TE Vwgh Erkenntnis 2019/11/6 Ra 2019/12/0045

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Veröffentlicht am 06.11.2019
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
63/02 Gehaltsgesetz

Norm

AVG §39 Abs2
AVG §59 Abs1
AVG §66 Abs4
GehG 1956 §12 Abs3 idF 2015/I/065
GehG 1956 §12 Abs3 idF 2016/I/064
GehG 1956 §12 Abs3 Z2 idF 2016/I/064
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §9 Abs1 Z3
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens, Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer, Hofrat Mag. Feiel, Hofrätin MMag. Ginthör sowie Hofrat Mag. Cede als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision der Präsidentin des Oberlandesgerichtes Linz gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Juni 2019, W129 2139768-1/16E, betreffend Besoldungsdienstalter (mitbeteiligte Partei: Mag. N H in P, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Antrag der revisionswerbenden Partei auf Zuspruch von Aufwandersatz wird abgewiesen.

Begründung

1 Die Mitbeteiligte wurde mit 1. März 2013 zur Richteramtsanwärterin ernannt, wodurch erstmals ein öffentlichrechtliches Dienstverhältnis derselben zum Bund begründet wurde. 2 Aus diesem Anlass wurde mit Bescheid vom 7. Dezember 2013 der Vorrückungsstichtag der Mitbeteiligten festgestellt. 3 Mit Bescheid vom 3. August 2016 sprach der Präsident des Oberlandesgerichtes Linz aus, dass der Mitbeteiligten gemäß § 12 Abs. 5 Gehaltsgesetz 1956, BGBl. Nr. 54 (im Folgenden: GehG), 1 Jahr 6 Monate und 8 Tage als für die Vorrückung wirksame Dienstzeit bei Ermittlung der Einstufung angerechnet werden würden.

Betreffend die von der Mitbeteiligten absolvierten Zeiten als "Rechtsanwaltsassistentin" in der Rechtsanwaltskanzlei Dris. H im Zeitraum vom 1. November 2007 bis zum 30. Juni 2011 hielt die Behörde fest, die überwiegende Zeit dieser Tätigkeit sei von der Mitbeteiligten vor Abschluss ihres rechtswissenschaftlichen Studiums am 30. April 2011 absolviert worden. Bei "solchen" Berufstätigkeiten sei besonders genau zu prüfen, ob diese tatsächlich berufseinschlägig seien. Aufgrund des vorliegenden Dienstzeugnisses, wonach die Mitbeteiligte als "Rechtsanwaltsassistentin" überwiegend mit gehobener Sekretariatstätigkeit, wie z.B. mit Korrespondenz, "Telefon", Terminplanung, Büroorganisation sowie mit der Abrechnung von Kanzleiakten betraut gewesen sei, werde diese Tätigkeit aufgrund des fehlenden signifikanten Mehrwertes für die richterliche Tätigkeit (lediglich) im Ausmaß von zwei Monaten als Vordienstzeit berücksichtigt.

4 Gegen diesen Bescheid erhob die Mitbeteiligte Beschwerde und hielt dazu fest, den Bescheid nur insoweit zu bekämpfen, als Vordienstzeiten nicht über das durch die Behörde festgestellte Ausmaß hinaus angerechnet worden seien. Inhaltlich wandte sie sich gegen die Nichtanrechnung von näher genannten, ihrer Ansicht nach zu berücksichtigenden Vordienstzeiten.

5 Mit Beschwerdevorentscheidung vom 17. Oktober 2016 änderte die Dienstbehörde den angefochtenen Bescheid dahingehend ab, dass der Mitbeteiligten gemäß § 12 Abs. 5 GehG 1 Jahr, 7 Monate und 3 Tage als für die Vorrückung wirksame Dienstzeit bei Ermittlung der Einstufung angerechnet werden würden.

Die zusätzliche Anrechnung von Zeiten habe sich aufgrund der Korrektur eines Berechnungsfehlers ergeben, der im Zusammenhang mit der Tätigkeit der Mitbeteiligten als Tutorin an der Universität S aufgetreten sei.

6 Die Mitbeteiligte beantragte die Vorlage ihrer Beschwerde an das Verwaltungsgericht und führte aus, die Beschwerde (nur) insoweit aufrecht zu erhalten, als nicht über die in der Beschwerdevorentscheidung angerechneten Zeiten hinausgehend weitere Zeiten zur Anrechnung gelangt seien.

