TE Vwgh Erkenntnis 2019/10/24 Ro 2019/07/0002

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.10.2019
beobachten
merken

Index

L66507 Flurverfassung Zusammenlegung landw Grundstücke Flurbereinigung Tirol
001 Verwaltungsrecht allgemein
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)
80/06 Bodenreform

Norm

ABGB §1091
FlVfGG §18 Abs1
FlVfLG Tir 1996 §40 Abs1
FlVfLG Tir 1996 §40 Abs2 litb
VwRallg

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ro 2019/07/0003

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser, Mag. Haunold und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision 1. der Marktgemeinde M und 2. der Gemeindegutsagrargemeinschaft S, vertreten durch den Substanzverwalter, beide vertreten durch Dr. Gernot Gasser und Dr. Sonja Schneeberger, Rechtsanwälte in 9900 Lienz, Beda-Weber-Gasse 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 6. Dezember 2018, Zl. LVwG-2018/35/2471-1, betreffend agrarbehördliche Genehmigung eines Pachtvertrages (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde; mitbeteiligte Partei: Gemeindegutsagrargemeinschaft S, vertreten durch den Obmann RS in M), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Die revisionswerbenden Parteien haben dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die zweitrevisionswerbende Agrargemeinschaft ist Eigentümerin der Liegenschaft EZ 176, KG M., die eine Gesamtfläche von 82,6604 ha aufweist.

2 Zu der genannten Liegenschaft gehören unter anderem die auf Gemeindegut gelegenen Grundstücke Nr. 1132/1 und Nr. 4446. Die erstrevisionswerbende Gemeinde ist an diesen Grundstücken substanzberechtigt.

3 Mit Vertrag vom 22. Mai 2017 verpachtete die zweitrevisionswerbende Agrargemeinschaft, vertreten durch den Substanzverwalter, die Grundstücke Nr. 1132/1 und Nr. 4466 an Martin M., ein Mitglied der zweitrevisionswerbenden Agrargemeinschaft, zum Zweck der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung. "Gegenstand" dieses Vertrags ist eine Vermessungsurkunde des Zivilgeometers DI N. vom 27. Juni 2016, demzufolge die verpachteten Grundstücke eine Fläche von 10.802 m2 bzw. 1.164 m2 umfassen.

4 Punkt III. des Pachtvertrags lautet:

"Das Pachtverhältnis beginnt am 22.05.2017 und endet am 30.11.2017, ohne dass es einer zusätzlichen schriftlichen oder mündlichen Kündigung bedarf. Das Pachtverhältnis verlängert sich automatisch, wenn nicht spätestens bis 15.10. eines jeden Jahres ein Widerruf seitens des Substanzverwalters oder des Pächters erfolgt."

5 Mit Eingabe vom 20. September 2017 beantragten die revisionswerbenden Parteien die agrarbehördliche Genehmigung dieses Pachtvertrags.

6 In einem am 21. Juni 2018 unterzeichneten Nachtrag schränkten die revisionswerbenden Parteien den Pachtvertrag auf die Verpachtung des auf Gemeindegut gelegenen Grundstücks Nr. 1132/1 ein, womit das Grundstück Nr. 4466 nicht mehr Vertragsgegenstand war.

7 Mit Bescheid vom 9. Oktober 2018 verweigerte die belangte Behörde die Erteilung der agrarbehördlichen Genehmigung des Pachtvertrags in der Fassung vom 21. Juni 2018 gemäß § 40 Abs. 1 Tiroler Flurverfassungslandesgesetz 1996 (TFLG 1996). 8 Dazu führte sie aus, der Pachtvertrag sei gemäß Vertragspunkt III. auf bestimmte Dauer abgeschlossen worden. Aufgrund des vereinbarten "Verlängerungsautomatismus" im selben Vertragspunkt, wonach sich das Pachtverhältnis automatisch verlängere, wenn nicht spätestens bis zum 15. Oktober eines jeden Jahres ein Widerruf seitens des Substanzverwalters oder des Pächters erfolge, sei von einer genehmigungspflichtigen dauernden Belastung im Sinn des § 40 Abs. 1 TFLG 1996 auszugehen. Der Umstand, dass eine Verlängerung eingetreten sei, erhelle auch aus der Tatsache, dass der Nachtrag vom 21. Juni 2018 hinsichtlich des Pachtgegenstands, nicht jedoch der Pachtdauer verfasst worden sei. 9 Hinsichtlich der Frage des Eintritts der Gefährdung des Wirtschaftsbetriebes der zweitrevisionswerbenden Agrargemeinschaft oder der Stammsitzliegenschaften durch den Abschluss des gegenständlichen Pachtvertrags lägen bereits zwei fachliche Stellungnahmen vor, die in diesem Verfahren eingeholt worden seien.

