Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gemeinde H*****, vertreten durch die Hofmann Kämmerer Rechtsanwälte GmbH, Graz, gegen die beklagte Partei N*****, vertreten durch Mag. Heinz Kupferschmid und Mag. Gerhard Kuntner, Rechtsanwälte in Graz, wegen Räumung und Unterlassung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 29. Juli 2019, GZ 5 R 143/19i-31, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Graz-Ost vom 14. Dezember 2018, GZ 212 C 279/16v-27, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die klagende Gemeinde schloss – nach Beschlussfassung durch ihren Gemeinderat – mit dem beklagten Verein eine Vereinbarung über die näher bezeichnete Nutzung einer Eishalle (samt Büro, Umkleiden und Sanitäranlagen) gegen Entgelt, berechnet nach konsumierten Eiszeit-Einheiten und für den Zeitraum 30. 11. 2007 bis 30. 4. 2012, wobei in dieser Vereinbarung die Möglichkeit einer Verlängerung festgehalten wurde. Die Beklagte nutzte und verwaltete die Halle aufgrund dieses Vertrags zu den Eiszeiten nach einem Terminplan alleine. 2012 kamen Vertreter der Parteien in einem „Nachtrag zur Nutzungsvereinbarung“ – bei gleichzeitiger Erhöhung des Nutzungsentgelts und Aufrechterhaltung sämtlicher übriger Bestimmungen – überein, das Nutzungsverhältnis vom 1. 5. 2012 bis 30. 4. 2022 zu verlängern. Der neue Vertrag wurde vom Bürgermeister ohne Beschlussfassung des Gemeinderats unterfertigt. Der Beklagte nutzte die Halle wie zuvor und zahlte auch das (erhöhte) Nutzungsentgelt an die Klägerin, die es entsprechend verbuchte. Die weitere Nutzung und Zahlung durch den Beklagten war den Mitgliedern des Gemeinderats bekannt, zumal die Halle von der Gemeinde ohne die Zahlungen des Beklagten nicht mehr zu finanzieren gewesen wäre. Der Gemeinderat genehmigte auch jeden einzelnen Rechnungsabschluss der Klägerin, wobei im Rahmen des Gemeindebudgets auch das Nutzungsentgelt/die Miete des Beklagten in den Jahren 2012 bis 2015 behandelt und genehmigt wurde. Alle Verantwortlichen in der Gemeinde, auch der Gemeinderat, waren bis 2016 mit der Nutzung durch den Beklagten samt den Zahlungen zufrieden. Dies änderte sich erst, als angesichts massiver kaufmännischer Fehlleistungen des früheren Bürgermeisters der Rechnungshof eingeschaltet wurde, der den „Nachtrag zur Nutzungsvereinbarung“ als ungültig ansah, weil dieser ohne Gemeinderatsbeschluss nur vom vormaligen Bürgermeister unterfertigt worden sei, und vermeinte, es wäre ein durch Verhandlungen zu bereinigender vertragsloser Zustand gegeben.
Die Vorinstanzen wiesen das im Dezember 2016 von der Klägerin erhobene Räumungsbegehren betreffend das Büro, eine Umkleide und acht Trockenräume in der Eishalle sowie ihr Begehren, die Beklagte habe es zu unterlassen, die Eishalle einschließlich der WC-Anlagen, Umkleiden, Duschen und Kabinen zum Zweck der Ausübung des Eishockey- und Inline-Sports, zur Durchführung von Trainings, Meisterschaften und Turnieren zu nutzen, ab. Sie gingen von der Wirksamkeit des „Nachtrags zur Nutzungsvereinbarung“ und damit von einem aufrechten Vertragsverhältnis aus und bejahten – unter Verweis auf die zwischen den Parteien zu 7 Ob 140/17i ergangene Entscheidung – eine nachträgliche schlüssige Genehmigung durch den Gemeinderat und eine Vorteilszuwendung nach § 1016 zweiter Fall ABGB. Die vom Erstgericht verneinte Vertragsauflösung der Klägerin infolge außerordentlicher Kündigung wurde bereits in ihrer Berufung nicht mehr thematisiert.
Rechtliche Beurteilung
In ihrer dagegen erhobenen außerordentlichen Revision bestreitet die Klägerin im Wesentlichen wegen Bestimmungen der Steiermärkischen Gemeindeordnung 1967 (kurz: Stmk GemO), LGBl 1967/115, das Vorliegen eines aufrechten Nutzungsvertrags. Damit zeigt sie keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf.
1.1. Bestimmungen einer Gemeindeordnung, die bestimmte Rechtsgeschäfte dem Gemeinderat vorbehalten, sind nicht bloß interne Organisationsvorschriften, sondern beinhalten eine Beschränkung der allgemeinen Vertretungsbefugnis des Bürgermeisters (RIS-Justiz RS0014664). Eine Beschränkung der Vertretungsbefugnis des Bürgermeisters als Organ der Gemeinde wirkt somit gegen jeden Dritten (RS0014699 [T11]). Eine nicht durch einen erforderlichen Gemeinderatsbeschluss gedeckte Willenserklärung des Bürgermeisters bindet somit mangels Vertretungsbefugnis grundsätzlich die Gemeinde nicht (RS0014699 [T19]).
