Abs. 1 des Bundesstraßengesetzes 1971. In der Beschwerde wird die Aufhebung der angefochtenen Bescheide - was sich bezüglich des Erstbeschwerdeführers nur auf den Bescheid vom 4. Juni 1976 beziehen kann - wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes beantragt. Die belangte Behörde beantragt in einer Gegenschrift unter Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens die Abweisung der Beschwerde. Ebenso beantragt die mitbeteiligte Partei in einer Gegenschrift, die Beschwerde abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Rechtswidrigkeit des Inhaltes des erstangefochtenen Bescheides vom 4. Juni 1976 wird damit begründet, daß, obwohl eine Umlegung der Straße vorliege, die nach § 4 Abs. 1 des Bundesstraßengesetzes 1971 erforderliche Verordnung nicht erlassen gewesen sei. Die Beschwerdeführer vertreten dabei den Standpunkt, eine solche Verordnung müsse bereits bei Einleitung des Enteignungsverfahrens vorliegen. Dieser Auffassung vermag sich der Verwaltungsgerichtshof allerdings nicht anzuschließen, weil im Verwaltungsverfahren grundsätzlich Änderungen der Sach- und Rechtslage während eines Verfahrens - auch noch im Zuge eines Berufungsverfahrens - zu berücksichtigen sind (siehe das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Mai 1977, Slg. N.F. Nr. 9315/A). Auch der in der Beschwerde vertretene Standpunkt, es müsse immer dann, wenn auch nur ein Teil eines gesamten Straßenbauprojektes als Umlegung nach § 4 Abs. 1 des Bundesstraßengesetzes 1971 anzusehen sei, weil in diesem Bereich die vorhandene Straßentrasse verlassen werde, für das Gesamtprojekt eine Verordnung im Sinne der zitierten Gesetzesstelle erlassen werden, entspricht nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes nicht der Rechtslage. § 4 Abs. 1 des Bundesstraßengesetzes 1971 sieht nämlich die Erlassung einer Verordnung nur für den - hier nicht in Betracht kommenden - Fall des Baues einer neuen Bundesstraße und für den Fall der Umlegung von Teilen einer bestehenden Bundesstraße vor. Unter Umlegung einer bestehenden Bundesstraße ist nun nach dem Wortsinn des Gesetzes die Vornahme solcher zu einer Veränderung des bisherigen Straßenverlaufes führender baulicher Maßnahmen zu verstehen, mit denen eine Teilstrecke oder mehrere Teilstrecken der Trasse einer bestehenden Bundesstraße, von dieser abzweigend, zur Gänze auf Grundflächen, die bisher nicht als Bundesstraße gewidmet waren, so verlegt (umgelegt) werden, daß die auf diesen Grundflächen errichtete neue Trasse wieder in die Trasse der bestehenden Bundesstraße einmündet (siehe diesbezüglich das in der vorliegenden Sache ergangene Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 19. Dezember 1977, GZ.: B 300/76-15, B 444/76-11, welchen Ausführungen sich der Verwaltungsgerichtshof anschließt). Dem gegenüber ist im § 17 Abs. 1 des Bundesstraßengesetzes 1971 eine Enteignung für die Herstellung, Erhaltung und Umgestaltung von Bundesstraßen samt den dazugehörigen baulichen Anlagen sowie aus Verkehrsrücksichten vorgesehen. Wenn der Gesetzgeber also im § 17 und im § 4 Abs. 1 verschiedene Begriffe gewählt hat, so ist im Zweifel davon auszugehen, daß sich unter diesen verschiedenen Begriffen auch verschiedene Begriffsinhalte verwirklichen. So betrachtet, ist die Umgestaltung als der weitere Begriff gegenüber der Umlegung anzusehen, der neben dieser auch sonstige bauliche Veränderungen an der Bundesstraße umfaßt. Für solche, nicht als Umlegung zu wertende Umgestaltungen einer bestehenden Bundesstraße ist die Erlassung einer Verordnung nicht Voraussetzung. Mangels gegenteiliger Anordnung des Gesetzgebers kann demnach auch nicht bei der Aneinanderreihung einer Umlegung und einer sonstigen Umgestaltung einer Bundesstraße auch für die letztere die Erlassung einer Verordnung für erforderlich gelten.