10 So habe die landwirtschaftliche Amtssachverständige DI S. in ihrer Stellungnahme vom 29. April 2016 zur Höhe des historischen Haus- und Gutsbedarfs ausgeführt, dass die maximale Bestoßung der Weide mit 72 Normalrindern nicht mehr möglich sei. Je nachdem, wie lange das Vieh auf dieser Weide gehalten werde, müsse eine entsprechende aliquote Reduzierung des Anteilsrechts bzw. des Rechtviehs einer Stammsitzliegenschaft vorgenommen werden.

11 Des Weiteren habe das Amt der Tiroler Landesregierung in einer agrarfachlichen Stellungnahme vom 14. Juni 2017 konkret zum gegenständlichen Pachtvertrag ausgeführt, dass jedwede Herausnahme des verbliebenen Grundstücks Nr. 1132/1 aus der Gemeinschaftsnutzung die Ausübbarkeit der Nutzungsrechte (Weiderechte) der zweitrevisionswerbenden Agrargemeinschaft grundsätzlich weiter einschränke. Eine Einzelnutzung des verbliebenen Grundstücks Nr. 1132/1 durch einen nutzungsberechtigten Mitgliedsbetrieb könne auf Grund der stark eingeschränkten Weidemöglichkeiten aus agrarfachlicher Sicht nur dann zulässig sein, wenn dieser im Gegenzug während der Dauer der Einzelnutzung des genannten Grundstücks auf die Ausübung von Nutzungsrechten auf den restlichen Weideflächen der zweitrevisionswerbenden Agrargemeinschaft verzichte. 12 Hinsichtlich der Bedeckung der Weiderechte verwies die belangte Behörde auf die Stellungnahme der landwirtschaftlichen Amtssachverständigen, worin festgestellt worden sei, dass die Ausübung aller 72 Anteilsrechte nicht mehr möglich erscheine. Durch die Verpachtung des Grundstücks Nr. 1132/1 würden den übrigen Nutzungsberechtigten, deren Weideflächen durch Abverkauf und Wegerrichtung ohnehin bereits stark eingeschränkt worden seien, weitere Weideflächen entzogen. Deshalb widerspreche der gegenständlich abgeschlossene Pachtvertrag aus agrarfachlicher Sicht der Sicherstellung der Ausübbarkeit der Nutzungsrechte. 13 In einer weiteren agrarfachlichen Stellungnahme des Amtes der Tiroler Landesregierung vom 11. Juli 2018 sei dezidiert festgehalten worden, dass unter Berücksichtigung dieser Ausführungen und der Tatsache, dass nunmehr noch zusätzliche Weideflächen der zweitrevisionswerbenden Agrargemeinschaft durch die Verpachtung entzogen würden, aus agrarfachlicher Sicht auch eine Gefährdung des Wirtschaftsbetriebes der Agrargemeinschaft oder der Stammsitzliegenschaften eintrete.

14 Auch aus der weiteren agrarfachlichen Stellungnahme des Amtes der Tiroler Landesregierung vom 2. Oktober 2018 erhelle, dass jeglicher weiterer Entzug von beweidbaren Flächen eine zusätzliche Einschränkung der Ausübbarkeit der Weiderechte der übrigen Nutzungsberechtigten darstelle.

