TE Vwgh Beschluss 2019/10/24 Ra 2019/21/0257

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.10.2019
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

B-VG Art133 Abs4
FrPolG 2005 §52 Abs3
FrPolG 2005 §52 Abs9
VwGG §34 Abs1

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2019/21/0258Ra 2019/21/0259Ra 2019/21/0260

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und den Hofrat Dr. Pelant sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revisionen der revisionswerbenden Parteien 1. K B, 2. O B, 3. S B, und

4. B B, alle in S, alle vertreten durch Dr. Manfred Fuchsbichler, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Traunaustraße 23/8/5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. März 2019, Zl. L526 1431454-2/16E, L526 1431455-2/16E, L526 1431457-2/18E, L526 1431456-2/18E, betreffend Abweisung von Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 und Rückkehrentscheidungen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die revisionswerbenden Parteien sind armenische Staatsangehörige; der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin sind die Eltern der Dritt- und Viertrevisionswerber (1999 und 2000 geboren). Alle reisten illegal in das Bundesgebiet ein und stellten am 17. Juni 2012 Anträge auf internationalen Schutz, die vom Bundesasylamt mit Bescheid vom 30. November 2012 vollumfänglich abgewiesen wurden; unter einem wurde jeweils die Ausweisung nach Armenien verfügt. Die gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerden wurden mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofes vom 29. April 2013 als unbegründet abgewiesen. 2 Am 3. Oktober 2014 stellten die revisionswerbenden Parteien Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln nach § 55 AsylG 2005. Diese Anträge wurden mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 25. August 2017 abgewiesen. Zugleich wurden jeweils Rückkehrentscheidungen gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 3 FPG erlassen, und es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der revisionswerbenden Parteien nach Armenien zulässig sei. Außerdem wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eingeräumt.

3 Die gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden wurden mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet abgewiesen.

4 Das Bundesverwaltungsgericht kam bei seiner Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG, nachdem es umfangreiche Feststellungen zum in Österreich geführten Privat- und Familienleben sowie zu den in Armenien noch bestehenden Anknüpfungspunkten der revisionswerbenden Parteien getroffen hatte, zum Ergebnis, dass deren durch Art. 8 EMRK geschützte Interessen nicht so ausgeprägt seien, dass sie das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung überwögen. Es seien auch keine Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung nach Armenien unzulässig sei. Im Hinblick auf das Vorbringen, die inzwischen volljährig gewordenen dritt- und viertrevisionswerbenden Parteien müssten möglicherweise ihren Militärdienst an der Grenze zu Aserbaidschan ableisten, sei einerseits auf die Möglichkeit zum Wehrersatzdienst, andererseits aber auch darauf zu verweisen, dass die Verpflichtung zur Ableistung des Militärdienstes kein relevantes Abschiebehindernis darstelle. Auch aus dem Vorbringen, dass im Fall einer Rückkehr die medizinische Versorgung des Erstrevisionswerbers nicht gewährleistet wäre, sei nichts für die revisionswerbenden Parteien zu gewinnen. Beim Erstrevisionswerber liege weder eine akute lebensbedrohende Krankheit vor, noch habe sich ergeben, dass er sich in dauernder stationärer Behandlung befände oder auf Dauer nicht reisefähig wäre; nach einem im November 2017 erlittenen Herzinfarkt sei er nunmehr beschwerdefrei. Aus den Länderinformationen zu Armenien ergebe sich, dass der Zugang zur medizinischen Versorgung dort grundsätzlich bestehe; es sei somit davon auszugehen, dass dem Erstrevisionswerber der Zugang zur Gesundheitsversorgung offenstehe, sollte er in Armenien eine weitere medizinische Behandlung benötigen.

5 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

6 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich (u.a.) wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG "nicht zur Behandlung eignen", ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen dieser in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

8 Unter diesem Gesichtspunkt wendet sich die Revision zunächst gegen die Interessenabwägung des Bundesverwaltungsgerichts. Dem diesbezüglichen Vorbringen ist jedoch entgegenzuhalten, dass die bei Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. etwa VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0284, Rn. 7, mwN). Das gilt auch für die im vorliegenden Fall nach Abhaltung einer mündlichen Verhandlung und unter Einbeziehung aller für die revisionswerbenden Parteien sprechenden Tatsachen durchgeführte Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts. Dass die vorgelegten Einstellungszusagen und Unterstützungserklärungen nicht berücksichtigt worden seien, trifft entgegen dem Revisionsvorbringen ebenso wenig zu wie der Vorwurf des "völligen Außerachtlassens" der langen Aufenthaltsdauer und der "umfassenden Integrationsschritte".

9 Im Hinblick auf das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung wird in der Revision weiters geltend gemacht, es stelle sich die Frage, ob die Beurteilung der Prüfung der Zulässigkeit der Abschiebung allein auf Grund der Aktenlage ohne Durchführung ergänzender Ermittlungen gerechtfertigt sei; wäre den im Beschwerdeverfahren gestellten Beweisanträgen (auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage, ob der 2017 in Armenien eingeführte Wehrersatzdienst tatsächlich rechtskonform umgesetzt werde und ob aus dem Ausland rückgeführte wehrpflichtige Jugendliche diesen uneingeschränkt und ohne Benachteiligung in Anspruch nehmen könnten) stattgegeben worden, hätte das Bundesverwaltungsgericht zum Ergebnis gelangen müssen, dass die dritt- und viertrevisionswerbenden Parteien bei einer Rückkehr nach Armenien dort direkt an der Grenze zu Aserbaidschan Militärdienst leisten müssten. Damit wird aber schon deswegen keine Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels dargetan, weil allein die Verpflichtung zur Ableistung von Militärdienst im Herkunftsland einer Abschiebung nicht entgegensteht (vgl. zum Nichtvorliegen eines Grundes für die Gewährung von Asyl oder subsidiärem Schutz in einem derartigen Fall VwGH 20.4.2018, Ra 2018/18/0154, Rn. 6); ein spezifisches, ausreichend konkretes Vorbringen zum Vorliegen eines Konventionsgrundes oder eines subsidiären Schutz erfordernden Sachverhalts in Zusammenhang mit dem Militärdienst wurde weder in der Revision noch im Beschwerdeverfahren erstattet, sodass das Bundesverwaltungsgericht auch nicht gehalten war, mit den dritt- und viertrevisionswerbenden Parteien die Stellung von neuerlichen Anträgen auf internationalen Schutz zu erörtern (vgl. dazu etwa VwGH 15.9.2016, Ra 2016/21/0234, Rn. 19, und VwGH 20.12.2016, Ra 2016/21/0109, 0247, Rn. 14).

10 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 24. Oktober 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019210257.L00

Im RIS seit

10.12.2019

Zuletzt aktualisiert am

10.12.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten