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L37158 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag VorarlbergNorm
AVG §8Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2018/06/0052Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie Senatspräsidentin Dr. Bayjones und Hofrätin Mag. Rehak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber BA, über die Revision 1. der N K und 2. des M B, beide in L und vertreten durch Dr. Harald Bösch, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Am Stein 19, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg vom 2. Februar 2018, LVwG-318-65/2017-R6, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Berufungskommission der Marktgemeinde Lauterach, vertreten durch die Summer Schertler Kaufmann Droop Lerch Rechtsanwälte GmbH in 6900 Bregenz, Kirchstraße 4; mitbeteiligte Parteien: 1. I F und 2. G F, beide in L; weitere Partei: Vorarlberger Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die revisionswerbenden Parteien haben der Marktgemeinde Lauterach Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg (LVwG) wurde die Beschwerde der revisionswerbenden Parteien gegen den Bescheid der Berufungskommission der Marktgemeinde L. vom 3. Oktober 2017, mit dem im innergemeindlichen Instanzenzug den mitbeteiligten Parteien (Bauwerbern) gemäß § 28 Abs. 2 und § 29 Baugesetz (BauG) nach Maßgabe des festgestellten Sachverhaltes sowie den diesem Bescheid zugrunde liegenden Plan- und Beschreibungsunterlagen vom 29. Februar 2016 die Bewilligung für die Errichtung eines Carports auf dem Grundstück X unter Bedingungen und Auflagen erteilt (Spruchpunkt II.) und gemäß § 7 BauG eine Ausnahme von den vorgeschriebenen Abstandsflächen und Abständen gegenüber dem Grundstück Y im projektbedingten Umfang zugelassen worden war (Spruchpunkt I.), keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei. 5 Begründend führte das LVwG zusammengefasst aus, die Bauwerber seien Eigentümer des Grundstückes X. Der geplante Carport solle direkt und sohin ohne Einhaltung eines Mindestabstandes an der Grundstücksgrenze zu dem Nachbargrundstück Y der revisionswerbenden Parteien errichtet werden, welches diese mit Kaufvertrag vom 27. Juni 2016 erworben hätten. Durch ihre Unterschrift auf dem als "Vereinbarung" bezeichneten Schreiben vom 1. März 2016 hätten die Voreigentümer des Nachbargrundstückes Y ausdrücklich der Errichtung eines Carports auf dem Baugrundstück der Bauwerber zugestimmt. Aus den Aussagen der (namentlich angeführten) Zeugen gehe klar hervor, dass das Schreiben vom 1. März 2016 nur deshalb von den Voreigentümern des Grundstückes Y (den Revisionswerbern) unterschrieben worden sei, weil diese den Bauwerbern die Zustimmung zur Errichtung des Carports bis an die Grundstücksgrenze zu den Nachbarn erteilen hätten wollen. Es sei zu keinem Zeitpunkt die Rede davon gewesen, dass eine beiderseitige Zustimmung zur gegenseitigen Einräumung einer Abstandsnachsicht hätte erteilt werden sollen, weshalb es unerheblich sei, dass die Bauwerber das Schreiben vom 1. März 2016 nicht unterfertigt hätten. Sie seien auch von den Voreigentümern des Grundstücks Y nicht aufgefordert worden, dieses Schriftstück zu unterschreiben. Es sei glaubwürdig, dass der Bauwerber G.F. auch durch die Baubehörde nicht aufgefordert worden sei, das Schreiben selbst zu unterfertigen, als er es gemeinsam mit dem Bauantrag eingebracht habe. Ebenfalls werde der glaubwürdigen Aussage des Bauwerbers G.F. gefolgt, wonach er das Schreiben als Vordruck von der Marktgemeinde L. erhalten habe und dieses von den Voreigentümern in der Absicht unterschreiben habe lassen, dass diese ihre Zustimmung zur Abstandsnachsicht erteilen würden. Zudem sei in dem Schreiben vom 1. März 2016 unter Punkt. IV. ausdrücklich festgehalten worden, dass sich die Vereinbarung auch auf die Rechtsnachfolger erstrecke. Es stehe somit fest, dass die Voreigentümer einer Abstandsnachsicht bis an die Grundstücksgrenze zugestimmt hätten. Da das Schreiben vom 1. März 2016 gemeinsam mit dem Bauantrag am 2. März 2016 bei der Baubehörde eingelangt sei, sei die Zustimmung gemäß § 7 Abs. 1 lit. a BauG somit unwiderruflich erteilt worden. Daran vermöge auch die Tatsache nichts zu ändern, dass das Nachbargrundstück Y nach Erteilung der Abstandsnachsicht an die nunmehrigen revisionswerbenden Parteien verkauft worden sei.
6 In den zur Zulässigkeit der Revision vorgetragenen Gründen machen die revisionswerbenden Parteien geltend, das gegenständliche Erkenntnis weiche von näher angeführter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, wonach sich eine Abstandsnachsicht gemäß § 7 Abs. 1 lit. a BauG auf ein bestimmtes Bauvorhaben beziehen müsse. Der Einverständniserklärung vom 28. Oktober 2015 seien Baupläne vom 8. Oktober 2015 beigelegen, welche nach Angaben der mitbeteiligten Parteien noch adaptiert hätten werden müssen. Der Entscheidung des LVwG hätten schließlich Pläne vom 29. Februar 2016 zugrunde gelegen. Mit der Vereinbarung vom 1. März 2016 werde jedoch auf keinen dieser Pläne Bezug genommen, weshalb sie nicht als Zustimmung zu einem konkreten Bauvorhaben im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gewertet werden könne. Weiters sei die Zustimmung zur strittigen Abstandsnachsicht von den Voreigentümern des Nachbargrundstückes Y eingeräumt worden, zum Zeitpunkt der Bauverhandlung seien jedoch bereits die revisionswerbenden Parteien grundbücherliche Eigentümer des Grundstückes gewesen. Der Verwaltungsgerichtshof habe sich bisher nicht mit der Frage auseinanderzusetzen gehabt, unter welchen Voraussetzungen eine nach § 7 Abs. 1 lit. a BauG von Voreigentümern eines Grundstückes erteilte Zustimmung zur Bauabstandsnachsicht auch die Rechtsnachfolger im Eigentum binde. Auch wäre die Vereinbarung vom 1. März 2016 richtigerweise von sämtlichen Vertragsparteien zu unterzeichnen gewesen.