15 Die belangte Behörde erachtete es zwar für zutreffend, dass derzeit nicht alle Stammsitzliegenschaften Vieh hielten und daher die verbleibenden Agrargemeinschaftsflächen zur Deckung des Bedarfs ausreichten. Dabei werde jedoch übersehen, dass gemäß § 36h Abs. 1 TFLG 1996 die Agrargemeinschaft die Ausübbarkeit der land- und forstwirtschaftlichen Nutzungsrechte zu gewährleisten habe. Dies bedeute, dass stets die Ausübbarkeit aller Nutzungsrechte im Ausmaß des historischen Haus- und Gutsbedarfs zu gewährleisten sei. Dass mit dem Abschluss des gegenständlichen Pachtvertrags dieser gesetzlichen Verpflichtung nicht entsprochen werde, erhelle eindeutig aus den vorliegenden sachverständigen Stellungnahmen, wonach bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung die maximale Bestoßung der Weide mit 72 Normalrindern nicht mehr möglich sei. Daran vermöge auch der Umstand nichts zu ändern, dass sich zwischenzeitig die Anzahl der "auftriebsberechtigten Rinder" auf 71 Stück reduziert habe.

16 Gegen diesen Bescheid erhoben die revisionswerbenden Parteien Beschwerde.

17 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde ab. Die ordentliche Revision erklärte es für zulässig.

18 Begründend führte es aus, die belangte Behörde habe sich zu Recht auf die Ausführungen der landwirtschaftlichen Amtssachverständigen vom 29. April 2016 und auf die agrarfachlichen Stellungnahmen des Amtes der Tiroler Landesregierung vom 14. Juni 2017, 11. Juli 2018 und 2. Oktober 2018 gestützt. Diese Stellungnahmen ließen keinen Zweifel daran, dass bei einer Realisierung des gegenständlichen Pachtvertrags eine Gefährdung des Wirtschaftsbetriebes der zweitrevisionswerbenden Agrargemeinschaft oder der Stammsitzliegenschaften eintreten würde.

19 Aus der Sicht des Verwaltungsgerichts beruhten die Ausführungen der Amtssachverständigen zu Recht auf der Annahme, dass es bei der Frage nach einer Gefährdung des Wirtschaftsbetriebes der Agrargemeinschaft oder der Stammsitzliegenschaften entgegen der Ansicht der revisionswerbenden Parteien nicht auf die "tatsächlich geführten Betriebe" ankomme. Nach § 36h Abs. 1 TFLG 1996 habe die Agrargemeinschaft "die Ausübbarkeit der land- und forstwirtschaftlichen Nutzungsrechte durch die Nutzungsberechtigten zu gewährleisten." Dass nun aber die Nutzungsrechte in der in den agrarfachlichen Stellungnahmen angenommenen Höhe bestünden, werde von den Verfahrensparteien nicht bestritten.

20 Zwar seien etwa nach § 54 Abs. 6 TFLG 1996 unter bestimmten Voraussetzungen Anteilsrechte von Amts wegen für erloschen zu erklären oder habe nach § 38 Abs. 8 TFLG 1996 der Nutzungsberechtigte dann, wenn an einem mit einem Grundstück im Sinn des § 33 Abs. 2 lit. c TFLG 1996 verbundenen Anteilsrecht dauerhaft kein Bedarf mehr bestehe, dies der Gemeinde samt dem Antrag, a) das Anteilsrecht für erloschen zu erklären oder b) das Anteilsrecht auf eine neue Stammsitzliegenschaft zu übertragen, anzuzeigen. Ohne dass aber in einem der genannten Verfahren das tatsächliche Erlöschen eines Anteilsrechts festgestellt worden sei, dürfe die Agrarbehörde bzw. das Verwaltungsgericht - sollten allenfalls auch die Voraussetzungen für ein Erlöschen vorliegen - nicht vom Nichtbestehen rechtlich ausdrücklich zustehender Anteilsrechte ausgehen und diese Annahme einem Verfahren nach § 40 Abs. 1 TFLG 1996 zugrunde legen.

21 Würden im vorliegenden Verfahren nur die tatsächlich ausgeübten Anteilsrechte berücksichtigt, hätte dies die unbillige Konsequenz, dass Anteilsberechtigte, die ihre Rechte tatsächlich ausübten, in ihren Rechten beeinträchtigt werden könnten, wenn nach "dem Verkauf" eines derzeit nicht benötigten Grundstücks sich aktuell stillgelegte Betriebe zur Wiederaufnahme des Betriebes entschlössen und dann aufgrund des Grundstückverkaufs die bestehenden Weideflächen nicht mehr zur Befriedigung aller Weiderechte ausreichten.

