TE Vwgh Erkenntnis 1998/9/30 96/02/0560

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Veröffentlicht am 30.09.1998
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

B-VG Art18 Abs2;
FrG 1993 §79 Abs1;
FrGDV 1994 §10 Z1;
MRK Art6;
VStG §54d impl;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Böhm, über die Beschwerde des AAI-M, vertreten durch Dr. Gabriel Liedermann, Rechtsanwalt in Wien X, Gudrunstraße 143, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 28. März 1996, Zl. St 176/96, betreffend Kostenvorschreibung nach § 79 FrG (1992), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird auf die hg. Erkenntnisse vom 27. Jänner 1995, Zlen. 94/02/0442 und 94/02/0334, verwiesen, mit denen jeweils die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen die vom unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich als unbegründet abgewiesene Schubhaftbeschwerde gleichfalls als unbegründet abgewiesen wurde.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 28. März 1996 wurden dem Beschwerdeführer gestützt auf § 79 Abs. 1 Fremdengesetz 1992 (kurz: FrG 1992), BGBl. Nr. 838/1992, in Verbindung mit § 10 Z. 1 der Verordnung zur Durchführung des Fremdengesetzes (1992), BGBl. Nr. 840/1992, die Pflicht zum Ersatz der Kosten für (nunmehr) 61 Tage Schubhaft, die der Beschwerdeführer im Jahre 1993 einerseits im PGH St. Pölten und andererseits im PGH Wien über Anordnung durch die Bezirkshauptmannschaft Schärding verbrachte, im (nunmehrigen) Gesamtausmaß von S 10.370,-- vorgeschrieben.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde u.a. aus, der Beschwerdeführer sei mit Bescheid der BH Schärding vom 22. August 1993, der ihm am gleichen Tag um

11.10 Uhr zugestellt worden sei, in Schubhaft genommen und aus dieser am 4. November 1993 entlassen worden.

Mit Bescheid vom 10. Dezember 1993 habe der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich seine Schubhaft in der Zeit vom "22. August 1993" (richtig wohl: "22. Oktober 1993"),

11.11 Uhr bis zur Enthaftung am 4. November 1993 für rechtswidrig erklärt. Er sei daher vom 22. August bis 22. Oktober 1993 rechtswidrig in Schubhaft gewesen, was 61 vollen Tagen, gerechnet zu 24 Stunden, entspreche.

Die Schubhaft sei in jenem Zeitraum, der zur Berechnung herangezogen worden sei, nicht rechtswidrig gewesen. Die Rechtmäßigkeit der Anhaltung des Beschwerdeführers sei vom unabhängigen Verwaltungssenat und "den Höchstgerichten" zufolge der vom Beschwerdeführer eingebrachten Beschwerden sogar wiederholt festgestellt worden. Dies betreffe auch den Einwand, der Beschwerdeführer habe sich in einer Notstandssituation befunden und sei daher nicht dafür verantwortlich, daß man ihn in Schubhaft genommen habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

Der Beschwerdeführer rügt zunächst, daß die Schubhaft unzulässig gewesen sei und ihm der rechtmäßige Aufenthalt im Bundesgebiet zugestanden sei. Er dürfe daher nicht dafür "ersatzpflichtig gemacht werden", daß die Behörde ihn in Schubhaft angehalten habe.

Der Beschwerdeführer verkennt mit diesen Ausführungen, daß die Frage einer allfälligen Rechtswidrigkeit der Schubhaft in anderen Verfahren, nämlich jenen nach § 51 FrG 1992 zu prüfen war, was im Beschwerdefall auch geschah (siehe die vorzitierten hg. Erkenntnisse vom 27. Jänner 1995). Die Frage der "Unzulässigkeit" der Schubhaft war daher von der belangten Behörde im Zuge des Verfahrens betreffend die Kostenvorschreibung nach § 79 FrG 1992 nicht zu prüfen.

Der Beschwerdeführer bringt ferner vor, die Kostenvorschreibung könne ihrer Rechtsnatur nach "nur Schadenersatzanspruch" sein. Es widerspreche daher die Vorschreibung im Verwaltungsweg dem Verfassungsgebot der Trennung von Justiz und Verwaltung. Der Ersatzanspruch sei, wenn überhaupt, nicht im Verwaltungsweg, sondern im Zivilrechtsweg einzufordern. Darüberhinaus trage der Beschwerdeführer keine Verantwortung an seiner Schubhaftnahme und habe diese nur insoferne "mitverursacht" im Sinne einer allgemeinen Kausalitätslehre, daß er ins Bundesgebiet eingereist sei. Diese Einreise sei in einer Notstandssituation erfolgt, weil der Beschwerdeführer Schutz vor Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention und des Art. 3 MRK gesucht habe und diesen Schutz vor seiner Einreise in das Bundesgebiet nicht erlangen habe können. Es falle ihm keine Verantwortung an einer Schubhaftnahme zur Last.

