TE Vwgh Beschluss 2019/10/23 Ra 2019/19/0365

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Veröffentlicht am 23.10.2019
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verfassungsgerichtshof
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art135 Abs2
B-VG Art135 Abs3
B-VG Art83 Abs2
BVwGG 2014 §17 Abs3
VwGG §42 Abs2 Z2

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, über die Revision des A S, vertreten durch Mag. Ronald Frühwirth, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Grieskai 48, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. Jänner 2019, W272 2154798-1/12E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber ist Staatsangehöriger Afghanistans und stellte am 19. August 2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies diesen Antrag mit Bescheid vom 10. April 2017 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab (Spruchpunkte I. und II.), erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung und sprach aus, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. des Bescheides des BFA ab, änderte den Spruchpunkt III. des Bescheides dahingehend ab, dass ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gr??nden nicht erteilt werde, die Rückkehrentscheidung jedoch vorübergehend unzulässig sei, und hob den Spruchpunkt IV. des Bescheides ersatzlos auf. Weiters sprach das BVwG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4 Mit Beschluss vom 11. Juni 2019, E 922/2019-6, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Beschwerde des Revisionswerbers gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG ab und trat die Beschwerde mit Beschluss vom 12. Juli 2019, E 922/2019-8, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 8 Die Revision macht unter dem Gesichtspunkt ihrer Zulässigkeit geltend, die angefochtene Entscheidung sei von einem für die Rechtssache nach der Geschäftsverteilung nicht zuständigen Richter, nämlich dem Leiter der Gerichtsabteilung W272, getroffen worden. Für die Rechtssache sei nach der Geschäftsverteilung zunächst die Leiterin der Gerichtsabteilung W220 zuständig gewesen, der die Rechtssache jedoch "offenbar" abgenommen worden sei. Eine Abnahme und Neuzuweisung sei nur in den "in Art. 87 Abs. 3 B-VG" normierten Fällen der Verhinderung bzw. Überlastung eines Richters zulässig. Selbst für den Fall, dass die Voraussetzungen der Neuzuweisung nach dieser Bestimmung vorgelegen seien, habe keine Zuständigkeit des am 1. Oktober 2018 als Richter des BVwG ernannten Leiters der Gerichtsabteilung W272 bestanden. Die Geschäftsverteilung des BVwG sehe nämlich zwar eine Zuweisung von Rechtssachen der Zuweisungsgruppe "AFR-W1", in die die vorliegende Sache gefallen sei, an die Gerichtsabteilung W272 vor. Im Zeitraum von 1. Oktober 2018 bis 30. November 2018 - somit in dem Zeitraum, in dem die Neuzuweisung offenkundig erfolgt sei - habe jedoch nach der Anlage 2 der Geschäftsverteilung eine Zuweisungssperre für die Gerichtsabteilung W272 bestanden. 9 Es entspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass eine Entscheidung durch einen nach der Geschäftsverteilung eines Verwaltungsgerichtes nicht zuständigen (Einzel-)Richter im Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zur Aufhebung der Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes führt (vgl. VwGH 21.11.2018, Ro 2018/03/0049; 29.6.2017, Ra 2017/21/0032; 26.4.2017, Ra 2016/19/0221).

10 Gemäß § 17 Abs. 1 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) wird jede im BVwG anfallende Rechtssache dem nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter oder Senat zugewiesen. Nach § 17 Abs. 3 BVwGG kann der Geschäftsverteilungsausschuss einem Einzelrichter oder Senat eine ihm zufallende Rechtssache durch Verfügung abnehmen, wenn der Einzelrichter oder Senat verhindert oder wegen des Umfangs seiner Aufgaben an deren Erledigung innerhalb einer angemessenen Frist gehindert ist. Diese einfachgesetzliche Regelung findet ihre verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 135 Abs. 3 B-VG (vgl. VwGH 14.12.2018, Ra 2018/01/0184; vgl. näher zu den verfassungsrechtlichen Grundlagen nochmals VwGH 29.6.2017, Ra 2017/21/0032).

11 Wie die Revision selbst erkennt, ist im vorliegenden Fall die Rechtssache neu zugeteilt worden. Konkret hat der Geschäftsverteilungsausschuss des BVwG mit Verfügung vom 25. September 2018 auf der Grundlage des § 17 Abs. 3 BVwGG die Rechtssache mit Wirksamkeit vom 1. Oktober 2018 der Leiterin der Gerichtsabteilung W220 abgenommen (§ 1 Abs. 1 dieser Verfügung) und dem Leiter der Gerichtsabteilung W272 zugewiesen (§ 2 Abs. 1 dieser Verfügung). Begründend wurde ausgeführt, die Neuzuteilung der Rechtssache an die mit 1. Oktober 2018 neu eingerichtete Gerichtsabteilung sei zur Ermöglichung einer zeitnahen Erledigung sowie zur Herstellung einer möglichst gleichmäßigen Auslastung der Gerichtsabteilungen erforderlich. Eine Rechtswidrigkeit dieser Verfügung des Geschäftsverteilungsausschuss zeigt die Revision nicht auf (vgl. in diesem Sinn zur selben Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses VwGH 27.6.2019, Ro 2019/14/0001; 20.2.2019, Ro 2019/20/0001).

12 Mit ihren weiteren Ausführungen übersieht die Revision, dass es sich bei der in § 17 Abs. 3 BVwGG auf der verfassungsrechtlichen Grundlage des Art. 135 Abs. 3 B-VG vorgesehenen Möglichkeit der Abnahme einer einem Richter zufallenden Rechtssache, um eine Ausnahme von der Festlegung der Zuständigkeit durch die in der Geschäftsverteilung im Vorhinein festgelegten Regeln (Grundsatz der festen Geschäftsverteilung) handelt (vgl. nochmals VwGH 29.6.2017, Ra 2017/21/0032). Es kann daher nicht zweifelhaft sein, dass der im konkreten Fall ergangenen Verfügung vom 25. September 2018 als speziellere Anordnung Vorrang vor den allgemeineren Regelungen der Geschäftsverteilung, zu denen auch die Zuweisungssperre zählt, zukommt.

13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 23. Oktober 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019190365.L00

Im RIS seit

09.12.2019

Zuletzt aktualisiert am

09.12.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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