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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
BFA-VG 2014 §9Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des K M M, in W, vertreten durch Dr. Michael Velik, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Florianigasse 1/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13. März 2019, I422 2215776-1/3E, betreffend Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 sowie Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen und eines befristeten Einreiseverbotes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber ist ägyptischer Staatsangehöriger. Er heiratete im Mai 2004 in Ägypten eine ägyptische Staatsangehörige, die in der Folge 2005 nach Österreich einreiste und hier im Wege des Familiennachzuges zu ihrem Vater eine Niederlassungsbewilligung
erhielt.
2 Ende 2006 reiste der Revisionswerber - gleichfalls im Rahmen des Familiennachzugs - zu seiner Ehefrau nach Österreich, wo er dann über eine bis 21. August 2007 gültige Niederlassungsbewilligung verfügte.
3 Ein Verlängerungsantrag blieb erfolglos; gegen den Revisionswerber wurde mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid der Sicherheitsdirektion Wien vom 27. Juli 2010 ein fünfjähriges Aufenthaltsverbot verhängt. Dem lag zugrunde, dass der Revisionswerber in seinen Verfahren zur Erlangung/Verlängerung eines Aufenthaltstitels falsche Einkommensbestätigungen vorgelegt hatte, um das Vorhandensein der für die Erteilung der Aufenthaltstitel erforderlichen Mittel vorzutäuschen. Deswegen war der Revisionswerber auch mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Leopoldstadt vom 18. Mai 2010 nach § 119 Abs. 1 FPG (Erschleichung eines Aufenthaltstitels) und nach § 293 Abs. 2 StGB (Fälschung eines Beweismittels) zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Wochen verurteilt worden.
4 Auch gegen die Ehefrau des Revisionswerbers erging ein fünfjähriges Aufenthaltsverbot. Die gegen diese Aufenthaltsverbote erhobenen Beschwerden wurden einerseits zu VwGH 3.11.2010, 2010/18/0349, (Revisionswerber) und andererseits zu VwGH 14.3.2013, 2012/22/0241, (Ehefrau) jeweils als unbegründet abgewiesen. Jedenfalls das gegen den Revisionswerber verhängte Aufenthaltsverbot wurde allerdings mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 23. März 2012 gemäß § 69 Abs. 2 FPG wieder aufgehoben, weil - so die Begründung dieses Bescheides - im Hinblick auf die Änderungen des FPG durch das FrÄG 2011 "der dem damaligen (Aufenthaltsverbotsbescheid) zugrunde
liegende Sachverhalt ... nicht mehr die Erlassung des
gegenständlichen Aufenthaltsverbotes zulassen" würde. Ergänzend erging der ausdrückliche Hinweis, dass sich der Revisionswerber (dennoch) ohne gültigen Aufenthaltstitel illegal im Bundesgebiet aufhalte und dass durch die Aufhebung des Aufenthaltsverbotes die Gültigkeit des früher erteilten Aufenthaltstitels nicht wieder in Kraft trete.
5 Gegen den Revisionswerber wurde dann ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbotes eingeleitet. Es endete mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 31. Jänner 2019, womit ausgesprochen wurde, dass dem Revisionswerber ein Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 nicht erteilt werde. Unter einem erließ das BFA gegen ihn gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG sowie gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein fünfjähriges Einreiseverbot; es stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG weiter fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Ägypten zulässig sei und dass gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt werde; einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Insbesondere das Einreiseverbot beruhte darauf, dass der Revisionswerber mittlerweile wegen am 3. Juli 2016 begangener Straftaten (versuchter Widerstand gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 erster Fall StGB und Verleumdung nach § 297 Abs. 1 erster Fall StGB) - er hatte mit Gewalt versucht, eine polizeiliche Amtshandlung in seiner Wohnung zu verhindern und danach die einschreitenden Polizeibeamten falsch verdächtigt, ihm nach seiner Festnahme Verletzungen zugefügt zu haben - rechtskräftig zu einer zwölfmonatigen Freiheitsstrafe (davon acht Monate bedingt nachgesehen) verurteilt worden war. 6 Die gegen den genannten Bescheid des BFA erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 13. März 2019 als unbegründet ab. Außerdem sprach es gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
7 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
9 In dieser Hinsicht bezieht sich der Revisionswerber auf die der Rückkehrentscheidung und dem Einreiseverbot zugrunde liegende Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG und macht geltend, es lägen "durchaus beachtliche Gründe vor, die im Rahmen des Art. 8 EMRK eine wesentliche Rolle spielen, im angefochtenen Erkenntnis jedoch unberücksichtigt" geblieben seien. Im Einzelnen spricht er dann der Sache nach an, es sei ihm nicht vorwerfbar, dass er "der Ausreiseaufforderung im Jahr 2010" nicht Folge geleistet habe; er habe im Hinblick auf das Verhalten der österreichischen Behörden - insbesondere angesichts eines von ihm ohne Beanstandung ausgeübten Gewerbes - "von zumindest einer faktischen Duldung" ausgehen können, zumal ihm "zumindest für die Dauer von sieben Jahren seitens der zuständigen Fremdenbehörde wissentlich ein ungehinderter Aufenthalt samt Geschäftsführung eingeräumt" worden sei. Weiter macht er geltend, es sei sein in Österreich geführtes Familienleben "falsch beurteilt" worden, wobei er auf den gemeinsamen Haushalt mit seiner Ehefrau und den vier zwischen 2009 und 2018 in Österreich geborenen Kindern verweist, deren Lebensunterhalt er durch die in Österreich ausgeübte selbstständige Erwerbstätigkeit sicherstelle. Schließlich rügt er, dass das BVwG sein zuletzt abgeurteiltes strafrechtliches Fehlverhalten "falsch gewürdigt" habe.