Dem ist grundsätzlich entgegenzuhalten, daß die Kostenersatzpflicht nach § 79 FrG 1992 nicht als "Schadenersatzanspruch", sondern vom Gesetzgeber als Kostenersatzpflicht insbesondere des Fremden (vgl. § 79 Abs. 1 leg. cit.) für öffentlich-rechtliche, vom Staat hoheitlich wahrgenommene fremdenrechtliche Aufgaben (Schubhaft) geschaffen wurde. Da vermögensrechtliche Ansprüche nicht schlechthin als "civil rights" im Sinne des Art. 6 MRK betrachtet werden dürfen, trägt jedenfalls die vom Gesetzgeber für eine öffentlich-rechtliche Handlung auferlegte Kostenersatzpflicht keinen zivilrechtlichen Charakter (vgl. etwa das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1994, VfSlg. 13.984). Der Kostenersatz nach § 79 FrG 1992 für die an einem Fremden vollzogene Schubhaft ist ein öffentlich-rechtlicher Vermögensanspruch des Staates, der im Verwaltungsweg zu vollziehen ist. Es ergibt sich somit - ähnlich wie bei der Kostenersatzregelung nach § 54d VStG - nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes weder die Notwendigkeit einer Vollziehung dieser Kostenersatzbestimmung durch ein "Tribunal", noch ist nach § 79 Abs. 1 FrG 1992 auf ein allfälliges Verschulden des Fremden - entgegen der vom Beschwerdeführer vertretenen Auffassung - abzustellen. Es kam daher auch auf die vom Beschwerdeführer gerügte unterlassene Prüfung eines allfälligen Verschuldens des Beschwerdeführers "an der Kostenverursachung" nicht an. Die diesbezüglichen Verfahrensrügen gehen somit ins Leere.

Ferner rügt der Beschwerdeführer, die Schubhaftkosten würden auch der Höhe nach nicht dem Gesetz und nicht dem tatsächlichen Aufwand des Rechtsträgers entsprechen. Dieser Aufwand sei in keiner Weise festgestellt worden. Die Verordnung BGBl. Nr. 840/1992 sei nicht aufgrund des Gesetzes ergangen (§ 79 Abs. 1 FrG 1992) und von dieser Bestimmung nicht gedeckt. Die gesetzliche Bestimmung selbst entspreche nicht dem Legalitätsprinzip des Art. 18 B-VG.

Die gegen § 79 (offenbar gemeint: Abs. 1) FrG 1992 und die Verordnung zur Durchführung des Fremdengesetzes (offenbar gemeint: § 10 Z. 1), BGBl. Nr. 840/1992, vorgebrachten Bedenken werden vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt. § 79 Abs. 1 FrG 1992 spricht lediglich allgemein von "Kosten der Vollziehung der Schubhaft", ohne in diesem Zusammenhang auf die im jeweiligen Einzelfall konkret entstandenen Schubhaftkosten abzustellen. Wenngleich § 79 FrG 1992 keine ausdrückliche Verordnungsermächtigung enthält, kann gemäß Art. 18 Abs. 2 B-VG jede Verwaltungsbehörde aufgrund der Gesetze innerhalb ihres Wirkungsbereiches Verordnungen erlassen (vgl. etwa das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 11. Oktober 1995, VfSlg. 14.314). Daß Verordnungen nur "aufgrund der Gesetze" (vgl. Art. 18 Abs. 2 B-VG) zu erlassen sind, bedeutet, daß eine Verordnung bloß eine Regelung präzisieren darf, die inhaltlich im wesentlichen vom Gesetz selbst getroffen oder zumindest vorgezeichnet wurde (vgl. etwa das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 7. März 1988, VfSlg. 11.639).

Die Zulässigkeit einer pauschalen Abgeltung der Kosten der Vollziehung der Schubhaft, die insbesondere einer vereinfachten Abwicklung der Schubhaftkosten dienen soll, begegnet aufgrund der bereits erwähnten allgemeinen Formulierung des § 79 Abs. 1 FrG 1992 beim Verwaltungsgerichtshof keinen Bedenken. Auch der durch die vorgenannte Verordnung festgesetzte Pauschalsatz von S 170,-- "pro angefangenem Tag der Schubhaft" (vgl. § 10 Z. 1 leg. cit.) erscheint angesichts der auch der Behörde für die Vollziehung der Schubhaft entstehenden Aufwendungen (insbesondere für Bewachung, Unterbringung und Verpflegung des Fremden) als dem Gesetz entsprechend, weshalb sich der Verwaltungsgerichtshof auch nicht zu einer allfälligen Anfechtung der Verordnung in diesem Punkt veranlaßt sieht.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 30. September 1998

Schlagworte

Verordnungen Verhältnis Verordnung - Bescheid VwRallg4Organisationsrecht Justiz - Verwaltung Verweisung auf den Zivilrechtsweg VwRallg5/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1996020560.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

14.02.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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