TE Vwgh Beschluss 2019/10/24 Ra 2019/21/0207

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Veröffentlicht am 24.10.2019
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

BFA-VG 2014 §21 Abs7
BFA-VG 2014 §9
B-VG Art133 Abs4
FrPolG 2005 §52 Abs5
FrPolG 2005 §53 Abs3
FrPolG 2005 §53 Abs3 Z5
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des B D in W, vertreten durch Mag. Stefan Errath, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Untere Viaduktgasse 6/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 7. Juni 2019, G314 2219536-1/2E, betreffend insbesondere Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt befristetem Einreiseverbot (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der 1968 geborene Revisionswerber, ein serbischer Staatsangehöriger, kam 1990 nach Österreich. Er verfügte - abgesehen von einer etwa eineinhalbjährigen Unterbrechung - durchgehend über Sichtvermerke, Aufenthaltsbewilligungen und eine Niederlassungsbewilligung. Ab Jänner 2004 war er im Besitz eines Niederlassungsnachweises und dem entsprechend wurde ihm dann zuletzt ein am 4. April 2014 ausgestellter Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" erteilt. Am 5. Februar 2019 stellte der Revisionswerber bei der Niederlassungsbehörde den Antrag auf neuerliche Ausstellung dieses Dokuments.

2 Der Revisionswerber hatte am 13. März 1995 eine aus Serbien stammende österreichische Staatsbürgerin geheiratet. Der Beziehung entstammen eine im Juni 1994 geborene Tochter und ein im März 1996 geborener Sohn; beide sind österreichische Staatsbürger. Vor seiner Ausreise aus Serbien war der Revisionswerber als Kraftfahrer berufstätig. Auch in Österreich war er von Beginn an erwerbstätig. Ab 2002 betrieb er dann ein eigenes Autobusunternehmen mit dem Sitz in Wien, das Anfang 2017 wegen Zahlungsunfähigkeit aufgelöst und im Firmenbuch gelöscht wurde. Ein Insolvenzverfahren wurde mangels kostendeckenden Vermögens nicht eröffnet. Der Revisionswerber ist auch noch Miteigentümer eines Busunternehmens in Serbien, das von seinem Bruder betrieben wird.

3 Mit Urteil des Landgerichtes Kleve vom 30. März 2015 wurde der Revisionswerber wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 4 Betäubungsmittelgesetz (BtMG) in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 27 deutsches StGB iVm § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren rechtskräftig verurteilt. Dem Revisionswerber wurde zur Last gelegt, er habe, nachdem er von Wien in die Niederlande gefahren sei, am 15. Dezember 2014 auf der Rückreise als Fahrer eines PKW 1 kg Kokain, das zum gewinnbringenden Verkauf bestimmt gewesen sei, nach Deutschland geschmuggelt, wofür ihm ein Kurierlohn von 2.000 EUR in Aussicht gestellt worden sei. Der Revisionswerber habe im Zuge des Haltevorgangs bei einer routinemäßigen Grenzkontrolle das Suchtgift aus dem Autofenster geworfen, sei dabei jedoch von den einschreitenden Beamten beobachtet worden. Dem Urteil lässt sich noch entnehmen, dass der Revisionswerber zu dieser Tat von einem flüchtigen Bekannten, einem gewissen "Ivo", in einem Lokal in Wien beauftragt worden sei, von dem er dann auch per SMS die Anweisungen für die Übergabe des Suchtgiftes durch eine unbekannte Frau in den Niederlanden erhalten habe. Als Motiv wurde festgehalten, der Revisionswerber habe durch die Tat "möglichst viel Geld verdienen" wollen, wobei ihm "Art und Gewicht des Rauschgiftes egal" gewesen seien. Der Revisionswerber verbüßte die Freiheitsstrafe unter Anrechnung der Vorhaft vom 15. Dezember 2014 bis 17. Jänner 2017 in einer deutschen Justizanstalt. 4 Danach kehrte der Revisionswerber nach Österreich zurück und lebte (wie zuvor) wieder im gemeinsamen Haushalt mit seiner Ehefrau und den Kindern in einer Mietwohnung in Wien. Mittlerweile hat die Tochter geheiratet und ist im März 2019 aus dieser Wohnung ausgezogen. Der Revisionswerber war von Juni 2017 bis November 2018 und dann wieder ab Mitte April 2019 in dem von seinem Sohn im Februar 2017 gegründeten Busunternehmen, in dem auch die Ehefrau des Revisionswerbers arbeitet, beschäftigt. 5 Mit Schreiben vom 14. Februar 2019 räumte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) dem Revisionswerber die Möglichkeit ein, sich zur Absicht des BFA zu äußern, gegen ihn aufenthaltsbeendende Maßnahmen zu erlassen. Nachdem trotz Bewilligung der diesbezüglich beantragten Fristerstreckung keine Stellungnahme eingelangt war, erließ das BFA mit Bescheid vom 18. April 2019 gegen den Revisionswerber gemäß § 52 Abs. 5 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt I.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG stellte das BFA fest, dass seine Abschiebung nach Serbien zulässig sei (Spruchpunkt II.). Des Weiteren erließ das BFA gegen den Revisionswerber gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 5 FPG ein unbefristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt III.). Schließlich wurde gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt IV.) und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).