10 Was den letztgenannten Gesichtspunkt anlangt, so laufen die Überlegungen des Revisionswerbers aber auf eine Kritik am seinerzeitigen Strafurteil hinaus. Damit übersieht er indes die einem rechtskräftigen inländischen Strafurteil zukommende Bindungswirkung (siehe etwa VwGH 30.6.2016, Ra 2016/21/0190, Rn. 8; vgl. dazu auch noch des Näheren VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0288, Rn. 9). Vor diesem Hintergrund erweist sich sein auf die erwähnte strafgerichtliche Verurteilung und das ihr zugrunde liegende Verhalten Bezug nehmende Vorbringen als nicht zielführend.
11 Dem Vorwurf, es sei das vom Revisionswerber in Österreich geführte Familienleben vom BVwG "falsch beurteilt" worden, ist zunächst zu erwidern, dass das BVwG ohnehin im Sinne des Vorbringens des Revisionswerbers von einem aufrechten Familienleben mit seiner Ehefrau und den vier gemeinsamen Kindern ausgegangen ist, und dass es weiter - vom Revisionswerber daher zu Unrecht vermisste - Überlegungen hinsichtlich des Kindeswohles angestellt hat. Entgegen der offenkundig in der Revision vertretenen Ansicht gelangte es dann aber nicht zu der Ansicht, die gegen den Revisionswerber erlassene aufenthaltsbeendende Maßnahme führe - zwangsläufig - zu einer Trennung des Revisionswerbers von seinen Angehörigen in der Dauer von mindestens fünf Jahren. Vielmehr legte es seiner Beurteilung im Rahmen der durchgeführten Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG zugrunde, dass das Familienleben - auch unter Berücksichtigung des Kindeswohles - in Ägypten fortgeführt werden könnte, wobei es darauf verwies, dass alle Familienangehörige ägyptische Staatsangehörige seien und Arabisch sprechen und die - noch in anpassungsfähigem Alter befindlichen - Kinder auch in Österreich im insgesamt "ägyptisch-geprägten Familienverband" (damit wird auf die Eltern und die Geschwister der Ehefrau des Revisionswerbers Bezug genommen) aufgewachsen seien; insoweit sei auch den beiden älteren Kindern (geboren 2009 und 2011) eine im Familienverband erfolgende Rückkehr nach Ägypten zumutbar.
12 Auf diese nicht schon per se von der Hand zu weisenden Überlegungen geht die Revision nicht ein. Sie lässt weiter unberücksichtigt, dass - wie noch in der Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 31. Jänner 2019 eingeräumt worden war - auch gegen die Ehefrau des Revisionswerbers und seine Kinder mit Bescheid vom 5. Februar 2019 Rückkehrentscheidungen erlassen worden sind. Selbst wenn den dagegen erhobenen Beschwerden, über die bei Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses noch nicht entschieden worden war, allenfalls Folge gegeben wird, hinderte dies die Ehefrau und die Kinder des Revisionswerbers aber, soll eine Trennung von diesem vermieden werden, grundsätzlich nicht daran, mit ihm freiwillig in den gemeinsamen Herkunftsstaat (Ägypten) zu reisen. Gründe, die dem entgegenstünden, bringt die Revision - wie schon erwähnt - nicht vor, sodass auch ihre Ausführungen betreffend das Familienleben des Revisionswerbers ins Leere gehen.
13 Damit bleibt der Einwand, es sei dem Revisionswerber nicht vorwerfbar, dass er der Ausreiseaufforderung im Jahr 2010 nicht Folge geleistet habe und dass ihm seitens der österreichischen Behörden insgesamt der Eindruck vermittelt worden sei, weiterhin in Österreich verbleiben zu dürfen. Auch das ist jedoch nicht zutreffend, weil bis zur Aufhebung des seinerzeitigen Aufenthaltsverbotes im März 2012 ein bescheidmäßig ausgesprochener Ausreisebefehl existierte und weil der Revisionswerber mit Aufhebung des Aufenthaltsverbotes ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass er sich ungeachtet der erfolgten Aufhebung unrechtmäßig in Österreich befinde. Es wurde schließlich - wenngleich zögerlich - nach Aufhebung des Aufenthaltsverbotes gegen den Revisionswerber ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot geführt, was dem Revisionswerber (zumindest) im Rahmen niederschriftlicher Einvernahmen vor dem BFA im Oktober 2015 und im September 2017 ausdrücklich zur Kenntnis gebracht wurde. Auch sein Einwand bezüglich Gestattung eines ungehinderten Aufenthalts in Österreich "zumindest für die Dauer von sieben Jahren" verfängt daher nicht. 14 Im Ergebnis sind daher alle vom Revisionswerber gegen die vom BVwG vorgenommene Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG vorgetragenen Argumente, die sich teilweise auch auf die im Zusammenhang mit dem Einreiseverbot angestellte Gefährdungsprognose beziehen, nicht tragfähig.
15 Somit gelingt es der Revision nicht, eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzuzeigen. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Wien, am 24. Oktober 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019210138.L00Im RIS seit
05.02.2020Zuletzt aktualisiert am
05.02.2020