7 Mit Beschluss vom 31. Juli 2017 setzte das Bundesverwaltungsgericht das Beschwerdeverfahren gemäß § 17 VwGVG in Verbindung mit § 38 AVG bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über das ihm mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30. Juni 2017, W128 2148285-1/2Z (Anmerkung: zur Rechtssache C-396/17), vorgelegte Vorabentscheidungsersuchen aus.

8 Dieser Aussetzungsbeschluss wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Juli 2018, Ra 2017/12/0110, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben (zur näheren Vorgeschichte vgl. das zuletzt genannte hg. Erkenntnis). 9 In weiterer Folge führte das Bundesverwaltungsgericht am 30. Oktober 2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. An dieser nahmen die Mitbeteiligte sowie ihre anwaltliche Vertretung teil. Die Dienstbehörde hatte mit Schreiben vom 11. Oktober 2018 mitgeteilt, dass von der Teilnahme an der Verhandlung abgesehen werde.

10 Mit Eingabe vom 20. November 2018 übermittelte die Mitbeteiligte zwei Dienstzeugnisse vom 30. Juni 2011 sowie vom 3. August 2009 und weiters eine eidesstattliche Erklärung Dris. H vom 16. November 2018.

11 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG teilweise Folge und änderte den angefochtenen Bescheid in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung dahingehend ab, dass gemäß § 12 GehG für das Besoldungsdienstalter Vordienstzeiten im Ausmaß von 2 Jahren, 1 Monat und 27 Tagen angerechnet werden würden. Im Übrigen wurde die Beschwerde abgewiesen. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

12 Das Verwaltungsgericht stellte fest, die Mitbeteiligte sei im Zeitraum vom 16. August 2005 bis zum 31. März 2006 als Nachhilfelehrerin für Rechnungswesen, Bilanzierung sowie für Betriebs- und Volkswirtschaftslehre tätig gewesen. Es könne nicht festgestellt werden, dass diese Tätigkeit zu einem erheblich höheren Arbeitserfolg bei ihrer Verwendung als Richteramtsanwärterin oder Richterin geführt habe.

13 Im Zeitraum vom 1. November 2007 bis zum 30. Juni 2011 sei die Mitbeteiligte in der Kanzlei Dris. H als "Rechtsanwaltsassistentin" im Ausmaß von acht Stunden pro Woche beschäftigt gewesen. Der Aufgabenbereich der Mitbeteiligten habe "unter anderem auch" die Bearbeitung von Rechtsfragen und die Erstellung von Schriftsatzentwürfen, weiters den Einsatz des elektronischen Rechtsverkehrs, speziell die Einbringung von Klagen und die Durchführung von Exekutionsverfahren sowie die Einholung von Grundbuchs- und Firmenbuchauszügen, ferner die Prüfung und Ausarbeitung von Rechtsfragen zur Vorbereitung zivil- und exekutionsrechtlicher Verfahren, das selbständige Verfassen zivilrechtlicher Klagen, von Schriftsätzen und auch von Rechtsmittelausführungen sowie das selbstständige Betreuen von durch die Bestellung eines Sachwalters betroffenen Personen inklusive Erledigung sämtlicher dabei anfallender Angelegenheiten umfasst.

14 Im Zeitraum vom 15. Mai bis zum 30. September 2008 habe die Mitbeteiligte ein Praktikum an der Wissenschaftsagentur der Universität Salzburg im Ausmaß von acht Wochen absolviert. Sie habe dabei Befragungen in Gemeinden des Bundeslandes Salzburg über den Bekanntheitsgrad des Projektes "Gesundes Salzburg 2010" durchgeführt.

15 Die Gerichtspraxis der Mitbeteiligten habe vom 1. August 2011 bis zum 28. Februar 2013 gedauert. Mit Wirksamkeit vom 1. März 2013 sei sie zur Richteramtsanwärterin und mit Wirksamkeit vom 1. Juli 2016 zur Richterin ernannt worden. 16 Soweit hier entscheidungswesentlich, führte das Bundesverwaltungsgericht in seiner rechtlichen Beurteilung betreffend die Vortätigkeit der Mitbeteiligten in der Rechtsanwaltskanzlei Dris. H aus, es sei bereits von der Dienstbehörde angenommen worden, dass diese Tätigkeit zu einem erheblich höheren Arbeitserfolg bei der Verwendung der Mitbeteiligten als Richteramtsanwärterin oder Richterin geführt habe. Eine Anerkennung sei jedoch nur in einem Gesamtausmaß von zwei Monaten erfolgt, weil das Vorliegen tatsächlich berufseinschlägiger Tätigkeiten zum damaligen Zeitpunkt nur eingeschränkt habe festgestellt werden können. Aufgrund der nachgereichten unbedenklichen eidesstattlichen Erklärung des Dienstgebers, wonach die Mitbeteiligte auch die in den Feststellungen angeführten rechtlichen Aufgabengebiete betreut habe, sei nunmehr uneingeschränkt davon auszugehen, dass die Assistenztätigkeit zu einem erheblich höheren Arbeitserfolg geführt habe. Die Mitbeteiligte weise somit im Hinblick auf die in Rede stehende Tätigkeit als "Rechtsanwaltsassistentin" Zeiten auf, die nicht ohnehin von der Mehrheit der potentiellen Bewerber vorgewiesen werden würden und durch die sie sich deutlich von typischen Berufseinsteigern abhebe.

17 Die Mitbeteiligte sei in der Rechtsanwaltskanzlei in einem Zeitraum von 44 Monaten teilzeitbeschäftigt gewesen und es habe somit nach dem "pro-rata-temporis Prinzip" eine Anerkennung im Ausmaß von 8 Monaten und 24 Tagen zu erfolgen. Soweit sich die Mitbeteiligte gegen die Anwendung dieses Grundsatzes ausgesprochen habe, sei ihr entgegenzuhalten, dass eine "volle" Anerkennung eine unsachliche Gleichstellung mit Personen bedeutete, die im Zeitraum von 44 Monaten "Vollzeit" gearbeitet und sich daher im Vergleich zur Mitbeteiligten im fünffachen Ausmaß den in den Feststellungen angeführten rechtlichen Aufgabengebieten gewidmet hätten. 18 Von dem genannten Zeitraum im Ausmaß von 8 Monaten und 24 Tagen seien der Mitbeteiligten bereits durch die Dienstbehörde zwei Monate angerechnet worden. Somit sei die in der Beschwerdevorentscheidung erfolgte Anerkennung von Vordienstzeiten für das Besoldungsdienstalter um sechs Monate und 24 Tage auf 2 Jahre, 1 Monat und 27 Tage zu erhöhen gewesen.

19 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision, in der inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften verbunden mit dem Antrag geltend gemacht werden, der Verwaltungsgerichtshof möge in der Sache selbst entscheiden, hilfsweise das angefochtene Erkenntnis aus den genannten Gründen aufheben.

20 Die Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung.

21 Zur Begründung ihrer Zulässigkeit beruft sich die Revision

auf eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, weil das Bundesverwaltungsgericht im Widerspruch zu dem hg. Erkenntnis vom 19. Februar 2018, Ro 2018/12/0001, keine ausreichenden Feststellungen betreffend die Vortätigkeit der Mitbeteiligten als "Rechtsanwaltsassistentin" getroffen habe. Das angefochtene Erkenntnis lasse zu dieser Vortätigkeit Feststellungen betreffend die tatsächlichen Verrichtungen der Mitbeteiligten, deren Ausmaß und die dabei erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten vermissen. Das Gericht habe zudem den Grundsatz außer Acht gelassen, wonach für die Beurteilung einer erheblich besseren Verwendbarkeit nicht mehr als der Zeitraum eines halben Jahres nach Beginn des Dienstverhältnisses zu Grunde zu legen sei. Es fehlten ferner Feststellungen zu den Tätigkeiten, die der Mitbeteiligten zu Beginn ihres öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses zugewiesen worden seien, zu dem Erfolg, mit dem sie diese Tätigkeiten verrichtet habe, und zu der Frage, ob und inwieweit ihr Arbeitserfolg erheblich über dem von Berufseinsteigern ohne ähnliche Vortätigkeit liege bzw. die Vortätigkeit für den erheblich höheren Arbeitserfolg ursächlich gewesen sei. Ein erheblich höherer Arbeitserfolg im Sinn von § 12 Abs. 3 GehG liege überdies erst dann vor, wenn der Anteil der Überschreitung mehr als 25 % des regulären "Arbeitserfolges" ausmache. Dass die zuletzt genannte Voraussetzung in Ansehung der Tätigkeit der Mitbeteiligten als "Rechtsanwaltsassistentin" erfüllt wäre, lasse sich dem angefochtenen Erkenntnis nicht entnehmen.

22 Ferner habe das Bundesverwaltungsgericht den Grundsatz des rechtlichen Gehörs nicht beachtet sowie gegen das Überraschungsverbot dadurch verstoßen, dass es der Dienstbehörde keine Gelegenheit zur Stellungnahme zu der erst am 20. November 2018, und somit nach Abschluss der mündlichen Verhandlung, übermittelten Erklärung Dris. H eingeräumt habe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

23 Die Revision erweist sich im Hinblick auf die in der Zulässigkeitsbegründung geltend gemachte Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als zulässig und berechtigt.

24 § 12 Abs. 3 Gehaltsgesetz 1956 (GehG), BGBl. Nr. 54, in der im Revisionsfall maßgeblichen Fassung des hier wiedergegebenen Absatzes BGBl. I Nr. 64/2016, lautete:

"Besoldungsdienstalter

§ 12 ...

(3) Über die in Abs. 2 angeführten Zeiten hinaus sind Zeiten der Ausübung einer einschlägigen Berufstätigkeit oder eines einschlägigen Verwaltungspraktikums bis zum Ausmaß von insgesamt höchstens zehn Jahren als Vordienstzeiten anrechenbar. Eine Berufstätigkeit oder ein Verwaltungspraktikum ist einschlägig, insoweit eine fachliche Erfahrung vermittelt wird, durch die

1. eine fachliche Einarbeitung auf dem neuen Arbeitsplatz überwiegend unterbleiben kann oder

2. ein erheblich höherer Arbeitserfolg durch die vorhandene Routine zu erwarten ist."

25 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem - auch vom Bundesverwaltungsgericht zitierten - Erkenntnis vom 19. Februar 2018, Ro 2018/12/0001, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, zur Auslegung des § 12 Abs. 3 GehG in der hier maßgeblichen Fassung bereits Stellung genommen (vgl. auch VwGH 28.2.2019, Ra 2018/12/0002). Feststellungen sowie eine rechtliche Auseinandersetzung, die den in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entwickelten Leitlinien entsprächen, lässt das angefochtene Erkenntnis jedoch, worauf die Revision betreffend die Vortätigkeit der Mitbeteiligten als "Rechtsanwaltsassistentin" zutreffend hinweist, in mehrfacher Hinsicht vermissen.

26 Zunächst wären im Sinne der zitierten Rechtsprechung Feststellungen zu den von der Mitbeteiligten als Richteramtsanwärterin in den ersten sechs Monaten nach ihrem Eintritt in das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis zu verrichtenden Tätigkeiten und zu deren jeweiligem prozentuellen Anteil an der Gesamttätigkeit zu treffen gewesen.

27 Weiters wären Feststellungen zu treffen gewesen, welche tatsächlichen Verrichtungen von der Mitbeteiligten während ihrer Vortätigkeit als "Rechtsanwaltsassistentin" besorgt wurden, in welchem Ausmaß dies geschehen ist und welche Kenntnisse und Fähigkeiten dadurch erworben wurden. Schon unter diesem Gesichtspunkt genügte es nicht, wenn das Gericht feststellte, die Mitbeteiligte habe aufgrund der vorgelegten eidesstattlichen Erklärung "unter anderem auch" in gewissen Aufgabengebieten bestimmte Tätigkeiten verrichtet. Daraus wird nämlich nicht ersichtlich, in welchem Ausmaß die einzelnen in der eidesstattlichen Erklärung angeführten und den verwaltungsgerichtlichen Feststellungen zugrunde gelegten Aufgaben von der Mitbeteiligten jeweils neben anderen ihr ("unter anderem auch") zugewiesenen (im Dienstzeugnis aufgelisteten) Tätigkeiten wahrgenommen wurden. Welche Kenntnisse und Fähigkeiten von der Mitbeteiligten im Rahmen ihrer Tätigkeit in der Kanzlei Dris. H erworben wurden, ist dem angefochtenen Erkenntnis ebenso wenig zu entnehmen.

28 Sodann wäre zu ermitteln gewesen, in welchem Ausmaß eine durch die Vortätigkeit bewirkte Überschreitung des regulären Arbeitserfolges vorlag, wobei diese Überschreitung in einer Gesamtbetrachtung an qualitativen und quantitativen Aspekten zu ermitteln gewesen wäre. Zu diesen Aspekten enthält das angefochtene Erkenntnis ebenfalls keinerlei Feststellungen. Das Bundesverwaltungsgericht wäre in diesem Zusammenhang auch gehalten gewesen, den Anteil (jene Anteile) der Tätigkeit der Mitbeteiligten in den ersten sechs Monaten des öffentlichrechtlichen Dienstverhältnisses festzustellen, in dem (in denen) die durch die Vortätigkeit erlangten Fähigkeiten und Kenntnisse von Bedeutung waren und in welchem Umfang bei Gesamtbetrachtung ein höherer durch die Vortätigkeit verursachter Arbeitserfolg vorlag.

