TE Vwgh Beschluss 2019/11/11 Ra 2019/03/0130

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Veröffentlicht am 11.11.2019
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
24/01 Strafgesetzbuch
25/01 Strafprozess
40/01 Verwaltungsverfahren
41/04 Sprengmittel Waffen Munition

Norm

AVG §38
StGB §107 Abs1
StPO 1975 §259
VwRallg
WaffG 1996 §12 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des F S in V, vertreten durch Prof. Dipl. Ing. Mag. Andreas O. Rippel, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Maxingstraße 34, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom 23. August 2019, Zl. KLVwG- 2502/17/2018, betreffend Verhängung eines Waffenverbots (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis war - durch Bestätigung eines entsprechenden Bescheids der belangten Behörde - über den Revisionswerber gemäß § 12 Abs. 1 WaffG ein Waffenverbot verhängt worden.

2 Dem legte das Verwaltungsgericht Folgendes zu Grunde:

3 Der Revisionswerber hatte am 18. Oktober 2017 im Zuge eines Telefonats mit einem Bankangestellten nach dessen Ablehnung einer Kreditgewährung geäußert, er werde keinesfalls den Kredit seiner Ex-Frau zurückzahlen und erklärt, er habe ein Gewehr. Nachdem er nachgefragt hatte, ob es bei der Kreditablehnung bleibe, erklärte er, dann werde "es eben ein Hände-hoch-Kredit" werden. 4 Wegen dieses Vorfalls wurde der Revisionswerber mit Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 24. Mai 2018 wegen des Vergehens nach § 107 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten, gemäß § 43 Abs. 1 StGB bedingt nachgesehen für eine Probezeit von drei Jahren, verurteilt: Er habe durch diese Äußerung den Bankangestellten konkludent mit dem Erschießen, sohin mit dem Tode (in eventu zumindest einer Körperverletzung) gefährlich bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen. 5 Das Verwaltungsgericht hielt weiter fest, der Rechtsvertreter des Revisionswerbers habe eine ärztliche Bestätigung vorgelegt, wonach der Revisionswerber aus gesundheitlichen Gründen an der Gerichtsverhandlung nicht teilnehmen könne, deren Diagnose laute: "St.p. Mediateilinfarkt re, Dyspnoe, COPD III, Herzinsuffizienz".

6 Nach einer Darlegung der maßgebenden Grundsätze für die Verhängung eines Waffenverbots führte das Verwaltungsgericht im Rahmen der rechtlichen Beurteilung fallbezogen im Wesentlichen aus, die fragliche Äußerung des Revisionswerbers, die zu einer Verurteilung wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB geführt habe, zeige, dass dieser in Ausnahmesituationen zur Begehung unüberlegter Handlungen neige und dass die missbräuchliche Verwendung von Waffen durch ihn zu befürchten sei.

7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende, zusammen mit den Verfahrensakten vorgelegte - außerordentliche - Revision.

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 11 Die demnach für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision allein maßgebende Zulässigkeitsbegründung macht geltend, nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs erfordere die Prognoseentscheidung iSd § 12 Abs. 1 WaffG die Feststellung bestimmter Tatsachen, aus denen abgeleitet werden könne, der Betroffene werde die geschützten Rechtsgüter durch missbräuchliche Verwendung von Waffen gefährden. Derartige Feststellungen seien vom Verwaltungsgericht nicht getroffen worden, zumal die vom Revisionswerber getätigten Äußerungen ohne Berücksichtigung ihres Zusammenhangs keine Basis für eine negative Prognoseentscheidung bilden könnten und zudem das Verwaltungsgericht festgestellt habe, der Revisionswerber leide an einer schwerwiegenden und unheilbaren Krankheit. Eine Verwendung von Waffen - und damit auch eine missbräuchliche Verwendung - sei ihm nicht mehr möglich. 12 Damit wird nicht dargelegt, dass der Verwaltungsgerichtshof bei Entscheidung über die vorliegende Revision eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu beantworten hätte. 13 Hinsichtlich der für die Verhängung eines Waffenverbots nach § 12 Abs. 1 WaffG maßgebenden Rechtslage wird gemäß § 43 Abs. 2 iVm Abs. 9 VwGG auf VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063, 2.3.2016, Ra 2016/03/0011, 24.5.2016, Ra 2016/03/0054, 13.9.2016, Ra 2016/03/0085, 1.3.2017, Ra 2017/03/0008, 20.3.2018, Ra 2018/03/0022, 30.7.2018, Ra 2018/03/0080, 22.8.2018, Ra 2018/03/0077, 4.9.2018, Ra 2018/03/0090, und 15.3.2019, Ra 2019/03/0023, verwiesen. Danach ist - zusammengefasst - für die Verhängung eines Waffenverbots entscheidend, ob der angenommene Sachverhalt "bestimmte Tatsachen" iSd § 12 Abs. 1 WaffG begründet, ob also die Annahme gerechtfertigt ist, der Betroffene könnte durch missbräuchliches Verwenden von Waffen das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden.

