TE OGH 2019/10/24 6Ob136/19x

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Veröffentlicht am 24.10.2019
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C*****, vertreten durch Reif und Partner Rechtsanwälte OG in Graz, gegen die beklagte Partei Ch*****, vertreten durch Muhri & Wehrschitz Partnerschaft von Rechtsanwälten GmbH in Graz, wegen 28.856,27 EUR sA und Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 24. April 2019, GZ 4 R 32/19m-43, mit dem das Zwischenurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 20. Dezember 2018, GZ 23 Cg 52/17d-38, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die ordentliche Revision nicht zulässig:

1. Das Berufungsgericht hat seinen Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob nur ein absichtlicher (und nicht bloß bedingt vorsätzlicher) Körperkontakt, wodurch grob fahrlässig eine Körperverletzung herbeigeführt wurde, bzw ob nur ein absichtliches „Spielen auf den Mann, statt auf den Puck“ beim Eishockeyspiel zwischen Hobbyvereinen die Rechtswidrigkeit einer Körperverletzung begründet. Das Erstgericht hat allerdings im Rahmen seiner rechtlichen Ausführungen die als Feststellung zu wertende Aussage getroffen, dass die Kollision mit dem anstürmenden Kläger für den verteidigenden Beklagten durchaus vermeidbar gewesen wäre; sie sei lediglich aus dem Grund erfolgt, den Kläger davon abzuhalten, den Puck unter seine Kontrolle zu bringen. Damit hat der Beklagte aber die Kollision/den Körperkontakt ohnehin absichtlich herbeigeführt.

2. Es gelingt aber auch dem Beklagten in seiner Revision nicht, eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen:

Die Streitteile sind Eishockeyspieler zweier Hobbymannschaften, die am 17. 12. 2014 im Rahmen eines Trainingsmatches gegeneinander spielten. Zwischen den Trainern war vereinbart, dass „körperlos“, also ohne „body checks“ und ohne übertriebene Härte gespielt wird. Ohne Körperkontakt zu spielen, entspricht auch den Regeln der „National Hobby Liga“ (NHL), der beide Mannschaften angehören. Subsidiär sind nach den Statuten der NHL die Spielregeln der „International Ice Hockey Federation“ (IIHF) anwendbar, nach denen Körperkontakt zwar erlaubt ist, aber ein Gegenspieler, der keinen Puck führt, nicht attackiert werden darf.

Zur Kollision zwischen den Streitteilen kam es, als der Kläger der Bande entlang stürmte und einer seiner Mitspieler aus dem eigenen hinteren Verteidigungsdrittel heraus den Puck in Richtung Mittellinie zum Kläger passte. Dieser sah zum Mitspieler links zurück und wollte den Puck annehmen. Der Beklagte sah den herannahenden Puck aus seiner Sicht von rechts vorne und startete los, um ihn abzufangen, wobei er hätte registrieren müssen, dass sich der Kläger dem Puck und folglich ihm selbst näherte. Als sich der Kläger auf der Höhe des Pucks befand, zog er mit einem eishockeytypischen Linkszug in die Mitte, krachte in die Schulter des Beklagten und verletzte sich dabei. Der Beklagte hätte den heraneilenden Kläger bemerken und deshalb auch sein Tempo verringern müssen, um den Zusammenstoß zu vermeiden. Die Kollision wäre vermeidbar gewesen, sie erfolgte lediglich um den Kläger davon abzuhalten, den Puck unter seine Kontrolle zu bringen. Durch sein Verhalten missachtete der Beklagte die Vereinbarung, „ohne Körperkontakt“ zu spielen, und verstieß auch gegen die Regelungen von NHL und IIHF. Der Kläger hingegen musste nicht damit rechnen, in einer solchen Situation (selbst als er zurückschaute, um den Puck abzufangen) an- oder umgefahren zu werden, weil dies sowohl der Vereinbarung nach nicht erlaubt war als auch in einem Amateurspiel unüblich ist.

2.1. Unter Kampfsportarten werden Spiele verstanden, die ein gewisses Element der Gewaltanwendung im Wettkampf haben, wie etwa Eishockey, Fußball oder Handball (Holzer/Reissner, Einführung in das österreichische Sportrecht3 [2014] 84, 87).

Bei diesen ist bei Verletzung fremder absolut geschützter Rechte das Rechtswidrigkeitsurteil nur aufgrund umfassender Interessenabwägung zu finden (RS0022917). Eine gewisse, bei den einzelnen Sportarten mehr oder weniger große und verschiedenartig bedingte Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit der Sportausübenden ist im Wesen des Sports begründet, und das notwendigerweise damit verbundene Risiko für die körperliche Unversehrtheit der daran teilnehmenden Personen ist daher gebilligt (RS0023400).

2.2.

