TE Vwgh Beschluss 2019/11/4 Ra 2019/18/0330

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Veröffentlicht am 04.11.2019
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, den Hofrat Dr. Sutter und die Hofrätin Dr.in Sembacher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des M R, vertreten durch die Gottgeisl & Leinsmer Rechtsanwälte OG in 1100 Wien, Keplerplatz 12, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. Juli 2019, W134 2188410-1/10E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der aus Afghanistan stammende Revisionswerber stellte am 7. Oktober 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Diesen begründete er im Wesentlichen damit, dass sein Vater von den Taliban getötet worden sei, weil er sich nach mehrmaliger Aufforderung geweigert habe, Drogen anstatt Getreide anzubauen. Der Revisionswerber sei danach mit seiner Schwester in den Iran ausgereist, weil diese von ihrem drogensüchtigen Mann geschlagen worden sei.

2 Mit Bescheid vom 21. Dezember 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag auf internationalen Schutz des Revisionswerbers vollumfänglich ab (Spruchpunkte I. und II.), erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise legte das BFA mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt VI.). 3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und erklärte die Revision für nicht zulässig.

4 Begründend führte das BVwG aus, dass es keinen Grund mehr für die Taliban gebe, den Revisionswerber zu verfolgen, weil seine Familie das Feld, auf dem er mit seinem Vater gearbeitet habe, nur gepachtet habe und nun nicht mehr bewirtschafte. Zudem seien die Taliban nicht auf den Revisionswerber angewiesen, da es für diese leicht wäre, andere Landwirte zu finden, die Drogen für sie anbauten. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die Taliban den Revisionswerber weiträumig verfolgen sollten, zumal sie sich bereits am Vater für dessen Ungehorsam gerächt hätten. Eine Rückkehr in seine Heimatprovinz Uruzgan sei dem Revisionswerber aufgrund der volatilen Sicherheitslage nicht zumutbar; ihm stehe aber die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in den Städten Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat zur Verfügung. Da er zudem - aufgrund seiner Arbeitserfahrung - selbsterhaltungsfähig sei, komme es auf die nicht anzunehmende finanzielle Unterstützung seiner Familie nicht an.

5 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, dass die Beurteilung des BVwG, wonach der Revisionswerber eine Verfolgung durch seinen Schwager nicht vorgebracht habe, unrichtig sei. Das BVwG hätte im Hinblick auf die Konfliktsituation mit seinem Schwager von einer den Revisionswerber betreffenden Verfolgung ausgehen müssen. Es fehle höchstgerichtliche Rechtsprechung dazu, inwiefern das Fluchtvorbringen eines Asylwerbers konkret sein müsse, wenn sich der Fluchtgrund ohnehin schlüssig aus der Sachverhaltsdarstellung ergebe. Zudem fehle Rechtsprechung dazu, ob die Beurteilung der innerstaatlichen Fluchtalternative (IFA) tatsächlich eine Rechts- und nicht richtiger Weise eine Tatfrage sei. Nach Ansicht des Revisionswerbers seien die UNHCR-Richtlinien diesbezüglich als Tatsachen zu werten, weshalb es vom BVwG nicht richtig und nicht nachvollziehbar gewesen sei, sie in die rechtliche Beurteilung einzubeziehen.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 9 Wenn die Revision die Beweiswürdigung des BVwG beanstandet, ist ihr zu entgegnen, dass eine im Einzelfall vorgenommene, nicht als grob fehlerhaft erkennbare Beweiswürdigung im Allgemeinen keine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufwirft (vgl. VwGH 5.6.2019, Ra 2019/18/0048, mwN).

10 Entgegen dem nicht weiter konkretisierten Vorbringen des Revisionswerbers, wonach das BVwG sein Vorbringen hinsichtlich der Verfolgung durch seinen Schwager nicht berücksichtigt habe, hat sich das BVwG mit seinem diesbezüglichen Vorbringen im angefochtenen Erkenntnis sehr wohl auseinandergesetzt und in den beweiswürdigenden Überlegungen nachvollziehbar dargetan, warum es auf Basis der Ausführungen des Revisionswerbers bereits keine Verfolgungsgefahr durch dessen Schwager angenommen hat. 11 Mit dem Vorbringen, wonach es sich hinsichtlich der Beurteilung der zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative bei den UNHCR-Richtlinien vom 30. August 2018 um Tatsachen handle und diese daher keiner rechtlichen Beurteilung des Verwaltungsgerichts unterlägen, verkennt die Revision zunächst bereits grundsätzlich das Wesen der rechtlichen Subsumtion von Tatsachen. 12 Im Übrigen fehlt auch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Einordnung der UNHCR-Richtlinien, die nicht nur die Wiedergabe von Tatsachen enthalten, sondern auch (rechtliche) Schlussfolgerungen treffen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist den UNHCR-Richtlinien besondere Beachtung zu schenken ("Indizwirkung"). Diese Indizwirkung bedeutet zwar nicht, dass die Asylbehörden oder das BVwG in Bindung an entsprechende Empfehlungen des UNHCR internationalen Schutz gewähren müssten. Allerdings haben sie sich mit den Stellungnahmen, Positionen und Empfehlungen des UNHCR auseinanderzusetzen und, wenn sie diesen nicht folgen, begründet darzulegen, warum und gestützt auf welche entgegenstehenden Berichte sie zu einer anderen Einschätzung der Lage im Herkunftsstaat gekommen sind (vgl. VwGH 17.9.2019, Ra 2019/20/0438, mwN).

13 Eine diesbezügliche Fehlerhaftigkeit der Auseinandersetzung des BVwG mit den UNHCR-Richtlinien zeigt die Revision nicht auf. 14 In der Revision werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 4. November 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019180330.L00

Im RIS seit

04.12.2019

Zuletzt aktualisiert am

04.12.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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