6 Der dagegen erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 7. Juni 2019 insofern Folge, als es zunächst Spruchpunkt V. des Bescheides des BFA vom 18. April 2019 ersatzlos behob und aussprach, dass der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt werde (Spruchpunkt A.). Des Weiteren wurde der Beschwerde noch dahin Folge gegeben, dass die Dauer des Einreiseverbotes auf sechs Jahre herabgesetzt und Spruchpunkt IV. des BFA-Bescheides dahin abgeändert wurde, dass eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eingeräumt werde. Im Übrigen wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt B.). Schließlich sprach das BVwG noch gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt C.).

7 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

9 Das Vorbringen zur Zulässigkeit der Revision bezieht sich der Sache nach nur auf die Rückkehrentscheidung und das damit verbundene befristete Einreiseverbot. Diesbezüglich bemängelt der Revisionswerber, dass das BVwG die in der Beschwerde beantragte Durchführung einer mündlichen Verhandlung und damit die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks unterlassen habe. 10 Dieser Einwand führt allerdings nicht zur Zulässigkeit der Revision, weil es unter Bedachtnahme auf alle für und gegen den Revisionswerber sprechenden Umstände vertretbar war, dass das BVwG in der vorliegenden Konstellation im Ergebnis von einem "eindeutigen Fall", und zwar sowohl in Bezug auf die Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die Interessenabwägung, ausging. Demzufolge durfte das BVwG im Einklang mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 21 Abs. 7 BFA-VG (vgl. dazu die Nachweise in VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0275, Rn. 13) ausnahmsweise von der ausdrücklich beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung absehen.

11 Das Vorliegen einer Gefährdung im Sinne des § 52 Abs. 5 FPG ("gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit") bzw. des § 53 Abs. 3 FPG (" schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit") wird im gegenständlichen Fall schon durch die Verwirklichung des Tatbestandes nach § 53 Abs. 3 Z 5 FPG ("wenn ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist") indiziert und ergibt sich evident aus der wiedergegebenen, dem Strafurteil vom 30. März 2015 zugrunde liegenden besonders gravierenden Straftat. Entgegen der Meinung in der Revision ändert daran nichts, dass dieses Verhalten bereits Ende 2014 gesetzt wurde, weil nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Gesinnungswandel eines Straftäters grundsätzlich daran zu messen ist, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat; für die Annahme eines Wegfalls der aus dem bisherigen Fehlverhalten ableitbaren Gefährlichkeit eines Fremden ist somit in erster Linie das Verhalten in Freiheit maßgeblich. Dabei ist der Beobachtungszeitraum umso länger anzusetzen, je nachdrücklicher sich die Gefährlichkeit des Fremden in der Vergangenheit manifestiert hat (siehe VwGH 4.4.2019, Ra 2019/21/0060, Rn. 11, mwN, und darauf Bezug nehmend VwGH 26.6.2019, Ra 2019/21/0118, Rn. 12). Davon ausgehend reicht für die Annahme, die Gefährdung sei bereits weggefallen, der Zeitraum von nicht ganz zweieinhalb Jahren seit der Entlassung des Revisionswerbers aus der Strafhaft bis zur Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses bei einem derartigen Delikt, das ein besonders verpöntes Fehlverhalten darstellt und bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr besteht, jedenfalls noch nicht aus (vgl. auch dazu VwGH 4.4.2019, Ra 2019/21/0060, nunmehr Rn. 12). Das hat auch das BVwG zutreffend so eingeschätzt. Überdies lassen die Begleitumstände des vom Revisionswerber verübten grenzüberschreitenden Kokainschmuggels - es genügte die Beauftragung durch einen "flüchtigen Bekannten", von dem der Revisionswerber nur dessen Spitznamen kannte, und Motiv war reines Gewinnstreben - auf seine beträchtliche kriminelle Energie schließen.