22 Die Argumentation der revisionswerbenden Parteien, wonach keine Sachverhaltsfeststellungen zum "Wirtschaftsbetrieb" der zweitrevisionswerbenden Agrargemeinschaft oder zu den "Wirtschaftsbetrieben" der Stammsitzliegenschaften getroffen worden wären und insofern die Frage nach einer Gefährdung derselben nicht beantwortet werden könnte, treffe insofern nicht zu. Feststellungen zu den aktuellen Verhältnissen hätten nicht getroffen werden müssen.

23 Bei der Gefährdung des Wirtschaftsbetriebes der Stammsitzliegenschaften gehe es um die Frage, ob die Veräußerung oder dauernde Belastung eines Grundstücks die Ausübbarkeit der land- und forstwirtschaftlichen Nutzungsrechte durch die Nutzungsberechtigten verhindere. Dies - wie bereits erwähnt - insbesondere im Hinblick auf die nur in bestimmten Verfahren und unter bestimmten Voraussetzungen bestehende Möglichkeit des Erlöschens von Anteilsrechten und nach Maßgabe des § 36h Abs. 1 TFLG 1996, wonach die Agrargemeinschaft die Ausübbarkeit der land- und forstwirtschaftlichen Nutzungsrechte durch die Nutzungsberechtigten zu gewährleisten habe, weshalb die nichtgewährleistete Ausübbarkeit dieser Rechte eine Gefährdung des Wirtschaftsbetriebes darstelle.

24 Da die revisionswerbenden Parteien den agrarfachlichen Ausführungen zur Frage, ob bei Realisierung des gegenständlichen Rechtsgeschäfts eine Gefährdung des Wirtschaftsbetriebes der Agrargemeinschaft oder der Stammsitzliegenschaften eintreten würde, nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten seien, habe das Verwaltungsgericht von der Richtigkeit dieser agrarfachlichen Ausführungen ausgehen können.

25 Dieses Ergebnis entspreche dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichts vom 13. März 2018, LVwG-2017/35/1963-8. Der diesem Erkenntnis zu Grunde liegende Sachverhalt unterscheide sich - soweit er für die konkret zu klärenden rechtlichen Fragen maßgeblich sei - vom gegenständlichen Sachverhalt nur dadurch, dass nunmehr statt über die agrarbehördliche Genehmigung eines Kaufvertrags über die Genehmigung eines Pachtvertrags abzusprechen sei. Entgegen dem Vorbringen der revisionswerbenden Parteien sei dieser Unterschied aber nicht geeignet, ein anderes Verfahrensergebnis zu bewirken.

26 Wie schon die belangte Behörde zu Recht ausgesprochen habe, bewirke der gegenständliche Pachtvertrag trotz des Umstands, dass darin eine Dauer vom 22. Mai 2017 bis zum 30. November 2017 festgelegt worden sei, nicht nur eine von den revisionswerbenden Parteien behauptete "vorübergehende" Einschränkung. Entscheidend sei vielmehr, dass sich das Pachtverhältnis laut Vertragspunkt III. automatisch verlängere, wenn nicht bis zum 15. Oktober eines jeden Jahres ein Widerruf seitens des Substanzverwalters oder des Pächters erfolge. Die Beurteilung der Auswirkungen des Pachtvertrags auf den Wirtschaftsbetrieb dürfe daher zweifellos nicht nur auf den genannten Zeitraum abstellen, da bei einer automatischen Verlängerung des Pachtvertrags der Agrarbehörde die Möglichkeit genommen würde, die ihr obliegende Prüfung der Auswirkungen auf den Wirtschaftsbetrieb der Agrargemeinschaft oder der Stammsitzliegenschaften für die weitere Pachtdauer durchzuführen und damit ihre Aufsichtsbefugnisse in Bezug auf die dauernde Belastung agrargemeinschaftlicher Grundstücke in unzulässiger Weise beschnitten würden.