29 Bezüglich sämtlicher Tätigkeitsbereiche, für die das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass auf Grund von Vortätigkeiten im Rahmen einer allenfalls nach § 12 Abs. 3 GehG anzurechnenden Zeit der Berufstätigkeit (hier der Tätigkeit der Mitbeteiligten als "Rechtsanwaltsassistentin") ein höherer Arbeitserfolg im Vergleich zu dem von einer oder von einem sonst vergleichbaren Richteramtsanwärterin oder Richteramtsanwärter ohne Vorerfahrung zu erwartenden Arbeitserfolg vorliegt, wäre entsprechend den obigen Ausführungen vorzugehen gewesen. 30 Nach Ermittlung des jeweiligen höheren Arbeitserfolges in den Tätigkeitsbereichen einer Richteramtsanwärterin oder eines Richteramtsanwärters in den ersten sechs Monaten ihrer bzw. seiner Tätigkeit wäre abschließend zu prüfen gewesen, ob die zu beurteilende Vortätigkeit bei Summierung der nach den Anteilen an der Gesamtdienstzeit gewichteten höheren Arbeitserfolge in den einzelnen Bereichen der von der Mitbeteiligten am Beginn ihres öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses zu verrichtenden Tätigkeiten insgesamt einen "erheblich" höheren Arbeitserfolg im Sinne der hg. Rechtsprechung bewirkte, also der Anteil der Überschreitung bei Gesamtbetrachtung unter qualitativen und quantitativen Aspekten mehr als 25 % des regulären Arbeitserfolges ausmachte. All diese Ermittlungsschritte sowie die darauf aufbauenden rechtlichen Erwägungen sind im verwaltungsgerichtlichen Verfahren betreffend die Vortätigkeit der Mitbeteiligten als "Rechtsanwaltsassistentin", welche das Gericht als einschlägig im Sinn von § 12 Abs. 3 GehG qualifizierte, unterblieben.

31 Überdies ist - worauf die Revision ebenfalls zutreffend hinweist - nach der zu der Vorgängerbestimmung des § 12 Abs. 3 GehG ergangenen und auf die aktuelle Rechtslage übertragbaren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der Frage der Berücksichtigung unterwertiger oder vor der Erfüllung des einschlägigen Anstellungserfordernisses zurückgelegter Verwendungszeiten ein besonders strenger Maßstab anzulegen (vgl. VwGH 17.11.2004, 2004/12/0109; siehe auch die Materialien zu § 12 Abs. 3 in der Fassung BGBl. I Nr. 65/2015 RV 585 BlgNR 25. GP, S 8f, wonach das Fehlen einer entsprechenden formellen Ausbildung (z.B. wenn nach Abschluss einer "BHS" das Hochschulstudium parallel zur Berufstätigkeit betrieben wird und nach Abschluss eine Aufnahme in v1 erfolgt) als deutlicher Hinweis darauf gewertet werden könne, dass die Berufstätigkeit möglicherweise nicht facheinschlägig sei. Generell werde - so die zuletzt zitierten Materialien zu § 12 Abs. 3 GehG weiter - eine niederwertigere Tätigkeit in der Regel keine ausreichende Erfahrung für einen höherwertigen Arbeitsplatz vermitteln und damit keine Anrechenbarkeit begründen. Nachdem es aber auf die Beurteilung der früheren Tätigkeit, nicht auf die absolvierte Vorbildung oder gar die frühere Einstufung ankomme, sei eine Anrechenbarkeit bei Prüfung im Einzelfall nicht auszuschließen - wenngleich hierbei ein strenger Maßstab anzulegen sein werde). 32 Einer Prüfung unter Berücksichtigung des soeben angesprochenen Gesichtspunktes wurden die Tätigkeiten der Mitbeteiligten, die im Zeitraum vom 1. November 2007 bis zum 30. April 2011 vor Abschluss des Studiums der Rechtswissenschaften (vgl. dazu das in § 2 Abs. 1 Z 4 Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz genannte Aufnahmeerfordernis für den richterlichen Vorbereitungsdienst), in der Rechtsanwaltskanzlei Dris. H ausgeübt wurden, im angefochtenen Erkenntnis nicht unterzogen. Das Bundesverwaltungsgericht verwies im Wesentlichen auf die rechtliche Beurteilung der Behörde, die betreffend die Vortätigkeit der Mitbeteiligten als "Rechtsanwaltsassistentin", die bis zum 30. Juni 2011 und folglich auch noch zwei Monate nach Abschluss des Studiums am 30. April 2011 verrichtet wurde, eine Anrechnung im Ausmaß von zwei Monaten vorgenommen hatte.