Das Beschwerdevorbringen, es hätte vor der Enteignung der nicht für eine Umlegung der Straße, sondern für eine sonstige Umgestaltung erforderlichen Grundflächen wegen des gegebenen Zusammenhanges dieser beiden straßenbaulichen Maßnahmen einer Verordnung bedurft, ist jedoch dennoch im Ergebnis berechtigt, wenn auch nur mit der Einschränkung, daß es für die gesamte Enteignung der vorherigen Erlassung einer Verordnung für den als Umlegung anzusehenden Teil des gesamten Straßenbauprojektes bedurft hätte; dies aus folgenden Gründen: Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 27. Juni 1978, Zl. 434/76, auf welches unter Erinnerung an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen wird, ausgesprochen und begründet hat, ist § 20 des Bundesstraßengesetzes 1971 so auszulegen, daß die eine Voraussetzung der Enteignung bildende Notwendigkeit der Enteignung nur dann vorliegt, wenn durch die Enteignung der Enteignungszweck unmittelbar verwirklicht werden kann. Dies trifft dann nicht zu, wenn dem geplanten Straßenbau gesetzliche Hindernisse entgegenstehen. Im vorliegenden Fall ist nun davon auszugehen, daß die in oberster Instanz mit dem erstangefochtenen Bescheid ausgesprochene Enteignung für sich allein nicht geeignet ist, die Durchführung des gesamten Straßenbauprojektes zur Sanierung des Bauloses "Spielbichl" zu gewährleisten, wobei die nicht als Umlegung anzusehende Verbreiterung der bestehenden Straßentrasse ohne die gleichzeitige Umlegung nicht geeignet wäre, die von der belangten Behörde angenommenen Voraussetzungen einer Verbesserung der Verkehrsverhältnisse zu bewirken. Der Verwirklichung des Enteignungszweckes stand daher so lange ein gesetzliches Hindernis entgegen, als nicht die für den als Umlegung zu wertenden Teil des Gesamtprojektes nach § 4 Abs. 1 des Bundesstraßengesetzes 1971 erforderliche Verordnung erlassen und kundgemacht war. Da die Kundmachung dieser Verordnung erst nach Erlassung des angefochtenen Bescheides, nämlich am 29. Juli 1976, erfolgte, hat die belangte Behörde zum Zeitpunkt der Erlassung des erstangefochtenen Bescheides - er wurde bereits am 11. Juni 1976 zugestellt - im Sinne des vorzitierten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Juni 1978 auf Grund eines Rechtsirrtumes die Notwendigkeit der Enteignung nach § 20 des Bundesstraßengesetzes 1971 Im Hinblick auf das Fehlen der Verordnung nach § 4 des Bundesstraßengesetzes 1971 zu Unrecht angenommen und damit die Beschwerdeführer mit dem erstangefochtenen Bescheid im Beschwerdepunkt in ihren Rechten verletzt. Der erstangefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 316/1976 aufzuheben.

Es ist somit entbehrlich, auf die von den Beschwerdeführern geltend gemachte Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften näher einzugehen. Der Gerichtshof sieht sich allerdings veranlaßt darauf hinzuweisen, daß seiner Auffassung nach insofern eine Verletzung des Parteiengehörs nach §§ 37 und 45 AVG 1950 unterlaufen ist, als den Beschwerdeführern das Gutachten des straßenbautechnischen Sachverständigen nach dem Inhalt der Verwaltungsakten niemals ausdrücklich vorgehalten und der Inhalt dieses Gutachtens auch im erstinstanzlichen Bescheid nicht so ausreichend wiedergegeben wurde, daß den Beschwerdeführern die Möglichkeit geboten gewesen wäre, in ihrer Berufung dieses Gutachten inhaltlich zu bekämpfen. Die Möglichkeit einer Akteneinsicht nach § 17 AVG 1950 kann hier den Beschwerdeführern nicht entgegengehalten werden, weil die Akteneinsicht bloß ein Recht, nicht aber eine Verpflichtung der Parteien eines Verwaltungsverfahrens ist. Die belangte Behörde wird daher im fortgesetzten Verwaltungsverfahren auch diesen Verfahrensmangel zu sanieren haben. Hingegen findet der Gerichtshof nicht, daß die belangte Behörde verpflichtet gewesen wäre, weitere Versuche einer gütlichen Einigung zwischen der antragstellenden Bundesstraßenverwaltung und den Beschwerdeführern zu unternehmen, weil die Beschwerdeführer im vorangegangenen Verfahren zwar an sich verhandlungsbereit, aber nicht damit einverstanden waren, den gesamten zur Straßenverbreiterung vorgesehenen Grund zu überlassen.