27 Insgesamt stehe für das Verwaltungsgericht fest, dass die in § 40 Abs. 2 lit. b TFLG 1996 vorgesehene Voraussetzung für die Genehmigung des gegenständlichen Pachtvertrags vom 22. Mai 2017, nämlich dass eine Gefährdung des Wirtschaftsbetriebes der zweitrevisionswerbenden Agrargemeinschaft oder der Stammsitzliegenschaften nicht eintrete, nicht vorliege. 28 Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für zulässig, weil im vorliegenden Fall die Rechtsfrage zu klären sei, ob bei der Beurteilung nach § 40 Abs. 2 lit. b TFLG 1996 ein allfällig eingetretener dauerhafter Entfall des Bedarfs an einem Anteilsrecht zu berücksichtigen sei oder nicht. Da es zu dieser Rechtsfrage und generell zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen von einer Gefährdung des Wirtschaftsbetriebes ausgegangen werden könne, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung gebe, liege eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor. 29 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

30 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Zurück- bzw. Abweisung der Revision beantragt.

31 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

32 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

33 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in

nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 34 Nach § 34 Abs. 1a erster Satz VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3) zu überprüfen. 35 Das Verwaltungsgericht zeigt in seiner Zulassungsbegründung zwei voneinander getrennt zu beurteilende Rechtsfragen auf. Einerseits sei zu klären, ob der Umstand, dass der Bedarf an mit einer Gemeindegutsagrargemeinschaft verbundenen Anteilsrechten faktisch dauerhaft entfallen sei, bei der Beurteilung nach § 40 Abs. 2 lit. b TFLG 1996 zu berücksichtigen sei. Des Weiteren sei allgemein zu klären, unter welchen Voraussetzungen von einer Gefährdung des Wirtschaftsbetriebes einer Agrargemeinschaft bzw. der Stammsitzliegenschaften im Sinn des § 40 Abs. 2 lit. b TFLG 1996 auszugehen sei.

36 Die revisionswerbenden Parteien beziehen sich erkennbar auf diese Rechtsfragen.

37 Des Weiteren bringen die revisionswerbenden Parteien in der Zulässigkeitsbegründung ihrer Revision vor, das Verwaltungsgericht gehe rechtsirrig davon aus, dass es zu einer dauernden Entziehung agrargemeinschaftlicher Grundstücke komme. Bei einem auf bestimmte Dauer abgeschlossenen Pachtvertrag, der aufgelöst bzw. nicht verlängert werden müsse, könne nicht von einem unabänderlichen Dauerzustand ausgegangen werden, wie dies von der belangten Behörde unterstellt und vom Verwaltungsgericht unkritisch übernommen worden sei. Der Substanzverwalter könne durch bloßen Widerruf den "Verlängerungsautomatismus" beenden.

38 Zunächst ist die von den revisionswerbenden Parteien aufgeworfene Frage zu klären, mit der sie erkennbar auf die Beantwortung der in der hg. Rechtsprechung bislang nicht beantworteten grundsätzlichen Rechtsfrage abzielen, ob ein - im Sinne der gegenständlichen Vertragsklausel - "befristeter" Pachtvertrag unter den Begriff der "dauernden Belastung" im Sinn des § 40 Abs. 1 TFLG 1996 fällt und sohin agrarbehördlich genehmigungspflichtig ist.

39 § 40 TFLG 1996 in der geltenden Fassung lautet

auszugsweise:

"§ 40

Veräußerung und Belastung von Grundstücken, Ausübung und Erlöschen von Teilwaldrechten

(1) Die Veräußerung und die dauernde Belastung agrargemeinschaftlicher Grundstücke und anderer im Eigentum einer Agrargemeinschaft stehender Grundstücke sowie der Verzicht auf dingliche Rechte, die zugunsten von agrargemeinschaftlichen Grundstücken oder zugunsten einer Agrargemeinschaft bestehen, bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Genehmigung der Agrarbehörde. Einer solchen Genehmigung bedarf es nicht, wenn agrargemeinschaftliche oder andere im Eigentum einer Agrargemeinschaft stehende Grundstücke (Grundstücksteile) mit einer Fläche von höchstens 2.000 m2 veräußert werden und es sich dabei nicht um Teilwälder handelt.

(2) Die Genehmigung darf nur erteilt werden, wenn

(...)

b) eine Gefährdung des Wirtschaftsbetriebes der

Agrargemeinschaft oder der Stammsitzliegenschaften nicht eintritt,

(...)."

40 § 40 Abs. 1 TFLG 1996 sieht in der Frage der Veräußerung und Belastung agrargemeinschaftlicher Grundstücke eine erhebliche Einschränkung der Privatautonomie der Agrargemeinschaften vor, deren erkennbarer Zweck in der Erhaltung des Gemeinschaftsvermögens liegt (vgl. dazu VwGH 30.9.1980, 2917/79). 41 Der gegenständliche Pachtvertrag vom 22. Mai 2017 enthält eine Befristung von 22. Mai 2017 bis 30. November 2017. Sofern Pächter oder Verpächter nicht bis zum 15. Oktober "eines jeden Jahres" widersprechen, verlängert sich der Pachtvertrag allerdings "automatisch". In einem solchen Fall wird der Pachtvertrag unter den ursprünglichen Bedingungen fortgesetzt. Er wird somit unter der vereinbarten Befristung von 22. Mai bis 30. November des folgenden Jahres erneuert und setzt sich abermals fort, sofern die Vertragsparteien wiederum nicht bis zum 15. Oktober widersprechen. Damit stellt sich der Vertrag in seinen Wirkungen nicht anders dar als ein unbefristeter Pachtvertrag mit jährlicher Kündigungsmöglichkeit (vgl. OGH 25.10.1996, 1 Ob 2362/96a, RIS-Justiz RS0106870).

42 Infolge einer derartigen Vertragsgestaltung werden die anderen Mitglieder der Agrargemeinschaft von der Nutzung des dem Pachtvertrag zu Grunde liegenden Grundstücks und somit der Ausübbarkeit ihrer Anteilsrechte dauerhaft ausgeschlossen. Sie haben in diesem Zusammenhang auch keine Möglichkeit, auf die Beendigung des Pachtvertrags Einfluss zunehmen. Bei einer derartigen Einschränkung der Privatautonomie der Mitglieder der Agrargemeinschaft durch die individuelle Ausgestaltung des revisionsgegenständlichen Pachtvertrages handelt es sich somit um eine "dauernde Belastung" im Sinn des § 40 Abs. 1 TFLG 1996. 43 Die belangte Behörde sowie das Verwaltungsgericht gingen daher folgerichtig davon aus, dass der gegenständliche Pachtvertrag aufgrund des "Verlängerungsautomatismus" nach § 40 Abs. 1 TFLG 1996 genehmigungspflichtig ist.

44 Die Revision erweist sich im Zusammenhang mit dieser Rechtsfrage als unbegründet.

45 Die Frage, ob die Voraussetzung des Art. 133 Abs. 4 B-VG, also eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu lösende Rechtsfrage daher in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - auch nach Einbringung der Revision - bereits geklärt, liegt keine Rechtsfrage (mehr) vor, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme (VwGH 25.10.2018, Ra 2017/07/0136, mwN).

46 Mit den vom Verwaltungsgericht aufgeworfenen, getrennt zu beurteilenden Rechtsfragen setzte sich der Verwaltungsgerichtshof bereits mit Erkenntnis vom heutigen Tag, Ro 2018/07/0043, auseinander. Insoweit wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Begründung der genannten Entscheidung verwiesen.

47 In dieser hielt der Verwaltungsgerichtshof zu der vom Verwaltungsgericht - auch im gegenständlichen Fall - aufgeworfenen ersten Rechtsfrage im Ergebnis fest, dass bei der Beurteilung der Genehmigungsvoraussetzung des § 40 Abs. 2 lit. b TFLG 1996, ob aufgrund eines Rechtsgeschäfts eine Gefährdung des Wirtschaftsbetriebes der Agrargemeinschaft oder der Stammsitzliegenschaften eintritt, sämtliche bestehenden mit dem Gemeindegutsgrundstück verbundenen Anteilsrechte zu berücksichtigen sind. Der Umstand, dass Anteilsrechte faktisch nicht ausgeübt werden, hat bei dieser Beurteilung außer Betracht zu bleiben.

