TE Vwgh Beschluss 2019/10/24 Ra 2019/21/0299

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Veröffentlicht am 24.10.2019
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte

Norm

B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und den Hofrat Dr. Pelant sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des D (alias D) B, vertreten durch Dr. Rudolf Mayer, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Universitätsstraße 8/2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. August 2019, Zl. L521 2161610- 1/38E, betreffend insbesondere Rückkehrentscheidung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein türkischer Staatsangehöriger, stellte nach seiner illegalen Einreise am 20. Februar 2017 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom 20. Mai 2017 vollumfänglich abgewiesen; unter einem sprach das BFA aus, dass dem Revisionswerber ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt werde, und es erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung, verbunden mit der Feststellung gemäß § 52 Abs. 9 FPG, dass die Abschiebung in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.

2 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit mündlich verkündetem Teilerkenntnis vom 17. April 2019 in Bezug auf die Nichtgewährung von Asyl und subsidiärem Schutz als unbegründet ab. Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer Verhandlung am 26. Juni 2019 die Beschwerde auch hinsichtlich der übrigen Spruchpunkte als unbegründet ab. 3 Das Bundesverwaltungsgericht stellte - soweit für das Revisionsverfahren wesentlich - fest, dass der Revisionswerber in Österreich alleinstehend sei. Eine seiner Schwestern lebe mit ihrem Ehemann und ihren beiden Kindern in Wien. Er sei biologischer Vater einer am 5. August 2015 geborenen Tochter, die in Niederösterreich bei ihrer Mutter und deren Ehemann, ihrem rechtlichen Vater, lebe. Dieser nehme die Vaterrolle faktisch wahr. Ein Antrag des Revisionswerbers auf gerichtliche Feststellung der Vaterschaft vom 14. Mai 2019 sei mit Beschluss des Bezirksgerichts Neunkirchen vom 17. Mai 2019 zurückgewiesen worden; es stünde ihm laut Begründung dieses Beschlusses angesichts dessen, dass der rechtliche Vater feststehe, nur die Möglichkeit eines qualifizierten Vaterschaftsanerkenntnisses offen. Zu einem solchen qualifizierten, den rechtlichen Vater verdrängenden Vaterschaftsanerkenntnis bedürfte es aber der Zustimmung der Mutter, die dies ablehne. Der Revisionswerber unterhalte keinen persönlichen Kontakt zu seiner Tochter, strebe in der Zukunft aber einen solchen an. Die Kindesmutter wolle ihre Tochter erst später über ihren biologischen Vater aufklären; persönlichen Kontakten mit dem Revisionswerber würde sie nur in Abstimmung mit dem Kinder- und Jugendhilfeträger und in Begleitung zustimmen. Einer Abschiebung des Revisionswerbers in die Türkei stehe sie gleichgültig gegenüber. Sie reise jährlich in die Türkei und stehe einem persönlichen Kontakt zwischen dem Revisionswerber und ihrer Tochter nicht ablehnend gegenüber, solange die Kontaktaufnahme in Begleitung erfolge und keine Übernachtung damit verbunden sei. Der rechtliche Vater lehne Besuchskontakte in der Türkei derzeit ab, weil das Kind dort vom Revisionswerber entführt werden könnte und die Möglichkeiten der Rechtsdurchsetzung in der Türkei nicht so ausgestaltet seien wie in Österreich. Der Kinder- und Jugendhilfeträger befürworte in seiner vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Stellungnahme Kontakte des Revisionswerbers zu seiner Tochter nicht; für diese würden solche Kontakte eine enorme psychische Belastung darstellen, die sich negativ auf den Verlauf ihrer Epilepsieerkrankung auswirken könnte. Eine Außerlandesbringung des Revisionswerbers sei laut Kinder- und Jugendhilfeträger aus Sicht des Kindeswohls jedenfalls vertretbar und hätte keine nachteiligen Auswirkungen auf das Kind. 4 In rechtlicher Hinsicht berücksichtigte das Bundesverwaltungsgericht die familiäre Bindung des Revisionswerbers zu seiner biologischen Tochter unter dem Gesichtspunkt eines Eingriffs in Art. 8 EMRK. Es ging davon aus, dass selbst im Fall eines Verbleibs des Revisionswerbers im Bundesgebiet nicht in absehbarer Zeit mit der Aufnahme einer Vater-Kind-Beziehung zu rechnen sei. In Anbetracht der Erkrankung des Kindes erscheine die Beibehaltung der derzeitigen familiären Situation - in welcher der rechtliche Vater vom Kind als tatsächlicher Vater angesehen werde - zweckmäßig. Der Revisionswerber wolle nach eigener Aussage vorerst ohnedies nur als Freund oder Nachbar in Erscheinung treten. Im Verfahren sei außerdem erkennbar gewesen, dass der Revisionswerber ernstzunehmende Schritte zur Durchsetzung seiner Vaterschaft erst zu einem späten Zeitpunkt im Rechtsmittelverfahren unternommen habe. Eine unbedingte und mit entsprechendem Engagement zu Tage tretende Absicht des Revisionswerbers, die Vaterrolle rasch und ausfüllend wahrzunehmen, sei nicht mit hinreichender Deutlichkeit zu erkennen gewesen. Äußerst bezeichnend sei gewesen, dass er die Präsenz eines leiblichen Kindes im Bundesgebiet nicht spontan und aus eigenem, sondern erst zum letztmöglichen Zeitpunkt und auf explizite Nachfrage seines Rechtsvertreters vorgebracht habe. Insgesamt sei die Intensität des Familienlebens zwischen dem Revisionswerber und seiner Tochter stark relativiert. Einer Kontaktaufnahme durch begleitete Besuche im Herkunftsstaat stehe zumindest die Mutter des Kindes nicht ablehnend gegenüber, sodass ein erstes persönliches Zusammentreffen auch dort bewerkstelligt werden könnte. Das Bundesverwaltungsgericht gelangte schließlich zum Ergebnis, dass die Berücksichtigung des Kindeswohls einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gegen den Revisionswerber nicht entgegenstehe. Die Trennung führe aus den genannten Gründen auch zu keiner Verletzung des Art. 8 EMRK.

5 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

6 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich (u.a.) wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG "nicht zur Behandlung eignen", ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen dieser in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

8 Unter diesem Gesichtspunkt bringt der Revisionswerber vor, dass er in seinem Recht auf Familienleben nach Art. 8 EMRK verletzt werde und das Kindeswohl seiner Tochter beeinträchtigt sei, weil es ihm infolge seiner Außerlandesbringung verwehrt werde, mit der Tochter eine Beziehung aufzubauen. Das Bundesverwaltungsgericht weiche insofern von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab.

9 Das Bundesverwaltungsgericht hat sich aber ausführlich mit den Auswirkungen einer Außerlandesbringung des Revisionswerbers auf seine Tochter auseinandergesetzt. In einer mündlichen Verhandlung wurden neben dem Revisionswerber auch die Kindesmutter und der rechtliche Vater befragt, außerdem wurde eine Stellungnahme des Kinder- und Jugendhilfeträgers eingeholt. Wenn das Bundesverwaltungsgericht auf Basis seiner auf diese Weise gewonnenen Feststellungen zum Ergebnis gelangt ist, dass auch unter Berücksichtigung des Kindeswohls seine privaten und familiären Interessen an einem Verbleib in Österreich das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung des Revisionswerbers nicht überwiege, so kann das jedenfalls nicht als unvertretbar angesehen werden.

10 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 24. Oktober 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019210299.L00

Im RIS seit

10.12.2019

Zuletzt aktualisiert am

10.12.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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