14 Dabei genügt es, wenn konkrete Umstände vorliegen, die die Besorgnis erwecken, dass von der Waffe ein gesetz- oder zweckwidriger ("missbräuchlicher") Gebrauch gemacht und dadurch eine Gefährdung im Sinne des § 12 Abs. 1 WaffG herbeigeführt werden könnte. Hierbei ist nach dem dem WaffG allgemein innewohnenden Schutzzweck bei der Beurteilung der mit dem Besitz von Schusswaffen verbundenen Gefahr ein strenger Maßstab anzulegen. Der Verbotstatbestand des § 12 Abs. 1 WaffG setzt voraus, dass auf Grund objektiver Sachverhaltsmerkmale eine qualifiziert rechtswidrige Verwendung von Waffen (nämlich durch gesetz- oder zweckwidrigen Gebrauch) zu befürchten ist. Liegt diese Voraussetzung vor, so hat die Behörde gemäß § 12 Abs. 1 WaffG vorzugehen und ein Waffenverbot auszusprechen, ohne dass ein bisher untadeliges Vorleben dem entgegenstünde. Wesentlich ist, dass dem Betroffenen die missbräuchliche Verwendung von Waffen zuzutrauen ist.

15 Liegen dem Waffenverbot Tatsachen zugrunde, die auch Gegenstand eines gerichtlichen Strafverfahrens waren, so ist überdies auf folgende Leitlinien in der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Bedacht zu nehmen:

Die materielle Rechtskraft des Schuldspruches eines Strafurteiles bewirkt, dass dadurch - vorbehaltlich einer allfälligen Wiederaufnahme des Strafverfahrens - mit absoluter Wirkung, somit gegenüber jedermann, bindend festgestellt ist, dass die schuldig gesprochene Person die strafbare Handlung entsprechend den konkreten Tatsachenfeststellungen des betreffenden Urteils rechtswidrig und schuldhaft begangen hat. Im Fall einer verurteilenden Entscheidung durch ein Strafgericht besteht daher eine Bindung der Verwaltungsbehörde - wie auch des Verwaltungsgerichts - in der Frage, ob ein gerichtlich zu ahndender Tatbestand erfüllt wurde. Durch die gerichtliche Verurteilung wird in bindender Weise über die Begehung der Tat abgesprochen. Eine eigene Beurteilung durch die Waffenbehörde ist damit nicht mehr zulässig, diese ist verpflichtet, die so entschiedene Frage ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Im Falle eines freisprechenden Urteils hat die Waffenbehörde und das nachprüfende Verwaltungsgericht hingegen eigenständig zu beurteilen, ob ein Sachverhalt vorliegt, der nach den hiefür vom WaffG vorgegebenen Kriterien die Erlassung des Waffenverbots rechtfertigt (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 26.4.2016, Ra 2016/03/0009, mwN).

16 Vor dem dargestellten Hintergrund (der Revisionswerber war wegen der in Rede stehenden Äußerung rechtskräftig nach § 107 Abs. 1 StGB verurteilt worden) war das Verwaltungsgericht nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, seiner Beurteilung zu Grunde zu legen, dass der Revisionswerber in der genannten Weise einen anderen gefährlich bedroht hat. Dass eine derartige Bedrohung ein für die Beurteilung der Voraussetzungen eines Waffenverbotes relevantes Bild von der Persönlichkeit eines Menschen vermitteln kann und wegen des damit zu Tage getretenen Aggressionspotenzials ein Waffenverbot zu rechtfertigen vermag, entspricht den Leitlinien der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. nur etwa VwGH 24.9.2019, Ra 2019/03/0055, mwN).

17 Das weitere Revisionsvorbringen, das Verwaltungsgericht habe festgestellt, der Revisionswerber leide an einer schwerwiegenden und unheilbaren Krankheit, woraus die Revision ableitet, ihm sei eine (allenfalls missbräuchliche) Verwendung von Waffen gar nicht mehr möglich, ist schon deshalb nicht zielführend, weil eine solche Feststellung vom Verwaltungsgericht nicht getroffen wurde, die getroffenen Feststellungen aber Basis für die Prüfung des angefochtenen Erkenntnisses sind (§ 41 VwGG). 18 In der Revision werden demnach keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 11. November 2019

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019030130.L00

Im RIS seit

09.12.2019

Zuletzt aktualisiert am

09.12.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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