1.2. Nach der auch für Gemeinden geltenden Bestimmung des § 1016 ABGB kann das Rechtsgeschäft nachträglich genehmigt und geheilt werden (RS0014699 [T39]). Auch eine schlüssige Genehmigung des vollmachtslosen Handelns des Bürgermeisters durch den Gemeinderat ist möglich (RS0014699 [T40]). Die Frage, ob nach den konkreten Umständen des Einzelfalls eine schlüssige Genehmigung des Gemeinderats noch anzunehmen ist, ist
– vom Fall einer korrekturbedürftigen Fehlbeurteilung abgesehen – keine erhebliche Rechtsfrage (5 Ob 87/13z = RS0014110 [T28]).
2.1. Das konkrete Vertragsverhältnis bzw die Beurteilung des „Nachtrags zur Nutzungsvereinbarung“ war bereits Gegenstand der Entscheidung zu 7 Ob 140/17i. Das in diesem Provisorialverfahren von der Klägerin erhobene Rechtsmittel deckt sich inhaltlich weitgehend mit der hier erhobenen Revision.
2.2. Vom 7. Senat wurde zum einen unter Hinweis auf die (hier unter Punkt 1.1. referierte) Rechtsprechung klargestellt, dass Bestimmungen einer Gemeindeordnung die Vertretungsbefugnis des Bürgermeisters beschränken können. Zum anderen wurde aber auch (im Sinne der dargelegten Judikatur unter Punkt 1.2.) vertreten, dass ein ohne Einhaltung der entsprechenden Organisationsvorschriften geschlossener Vertrag unter bestimmten Voraussetzungen dennoch für wirksam erkannt bzw dessen nachträgliche Wirksamkeit bejaht wird. Die dort von den Vorinstanzen vertretene Rechtsansicht, wonach der Gemeinderat der nunmehrigen Klägerin die vollmachtslos abgeschlossene Vereinbarung schließlich genehmigt bzw sich die Gemeinde Vorteile aus dem Geschäft zugewendet habe, wurde vom Obersten Gerichtshof gebilligt.
3. Die Entscheidungen der Vorinstanzen halten sich im Rahmen der oben angeführten Rechtsprechung und entsprechen dem Ergebnis im Provisorialverfahren der Parteien zu 7 Ob 140/17i. Das Rechtsmittel bietet keinen Anlass davon abzugehen.
3.1. Ebenso wie zu 7 Ob 140/17i konnten auch in diesem Verfahren die Vorinstanzen annehmen, dass der Gemeinderat die neue Vereinbarung durch sein jahrelang passives Verhalten trotz Kenntnis von der nach Ablauf der ursprünglichen Bestandzeit erfolgten langjährigen Nutzung und den Zahlungen der Beklagten schlüssig genehmigt hat und dass durch die Entgegennahme des Entgelts (mit Kenntnis des Gemeinderats) eine Vorteilszuwendung nach § 1016 zweiter Fall ABGB vorliegt.
3.2. Wegen der festgestellten Kenntnis (der Mitglieder) des Gemeinderats begründen auch die Ausführungen zur Frage, in welcher Form der Gemeinderat vom Vertragsabschluss des Bürgermeisters informiert werden muss, keine erhebliche Rechtsfrage. Zwar mögen die Mitglieder des Gemeinderats – im Unterschied zum zu 7 Ob 140/17i bescheinigten Sachverhalt – den Abschluss der „Nachtragsvereinbarung“ nicht gekannt haben, jedoch wussten sie von der Verlängerungsmöglichkeit, der jahrelangen Nutzung der Halle durch den Beklagten nach Ablauf der früheren Bestandzeit und behandelten und genehmigten im Rahmen des Rechnungsabschlusses auch dessen Zahlungen. Wenn die Klägerin argumentiert, es genüge nicht, wenn nur der Gemeindevorstand oder eine Fraktion informiert worden wäre, entfernt sie sich von den getroffenen Feststellungen.
3.3. Die – unter dem neuen Bürgermeister – erst 2016 allenfalls gegenteilig gefassten Beschlüsse des Gemeinderats stehen einer davor liegenden Genehmigung nicht entgegen (so bereits 7 Ob 140/17i).
4.1. Die Ausführungen zur Unanwendbarkeit des MRG haben keine Relevanz für die Lösung des Rechtsstreits. Wenn die Klägerin letztlich selbst davon ausgeht, dass „ein Vertrag sui generis vor[liegt], der [...] Elemente des Bestandrechts […] aufweist“, ist nicht recht verständlich, warum ihr Räumungs- und Unterlassungsbegehren berechtigt sein soll.
4.2. Die Behauptung des Fehlens einer Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde nach der 2012 gültigen Fassung des § 90 Abs 1 Z 3 Stmk GemO (idF BGBl 2010/29) wurde im erstinstanzlichen Verfahren nicht erhoben. Da somit eine unzulässige Neuerung vorliegt, ist auf die Frage, ob auch eine Vertragsverlängerung über eine Gesamtdauer von zehn Jahren hinaus einer solchen Genehmigung bedürfte, nicht einzugehen.
5. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
Textnummer
E126742European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0010OB00179.19H.1023.000Im RIS seit
04.12.2019Zuletzt aktualisiert am
04.12.2019