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24/01 Strafgesetzbuch;Norm
StGB §107;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Nowakowski und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Grubner, über die Beschwerde des M B in Wien, vertreten durch Dr. Helene Klaar, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Prinz Eugen-Straße 34, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 8. Mai 1998, Zl. SD 210/98, betreffend Entziehung eines Waffenpasses, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 10. März 1998, mit dem dem Beschwerdeführer der ihm am 7. Juli 1994 ausgestellte Waffenpaß 137439 entzogen worden war, keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG bestätigt.
Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei wegen gefährlicher Drohung zu einer Geldstrafe im Ausmaß von 120 Tagessätzen rechtskräftig verurteilt worden, wobei die Geldstrafe durch das Berufungsgericht "zur Hälfte bedingt nachgesehen" worden sei. Der Verurteilung liege zugrunde, daß der Beschwerdeführer im Dezember 1996
"einen anderen durch die Äußerung, er werde dessen Hund erschießen, wobei er eine im Holster getragene Faustfeuerwaffe zur Schau stellte, gefährlich mit einer Tötung seines Hundes bedroht hat, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen und dadurch den Tatbestand der gefährlichen Drohung gesetzt hat"
Auszugehen sei davon, daß bei der Beurteilung der Verläßlichkeit im Sinne des Waffengesetzes angesichts des mit dem Waffenbesitz von Privatpersonen verbundenen Sicherheitsbedürfnisses nach Sinn und Zweck des Waffengesetzes ein strenger Maßstab anzulegen sei. Auch dann, wenn keiner der Fälle des § 8 Abs. 2 bis 7 Waffengesetz 1996 - WaffG vorliege, sei aufgrund der Generalklausel des § 8 Abs. 1 WaffG eine negative waffenrechtliche Entscheidung wegen mangelnder Verläßlichkeit zulässig. Dafür, ob ein Mensch als verläßlich angesehen werden könne, sei auf die Wesensmerkmale der Gesamtpersönlichkeit sowie auf konkrete Verhaltensweisen des Betroffenen Bedacht zu nehmen, welche einen Schluß zuließen, daß er Waffen mißbräuchlich oder leichtfertig verwenden werde. Auch nur ein einziger Vorfall könne in diesem Sinne den Schluß rechtfertigen, der Betreffende biete keine zureichende Gewähr mehr, daß er von Waffen keinen mißbräuchlichen oder leichtfertigen Gebrauch machen werde. Von einer "mißbräuchlichen oder leichtfertigen" Verwendung einer Waffe sei dann zu sprechen, wenn in der Verwendung der Waffe eine strafbare Handlung zu erblicken sei. Der Beschwerdeführer habe seine Waffe verwendet, um einer als gefährliche Drohung qualifizierten Tathandlung entsprechende Wirkung und Nachdruck zu verleihen. Maßgebend sei im vorliegenden Fall nicht so sehr die Ankündigung, zur allfälligen künftigen Sachabwehr die Waffe zu verwenden, sondern vielmehr die tatsächliche Verwendung der Waffe zur Drohung. Demnach erweise sich die Verwendung der Waffe als Teil einer strafbaren Handlung gegen die Freiheit im Sinne des dritten Abschnittes des Besonderen Teils des StGB. Das Fehlen jeglichen ernsthaften Anlasses für das konkrete Verhalten des Beschwerdeführers lasse bei ihm auch eine Unbeherrschtheit und ein Aggressionspotential, verbunden mit einem Imponiergehabe, erkennen. Die tatsächliche Verwendung der Waffe zur Intensivierung der Drohung lasse die Annahme einer künftigen mißbräuchlichen oder leichtfertigen Verwendung von Waffen gerechtfertigt erscheinen. Demgemäß sei der Beschwerdeführer als nicht mehr verläßlich anzusehen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 Waffengesetz 1996 - WaffG ist eine Person als verläßlich anzusehen, wenn sie voraussichtlich mit Waffen sachgemäß umgehen wird und keine Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß sie Waffen mißbräuchlich oder leichtfertig verwenden wird.
§ 8 Abs. 3 WaffG lautet:
"(3) Als nicht verläßlich gilt ein Mensch im Falle einer Verurteilung
wegen einer unter Anwendung oder Androhung von Gewalt begangenen oder mit Gemeingefahr verbundenen vorsätzlichen strafbaren Handlung, wegen eines Angriffes gegen den Staat oder den öffentlichen Frieden oder wegen Zuhälterei, Menschenhandels, Schlepperei oder Tierquälerei zu einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Monaten oder einer Geldstrafe von mehr als 120 Tagessätzen oder
wegen gewerbsmäßigen, bandenmäßigen oder bewaffneten Schmuggels oder
wegen einer durch fährlässigen Gebrauch von Waffen erfolgten Verletzung oder Gefährdung von Menschen oder
wegen einer in Z 1 genannten strafbaren Handlung, sofern er bereits zweimal wegen einer solchen verurteilt worden ist."
§ 8 Abs. 3 leg. cit. zählt somit in mehreren Tatbeständen gerichtliche Verurteilungen auf, bei deren Vorliegen eine Person im Sinne des Waffengesetzes als nicht verläßlich anzusehen ist. Bei Vorliegen einer derartigen Verurteilung erübrigt sich demnach eine weitere Prüfung der Verläßlichkeit im Sinne des § 8 Abs. 1 leg. cit. Im vorliegenden Fall wurde der Beschwerdeführer mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Krems an der Donau vom 19. Juni 1997 für schuldig erkannt, er habe
"am 28. Dezember 1996 in W. Dr. D. durch die Äußerung, er werde dessen Hund erschießen, wobei er eine im Holster getragene Faustfeuerwaffe der Mark Colt Anacondor, Cal 44 Magnum, zur Schau stellte, gefährlich mit einer Verletzung am Vermögen bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen" und "hiedurch das Vergehen der gefährlichen Drohung nach dem § 107 Abs. 1 StGB begangen".
