TE Vwgh Erkenntnis 2019/10/24 Ra 2019/21/0176

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Veröffentlicht am 24.10.2019
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AVG §56
FrPolG 2005 §76 Abs1
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z2
FrPolG 2005 §77 Abs3 Z3
FrPolGDV 2005 §13 Abs1
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §17

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des G M, vertreten durch Dr. Wolfgang Lang, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Alter Markt 1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 6. Mai 2019, G312 2218072-1/12E, betreffend Schubhaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Spruch

Das genannte Erkenntnis wird im Umfang seiner Anfechtung (Spruchpunkt A.II.) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein georgischer Staatsangehöriger, stellte nach seiner Einreise in das Bundesgebiet am 12. Jänner 2012 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit in Rechtskraft erwachsenem Bescheid des Bundesasylamtes vom 23. Jänner 2012 vollinhaltlich abgewiesen wurde. Zugleich wies das Bundesasylamt den Revisionswerber aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Georgien aus.

2 Am 13. März 2019 wurde der im Bundesgebiet verbliebene Revisionswerber bei einer Polizeikontrolle aufgegriffen, wobei sein rechtswidriger Aufenthalt festgestellt wurde. Nach seiner Vernehmung am 14. März 2019 verhängte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Mandatsbescheid vom selben Tag über den Revisionswerber gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung seiner Abschiebung.

Die Haft wurde vom BFA am 28. Juni 2019 beendet, weil es die Erlangung des - mangels verfügbarer Reisepapiere erforderlichen - Heimreisezertifikates als zeitnah nicht absehbar erachtete. 3 Eine gegen den Schubhaftbescheid sowie die Anhaltung in Schubhaft erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen, nach mündlicher Verhandlung vom 3. Mai 2019 erlassenen Erkenntnis vom 6. Mai 2019 als unbegründet ab (Spruchpunkt A.I.). Das BVwG stellte gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG fest, dass zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen (Spruchpunkt A.II.). Es traf gemäß § 35 VwGVG eine diesem Ergebnis entsprechende Kostenentscheidung (Spruchpunkt A.III.) und sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt B.).

4 Begründend verwies das BVwG darauf, dass sich der über keinen gültigen Reisepass oder Personalausweis verfügende georgische Revisionswerber nach Rechtskraft der mit einer Ausweisung verbundenen Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz, also seit Februar 2012, illegal und ohne Wohnsitzmeldung in Österreich aufhalte. Er sei unwillig auszureisen, habe am Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates bereits im Jahr 2016 nicht mitgewirkt und (damals) die Auskunft über seine Aufenthaltsadresse in Salzburg verweigert. Zwar verfüge er in Österreich über Sozialkontakte in seiner Aufenthaltsgemeinde, aber über keine wesentlichen familiären oder beruflichen Bindungen, sei mittellos und habe seinen Lebensunterhalt aus Unterstützungen seiner Unterkunftgeber finanziert. Ohne zufällige Überprüfung wäre er für die Fremdenbehörde nicht erreichbar gewesen. Er erweise sich somit als nicht vertrauenswürdig. Aus seinem Vorbringen im Schubhaftbeschwerdeverfahren sei das Bestreben abzuleiten, aus der Schubhaft entlassen zu werden, neuerlich unterzutauchen und seine Abschiebung zu verhindern. Seine Ausführungen in der mündlichen Verhandlung, er werde sich ab nun an die österreichische Rechtsordnung halten und sich regelmäßig bei der Polizei melden, erschienen nicht glaubhaft.

Wenn er darauf verweise, dass ein Bekannter eine finanzielle Sicherheit in der Höhe von 5.000 EUR bei seinem Rechtsvertreter hinterlegt habe, so komme auch insofern die Anwendung eines gelinderen Mittels gemäß § 77 FPG nicht in Betracht. Dafür sei "ausschlaggebend", dass "die finanzielle Sicherheitsleistung bei der Behörde zur Sicherstellung des Verfahrens zu hinterlegen ist, und nicht wie hier bei der Rechtsvertretung".

Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG sei festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Anordnung von Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG unverändert vorlägen.

5 Nach dem Gesamtinhalt ihrer Ausführungen der Sache nach ausschließlich gegen Spruchpunkt A.II. dieses Erkenntnisses (betreffend den Fortsetzungsausspruch gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG) richtet sich die vorliegende Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Durchführung eines Vorverfahrens - eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet - erwogen hat:

Die Revision erweist sich - wie sich aus den folgenden Ausführungen ergibt - als zulässig und berechtigt.

6 Der Revisionswerber macht geltend, dass ihm die während der letzten sieben Jahre (wenn auch ohne polizeiliche Meldung) genutzte Wohnmöglichkeit weiter zur Verfügung stünde, er eine (von einem Bekannten beigestellte) ausreichende Sicherheitsleistung angeboten habe und ein Heimreisezertifikat (insbesondere aus Georgien) auch bislang während der Schubhaft nicht habe erlangt werden können, was zeige, dass er nicht nur wegen Ausreiseunwilligkeit im Inland verblieben sei. Insgesamt hätte daher mit einem gelinderen Mittel das Auslangen gefunden werden müssen.

7 Damit zeigt der Revisionswerber Begründungsmängel des BVwG hinsichtlich der gemäß § 76 Abs. 1 erster Satz FPG vorrangig gebotenen Anwendung gelinderer Mittel an Stelle von Schubhaft auf. Das BVwG ist nämlich nicht auf die vom Revisionswerber vorgelegten Unterlagen betreffend seine gesellschaftliche Verankerung in seiner bisherigen Wohnsitzgemeinde eingegangen.

8 Vor allem aber durfte der für den Revisionswerber von einem Bekannten beim Rechtsvertreter des Revisionswerbers hinterlegten "finanziellen Sicherheit" in der Höhe von immerhin 5.000 EUR nicht letztlich damit die Bedeutung abgesprochen werden, dass "die finanzielle Sicherheitsleistung bei der Behörde zur Sicherstellung des Verfahrens zu hinterlegen ist, und nicht wie hier bei der Rechtsvertretung". Die Hinterlegung des zulässigen Betrages (iSd § 13 Abs. 1 der Fremdenpolizeigesetz-Durchführungsverordnung) bei der Behörde käme nämlich erst nach Anordnung eines entsprechenden gelinderen Mittels in Betracht.

9 Insoweit hat das BVwG die Rechtslage verkannt, weshalb das in Revision gezogene Erkenntnis im Umfang seiner Anfechtung gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen prävalierender Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.

10 Ein Zuspruch von Aufwandersatz war nicht vorzunehmen, weil in der Revision kein diesbezüglicher Antrag iSd § 59 VwGG gestellt wurde.

Wien, am 24. Oktober 2019

Schlagworte

Besondere RechtsgebieteMaßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019210176.L00

Im RIS seit

09.12.2019

Zuletzt aktualisiert am

09.12.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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