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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AVG §44a Abs2Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der R GmbH in W, vertreten durch die SRG Stock Rafaseder Gruszkiewicz Rechtsanwälte GmbH in 1040 Wien, Schwindgasse 7/6, gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Wien vom 1. Juli 2019, Zl. VGW-101/042/7077/2019-7, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde iA EisbG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien; mitbeteiligte Partei: W KG, W), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem in Revision gezogenen Beschluss wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde der Revisionswerberin gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 20. Februar 2018, mit dem der Mitbeteiligten die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung für einen Bauabschnitt des Neubaus der U-Bahnlinie U2 erteilt worden war, als unzulässig zurück; die ordentliche Revision wurde für unzulässig erklärt.
2 Dem legte das Verwaltungsgericht - auf das Wesentliche zusammengefasst - Folgendes zu Grunde: Der Antrag der Mitbeteiligten war mit Edikt vom 22. November 2017 - verlautbart in den Tageszeitungen Kurier, Kronen Zeitung sowie im Amtsblatt zur Wiener Zeitung - kundgemacht worden. Das Edikt wies - auszugsweise - folgenden Inhalt auf:
"1. Gegenstand des Antrages
Die (Mitbeteiligte) hat drei Anträge auf eisenbahnrechtliche Baugenehmigungen gemäß § 31 Eisenbahngesetz 1957 ... und diesbezügliche Anträge auf Erteilung von Ausnahmegenehmigungen gemäß § 95 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz ... bzw. gemäß § 63 Abs. 1 Straßenbahnverordnung 1999 ... für folgende Vorhaben eingebracht:
...
II. Neubau einer Straßenbahn (U-Bahnlinie U2) im Bauabschnitt U2/17 ?TVM-Vortriebe'
...
2. Beschreibung der Vorhaben
...
Ad II. Das Projekt U2/17 ?TVM-Vortriebe' erstreckt sich von der Wende- und Abstellanlage Matzleinsdorfer Platz bis zum Notausstieg Augustin Platz. Es umfasst jene Streckenteile, die in geschlossener Bauweise mittels Schildvortrieb errichtet werden und die Errichtung der Wende- und Abstellanlage sowie der Notausstiege Quellenstraße, Reinprechtsdorfer Straße, Kaunitzgasse und Augustinplatz. Der Bauabschnitt U2/17 wird durch die U2-Stationen Matzleinsdorfer Platz (U2/18), Reinprechtsdorfer Straße (U2/19), Pilgramgasse (U2/20) und Neubaugasse (U2/21) unterbrochen. Dadurch liegen jeweils südlich und nördlich dieser U2-Stationen Bauabschnittsgrenzen. Der gesamte Bauabschnitt U2/17 liegt in Tieflage. Lediglich bei den Notausstiegen werden Objekte an der Oberfläche errichtet. Bei den Notausstiegen sind weiters Gleiswechselanlagen situiert. ..."
3 Das Edikt nannte weiters Zeit (23. November 2017 bis 12. Jänner 2018) und Ort der möglichen Einsichtnahme und enthielt einen Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 44b AVG.
4 In der demnach offenen Frist bis 12. Jänner 2018 wurden von der Revisionswerberin (diese ist Eigentümerin von durch die Baumaßnahmen betroffenen Liegenschaften) keine Einwendungen erhoben.
5 Das Verwaltungsgericht folgerte, die von der Revisionswerberin erhobene Beschwerde sei unzulässig. Sie habe nämlich gemäß § 44b AVG ihre als Eigentümerin einer vom Bau unmittelbar betroffenen Liegenschaft an sich nach § 31e EisbG bestehende Parteistellung verloren, weil sie nicht rechtzeitig Einwendungen erhoben habe. Das Vorbringen der Revisionswerberin, die von der belangten Behörde als Edikt gewerteten Veröffentlichungen hätten nicht den Vorgaben des § 44a Abs. 2 AVG entsprochen, weil sie den Gegenstand des Vorhabens nicht ausreichend präzisiert hätten, weshalb die Präklusionswirkung nach § 44b Abs. 1 AVG nicht eingetreten sei, führe nicht zum Ziel. Ausgehend von den Gesetzesmaterialien zu der mit der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 eingeführten Regelung und der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs (Verweis auf VwGH 27.9.2013, 2010/05/0202) sei eine kurze und prägnante Spezifikation des Verfahrensgegenstands erforderlich, die es jedermann erlaube, abzuschätzen, ob und wie er vom Vorhaben betroffen sei und gegebenenfalls veranlasst sein werde, dagegen Einwendungen zu erheben. Entsprechend der Aktenlage und dem Vorbringen der Revisionswerberin (Eigentümerin eines Grundstücks im Trassenbereich, die Kenntnis von der örtlichen Lage ihres Grundstücks habe) könne nicht angenommen werden, dass die Revisionswerberin in Anbetracht der im Edikt erfolgten Trassenkonkretisierung es als unwahrscheinlich hätte erachten können, vom Bauvorhaben betroffen zu sein. Es wäre daher an ihr gelegen, sich durch Einsicht in die aufgelegten Unterlagen zu vergewissern, ob sie realistischerweise durch die Auswirkungen des Vorhabens in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten betroffen sein werde.
