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E2D Assoziierung TürkeiNorm
ARB1/80Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Pfiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des E Y in K, vertreten durch Mag. Susanne Singer, Rechtsanwältin in 4600 Wels, Ringstraße 9, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 7. Mai 2018, L514 2130304-2/23E, betreffend Aufenthaltsverbot (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der 1985 geborene, seit 2004 durchgehend in Österreich lebende Revisionswerber ist türkischer Staatsangehöriger. Er ist seit 8. Oktober 2004 mit einer österreichischen Staatsbürgerin aufrecht verheiratet. Das Ehepaar hat zwei (2007 und 2012 geborene) Kinder, ebenfalls österreichische Staatsbürger. Der Revisionswerber ist nach eigenen Angaben spielsüchtig und absolvierte (während seines Strafvollzuges) insoweit eine Therapie.
Mit (vom Oberlandesgericht Linz abgeändertem) Urteil vom 19. August 2014 verhängte das Landesgericht Wels über den Revisionswerber wegen der Verbrechen des (teils versuchten) schweren Raubes rechtskräftig eine (in Vollzug befindliche) Freiheitsstrafe von 10 Jahren und 8 Monaten. Er hatte zwischen Februar 2012 und September 2013 in verschiedenen Orten Oberösterreichs acht bewaffnete Raubüberfälle begangen (bzw. im ersten Fall zu begehen versucht), wobei er teils mehrere Personen mit der Waffe bedrohte und Bargeld von insgesamt mehr als 55.000 Euro erbeutete.
2 Aufgrund dieser Verurteilungen und der ihnen zugrundeliegenden Straftaten verhängte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) über den Revisionswerber mit Bescheid vom 7. September 2016 gemäß § 67 Abs. 1 und 3 FPG ein unbefristetes Aufenthaltsverbot. Es erteilte ihm gemäß § 70 Abs. 3 FPG keinen Durchsetzungsaufschub.
3 Nach der Erhebung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid verhängte das Landesgericht Steyr über den Revisionswerber mit rechtskräftigem Urteil vom 30. Oktober 2017 wegen des - während des erwähnten Strafvollzuges begangenen - Vergehens der (als Bestimmungstäter) versuchten falschen Beweisaussage sowie des Verbrechens der versuchten Erpressung eine weitere Freiheitsstrafe von 24 Monaten. Er hatte zwischen 24. und 30. April 2017 in Garsten eine näher bezeichnete Person dazu zu bestimmen versucht, in einem Ermittlungsverfahren nach der Strafprozessordnung vor der Kriminalpolizei falsch auszusagen. Weiters hatte er zwischen
18. und 23. März 2017 in Garsten versucht, eine weitere Person durch gefährliche Drohung mit zumindest einer Körperverletzung zur Zahlung von 1.000 Euro zu nötigen.
4 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 7. Mai 2018 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die genannte Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 7. September 2016 nach mündlicher Verhandlung (vom 26. Februar 2018) als unbegründet ab. Das BVwG sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
5 Begründend erachtete das BVwG den Revisionswerber - soweit im Revisionsverfahren noch von Bedeutung - mit Bezug auf seine österreichische Ehegattin als begünstigten Drittstaatsangehörigen, der bereits das Daueraufenthaltsrecht erworben habe. Aufgrund der Vielzahl an bewaffneten Raubüberfällen und des während noch laufenden Strafvollzuges begangenen Verbrechens der versuchten Erpressung sei der Gefährdungsmaßstab (einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit) iSd § 66 Abs. 1 letzter Satzteil FPG verwirklicht. Für einen behaupteten Gesinnungswandel fehle das dafür erforderliche Wohlverhalten nach dem (noch laufenden) Strafvollzug.
Das Familienleben mit der österreichischen Ehefrau und den beiden Kindern sei bereits durch die Anhaltung des Revisionswerbers in Haft (seit dem 28. September 2013) "reduziert". Auch sei zuletzt der Abstand zwischen den Besuchen, besonders was die Kinder betreffe - insoweit auf drei Monate, angestiegen. Im Übrigen müsse eine Trennung, in deren Rahmen Kontakte mittels moderner Kommunikationsmittel aufrechterhalten werden könnten, im öffentlichen Interesse in Kauf genommen werden. Der Revisionswerber sei ein junger gesunder Mann und könne leicht im Heimatland wieder Fuß fassen. Dort lebten verschiedene Angehörige, und zwar neben Onkeln und Cousins insbesondere seine Mutter, in deren Elternhaus in Istanbul er vor seiner Inhaftierung etwa alle drei Jahre zwei bis drei Wochen lang seinen Urlaub in der Türkei verbracht habe.
6 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 11. Juni 2019, E 1191/2019, ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. 7 Die in der Folge ausgeführte Revision erweist sich als unzulässig.
8 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat die außerordentliche Revision allerdings gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen dieser in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
10 Insoweit macht der Revisionswerber geltend, dass es sich bei ihm (ausschließlich) um einen ARB-berechtigten türkischen Staatsangehörigen handle. Das angefochtene Erkenntnis stehe somit in Widerspruch zum Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4.4.2019, Ra 2019/21/0009, wonach in diesem Fall lediglich die Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot, nicht aber eines Aufenthaltsverbotes in Betracht gekommen wäre.
11 Dem ist zu entgegnen, dass die vom BVwG im Ergebnis bejahte Stellung des Revisionswerbers als begünstigter Drittstaatsangehöriger und damit des Vorliegens der Voraussetzungen u.a. des § 67 Abs. 1 FPG dahingestellt bleiben kann. Dass ihm gegenüber ein Aufenthaltsverbot verhängt wurde, verletzt ihn nämlich für sich betrachtet nicht in Rechten, weil die mit dem Aufenthaltsverbot einhergehende Ausreiseverpflichtung einen weiteren Spielraum lässt, als ihn Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot bieten würde (vgl. VwGH 16.5.2019, Ra 2019/21/0011, Rn. 11).
12 Die im Übrigen in der Revision angesprochene unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Gefährdungsprognose und Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK sind im Allgemeinen, wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgten und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurden, nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG (vgl. etwa VwGH 7.3.2019, Ra 2019/21/0017, Rn. 13, mwN).
13 Das BVwG begründete seine Gefährlichkeitsprognose mit der Begehung von insgesamt acht bewaffneten Raubüberfällen durch den Revisionswerber. Danach konnte selbst die in Vollzug befindliche Freiheitsstrafe den Revisionswerber nicht davon abhalten, ein weiteres schweres Verbrechen (der versuchten Erpressung) zu begehen. Von daher erweist sich die Prognosebeurteilung des BVwG, das ungeachtet der Therapie zutreffend auch ein (hier gänzlich fehlendes) Wohlverhalten nach der Haftentlassung vermisst hat, jedenfalls als vertretbar (vgl. etwa VwGH 5.12.2017, Ra 2016/01/0166, Rn. 18 und 19, mwN).
14 Soweit der Revisionswerber mit der endgültigen Trennung von seiner in Österreich lebenden Familie argumentiert, übersieht er die Möglichkeit, später gemäß § 69 Abs. 2 FPG unter den dort genannten Voraussetzungen die Aufhebung des Aufenthaltsverbots zu beantragen.
15 Insgesamt wird in der Revision somit eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht dargelegt, sodass sie sich als unzulässig erweist. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Wien, am 24. Oktober 2019
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019210248.L00Im RIS seit
09.12.2019Zuletzt aktualisiert am
09.12.2019