Der Beschwerdeführer wurde deshalb zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen, infolge teilweiser Stattgebung seiner Berufung durch das Oberlandesgericht Wien mit Urteil vom 24. November 1997 teilweise bedingt nachgesehen im Ausmaß von 60 Tagessätzen, verurteilt. Abgesehen davon, daß nicht nur der Spruch, sondern auch die den Spruch eines Strafurteils tragenden Feststellungen in der Urteilsbegründung in Rechtskraft erwachsen und insoweit für die Behörde auch bindend sind, wurde somit im vorliegenden Fall auch spruchmäßig im maßgeblichen Strafurteil festgestellt, der Beschwerdeführer habe die im Holster "getragene Faustfeuerwaffe zur Schau" gestellt, somit durch ein derartiges Verhalten der inkriminierten Drohung Unterstützung verliehen. Der als Verletzung von Verfahrensvorschriften behaupteten Nichteinvernahme des Beschwerdeführers durch die belangte Behörde unter Hinweis darauf, daß sich diesfalls ergeben hätte, daß er "keinesfalls demonstrativ, quasi in einer Art Imponiergehabe, (seine Waffe) hergezeigt habe, sondern daß dieselbe von Herrn Dr. D. allenfalls zufällig gesehen wurde", kommt angesichts der rechtskräftig festgestellten Tathandlung keine Relevanz zu.
Daß die den Beschwerdeführer belastende strafgerichtliche Verurteilung angesichts der Höhe der ausgesprochenen Geldstrafe nicht unter § 8 Abs. 3 WaffG subsumierbar ist, besagt noch nicht, daß er deshalb als verläßlich im Sinne des § 8 Abs. 1 leg. cit. anzusehen wäre. Die belangte Behörde hat vielmehr richtig auf die (zu § 6 Abs. 1 Waffengesetz 1986 ergangene, angesichts der auch zu § 8 Waffengesetz 1996 weiterhin relevante) Rechtsprechung verwiesen, daß bei der Wertung einer Person als "verläßlich" im Sinne des Waffengesetzes ihre gesamte Geisteshaltung und Sinnesart ins Auge zu fassen ist, weil der Begriff der Verläßlichkeit den Ausdruck ihrer Wesenheit, nicht aber ein Werturteil über ihr Tun und Lassen im Einzelfall ist. Bestimmte Verhaltensweisen und Charaktereigenschaften einer Person können demnach die Folgerung rechtfertigen, daß die vom Waffengesetz geforderte Verläßlichkeit nicht gewährleistet ist (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 1990, Zl. 89/01/0414). Der Verwaltungsgerichtshof hat auch in ständiger Rechtsprechung erkannt, daß angesichts des mit dem Waffenbesitz von Privatpersonen verbundenen Sicherheitsbedürfnisses nach Sinn und Zweck der Regelung des Waffengesetzes bei der Prüfung der Verläßlichkeit ein strenger Maßstab anzulegen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Juli 1995, Zl. 94/20/0874, mwN). Die solcherart anzustellende Verhaltsprognose kann dabei bereits auf der Grundlage eines einzigen Vorfalles wegen besonderer Umstände den Schluß rechtfertigen, der vom Entzug waffenrechtlicher Urkunden Betroffene biete keine hinreichende Gewähr mehr, daß er von Waffen keinen mißbräuchlichen oder leichtfertigen Gebrauch machen werde. In diesem Sinne können besondere Tatumstände auch einer nicht unter die Tatbestände des § 8 Abs. 3 WaffG subsumierbaren Verurteilung von Bedeutung sein, insoweit sie im Lichte des § 8 Abs. 1 leg. cit. einen entsprechenden waffenrechtlichen Bezug aufweisen.
Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde mit Recht darauf abgestellt, daß der Beschwerdeführer seine Waffe mißbräuchlich dafür verwendete, um gegenüber einer anderen Person einer gefährlichen Drohung im Sinne des § 107 Abs. 1 StGB entsprechenden Nachdruck zu verleihen. Wenn die belangte Behörde aufgrund der besonderen Umstände dieses Falles, insbesondere angesichts dieser waffenrechtlichen Begleitumstände, zu der für den Beschwerdeführer nachteiligen Verhaltensprognose gemäß § 8 Abs. 1 leg. cit. gelangte, daß der Beschwerdeführer als nicht (mehr) verläßlich anzusehen sei, so kann ihr nicht entgegengetreten werden.
Im gegenständlichen Fall liegt zwischen dem Urteil des Oberlandesgerichtes Wien, mit dem dem Beschwerdeführer das Unrecht seiner Straftat vor Augen geführt wurde, und dem Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nur knapp ein halbes Jahr. Selbst bei Wohlverhalten des Beschwerdeführers reichte der seither verstrichene Zeitraum seit der Verurteilung durch das Landesgericht Krems vom 19. Juni 1997 nicht aus, um zu einer anderen, für den Beschwerdeführer günstigeren Prognose zu gelangen und den Schluß ziehen zu können, daß die Gründe für die Entziehung des Waffenpasses nicht mehr gegeben seien.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Bei diesem Ergebnis erübrigte sich die Entscheidung des Berichters über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Wien, am 30. September 1998
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1998200287.X00Im RIS seit
18.02.2002