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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1968 §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Grubner, über die Beschwerde des AD in Wien, vertreten durch Dr. Josef Unterweger, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Buchfeldgasse 19A, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. Oktober 1995, Zl. 4.337.611/5-III/13/92, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Türkei, reiste am 14. März 1992 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 30. März 1992 Asyl. Bei der niederschriftlichen Einvernahme am 25. Mai 1992 beschrieb er seine Fluchtgründe wie folgt:
"Ich war nie bei einer Partei und habe mich auch nie politisch betätigt. Ich habe auch nie mit den türkischen Behörden Schwierigkeiten gehabt, wurde nie verhaftet, geschlagen oder gesucht. Ich habe 1989 meine Mechanikerlehre abgebrochen, da Leute zu mir gekommen sind, die wollten, daß ich in den Osten gehe, um zu kämpfen. Da mein Lehrherr ein Kurde war, kann es auch sein, daß mich PKK-Leute zum Kämpfen aufgefordert haben. Da ich aber nicht kämpfen wollte, habe ich meine Lehre aufgegeben, und bin ins Dorf zurück, wo ich als Hirte arbeitete. Auch als ich wieder im Dorf war, traten Leute an mich heran, die mich aufforderten, in den Osten zu gehen um zu kämpfen. Wer diese Leute waren, weiß ich auch nicht.
Mein Vater gab mir Geld, damit ich mir ein Visum für die BRD und ein Reiseticket nach Österreich besorgen kann."
In seiner Berufung gegen einen - formularmäßig begründeten - Bescheid des Bundesasylamtes vom 16. Juni 1992, mit dem festgestellt worden war, der Beschwerdeführer sei nicht Flüchtling, brachte er weiters vor, "als ein Kurde" habe er "in der Türkei viele Schwierigkeiten gehabt". Er sei "verfolgt und unterdrückt" (gewesen), weshalb er seinen Arbeitsplatz aufgegeben habe und aus der Stadt in sein Dorf zurückgekehrt sei. Dort habe er wieder die gleiche "Situation" erlebt und "davor Angst gehabt", weshalb er nach Österreich gekommen sei.
Der Bescheid des Bundesasylamtes wurde aufgrund dieser Berufung wegen Unzuständigkeit des Bundesasylamtes ersatzlos behoben.
Mit Bescheid vom 29. September 1992 sprach die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien - wieder mit einer nur formularmäßigen, nicht konkret auf das Vorbringen des Beschwerdeführers eingehenden Begründung - aus, der Beschwerdeführer sei nicht Flüchtling.
Seine Berufung gegen diesen Bescheid begründete der Beschwerdeführer, nun anwaltlich vertreten, wie folgt:
"Der Bescheid wird in seinem gesamten Umfange angefochten und dahingehend ausgeführt, daß aufgrund der durchgeführten Erhebungen zu ersehen ist, daß der Antragsteller in seinem Heimatland einer massiven Unterdrückung aus Gründen sowohl der Rasse, der Religion als auch der Nationalität im speziellen jedoch zur Zugehörigkeit einer bestimmten sozialen und politischen Gruppe ausgesetzt ist und verfolgt wurde und daher aus der sich ergebenden begründeten Furcht sein Heimatland verlassen hat.
Nicht nur, daß aufgrund der gegen ihn angewendeten Repressalien seine Ausbildung (Mechanikerlehrling) unterbrochen hat, sondern auch später wiederum massivem Druck in seinem Heimatland ausgesetzt wurde, mußte der Antragsteller seine Heimat verlassen.
Aufgrund dieser Ausführungen ist davon auszugehen, daß die rechtlichen Grundlagen zur Gewährung des Asylrechtes in Österreich sehr wohl gegeben sind."
Dieser Berufung gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid nicht Folge. Sie begründete dies im wesentlichen damit, daß mit dem erstinstanzlichen Vorbringen des Beschwerdeführers keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention dargetan worden sei. Den vom Beschwerdeführer beschriebenen "Aufforderungen", im Osten der Türkei zu kämpfen, fehle die erforderliche Eingriffsintensität, und sie stellten sich als selbständige, nicht vom Staat initiierte oder geduldete Handlungen von Privatpersonen dar. Für die belangte Behörde sei nicht feststellbar, daß dem Beschwerdeführer staatlicher Schutz - soweit er gegen "simple Aufforderungen" überhaupt erforderlich sei - a priori verweigert worden wäre. Da der Beschwerdeführer bei seiner niederschriftlichen Einvernahme angegeben habe, mit den türkischen Behörden keine Schwierigkeiten gehabt zu haben, deute nichts darauf hin, daß er im Falle einer Rückkehr in seine Heimat aus Konventionsgründen Beeinträchtigungen von staatlicher Seite ausgesetzt sein könnte. Den in den beiden Berufungen des Beschwerdeführers enthaltenen, in keiner Weise näher konkretisierten Behauptungen einer Verfolgung müsse die Glaubwürdigkeit versagt bleiben, weil Asylwerber erfahrungsgemäß bei der niederschriftlichen Ersteinvernahme spontan jene Angaben machten, die der Wahrheit am nächsten kämen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten durch die belangte Behörde in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Die belangte Behörde hat auf den vorliegenden Fall - nach § 25 Abs. 1 des Asylgesetzes 1991, BGBl. Nr. 8/1992, zu Recht - das Asylgesetz, BGBl. Nr. 126/1968 (im folgenden: AsylG 1968) angewendet, weshalb der angefochtene Bescheid nicht gemäß § 44 Abs. 2 des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76, außer Kraft getreten und nicht gemäß dem dritten Absatz dieser Bestimmung vorzugehen ist.