33 Entgegen der im angefochtenen Erkenntnis zum Ausdruck gebrachten Rechtsansicht ist es überdies nicht ausschlaggebend, ob die Dienstbehörde ihrerseits von der Einschlägigkeit gewisser Vordienstzeiten ausging. Vielmehr hatte das Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen die nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für die Anrechnung von Vordienstzeiten im Sinn von § 12 Abs. 3 GehG erforderlichen Feststellungen in einem ordnungsgemäßen Verfahren zu treffen und diese entsprechend rechtlich zu würdigen.

34 Darüber hinaus ist klarzustellen, dass der Ausspruch der Behörde über das Besoldungsdienstalter der Mitbeteiligten, nämlich betreffend das Ausmaß der gemäß § 12 GehG anzurechnenden Vordienstzeiten, als solcher nicht teilbar ist und als notwendige Einheit nicht hinsichtlich eines damit erworbenen Anspruches auf Beibehaltung zumindest der darin ausgesprochenen besoldungsrechtlichen Stellung in Teilrechtskraft erwachsen kann (vgl. VwGH 28.9.1993, 92/12/0184).

35 Aus Anlass der gegen den Bescheid der Dienstbehörde vom 3. August 2016 erhobenen Beschwerde der Mitbeteiligten hatte das Bundesverwaltungsgericht daher - ungeachtet der bereits durch die Behörde angerechneten Zeiten - sämtliche in Betracht kommenden Vordienstzeiten im Sinne der gesetzlichen Vorgaben zu beurteilen. Trotz des durch die Mitbeteiligte "eingeschränkt" formulierten Anfechtungsgegenstandes erwuchsen die von der Behörde dem Besoldungsdienstalter der Mitbeteiligten vorangestellten Zeiten (wie oben ausgeführt) nicht in Teilrechtskraft und gelangte in diesem Zusammenhang auch nicht das Verbot der "reformatio in peius" zur Anwendung (siehe zum Verbot der "reformatio in peius", welches im VwGVG - mit Ausnahme von Verwaltungsstrafsachen - nicht vorgesehen ist VwGH 25.5.2016, Ra 2015/12/0032; 17.12.2014, Ro 2014/03/0066). Auch eine "Außerstreitstellung" dergestalt, dass das Verwaltungsgericht aufgrund eines bestimmten Parteienvorbringens zweckdienliche Ermittlungen und Feststellungen überhaupt unterlassen dürfte, ist dem Verwaltungsverfahren fremd. 36 Da das Bundesverwaltungsgericht in Verkennung der Rechtslage die im Sinne der zitierten Rechtsprechung notwendigen Feststellungen nicht getroffen hat und die rechtliche Begründung seiner Entscheidung - wie oben aufgezeigt - die erforderliche Auseinandersetzung mit den im vorliegenden Fall relevanten Gesichtspunkten vermissen lässt, war das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

37 Im Hinblick auf diesen Verfahrensausgang war auf den Umstand, dass das Bundesverwaltungsgericht der Dienstbehörde zu der von der Mitbeteiligten nach Abschluss der mündlichen Verhandlung übermittelten eidesstattlichen Erklärung Dris. H kein Parteiengehör eingeräumt hatte, sowie auf den in der Revision daraus abgeleiteten Verstoß gegen das Überraschungsverbot nicht weiter einzugehen.

38 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Gemäß § 47 Abs. 4 VwGG hat die revisionswerbende Partei in dem hier vorliegenden Fall einer Amtsrevision gemäß Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG keinen Anspruch auf Aufwandersatz, weshalb der diesbezügliche Antrag abzuweisen war.

Wien, am 6. November 2019

Schlagworte

AllgemeinAuslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch den Berufungsantrag Umfang der Anfechtung Teilrechtskraft Teilbarkeit der vorinstanzlichen EntscheidungBesondere RechtsgebieteTrennbarkeit gesonderter AbspruchVerfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Offizialmaxime Mitwirkungspflicht Manuduktionspflicht VwRallg10/1/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019120045.L00

Im RIS seit

05.02.2020

Zuletzt aktualisiert am

05.02.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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