6 Es sei deshalb von der Rechtsgültigkeit des Edikts auszugehen, weshalb die Revisionswerberin ihre Parteistellung verloren habe.
7 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende - außerordentliche - Revision.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG). 9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 11 Die demnach für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision allein maßgebende Zulässigkeitsbegründung der Revision legt nicht dar, dass der Verwaltungsgerichtshof bei Entscheidung über die vorliegende Revision eine Rechtsfrage von Bedeutung zu lösen hätte.
12 Die Revision macht geltend, die angefochtene Entscheidung weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ab, indem die ausgehend von VwGH 27.9.2013, 2010/05/0202, maßgebenden inhaltlichen Kriterien für die Anforderungen an die gebotene Konkretisierung des Vorhabens grob verkannt worden seien. 13 Im Revisionsfall ist allein strittig, ob das Edikt vom 22. November 2017 eine ausreichende Konkretisierung des Vorhabens enthalten hat.
14 Gemäß § 44a Abs. 2 AVG hat das Edikt in Großverfahren
1.) den Gegenstand des Antrages und eine Beschreibung des Vorhabens, 2.) eine Frist von mindestens sechs Wochen, innerhalb derer bei der Behörde schriftlich Einwendungen erhoben werden können, 3.) den Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 44b und 4.) den Hinweis, dass die Kundmachungen und Zustellungen im Verfahren durch Edikt vorgenommen werden können, zu enthalten. 15 Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist der "Gegenstand des Antrages" kurz, prägnant und allgemein verständlich unter Hinweis auf die maßgeblichen Gesetzesbestimmungen zu umreißen. Die "Beschreibung des Vorhabens" hat eine allgemein verständliche Darstellung und Erklärung des Projekts und seiner möglichen Emissionen und Immissionen zu beinhalten. Beide Informationen sollen den Interessierten in die Lage versetzen, abschätzen zu können, ob und inwieweit er vom beantragten Vorhaben in seinen Rechten betroffen und veranlasst sein wird, dagegen Einwendungen zu erheben (vgl. VwGH 27.9.2018, Ra 2016/06/0061; VwGH 27.9.2013, 2010/05/0202).
16 Die Beurteilung, welche Angaben ein Edikt enthalten muss, um dieses Ziel zu erreichen, stellt - vor dem Hintergrund, dass dabei jeweils auf das konkrete Vorhaben und dessen allfällige Auswirkungen auf fremde Rechte abzustellen ist - regelmäßig eine als Einzelfallbeurteilung zu wertende Rechtsfrage dar (vgl. VwGH Ra 2016/06/0061).
17 Von der Revision, die nicht einmal ansatzweise konkretisiert, inwiefern das Verwaltungsgericht die maßgebenden Kriterien - grob fehlerhaft - unrichtig angewendet habe, wird nicht dargelegt, dass das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall eine unvertretbare Einzelfallbeurteilung vorgenommen hätte. 18 Nur ergänzend: Der Vorhabensbeschreibung im strittigen Edikt ist zu entnehmen, dass eine U-Bahnlinie in Tieflage und geschlossener Bauweise vom Matzleinsdorfer Platz über die Reinprechtsdorfer Straße, Pilgramgasse und Neubaugasse bis zur Notausstiegstelle Augustin Platz errichtet werden soll. Von dieser Linienbeschreibung ausgehend musste für die Revisionswerberin - als Eigentümerin von Liegenschaften mit den Adressen W, Mstraße 3 bzw. Bplatz 1, die noch dazu nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der Mitbeteiligten direkt auf der gedachten linearen Verbindung zwischen Matzleinsdorfer Platz und Pilgramgasse liegen -
erkennbar sein, dass eine Betroffenheit ihrer Liegenschaften möglich und deshalb eine Einsichtnahme in die Antragsunterlagen geboten ist, um Gewissheit über die tatsächliche Betroffenheit zu erlangen.
19 Die Beurteilung des Verwaltungsgerichts hält sich daher - entgegen dem Revisionsvorwurf - innerhalb der durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs gezogenen Leitlinien.
20 Die Revision war deshalb zurückzuweisen.
Wien, am 6. November 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019030124.L00Im RIS seit
09.12.2019Zuletzt aktualisiert am
09.12.2019