TE OGH 2019/10/15 10Ob21/19i

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Veröffentlicht am 15.10.2019
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann, den Hofrat Mag. Ziegelbauer und die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. K*****, 2. A*****, 3. G*****, 4. A*****, 5. M*****, 6. A*****, 7. J*****, alle vertreten durch Dr. Johannes Roilo, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1. N***** GmbH, *****, 2. N***** GmbH & Co KG, *****, beide vertreten durch Dr. Stefan Aigner und Mag. Gerd Pichler, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Feststellung, über die außerordentlichen Revisionen der klagenden und der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 21. Jänner 2019, GZ 2 R 164/18m-22, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentlichen Revisionen der klagenden und der beklagten Parteien werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Gegenstand des Rechtsstreits ist das Fahrtrecht der Beklagten über einen auf Grundlage eines Bescheids des Amtes der Tiroler Landesregierung vom 24. 9. 1971 als Agrarbehörde errichteten Bringungsweg nach dem Tiroler Gesetz vom 3. April 1970 über land- und forstwirtschaftliche Bringungsrechte (Güter- und Seilwege-Landesgesetz, TGSLG 1970).

Über diesen Weg ist eine Liegenschaft an einem See zu erreichen, auf der sich ein 1928 gebauter Gasthof befindet. Die Liegenschaft, auf der sich dieser Gasthof befindet, steht im (Mit-)Eigentum der Gesellschafter der Erstbeklagten, die wiederum Komplementärin der Zweitbeklagten ist. Der Weg quert Liegenschaften, die im Eigentum der Kläger stehen.

Der Gasthof ist seit dem Jahr 2010 geschlossen. Die Eigentümer der Liegenschaft planen, den baufälligen Gasthof abzureißen und einen „Alpengasthof“ zur Bewirtung von Ausflugsgästen sowie einen Seminar-, Wellness- und Beherbergungsteil mit bis zu 40 Standardbetten in Form von überwiegend eingegrabenen „R*****s“ zu errichten, dazu vier „Tanks“ für Nebenfunktionen (Wellness und Wein). Die dafür erforderlichen Änderungen des Raumordnungskonzepts und des Flächenwidmungsplans liegen ebenso vor wie die für das Projekt relevanten rechtskräftigen baurechtlichen, gewerberechtlichen und naturschutzrechtlichen Bescheide.

Die Kläger begehren die Feststellung, dass den Beklagten kein Recht der Befahrung des Wegs zustehe, insbesondere nicht für eine Befahrung und Benützung für die Errichtung und den Betrieb des naturschutzrechtlich bewilligten Hotelprojekts. Sie haben dazu zwei Eventualbegehren erhoben. Sie bringen zusammengefasst vor, dass mit der Auflösung des Gasthausbetriebs sämtliche Zufahrtsrechte über den Weg untergegangen seien. Die neue Anlage gehe weit über den früheren Betrieb hinaus. Das Verkehrskonzept der Beklagten sei zwar naturschutzrechtlich bewilligt worden, die Kläger hätten dem allerdings nicht zugestimmt und im naturschutzrechtlichen Verfahren keine Parteistellung gehabt. Die Beklagten seien aus dem Bescheid von 1971 nicht berechtigt.

Dem hielten die Beklagten entgegen, dass die Schließung des Gasthofs nicht zum Untergang des Bringungsrechts führe. Jeder Eigentümer der Liegenschaft könne den Weg benützen, darüber hinaus eingeschränkt Pensionsgäste und der Gasthofbesitzer bzw Pächter. Die Beklagten hätten niemals behauptet, dass ihnen als juristische Personen ein Zufahrtsrecht zukomme, sondern nur, dass sich dieses Recht von den Eigentümern ableite. Die Realisierung des Hotelprojekts habe keine Ausweitung des Fahrverkehrs zur Folge.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren sowie beide Eventualbegehren ab. Es führte begründet aus, dass der Rechtsweg zulässig sei. Nur die Liegenschaft, nicht der Gasthof sei Mitglied der Bringungsgemeinschaft. Die Beklagten seien zur Wegnutzung berechtigt, weil die Liegenschaftseigentümer Gesellschafter der Erstbeklagten, und diese wiederum Komplementärin der Zweitbeklagten sei. Der Neubau eines Gasthofs mit Ganzjahresbetrieb stelle keine Änderung der Widmung dar und sei von der eingeräumten Berechtigung gedeckt. Es ergebe sich derzeit kein Hinweis, dass das vorliegende Konzept das Fahrtrecht im Rahmen der erteilten Berechtigung verletze.

Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren teilweise statt. Es stellte fest, dass den Beklagten nicht das Recht der Befahrung des Wegs für die Errichtung und den Betrieb des naturschutzrechtlich genehmigten Hotelprojekts zukomme. Hingegen wies es das weitere Klagebegehren, dass den Beklagten (überhaupt) kein Fahrtrecht auf dem Weg zukomme, ab. Auch das Berufungsgericht bejahte (mit Begründung) die Zulässigkeit des Rechtswegs für das vorliegende Klagebegehren. Das Bringungsrecht bestehe zugunsten der Liegenschaft, auf der sich der Gasthof befinde. An den Bescheid vom 24. 9. 1971, der ein solches Bringungsrecht im Spruch zuerkenne, seien die Gerichte gebunden, auch wenn Bringungsrechte an sich nicht landwirtschaftsfremden Zwecken dienen dürften. Die Nutzung des Bringungswegs ergebe sich aus diesem Bescheid. Zur Nutzung sei auch der Pächter berechtigt, daher die Zweitbeklagte als Pächterin und die Erstbeklagte als ihre Komplementärin. Die Nutzung des Wegs zur Errichtung und zum Betrieb des geplanten Hotelprojekts sei nicht zu gestatten, weil das naturschutzrechtlich bewilligte Verkehrskonzept, an das die Zweitbeklagte gebunden sei, erheblich über den Bescheid von 1971 hinausgehe. Zwar seien auch die Erhaltung und Neuerrichtung des Gebäudes vom Fahrtrecht umfasst. Dies gelte aber nicht, wenn der Weg wie hier – insbesondere die Brücken – nicht in dafür geeignetem Zustand sei. Abgesehen davon stehe den Beklagten das Recht zu, den Weg im Rahmen des dem Bringungsrecht zugrunde liegenden Parteienübereinkommens zu befahren. Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage sei die Revision an den Obersten Gerichtshof nicht zulässig.

Gegen diese Entscheidung richten sich die außerordentlichen Revisionen der Kläger und der Beklagten.

Rechtliche Beurteilung

I. Zur außerordentlichen Revision der Beklagten:

1.1 Die Beklagten machen Nichtigkeit gemäß § 477 Abs 1 Z 6 ZPO geltend. Das Berufungsgericht spreche über den Umfang eines Bringungsrechts ab, obwohl im Verwaltungsverfahren die Übereinstimmung des Verkehrskonzepts mit dem Umfang des Bringungsrechts bereits rechtskräftig festgestellt worden sei. An diese Entscheidung seien die Gerichte ebenso gebunden wie an den Bescheid über die Einräumung des Bringungsrechts vom 24. 9. 1971. Dass die Zufahrt zum geplanten Hotelprojekt geeignet sei, sei bereits im Baubewilligungsverfahren entschieden worden. In Bezug auf die Zufahrt, die nicht Entscheidungsgegenstand sei, habe das Berufungsgericht gegen § 405 ZPO verstoßen.

1.2 Die Vorinstanzen haben die Zulässigkeit des Rechtswegs für den geltend gemachten Anspruch in ihren Entscheidungsgründen übereinstimmend bejaht. Daran ist der Oberste Gerichtshof nach § 42 Abs 3 JN iVm § 528 Abs 2 Z 2 ZPO gebunden (RS0114196, RS0039774).

1.3 Die Frage, wie weit die Rechtskraftwirkung eines Bescheids einer Verwaltungsbehörde geht, ist von den Gerichten selbständig zu beurteilen. Nach der ständigen neueren Rechtsprechung entfaltet nur der Spruch rechtsgestaltender Bescheide einer Verwaltungsbehörde Bindungswirkung für die Gerichte (RS0037015 [T7]). Nur das, was die Verwaltungsbehörde verfügt hat, ist für das Gericht verbindlich, nicht aber die Begründung des Bescheids (RS0036948). Selbst wenn die rechtliche Beurteilung auf identen Sachverhaltsgrundlagen beruhen sollte, wird sie von der Bindung nicht umfasst (RS0037015 [T2]). In Übereinstimmung mit dieser Rechtsprechung ist das Berufungsgericht daher zu Recht davon ausgegangen, dass keine Bindung an die Begründung der Entscheidung der Verwaltungsbehörde im naturschutzrechtlichen Verfahren besteht, wonach das Verkehrskonzept der Beklagten den dort maßgeblichen Anforderungen genüge. Es bedarf daher auch keiner Auseinandersetzung mit der von den Beklagten ins Treffen geführten baubehördlichen Bewilligung, die auch den Zufahrtsweg umfasse, und den von der Baubehörde gewählten Entscheidungsgründen.

