TE Vwgh Beschluss 2019/11/5 Ra 2017/06/0221

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Veröffentlicht am 05.11.2019
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Index

L82007 Bauordnung Tirol
001 Verwaltungsrecht allgemein
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §58 Abs2
AVG §59 Abs1
AVG §68 Abs1
AVG §8
BauO Tir 2011 §40 Abs2
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie Hofrätin Mag.a Merl und Hofrat Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber, BA, über die Revision der A S in S, vertreten durch Dr. Karl Hepperger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Müllerstraße 27/II, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 28. August 2017, LVwG- 2017/36/1943-1, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde gegen einen baupolizeilichen Auftrag nach der Tiroler Bauordnung 2011 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Gemeinde Stummerberg; weitere Partei: Tiroler Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Stummerberg vom 14. Juni 2017 wurde F.S. gemäß § 40 Abs. 2 Tiroler Bauordnung 2011 (TBO 2011) aufgetragen, eine näher bezeichnete, im Eigentum des F.S. stehende Brandruine zu beseitigen.

2 Dieser Bescheid wurde auch der Revisionswerberin, die Eigentümerin eines benachbarten Grundstücks ist, "zur Kenntnis" zugestellt.

3 Die von der Revisionswerberin gegen den genannten Bescheid vom 14. Juni 2017 erhobene Beschwerde wurde mit dem angefochtenen Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Tirol (LVwG) vom 28. August 2017 als unzulässig zurückgewiesen. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für unzulässig erklärt.

4 Zusammengefasst wurde die Zurückweisung der Beschwerde damit begründet, dass sich der baupolizeiliche Auftrag nicht an die Revisionswerberin gerichtet habe, ihr in diesem baupolizeilichen Verfahren keine Parteistellung zukomme und sie auch durch die bloße Zustellung der bekämpften Entscheidung keine Parteistellung erlangt habe.

5 Gegen diesen Beschluss richtet sich die außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. 6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG). 7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 9 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. 10 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt Nachbarn in einem baupolizeilichen Verfahren nach der Tiroler Bauordnung keine Parteistellung zu (vgl. bereits zu früheren Tiroler Bauordnungen die bereits im angefochtenen Beschluss des LVwG zitierte Judikatur: VwGH 12.11.1974, 1854/74; 28.6.1984, 84/06/0124; 29.11.2005, 2004/06/0109; 28.2.2006, 2006/06/0017, mwN). Dass sich die TBO 2011, LGBl. Nr. 57/2011 in der hier maßgeblichen Fassung LGBl. Nr. 32/2017, in dieser Frage von den erwähnten älteren Tiroler Bauordnungen unterscheidet und eine von der bisherigen Rechtslage abweichende Bestimmung enthält, ist nicht zu erkennen und wird von der Revisionswerberin auch nicht konkret dargelegt. Eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt nicht vor, wenn diese durch zu früheren Rechtslagen ergangene und auf die aktuelle Rechtslage übertragbare Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bereits geklärt wurde (VwGH 1.8.2017, Ra 2017/06/0105, mwN). 11 Entgegen dem Zulässigkeitsvorbringen der Revision ist das LVwG ferner im Einklang mit der hg. Rechtsprechung davon ausgegangen, dass die Parteistellung der Revisionswerberin, die selbst angibt, nicht zur Umsetzung des baupolizeilichen Auftrages verpflichtet worden zu sein, auch nicht durch die (auch) an sie erfolgte bloße Zustellung des Bescheides des Bürgermeisters der Gemeinde Stummerberg vom 14. Juni 2017 begründet wurde (vgl. VwGH 29.2.2012, 2009/10/0115; 26.9.2013, 2013/07/0062 bis 0063; 28.4.2016, 2013/07/0038, jeweils mwN).

12 Mit dem Vorbringen, dass sich der Abriss der Brandruine "auf ihr Grundstück negativ auswirkt", zeigt die Revisionswerberin nicht konkret auf, inwieweit damit der vorliegende Fall ein Abgehen von der schon genannten Rechtsprechung erfordern würde. 13 Gleiches gilt hinsichtlich der nicht konkretisierten Ausführungen der Revisionswerberin, ihre Liegenschaft werde "für die geforderten Maßnahmen erheblich in Anspruch genommen". Zwar wird - was jedoch weder der angefochtene Beschluss noch die Revision erwähnen - in der Begründung des Bescheides des Bürgermeisters der Gemeinde Stummerberg vom 14. Juni 2017 ausgeführt, dass "(d)ie Nachbarin (Revisionswerberin) die Benützung ihres Grundstückes gemäß § 36 Abs. 1, 2 und 3 TBO (...) während der Abbrucharbeiten zu dulden (hat), da der Zugang zur Brandruine und der Abbruch nur über ihr Grundstück möglich und Gefahr im Verzug ist". Abgesehen davon, dass die Revisionswerberin auf diese Begründungspassage nicht konkret Bezug nimmt, kommt der Begründung eines Bescheides allerdings keine normative Wirkung zu, sondern es entfaltet allein der Spruch des Bescheides normative Wirkung (vgl. VwGH 20.5.2015, 2012/10/0113; 30.3.2017, Ro 2016/07/0015 bis 0016).

14 Der Spruch des Bescheides vom 14. Juni 2017 ist aber insofern eindeutig, als er einen (lediglich) an F.S. gerichteten Beseitigungsauftrag enthält, hingegen der Revisionswerberin weder einen Auftrag erteilt noch Duldungspflichten auferlegt. Es liegt daher diesbezüglich auch kein Zweifelsfall vor, in dem der Begründung Bedeutung für die Auslegung des Spruches zukäme (vgl. dazu VwGH 19.9.2006, 2005/06/0085; 23.5.2017, Ra 2016/05/0122).

15 Soweit die Revisionswerberin einen Eingriff in ihre

verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte, insbesondere in das

verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Schutz des Eigentums geltend macht, ist darauf zu verweisen, dass dem Verwaltungsgerichtshof eine Zuständigkeit zu einer Sachentscheidung hierüber nicht zukommt (VwGH 1.8.2019, Ra 2017/06/0192, mwN). Auch dieses Vorbringen kann somit die Zulässigkeit der Revision nicht begründen.

16 Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 5. November 2019

Schlagworte

Baurecht NachbarIndividuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der BehördeSpruch DiversesSpruch und Begründung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2017060221.L00

Im RIS seit

05.02.2020

Zuletzt aktualisiert am

05.02.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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