Nach § 1 AsylG 1968 (in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 796/1974) ist ein Fremder Flüchtling, wenn nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, unter Bedachtnahme auf das Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (im folgenden: FlKonv), erfüllt, und bei ihm kein Ausschließungsgrund nach Art. 1 Abschnitt C oder F FlKonv vorliegt. Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 FlKonv ist Flüchtling, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Der Ansicht der belangten Behörde, das Zutreffen dieser Voraussetzungen habe sich aus den Angaben des Beschwerdeführers bei dessen Ersteinvernahme nicht ableiten lassen, hält der Beschwerdeführer entgegen, er habe bereits bei seiner Ersteinvernahme angegeben, er sei "Repressalien anläßlich seiner Mechanikerlehre unterzogen" worden. Weiters wird ausgeführt, der Beschwerdeführer sei nach der Rückkehr in sein Heimatdorf "Repressalien" ausgesetzt gewesen und "aufgrund der Repressalien der ihn bedrohenden Personen" ausgereist, was für ihn "den letztmöglichen Ausweg" dargestellt habe, um "sich sein Überleben zu sichern". Gerügt wird, daß im Verwaltungsverfahren nicht "eruiert" worden sei, "von welcher Seite die Repressalien gegen den Beschwerdeführer gekommen sind". Die belangte Behörde habe "zu keinem Zeitpunkt festgestellt", "von welcher Seite die Bedrohungen bzw. Repressalien" gegen den Beschwerdeführer "initiiert" worden seien, wodurch das Verfahren mangelhaft geblieben sei. Die "tatsächliche Feststellung (speziell im Hinblick auf die der Behörde bekannten Umstände im Heimatstaat des Beschwerdeführers)" würde "eine essentielle Grundlage für die Entscheidungsfindung darstellen". Des weiteren sei "anzumerken, daß der Beschwerdeführer kurdischer Abstammung ist und aufgrund der gegebenen Situation in seinem Heimatland damit zu rechnen hat, sofort in einen Kriegsdienst eingezogen zu werden, welcher seiner Friedenseinstellung widersprechen und wie bekannt mit nahezu hundert Prozent seine körperliche Integrität zerstören würde".
Mit diesen Ausführungen zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil bei seiner Ersteinvernahme - deren richtige Protokollierung er nicht bestreitet - weder von Repressalien noch von Bedrohungen die Rede war. Der Beschwerdeführer verabsäumt es aber auch, durch entsprechend konkrete Ausführungen in der Beschwerde die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels darzutun. Der Hinweis auf einen (gemeint nun offenbar: von staatlicher Seite) drohenden Kriegsdienst und dessen mögliche Folgen ist keine im Zusammenhang mit der Verfahrensrüge stehende Konkretisierung der im Verwaltungsverfahren erhobenen Behauptungen und daher nur eine gemäß § 41 Abs. 1 VwGG unbeachtliche Neuerung, die in der vorliegenden Form aber auch nicht geeignet wäre, die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers zu indizieren.
Wenn der Beschwerdeführer "abschließend" auch der Beweiswürdigung der belangten Behörde in bezug auf Steigerungen des Vorbringens während des Verwaltungsverfahrens widerspricht und darauf verweist, er habe schon bei der Ersteinvernahme "seine gerechtfertigten Sorgen im Hinblick auf seine Lebensführung geäußert", so vermag dies die Beschwerde schon deshalb nicht zum Erfolg zu führen, weil in ihr auch keine das unbestimmte und daher unzureichende Vorbringen in den beiden Berufungen konkretisierenden Behauptungen des Beschwerdeführers über eine ihm in seinem Heimatland drohende Verfolgung enthalten sind.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 30. September 1998
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1995200753.X00Im RIS seit
20.11.2000