1.4 Der von den Beklagten behauptete Verstoß gegen § 405 ZPO liegt nicht vor, weil die Befahrung des Wegs durch die Beklagten auch zum Zweck der Errichtung des Hotelprojekts vom Klagebegehren umfasst war. Das Berufungsgericht hat nicht „auf Grundlage eines naturschutzrechtlichen Bescheids in einem Zivilverfahren“ darüber abgesprochen, ob den Beklagten ein Recht auf Befahrung des Wegs zustehe: Die Beklagten haben das naturschutzrechtliche Verkehrskonzept im Verfahren selbst vorgelegt. Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Beklagten aufgrund des Bewilligungsbescheids im Verwaltungsverfahren an dieses Konzept gebunden seien, stellen die Revisionswerber nicht in Frage. Ausgehend davon hat das Berufungsgericht in nicht zu beanstandender Weise dieses Konzept zur Beurteilung der Frage herangezogen, ob sich die zukünftige Nutzung im Rahmen des Bringungsrechts der Beklagten hält.

2.1 Gemäß § 1 Abs 1 TGSLG 1970 ist ein Bringungsrecht im Sinn dieses Gesetzes das zugunsten von Grundstücken, die land- oder forstwirtschaftlichen Zwecken gewidmet sind, eingeräumte Recht, Personen und Sachen über fremden Grund zu bringen. Bringungsrechten (nach dem Güter- und Seilwege-Grundsatzgesetz 1967, BGBl 1967/198, GSGG 1967) wird eine gewisse Doppelnatur zugeschrieben. Ihrer Rechtsnatur nach gehören sie zum öffentlichen Recht, während sie insbesondere hinsichtlich der Art ihrer Ausübung ein Naheverhältnis zu den Dienstbarkeiten aufweisen. Die auf Bescheid beruhende Einräumung eines Bringungsrechts hat dingliche Wirkung. Wird ein Bringungsrecht – wie hier – mit einem Parteiübereinkommen begründet, so liegt insoweit eine privatrechtliche Vereinbarung vor, die jedoch durch deren behördliche Genehmigung (auch) ins öffentliche Recht „transformiert“ wird (RS0038233 [T1]).

2.2 Der Umfang des hier zu beurteilenden Bringungsrechts ergibt sich daher, wovon das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen ist, aus dem Bescheid vom 24. 9. 1971, an dessen Spruch die Gerichte wie ausgeführt gebunden sind. Schon dies steht dem Argument der Revisionswerber, Bringungsrechte könnten analog zu Dienstbarkeiten infolge des bestehenden Naheverhältnisses „ausgeweitet“ werden, entgegen. Die Abänderung und Aufhebung von Bringungsrechten ist im vorliegenden Fall vielmehr in § 11 TGSLG 1970 geregelt; über sie hat die Agrarbehörde bei Vorliegen geänderter Verhältnisse auf Antrag des Berechtigten oder des Eigentümers eines hiefür beanspruchten Grundstücks oder einer hiefür beanspruchten Bringungsanlage zu entscheiden (§ 19 Abs 1 lit a TGSLG 1970; unter Ausschluss des Rechtswegs: vgl RS0045710).

3.1 Die Beklagten machen geltend, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts massiv in ihr Grundrecht auf Eigentum eingreife, weil keine andere Möglichkeit bestehe, als das Grundstück entsprechend der Widmung zu bebauen.

3.2 Die Beklagten übergehen mit diesem Argument, dass die von ihnen begehrte Abweisung der Klage (mit der Bejahung des Rechts zum Befahren) zu einem Eingriff in das Grundrecht auf Eigentum der Kläger führen würde. Ein solcher Konflikt stellt sich aus der Warte der Grundrechte betrachtet regelmäßig auch als Grundrechtskonflikt mit Drittwirkungseffekten dar. In solchen Fällen geht die Rechtsprechung von einer grundrechtlich verankerten Pflicht zur umfassenden Interessenabwägung aus (vgl RS0116695). Genau diese Interessenabwägung hat das Berufungsgericht unter Beachtung des auch den Beklagten zustehenden Bringungsrechts vorgenommen. Eine Korrekturbedürftigkeit seiner Rechtsansicht zeigen die Revisionswerber mit ihrem bloßem Hinweis, es liege ein massiver Eingriff „in Grundrechte“ vor, nicht auf.