 Insoweit Gefährdungen der körperlichen Sicherheit und Körperverletzungen bei der Ausübung des Sports nicht durch eine Vergrößerung des in der Natur der betreffenden Sportart gelegenen Risikos herbeigeführt werden, können die sie verursachenden Handlungen und Unterlassungen von Sportausübenden wegen ihrer Sozialadäquanz nicht als rechtswidrig angesehen werden. Die allgemeinen Rechtswidrigkeitsvoraussetzungen, wie sie sonst bei Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit und bei Körperverletzungen von Menschen gefordert werden, sind für den sportlichen Bereich reduziert (RS0023039). Der mit der Sportausübung verbundenen Gefährdung fehlt die Rechtswidrigkeit, wenn die der betreffenden Sportart eigenen Regeln eingehalten werden. Diese Beurteilung ist Tatfrage und nicht Rechtsfrage (RS0023039 [T19]). Übliche leichte Verstöße gegen Sportregeln, durch die bei Ausübung eines Kampfsports Körperverletzungen zugefügt werden, sowie typische Regelverstöße, sind in der Regel nicht rechtswidrig (RS0022443; RS0023039 [T14]).

Bereits an dieser Stelle ist festzuhalten, dass sich der Beklagte hier nach den Feststellungen der Vorinstanzen über Vereinbarungen zwischen den Mannschaften/Trainern und die einschlägigen Regularien hinweggesetzt hat.

2.3. Ist mit einem regelwidrigen Verhalten eine Vergrößerung des in der Natur der betreffenden Sportart gelegenen Risikos verbunden, ist die Rechtswidrigkeit dieses Verhaltens zu bejahen (RS0023039 [T12]). Rechtswidrigkeit einer Verletzungshandlung beim Kampfsport ist somit gegeben, wenn das Verhalten des Schädigers über einen beim Kampf um den Ball immer wieder vorkommenden typischen Regelverstoß hinausgeht (RS0022443 [T4]). Diese Rechtsprechung beruht auf dem Gedanken des Handelns auf eigene Gefahr. Bei gegeneinander ausgeübter sportlicher Betätigung ist eine Verhaltensweise, die sonst nur als leichter Verstoß gegen die objektive Sorgfaltspflicht aufzufassen wäre, nicht rechtswidrig (RS0023039 [T8]). In den Fällen echten Handelns auf eigene Gefahr ist die Rechtswidrigkeit des Verhaltens aufgrund einer umfangreichen Interessenabwägung zu beurteilen. Es ist stets zu prüfen, wie weit durch das echte Handeln auf eigene Gefahr die Sorgfaltspflichten anderer aufgehoben werden (RS0023400 [T8]).

Ob der konkrete Unfallshergang über einen immer wieder vorkommenden typischen Regelverstoß hinausgeht, hängt von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab (RS0022443 [T6]). Auch die Frage, zu wessen Gunsten die Interessenabwägung ausfällt, die zur Beurteilung der Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Gefährdenden im Fall echten Handelns auf eigene Gefahr anzustellen ist, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab, sodass der Lösung dieser Frage im Allgemeinen keine erhebliche Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zukommt (RS0023400 [T22]).

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen durfte der angreifende Kläger beim Zurückblicken auf den sich nähernden Puck erwarten, nicht durch den verteidigenden Beklagten von vorne „gechecked“ zu werden; er musste sich definitiv keine Sorgen machen, vom sich annähernden Verteidiger an- und umgefahren zu werden. Der Verteidiger muss in dieser Situation Sorge tragen, dass keine Aggression entsteht. Damit ist aber die Auffassung der Vorinstanzen, dass das Verhalten des Beklagten über einen beim Kampf um den Ball (Puck) immer wieder vorkommenden typischen Regelverstoß hinausging, jedenfalls vertretbar. Wenn die Revision in diesem Zusammenhang meint, der Beklagte habe nur auf den Puck spielen wollen, so befreit ihn dies nicht von jeglicher Sorgfalt gegenüber dem gegnerischen Spieler, der dasselbe Ziel hat; zweifelsohne will jeder Spieler den Puck erobern, was auch in der Natur des Eishockeyspiels liegt. Dennoch sind die Spielregeln tunlichst einzuhalten, und zwar gerade jene, die verhindern sollen, dass es zu Verletzungen kommen kann. Dass der Beklagte diese Regel krass missachtet hat und sich ein untypisches Risiko verwirklicht hat, dem die Spielregeln vorbeugen wollen, haben die Vorinstanzen festgestellt.

2.4. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen war der Kläger nicht verpflichtet, beim Spiel einen Vollvisierhelm zu tragen; dem Beklagten ist auch nicht der Beweis gelungen, dass die Verletzung des Kläger bei Tragen eines derartigen Helms geringer ausgefallen wäre. Von einem Mitverschulden des Klägers sind die Vorinstanzen somit zu Recht nicht ausgegangen.

Textnummer

E126747

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0060OB00136.19X.1024.000

Im RIS seit

05.12.2019

Zuletzt aktualisiert am

17.02.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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