7 In den Revisionszulässigkeitsgründen ist konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte und in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage dieser uneinheitlich oder noch nicht beantwortet hat. Dabei hat der Revisionswerber im Fall der Behauptung einer Abweichung von der Rechtsprechung konkret darzulegen, dass der der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt einer der von ihm ins Treffen geführten hg. Entscheidungen gleicht, das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Fall dennoch anders entschieden hat und es damit von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist (vgl. VwGH 12.6.2019, Ra 2017/06/0030, mwN).
8 Abgesehen davon, dass in den Revisionszulässigkeitsgründen nicht konkret dargelegt wird, inwiefern der vorliegend zu beurteilende Sachverhalt dem der von den revisionswerbenden Parteien zitierten Entscheidung VwGH 23.6.2010, 2010/06/0090, bzw. VwGH 25.2.2010, 2008/06/0186, zu Grunde gelegenen Sachverhalt gleicht und dennoch vom Verwaltungsgericht abweichend entschieden wurde, ist eine solche Abweichung auch nicht zu erkennen:
9 Nach der hg. Rechtsprechung hat die Zustimmung zu einer Abstandsnachsicht im Sinne des § 7 Abs. 1 lit. a BauG zu einem konkreten Projekt zu erfolgen; eine bloß "grundsätzliche Zustimmung" entspricht nicht diesen Voraussetzungen (vgl. das zitierte Erkenntnis VwGH 23.6.2010, 2010/06/0090, mwN). Das hier gegenständliche Schreiben vom 1. März 2016, welches vom LVwG als Zustimmung zur Erteilung einer Abstandsnachsicht gemäß § 7 BauG qualifiziert wurde, bezieht sich ausdrücklich auf die mit 2. März 2016 datierte Eingabe der mitbeteiligten Parteien, mit welchem um die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung eines Carports nach Maßgabe der vorgelegten Plan- und Beschreibungsunterlagen vom 29. Februar 2016 angesucht wurde. Inwiefern das LVwG bei seiner Beurteilung des Schreibens vom 1. März 2016 als Zustimmung zur Abstandsnachsicht für ein konkretes Projekt von der zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre, wird in der Revision nicht konkret dargetan und ist auch nicht ersichtlich. 10 Soweit die Revision in Frage stellt, ob die von Voreigentümern eines Grundstückes erteilte Zustimmung zur Bauabstandsnachsicht auch ihre Rechtsnachfolger im Eigentum binde, ist auf den klaren Wortlaut des § 7 Abs. 1 lit. a BauG hinzuweisen, wonach die Zustimmung des betroffenen Nachbarn ab ihrem Einlangen bei der Behörde unwiderruflich ist. Dafür, dass sich an dieser Unwiderruflichkeit im Falle einer Rechtsnachfolge etwas ändern sollte, gibt es weder in der Bestimmung selbst noch in den Gesetzesmaterialien Anhaltspunkte (vgl. dazu die erläuternden Bemerkungen zur Stammfassung LGBl. Nr. 52/2001 und zu den Novellen zum BauG LGBl. Nr. 44/2007 sowie LGBl. Nr. 32/2009, abgedruckt bei Lampert/Tschofen, Vlbg BauG (2018) § 7 Rz 27ff). Auch die bereits eingangs zitierte Rechtsprechung betont die Projektbezogenheit der Abstandsnachsicht (vgl. wiederum VwGH 23.6.2010, 2010/06/0090, mwN). Am konkreten Projekt, zu welchem die Abstandsnachsicht erteilt wurde, ändert sich durch die Rechtsnachfolge jedoch nichts.
11 Wenn die Revision letztlich vorbringt, die "Vereinbarung" vom 1. März 2016 wäre richtigerweise von sämtlichen Vertragsparteien und nicht nur den Voreigentümern des Grundstückes Y zu unterzeichnen gewesen, ist ihr zu entgegnen, dass das LVwG in umfangreicher Beweiswürdigung darlegte, weshalb beim Schreiben vom 1. März 2016 von einer Abstandsnachsicht der Voreigentümer auszugehen sei, welche unabhängig von einer Abstandsnachsicht der Bauwerber eingeräumt worden sei. Folglich sei es unerheblich, dass die Bauwerber die "Vereinbarung" vom 1. März 2016 nicht unterfertigt hätten. Dass diese Einschätzung an einer vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangelhaftigkeit leiden würde, zeigt die Revision fallbezogen nicht auf (vgl. allgemein zum Prüfungsmaßstab bei der Beweiswürdigung VwGH 21.3.2018, Ra 2018/18/0075, mwN).
12 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
13 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 51 zweiter Fall VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am 5. November 2019
Schlagworte
Baurecht Grundeigentümer RechtsnachfolgerNachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Abstandsvorschriften BauRallg5/1/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018060051.L00Im RIS seit
09.12.2019Zuletzt aktualisiert am
09.12.2019