48 Das Verwaltungsgericht nahm daher zutreffend an, dass auch bei der Beurteilung des vorliegenden Falls hinsichtlich einem zu erwartenden Eintritt der Gefährdung des Wirtschaftsbetriebes der Agrargemeinschaft oder der Stammsitzliegenschaften zunächst von allen bestehenden einregulierten Anteilsrechten der nutzungsberechtigten Stammsitzliegenschaften auszugehen war. 49 Da somit bereits hg. Rechtsprechung zu dieser Rechtsfrage existiert, erweist sich die Revision in dieser Hinsicht als unzulässig.

50 Zu der vom Verwaltungsgericht aufgeworfenen zweiten Rechtsfrage gelangte der Verwaltungsgerichtshof in der genannten Entscheidung zum Ergebnis, dass die Prüfung, unter welchen Voraussetzungen eine Gefährdung des Wirtschaftsbetriebes einer Agrargemeinschaft bzw. der Stammsitzliegenschaften im Sinn des § 40 Abs. 2 lit. b TFLG 1996 eintritt, anhand der konkret in Betracht zu ziehenden Agrargemeinschaft bzw. Stammsitzliegenschafte n im Einzelfall vorzunehmen ist und sohin keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG darstellt.

51 Das Verwaltungsgericht gelangte im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass die von der belangten Behörde herangezogenen agrarfachlichen Ausführungen schlüssig seien und die Prüfung nach § 40 Abs. 2 lit. b TFLG 1996, ob durch die Realisierung des gegenständlichen Pachtvertrags eine Gefährdung des Wirtschaftsbetriebes der Agrargemeinschaft bzw. der Stammsitzliegenschaften eintreten werde, zu tragen vermöchten. Demgegenüber gelingt es den revisionswerbenden Parteien nicht aufzuzeigen, dass diese Prüfung grob fehlerhaft erfolgt wäre oder zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis führen würde (vgl. dazu wiederum das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Ro 2018/07/0043).

52 Die Revision stellt sich daher auch in dieser Hinsicht als unzulässig dar.

53 Soweit sich die Revision als zulässig erwies (vgl. oben Rz 38 ff), ist sie unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

54 Sofern die revisionswerbenden Parteien "unbeschadet des Beschlusses des VfGH vom 11.06.2018, E 1565/2018-5" anregen, dem Verfassungsgerichtshof aus Anlass "dieser Beschwerde" den Antrag auf Aufhebung des § 40 Abs. 2 lit. b TFLG 1996 als

verfassungswidrig zu stellen, ist ihnen zu entgegnen, dass sich der Verfassungsgerichtshof in dem zitierten, aufgrund einer Beschwerde der erstrevisionswerbenden Gemeinde ergangenen Beschluss mit der genannten Bestimmung auseinandergesetzt und dagegen offenkundig keine verfassungsrechtlichen Bedenken gehegt hat. Aus diesem Grund sieht sich der Verwaltungsgerichtshof nicht veranlasst, einen Aufhebungsantrag an den Verfassungsgerichtshof zu richten.

55 Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte nach § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG Abstand genommen werden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr 7.401/04 (Hofbauer/Österreich 2) und vom 3. Mai 2007, Nr 17.912 (Bösch/Österreich) unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigen (vgl. auch EGMR 13.3.2012, Efferl/Österreich, 13556/07, mwN). Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlicher Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche Fragen betrifft (vgl. idS EGMR 18.7.2013, Schädler-Eberle/Liechtenstein, 56422/09, Rz 97 ff); eine Verhandlung ist dann nicht geboten, wenn etwa keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten sind, sodass eine Verhandlung nicht notwendig ist und das Gericht aufgrund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden kann; die staatlichen Behörden können auch Aspekte der Effizienz und Verfahrensökonomie berücksichtigen und auf das Gebot der angemessenen Verfahrensdauer Bedacht nehmen. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ist im vorliegenden Fall aber geklärt. In der Revision wurden diesbezüglich keine Rechts- oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte (vgl. VwGH 18.2.2015, Ro 2014/03/0077, mwN).

56 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 24. Oktober 2019

Schlagworte

Rechtsgrundsätze Allgemein Anwendbarkeit zivilrechtlicher Bestimmungen Verträge und Vereinbarungen im öffentlichen Recht VwRallg6/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RO2019070002.J00

Im RIS seit

04.12.2019

Zuletzt aktualisiert am

04.12.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten