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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Repa, über die Beschwerde des Dr. R in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 15. Februar 1993, Zl 6/3-3333/93-03, betreffend Einkommensteuer 1991 und Vermögensteuer zum 1. Jänner 1991, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein pensionierter praktischer Arzt, reichte beim Finanzamt für das Jahr 1991 eine Einkommensteuererklärung ein, in welcher er (negative) Einkünfte aus selbständiger Arbeit, Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sowie sonstige Einkünfte erklärte. Mit Ergänzungsersuchen vom 8. Juli 1992 wies das Finanzamt darauf hin, daß dem Beschwerdeführer durch den Verkauf eines Hausanteiles am 10. Juli 1990 ein Kaufpreis in Höhe von S 2,8 Mio zugeflossen sei. Es wurde um Mitteilung ersucht, wie dieser Betrag verwendet wurde und ob dem Beschwerdeführer diesbezüglich Zinsen zugeflossen seien. Gleichzeitig forderte das Finanzamt den Beschwerdeführer auf, zum 1. Jänner 1991 eine beiliegend übermittelte Vermögensteuererklärung vollständig ausgefüllt bis 18. August 1992 einzureichen. Am 31. Juli 1992 wurde von einer Steuerberatungsgesellschaft u.a. unter Hinweis auf das neu übernommene Vertretungsverhältnis um Fristverlängerung hinsichtlich des Vorhaltes vom 8. Juli 1992 bis 30. September 1992 ersucht. In der Folge ersuchte der Beschwerdeführer durch seinen steuerlichen Vertreter mehrfach, zuletzt am 30. November 1992, um weitere Fristverlängerung bis Ende Dezember 1992. Da auch bis zu diesem Zeitpunkt weder eine Vorhaltsbeantwortung noch eine Vorlage der Vermögensteuererklärung erfolgte, erließ das Finanzamt im Jänner 1993 einen vorläufigen Einkommensteuerbescheid, in welchem neben den erklärten Einkünften unter Hinweis auf § 184 BAO Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von S 196.000,-- angesetzt wurden, und einen Vermögensteuerbescheid, in welchem (ebenfalls unter Hinweis auf § 184 BAO) bei Festsetzung der Vermögensteuer von einem steuerpflichtigen Vermögen von S 2,362.000,-- ausgegangen wurde.
Der Beschwerdeführer erhob durch seinen steuerlichen Vertreter gegen diese Bescheide Berufung, in welcher er sich gegen die geschätzten Einkünfte und das geschätzte Vermögen wandte. Es sei auf Grund der "uns derzeit vorliegenden Unterlagen nicht ersichtlich, ob Einkünfte aus Kapitalvermögen vorliegen. Der Pflichtige konnte bis dato keine Unterlagen finden, die eine Vorhaltsbeantwortung möglich gemacht hätten. Sollten tatsächlich Einkünfte aus Kapitalvermögen zum Tragen gekommen sein, so würden diese unserer Kenntnis nach unter die Steueramnestie fallen", weshalb ersucht werde, der Berufung stattzugeben. In der Folge erklärte das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid für endgültig.
Über Vorhalt der belangten Behörde führte der steuerliche Vertreter mit Vorhaltsbeantwortung vom 18. Jänner 1994 aus, daß der Verkaufserlös aller Wahrscheinlichkeit nach zu einem Gutteil zum Umbau eines Einfamilienhauses verwendet worden sei. Eine genaue Rekonstruktion der Geldverwendung und deren Zeitraum sei nicht mehr möglich. Die Investitionen hätten Mitte 1990 begonnen und bis Ende 1991 angedauert.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde - soweit dies vor dem Verwaltungsgerichtshof verfahrensgegenständlich ist - ab. Weder aus den Berufungsausführungen noch aus der Vorhaltsbeantwortung ließe sich für eine "positive" Erledigung der Berufung etwas gewinnen. Da dem Beschwerdeführer bereits seit 1991 bekannt gewesen sei, daß das Finanzamt bezüglich seiner Kapitaleinkünfte Erhebungen gepflogen habe, komme eine Amnestie im Sinne des § 4 Abs 1 Endbesteuerungsgesetz nicht in Betracht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:
Die Beschwerde rügt zunächst, daß die belangte Behörde die gesetzlichen Bestimmungen der im Endbesteuerungsgesetz BGBl Nr 11/1993 enthaltenen Steueramnestie unrichtig angewandt hätte. Gemäß § 4 Abs 1 Endbesteuerungsgesetz sind für die Jahre vor 1993 sowie für Todesfälle vor dem 1. Jänner 1993 Einkünfte und Vermögen im Sinne des § 1 Abs 1 weder bei der Festsetzung der Einkommensteuer (Körperschaftsteuer) und Vermögensteuer sowie bei der Festsetzung der Erbschafts- und Schenkungssteuer von Erwerben von Todes wegen noch finanzstrafrechtlich zu berücksichtigen (Steueramnestie). Die Steueramnestie ist ausgeschlossen, wenn der Steuerpflichtige bis zum 31. Dezember 1992 davon Kenntnis hatte, daß die Einkünfte für das maßgebliche Kalenderjahr oder die Vermögen für den maßgeblichen Zeitpunkt Gegenstand abgabenrechtlicher oder finanzstrafrechtlicher Ermittlungen sind oder daß sie den Abgabenbehörden bekannt waren.
Der Beschwerdeführer rügt - gestützt auf einen (nicht im Bundesgesetzblatt verlautbarten und daher keine für den Verwaltungsgerichtshof maßgebende Rechtsquelle darstellenden) Durchführungserlaß zur Steueramnestie sowie auf entsprechende Literatur - insbesondere, daß im Beschwerdefall auch der sogenannte Ermittlungstatbestand nicht erfüllt sei, weil danach die Ermittlungen konkreter Natur sein müßten, sodaß sich die Ermittlungen gezielt auf eine ab 1993 der Endbesteuerung unterliegende Kapitalanlage hätten beziehen müssen. Es müsse daher den Abgabenbehörden das Vorliegen einer solchen Kapitalanlage dem Grunde nach bekannt sein.
Diese Auffassung findet jedoch im Gesetz keine Deckung, weil § 4 Abs 1 Endbesteuerungsgesetz zur Frage, wann die Amnestie ausgeschlossen ist, die bestimmte Kenntnis des Steuerpflichtigen normiert, daß die Einkünfte für das maßgebliche Kalenderjahr oder die Vermögen für den maßgeblichen Zeitpunkt Gegenstand
u. a. abgabenrechtlicher Ermittlung sind. Wird im Gesetz aber für die Ausnahme von der Steueramnestie u.a. die Voraussetzung genannt, daß die Einkünfte und Vermögen Gegenstand von abgabenbehördlichen Ermittlungen sein müssen, so ist diese Voraussetzung nicht nur dann als erfüllt anzusehen, wenn Ermittlungen hinsichtlich der Höhe von dem Grunde nach bekannten Einkünften angestellt werden, sondern auch dann, wenn die Behörde dahingehende Ermittlungen anstellt, ob überhaupt durch verzinsliche Anlage von bekanntem Vermögen entsprechende Einkünfte vorliegen, weil auch diese Ermittlungen solche abgabenrechtlicher Art sind. Die in einem Vorhalt gestellte Frage nach der Verwendung von der Abgabenbehörde bekanntem Vermögen und nach entsprechenden Zinsen muß dabei als konkrete Ermittlung hinsichtlich allfälliger Einkünfte aus Kapitalvermögen angesehen werden. Auch hinsichtlich der Vermögensteuer bezogen sich die Ermittlungen konkret auf ganz bestimmtes Vermögen, nämlich Barvermögen aus dem der Behörde bekannten Hausanteilsverkauf. Die diesbezügliche Rechtsrüge des Beschwerdeführers ist daher unbegründet.
Der Beschwerdeführer rügt aber auch Mängel des Verwaltungsverfahrens zu Unrecht. In seiner Vorhaltsbeantwortung vom 18. Jänner 1994 (an die belangte Behörde) brachte der Beschwerdeführer lediglich vor, daß "wahrscheinlich ein Gutteil des Betrages zum Umbau eines Einfamilienhauses in Wien 23 verwendet" worden sei, wobei diese Verwendung im Zeitraum Mitte 1990 bis Ende 1991 erfolgt sei. Der Beschwerdeführer behauptete somit weder selbst konkret, daß der aus dem verkauften Hausanteil zugeflossene
Betrag tatsächlich in einem bestimmten Ausmaß (... "wahrscheinlich
ein Gutteil" ...) verwendet wurde, noch wann dies allenfalls geschehen war.
Gemäß § 115 Abs 1 BAO haben die Abgabenbehörden die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind. Dieser Verfahrensgrundsatz schließt jedoch die Verpflichtung der Partei, zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes beizutragen, nicht aus. Umfang und Intensität der amtswegigen Ermittlungspflicht sind sogar nur unter Bedachtnahme auf die korrespondierenden Pflichten der Partei bestimmbar. In dem Ausmaß, in dem die Partei zur Mitwirkung an der Wahrheitsfindung ungeachtet ihrer Verpflichtung hiezu nicht bereit ist bzw eine solche unterläßt, tritt die Verpflichtung der Behörde, den Sachverhalt nach allen Richtungen über das von ihr als erwiesen erkannte Maß hinaus zu prüfen, zurück (vgl etwa das hg Erkenntnis vom 3. November 1986, 84/15/0197 mwN).
Vor diesem Hintergrund sind bei dem einer Verweigerung der Mitwirkungspflicht gleichkommenden überaus vagen Vorbringen des Beschwerdeführers keine durch die Unterlassung weiterer Versuche zur Sachverhaltsermittlung verursachte Verfahrensmängel durch die belangte Behörde zu erkennen, zumal der Beschwerdeführer auch in der Beschwerde nicht aufzeigt, durch welche konkreten Ermittlungsschritte die belangte Behörde eine allenfalls weitere Klärung des Sachverhaltes hätte herbeiführen können.
Da sich die Beschwerde somit insgesamt als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen, wobei von der beantragten Verhandlung aus dem Grunde des § 39 Abs 2 Z 6 VwGG abgesehen werden konnte.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 416/1994.
Wien, am 30. September 1998
Schlagworte
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung MitwirkungspflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1994130099.X00Im RIS seit
19.02.2002Zuletzt aktualisiert am
25.08.2011