TE Vwgh Beschluss 2019/11/11 Ra 2019/11/0050

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Veröffentlicht am 11.11.2019
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
60/01 Arbeitsvertragsrecht

Norm

AVRAG 1993 §7d Abs1
AVRAG 1993 §7i Abs4
B-VG Art133 Abs4
VStG §9
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGG §41
VwGG §42 Abs2 Z1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und den Hofrat Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des S F in L (Slowenien), vertreten durch Dr. Roland Grilc, Mag. Rudolf Vouk, Dr. Maria Skof, MMag. Maja Ranc und Mag. Sara Julia Grilc, Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, Karfreitstraße 14/III, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 8. August 2018, Zl. LVwG-2017/24/1662-7, betreffend Übertretung des AVRAG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Landeck),

Spruch

I. den Beschluss gefasst:

Die Revision wird, soweit sie sich gegen den Schuldspruch des angefochtenen Erkenntnisses richtet, zurückgewiesen.

II. zu Recht erkannt:

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seines Strafausspruches und des Ausspruches über den Kostenbeitrag wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Revisionswerber nach durchgeführter mündlicher Verhandlung schuldig erkannt, er habe es als gemäß § 9 VStG nach außen zur Vertretung Berufener der J.d.d. (einer Gesellschaft mit Sitz in Slowenien) zu verantworten, dass für insgesamt vierzehn namentlich genannte, vorübergehend auf einer Baustelle in Österreich (Arlbergtunnel) beschäftigte Arbeitnehmer die zur Überprüfung des diesen zustehenden Entgelts erforderlichen Lohnunterlagen zum Zeitpunkt der Kontrolle (13. Juni 2016) nicht in deutscher Sprache bereitgehalten worden seien.

Wegen Übertretung des § 7d Abs. 1 Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz - AVRAG (in der zum Tatzeitpunkt noch geltenden Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 44/2016) wurden über den Revisionswerber gemäß § 7i Abs. 4 AVRAG vierzehn Geldstrafen - eine Geldstrafe pro betroffenem Arbeitnehmer - zu jeweils EUR 2.000,-- (insgesamt somit EUR 28.000,--) sowie Ersatzfreiheitsstrafen (insgesamt 19 Tage und 6 Stunden) verhängt und ihm ein Kostenbeitrag zum behördlichen Strafverfahren (10 % der Geldstrafen gemäß § 64 Abs. 2 VStG) sowie zum Beschwerdeverfahren (20 % der Geldstrafen gemäß § 52 Abs. 2 VwGVG) vorgeschrieben.

Gleichzeitig wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

In der Begründung wurde als entscheidungswesentlicher Sachverhalt (u.a.) festgestellt, dass die in § 7d Abs. 1 AVRAG genannten Lohnunterlagen betreffend die genannten Arbeitnehmer, nämlich die Lohnzettel in deutscher Sprache, Lohnaufzeichnungen, Arbeitsaufzeichnungen, Lohnzahlungsnachweise, Banküberweisungsbelege und Unterlagen betreffend die Lohneinstufung, zum Zeitpunkt der Kontrolle weder bereitgehalten noch unmittelbar elektronisch zugänglich gemacht worden seien.

Der Strafbemessung legte das Verwaltungsgericht zugrunde, dass die Nichtbereithaltung von Lohnunterlagen, wenn, wie gegenständlich, mehr als drei Arbeitnehmer betroffen seien, der Strafsatz des § 7i Abs. 4 Z 1 (dritter Fall) AVRAG zur Anwendung gelange, nach dem über den Arbeitgeber eine Geldstrafe "für jede/n Arbeitnehmer/in" in Höhe von EUR 2.000,-- bis 20.0000,-- zu verhängen sei. Die von der belangten Behörde verhängten Geldstrafen entsprächen jeweils der Mindeststrafe und seien tat- und schuldangemessen.

2 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (der die Behandlung dieser Beschwerde mit Beschluss vom 25. Februar 2019, E- 3967/2018-5, abgelehnt und diese mit Beschluss vom 11. März 2019, E-3967/2018-7, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat) und sodann die vorliegende außerordentliche Revision.

3 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

4 Zum Schuldspruch des angefochtenen Erkenntnisses:

Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG). 5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Diesem Erfordernis wird insbesondere nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) oder zu den Rechten, in denen sich der Revisionswerber verletzt erachtet (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG), Genüge getan (vgl. aus vielen die Beschlüsse VwGH 23.3.2017, Ra 2017/11/0014, und VwGH 1.9.2017, Ra 2017/11/0225, jeweils mwN). 6 Soweit im Zulässigkeitsvorbringen die Unionsrechtswidrigkeit der Verpflichtung zur Bereithaltung der im Spruch des gegenständlichen Straferkenntnisses näher präzisierten Lohnunterlagen ins Treffen geführt wird, hat sich der Verwaltungsgerichtshof damit bereits im Beschluss vom 20. September 2018, Ra 2018/11/0118 (dort Rz 18 bis 24), auseinandergesetzt. Aus den in diesem Beschluss zitierten Entscheidungsgründen, auf die gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG verwiesen wird, bestehen die diesbezüglichen unionsrechtlichen Bedenken nicht.

7 Das weitere Zulässigkeitsvorbingen, es sei unrichtig, dass die Lohnunterlagen nicht bereitgehalten worden seien, betrifft die (vom Verwaltungsgericht nach Durchführung einer Verhandlung vorgenommene) Beweiswürdigung. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge somit nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. etwa VwGH 16.5.2018, Ra 2018/11/0088, mwN), wovon gegenständlich nicht auszugehen ist.

8 Mit der in der Revision - erstmals - erfolgten Bestreitung der Verantwortlichkeit des Revisionswerbers für die in der Tatumschreibung genannte slowenische Gesellschaft zum Tatzeitpunkt (die Revision behauptet, der Revisionswerber sei erst danach Vorstandsmitglied geworden) kann schon deshalb keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt werden, weil es sich dabei nach Ausweis der Akten um eine gemäß § 41 VwGG unbeachtliche Neuerung im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof handelt.

9 In der Revision werden daher, was den Schuldspruch des angefochtenen Erkenntnisses betrifft, keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, sodass die Revision insoweit zurückzuweisen war.

10 Zu den verhängten Strafen und zur Vorschreibung eines Kostenbeitrages:

11 Das Verwaltungsgericht ist bei seiner Entscheidung über das Strafausmaß einerseits von der in § 7i Abs. 4 AVRAG vorgesehenen gesetzlichen Mindeststrafe für die Nichtbereithaltung von Lohnunterlagen und andererseits vom dort normierten Gebot der Verhängung einer Geldstrafe pro betroffenem Arbeitnehmer ausgegangen und hat überdies für die Übertretung der in Rede stehenden Bereithaltepflicht für jede Geldstrafe eine Ersatzfreiheitsstrafe (§ 16 VStG) verhängt.

12 Der Revisionsfall gleicht daher, was den Strafausspruch und die Vorschreibung des Kostenbeitrages betrifft, jenem, der dem Erkenntnis VwGH 15.10.2019, Ra 2019/11/0033 bis 0034, zugrunde lag. Aus den Entscheidungsgründen des zitierten Erkenntnisses, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, folgt, dass auch das angefochtene Erkenntnis hinsichtlich der verhängten Strafe und der daran anknüpfenden Vorschreibung des Kostenbeitrages inhaltlich rechtswidrig ist und insoweit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

13 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 11. November 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019110050.L00

Im RIS seit

09.12.2019

Zuletzt aktualisiert am

09.12.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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