Zur Rechtswidrigkeit des Inhaltes des zweitangefochtenen Bescheides bringt die Zweitbeschwerdeführerin - der Erstbeschwerdeführer ist an diesem Teil des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht beteiligt, weil, wie bereits erwähnt, sein Abtretungsantrag vom Verfassungsgerichtshof abgewiesen wurde - vor, zum Zeitpunkt der Einleitung des Enteignungsverfahrens, aber auch zum Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides, ja sogar bei der mündlichen Berufungsverhandlung sei die für die Enteignung eines Teiles der Gp. 519/1, KG. X, erforderliche Verordnung des Bundesministers für Bauten und Technik nach § 4 Abs. 1 des Bundesstraßengesetzes 1971 noch nicht vorgelegen, sodaß gegen §§ 19 und 20 dieses Gesetzes verstoßen worden sei. Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, die Rechtswidrigkeit des zweitangefochtenen Bescheides darzutun, da, wie bereits zum erstangefochtenen Bescheid ausgeführt, die Berufungsbehörde die Rechtslage zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung zu berücksichtigen hatte und zu diesem Zeitpunkt, wie ebenfalls bereits erwähnt, die diesbezügliche Verordnung bereits in Kraft war. Die behauptete Rechtswidrigkeit des Inhaltes des zweitangefochtenen Bescheides liegt daher nicht vor.

Hingegen ist die Zweitbeschwerdeführerin mit ihrer Behauptung im Recht, die belangte Behörde habe die Verpflichtung zur Wahrung des Parteiengehörs verletzt. Wie nämlich der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (siehe etwa das Erkenntnis vom 13. April 1964, Slg. N.F. Nr. 6300/A, aber auch die Erkenntnisse vom 8. Juni 1970, Zl. 1841/69, und vom 18. Jänner 1971, Zl. 1180/70, auf welche unter Erinnerung an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen wird) ausgesprochen und begründet hat, ist bei Änderung der Rechtslage den Parteien des Verfahrens ausdrücklich das rechtliche Gehör nach § 37 AVG 1950 zu gewähren. Dieser Verpflichtung ist die belangte Behörde nicht nachgekommen, indem sie ohne weiteres Verfahren nach Kundmachung der Verordnung des Bundesministers für Bauten und Technik vom 13. Juli 1976, BGBl. Nr. 383/1976, den auf diese Verordnung gestützten zweitangefochtenen Bescheid erließ. Daß es sich dabei um einen rechtserheblichen Verfahrensmangel handelte, geht daraus hervor, daß die Zweitbeschwerdeführerin - vertreten durch den Erstbeschwerdeführer - bei der Enteignungsverhandlung vom 2. Mai 1975 die Notwendigkeit der Enteignung bestritten und in ihrer Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid ausdrücklich das Fehlen einer Verordnung nach § 4 Abs. 1 des Bundesstraßengesetzes 1971 gerügt hatte, welches Vorbringen bezüglich der mit dem zweitangefochtenen Bescheid in oberster Instanz enteigneten Grundfläche damals durchaus tragfähig war, aber seine Grundlage durch das Inkrafttreten der zitierten Verordnung verloren hatte, sodaß die Zweitbeschwerdeführerin, was an sich rechtlich möglich war, mit anderen Argumenten gegen die von ihr abgelehnte Enteignung auftreten mußte. Hätte ihr die belangte Behörde diese Möglichkeit eingeräumt, so hätte sie zu einem anderen Bescheid gelangen können. Angesichts der Offenkundigkeit der Relevanz des Verfahrensmangels kann es der Zweitbeschwerdeführerin auch nicht schaden, daß sie in der Beschwerdeschrift nicht näher ausführte, was sie bei Gewährung des Parteiengehörs in der Verwaltungsebene vorgebracht hätte.

Der zweitangefochtene Bescheid war daher auf Grund der Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über die Kosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 316/1976 und die Verordnung des Bundeskanzlers vom 31. Oktober 1977, BGBl. Nr. 542.

Wien, am 18. September 1980

Schlagworte

Parteiengehör Rechtsmittelverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1980:1978000682.X00

Im RIS seit

06.12.2019

Zuletzt aktualisiert am

06.12.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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