4.1 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist der Spruch eines Bescheids nach seinem äußeren Erscheinungsbild, also objektiv auszulegen. Jeder Bescheid ist daher rein objektiv seinem Wortlaut nach auszulegen und nicht nach der subjektiven Absicht des Bescheidverfassers. Der Bescheid einer Verwaltungsbehörde ist zudem als Ganzes zu beurteilen. Spruch und Begründung bilden eine Einheit; bestehen Zweifel über den Inhalt des Spruchs, so ist zu dessen Deutung auch die Begründung heranzuziehen (6 Ob 124/16b mwH; RS0049680).

4.2 Der Auslegung des im Bescheid der Agrarbehörde nach § 2 Abs 4 TGSLG 1970 vom 24. 9. 1971 genehmigten Parteienübereinkommens kommt keine über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (vgl sinngemäß RS0044298 [T32]).

4.3 Das Wegbenutzungsrecht zugunsten des Gasthofs war in Pkt 6. des Bescheids vom 24. 9. 1971 wie folgt geregelt:

„a) Zulieferung aller Bedarfsgüter mittels eigenen und Firmenfahrzeugen.

b) Zufahrt für die Personenkraftwagen der Pensionsgäste, wobei die Gesamtzahl der Fahrzeuge der Pensionsgäste mit ca 10 PKWs begrenzt wird.

c) Zu- und Abfahrt für eigene Fahrzeuge des Gasthofs O*****, also Fahrzeuge, welche im Eigentum der Gasthofbesitzer bzw. Pächter stehen.

… Tagesgäste sind von der Befahrung des Weges ausgeschlossen.“

Die Formulierung in Pkt 6. lit b), „… mit ca 10 begrenzt wird“ wurde 1972 durch ein weiteres, agrarbehördlich genehmigtes Parteienübereinkommen durch die Formulierung „mit maximal 10 begrenzt wird“ ersetzt.

4.4 Das Berufungsgericht führte aus, dass nach dem vom Erstgericht festgestellten Verkehrskonzept der Beklagten für die neu zu errichtende Hotelanlage nicht mehr nur maximal 10 PKWs von Pensionsgästen gleichzeitig zur Zufahrt berechtigt sein sollten, sondern Taxifahrten mit Kleintransportern für Hotelgäste (drei Kleinbusse) und ein zahlenmäßig nicht beschränkter Zubringerdienst für Seminarbesucher und Tagesmitarbeiter sowie ein Gepäcktransport mit Elektrocars bewilligt sind. War nach dem Bescheid nur die Zulieferung von Bedarfsgütern mit eigenen Firmenfahrzeugen bewilligt, so ist nach dem Verkehrskonzept nun auch der Gepäcktransport mit Elektrocars vorgesehen. Das Berufungsgericht geht erkennbar davon aus, dass Pkt 6. lit c des Bescheids lediglich die Anreise von Personen in eigenen Fahrzeugen des Gasthofs umfasst. Diese Auslegung ist schon deshalb nicht denkunmöglich, weil andernfalls die Zulieferung von Bedarfsgütern in Pkt 6. lit a des Bescheids nicht eigens hätte geregelt werden müssen. Das vom Berufungsgericht erzielte Ergebnis, dass die vom Verkehrskonzept der Beklagten vorgesehenen Fahrten bzw deren Frequenz erheblich über das dem Bescheid vom 24. 9. 1971 zugrunde liegende Parteienübereinkommen hinausgehen, ist vertretbar. Mit ihren Ausführungen, wonach auch eine andere Auslegung vertretbar wäre, zeigen die Beklagten daher keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf (RS0112106).

5. Das Erstgericht hat unangefochten festgestellt, dass der Bringungsweg für den Baustellenverkehr mit LKWs zur Errichtung der geplanten Hotelanlage nicht geeignet ist. Weder liegt daher die in diesem Zusammenhang von den Revisionswerbern geltend gemachte sekundäre Mangelhaftigkeit des Verfahrens vor noch die von ihnen behauptete Aktenwidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens (§ 510 Abs 3 ZPO).