12 Richtig ist, wie die Revision zutreffend geltend macht und vom BVwG auch berücksichtigt wurde, dass die Rückkehrentscheidung und das Einreiseverbot angesichts der sehr langen Aufenthaltsdauer samt entsprechender Integration und der familiären Bindungen in Österreich einen gravierenden Eingriff in das Privat- und Familienleben des Revisionswerbers darstellen. Allerdings steht seinem Interesse an einem Verbleib im Bundesgebiet das im vorliegenden Fall besonders große öffentliche Interesse an der Verhinderung von strafbaren Handlungen der vorliegenden Art, nämlich von grenzüberschreitendem Suchtgiftschmuggel und von Beitragstäterschaft zum Suchtgifthandel in Bezug auf eine derart große Menge Kokain, entgegen. Vor diesem Hintergrund hat der Revisionswerber insbesondere die vorübergehende Trennung von seiner Ehefrau - die Kinder sind bereits erwachsen und Anhaltspunkte für eine besondere Abhängigkeit bestehen nicht - im öffentlichen Interesse hinzunehmen. Insoweit durfte das BVwG daher die Familienangehörigen zu Recht auf Besuche in Serbien und die mögliche Aufrechterhaltung des Kontaktes mit modernen Kommunikationsmitteln verweisen. Dazu kommt die fallbezogene und vom BVwG ebenfalls zu Recht einbezogene Besonderheit, dass trotz des sehr langen Auslandsaufenthalts für den Revisionswerber ausreichende Anknüpfungspunkte für eine Reintegration in Serbien bestehen, insbesondere in beruflicher Hinsicht wegen des in seinem Miteigentum stehenden und von seinem Bruder betriebenen Busunternehmens. Soweit in der Revision die Auswirkungen der aufenthaltsbeendenden Maßnahmen angesprochen werden, wird im Übrigen eine ausreichende Konkretisierung unterlassen, sodass nicht erkennbar ist, welche entscheidungswesentlichen Feststellungen das BVwG diesbezüglich noch zu treffen gehabt hätte.

13 Es ist daher insgesamt nicht zu beanstanden, dass das BVwG auch bei der Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG zu dem eindeutigen Ergebnis kam, sie könne nicht zu Gunsten des Revisionswerbers ausschlagen. Der Verwaltungsgerichtshof hat nämlich schon wiederholt ausgesprochen, dass bei derart schweren Verbrechen im Zusammenhang mit Suchtmitteln weder ein langjähriger Aufenthalt in Österreich noch eine sonst vollkommene soziale Integration im Inland einem Einreiseverbot entgegenstehen (vgl. etwa VwGH 3.7.2018, Ra 2018/21/0050, Rn. 10, mit dem Hinweis auf VwGH 25.2.2016, Ra 2016/21/0022, Rn. 14, mwN; siehe auch VwGH 3.7.2018, Ra 2018/21/0066, Rn. 19, mwN; siehe darauf Bezug nehmend jüngst auch VwGH 4.4.2019, Ra 2019/21/0081, Rn. 11). Auch darauf hat sich das BVwG zutreffend bezogen.

14 Im Übrigen ist zur Dauer des Einreiseverbotes noch anzumerken, dass die vom BVwG ohnehin vorgenommene Reduzierung den Bindungen des Revisionswerbers in Österreich ausreichend Rechnung trägt und sich nicht als unverhältnismäßig erweist. Auch diesbezüglich ist dem BVwG beizupflichten.

15 Der Revision gelingt es somit nicht, eine für die Lösung des vorliegenden Falles wesentliche grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzuzeigen, weshalb sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen war.

Wien, am 24. Oktober 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019210207.L00

Im RIS seit

09.12.2019

Zuletzt aktualisiert am

09.12.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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