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19/05 MenschenrechteNorm
AsylG 2005 §11Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek sowie die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Terlitza als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision des M A in W, vertreten durch Mag. Irene Oberschlick, Rechtsanwältin in 1030 Wien, Weyrgasse 8/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Jänner 2019, Zl. W204 2161981-1/20E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24. Mai 2017 wurde der Antrag des Revisionswerbers, eines afghanischen Staatsangehörigen, vom 20. Juli 2015 vollinhaltlich auf internationalen Schutz abgewiesen, dem Revisionswerber kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen, die Zulässigkeit der Abschiebung nach Afghanistan festgestellt und eine vierzehntätige Frist für freiwillige Ausreise festgesetzt. 2 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
3 Begründend erachtete das BVwG das Fluchtvorbringen des Revisionswerbers, er habe in Afghanistan außerehelichen Geschlechtsverkehr vollzogen, als nicht glaubwürdig. Zwar würde der Revisionswerber seinen Glauben in Österreich nicht mehr ausüben, jedoch drohe ihm weder aus diesem Grund noch aufgrund seiner Tätigkeit in einem österreichischen Verein in seinem Herkunftsstaat asylrelevante Verfolgung. Dem Revisionswerber stehe eine mögliche und zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif zur Verfügung. Darüber hinaus nahm das BVwG eine näher begründete Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG vor.
4 Dagegen erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der ihre Behandlung mit Beschluss vom 11. Juni 2019, E 786/2019-7, ablehnte, und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 23. Juli 2019, E 786/2019- 9, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abtrat. 5 In weiterer Folge erhob der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 9 Wenn die Revision mangelnde Feststellungen zum Umgang des Herkunftsstaates mit Personen, die außerehelichen Geschlechtsverkehr vollzogen haben, rügt, macht sie einen Verfahrensmangel geltend, der nicht relevant ist, weil sich das BVwG mit diesem Vorbringen des Revisionswerbers auseinandergesetzt und seine Glaubwürdigkeit mit näherer Begründung verneint hat (vgl. in diesem Sinne VwGH 24.6.2019, Ra 2019/20/0126, mwN). 10 Soweit sich die Revision gegen die Beweiswürdigung des BVwG wendet, ist darauf hinweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig und zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 15.4.2019, Ra 2019/01/0119; 5.7.2019, Ra 2019/01/0229, jeweils mwN). Es ist auch gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 weder der Behörde noch dem BVwG verwehrt, im Rahmen beweiswürdigender Überlegungen Widersprüche und sonstige Ungereimtheiten in den Angaben in der Erstbefragung zu späteren Angaben - unter Abklärung und in der Begründung vorzunehmender Offenlegung, worauf diese fallbezogen zurückzuführen sind - einzubeziehen (vgl. VwGH 28.6.2018, Ra 2018/19/0271, mwN). Die Revision zeigt vor diesem Hintergrund nicht auf, dass die Beweiswürdigung des BVwG fehlerhaft wäre. 11 Zu den darüber hinaus geltend gemachten Begründungsmängeln ist der Revision zu entgegnen, dass es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht ausreicht, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, sondern es ist auch deren Relevanz in konkreter Weise darzulegen (vgl. VwGH 5.6.2019, Ra 2019/18/0186; 5.7.2019, Ra 2019/01/0229, jeweils mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Revision nicht gerecht.
Sofern die Revision rügt, das BVwG habe den UNHCR-Richtlinien vom 30. August 2018 nicht die diesen zukommende Bedeutung beigemessen, ist ihr zu erwidern, dass der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgeführt hat, dass die in diesen enthaltenen Ausführungen nicht dazu zu führen haben, dass von vornherein jegliche Rückkehr eines afghanischen Staatsangehörigen in sein Heimatland als gegen Art. 3 EMRK verstoßend anzusehen wäre. Der UNHCR hat sich in den genannten Richtlinien einer eigenen Einschätzung enthalten, ob die Städte Mazar-e Sharif und Herat angesichts der gegenwärtigen Sicherheits-, Menschenrechts- und humanitären Lage als interne Schutzalternativen grundsätzlich nicht verfügbar sind und vertritt die Auffassung der Notwendigkeit einer ausreichend auf den Einzelfall bezogenen Prüfung (vgl. VwGH 27.5.2019, Ra 2019/14/0153; 27.6.2019, Ra 2019/14/0085).
12 Beim Revisionswerber handelt es sich nach den unbestritten gebliebenen Feststellungen des BVwG um einen gesunden, arbeitsfähigen, jungen Mann mit Schulbildung und Berufserfahrung, bei dem die grundsätzliche Teilnahme am Erwerbsleben vorausgesetzt werden könne. Dass das BVwG mit seiner Einschätzung, der Revisionswerber finde auf Grundlage der Feststellungen zu seiner Person sowie zur Sicherheits- und Versorgungslage in Mazar-e Sharif eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative vor, in unvertretbarer Weise von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre, zeigt die Revision nicht auf (vgl. VwGH 18.7.2019, Ra 2019/19/0197, mwN).
13 Soweit sich die Revision auf ein näher bezeichnetes Schreiben vom 8. August 2019 beruft, unterliegt dieses erstmals erstattete Vorbringen dem im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof aus § 41 VwGG abgeleiteten Neuerungsverbot; es ist bereits aus diesem Grund nicht geeignet, die Zulässigkeit der Revision im Sinn von Art. 133 Abs. 4 B-VG zu begründen (vgl. VwGH 30.4.2019, Ra 2019/14/0131).
14 Schließlich ist dem Revisionsvorbringen zur vom BVwG vorgenommenen Interessenabwägung zu entgegnen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine im Einzelfall vorgenommene Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. aus der jüngeren Rechtsprechung etwa VwGH 12.6.2019, Ra 2019/01/0113, mwN). Dass das BVwG die Interessenabwägung in unvertretbarer Weise vorgenommen hätte, indem es dem Revisionswerber eine sehr gute Integration zugestand, zeigt die Revision nicht auf.
15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 5. November 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019010348.L00Im RIS seit
04.12.2019Zuletzt aktualisiert am
04.12.2019