II. Zur außerordentlichen Revision der Kläger:

1. Die Beklagten haben das Klagevorbringen zunächst auch damit bestritten, dass sie weder Eigentümer der Liegenschaft noch Pächter des Gasthofs seien (ON 5). Im Zuge des Verfahrens schlossen jedoch die Liegenschaftseigentümer mit der Zweitbeklagten am 13./14. 11. 2017 einen als „Pachtvertrag“ bezeichneten Vertrag. Pachtgegenstand ist danach die Liegenschaft und die auf dieser errichteten Gebäude. Pachtzweck ist die Erlaubnis für die Pächterin, den Pachtgegenstand für ihre Zwecke zu nützen. Der Pachtzins beträgt 1 EUR jährlich. Der Pachtvertrag wurde nur abgeschlossen, weil im Bescheid vom 24. 9. 1971 angeführt ist, dass die Eigentümer bzw Pächter Zufahrtsrechte haben.

2.1 Die Kläger machen in ihrem Rechtsmittel geltend, dass es sich bei diesem Vertrag nicht um einen Pachtvertrag handle, weil er kein lebendes Unternehmen zum Gegenstand habe und eigentlich unentgeltlich sei. Es handle sich um einen Scheinvertrag, der gegenüber Dritten keine Wirksamkeit entfalte.

2.2 Die genaue rechtliche Qualifikation des Vertrags kann dahingestellt bleiben. Wie bereits dargestellt, kommt nach dem Bescheid vom 24. 9. 1971 das Recht auf Zu- und Abfahrt eigener Fahrzeuge dem Besitzer oder Pächter des Gasthofs zu (Pkt 6. lit c des Bescheids). Nach den ebenfalls bereits dargestellten Grundsätzen für die Auslegung eines Bescheids ergibt sich hier schon aus dem Wortlaut des Spruchs, dass das Fahrtrecht jedem Besitzer der Liegenschaft zukommt. Dazu gehören auch Rechtsbesitzer der Liegenschaft (7 Ob 251/03t) wie etwa der im Bescheidspruch genannte Pächter. Auch wenn der Pachtvertrag als Mietvertrag, oder – infolge des als bloßen Anerkennungszins anzusehenden Entgelts (Lovrek in Rummel/Lukas4 § 1090 ABGB Rz 19) – als Leihe anzusehen wäre, würde jeder dieser Vertragstypen der Zweitbeklagten die Stellung einer Rechtsbesitzerin verschaffen, weshalb ihr das Fahrtrecht in dem im Bescheid vom 24. 9. 1971 festgelegten Umfang zukäme.

2.3 Ein Scheingeschäft liegt vor, wenn sich der Erklärende und der Erklärungsempfänger darüber einig sind, dass das Erklärte nicht gelten soll (RS0018149; vgl auch RS0018121). Entscheidend ist damit die Absicht der Beteiligten (RS0018129). Hier steht der subjektive Wille der Parteien des Pachtvertrags fest, einen solchen abschließen zu wollen, um der Zweitbeklagten ein Zufahrtsrecht zu verschaffen. Die Feststellung des subjektiven Willens der Parteien des Pachtvertrags (RS0043610) schließt ein Scheingeschäft aus, weil nicht von einer Einigung der Parteien, dass das Erklärte nicht gelten soll, ausgegangen werden kann. Soweit die Kläger in ihrem Rechtsmittel dennoch vom Vorliegen eines Scheingeschäfts ausgehen, weichen sie in unzulässiger Weise vom festgestellten Sachverhalt ab.

3. Ob eine konkludente Willenserklärung vorliegt und welchen Inhalt sie gegebenenfalls hat, ist regelmäßig einzelfallbezogen und begründet daher im Allgemeinen keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung (RS0109021 [T6]). Das Berufungsgericht führte aus, dass auch die Eigentümer der Grundstücke, die nicht Teil des Bescheids vom 24. 9. 1971 sind – das sind die Erst-, Zweit- und Siebentkläger – durch jahrelanges Dulden der Inanspruchnahme dieser Grundstücke konkludent der Nutzung ihrer Grundstücke durch die Mitglieder der Bringungsgemeinschaft und den nach dem Parteienübereinkommen Berechtigten im Rahmen des vereinbarten Bringungsrechts zugestimmt haben. Dem halten die Kläger in ihrem Rechtsmittel lediglich das Gegenteil entgegen, nämlich dass sie die Zufahrt nicht geduldet hätten. Sie zeigen damit keine Korrekturbedürftigkeit der Rechtsansicht des Berufungsgerichts auf.

Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO waren daher die außerordentlichen Revisionen sowohl der klagenden als auch der beklagten Parteien zurückzuweisen.

Textnummer

E126733

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0100OB00021.19I.1015.000

Im RIS seit

04.12.2019

Zuletzt aktualisiert am

04.12.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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