Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Dehn und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Wolfgang Höfle und Gerald Fida als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. G***** K*****, vertreten durch Klein, Wuntschek & Partner, Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei A*****, vertreten durch Dr. Josef Milchram, Dr. Anton Ehm und Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in Wien, wegen 3.382,68 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 21. August 2019, GZ 6 Ra 32/19a-16, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Der Auslegung einer Kollektivvertragsbestimmung kommt dann keine erhebliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zu, wenn die relevante Rechtsfrage in der Rechtsprechung des Höchstgerichts bereits geklärt oder die Auslegung klar und eindeutig ist (RS0109942 [T1, T6]). Letzteres ist hier der Fall.
2. Gemäß § 51 Abs 3 der auf das Dienstverhältnis zwischen den Parteien anwendbaren Dienstordnung B für die Ärzte und Dentisten bei den Sozialversicherungsträgern Österreich (DO.B) ist bei Ärzten mit Leitungszulage (§ 43) oder Funktionszulage (§ 44) die Vergütung für geleistete Überstunden bzw Mehrarbeitsstunden (§ 19d Abs 3 AZG) in diesen Zulagen enthalten. Die DO.B ist ein KollV (RS0054394 [T8]).
3. Ausgehend vom klaren Wortlaut dieser Bestimmung haben die Vorinstanzen übereinstimmend das Begehren des bei der Beklagten als stellvertretender ärztlicher Leiter und Facharzt beschäftigten Klägers auf Bezahlung von Überstunden, die von seiner Leitungszulage (§ 43 Abs 1 Z 2 DO.B) im Ausmaß von 15 % der jeweiligen ständigen Bezüge gemäß § 35 Abs 2 Z 1 DO.B und der Pauschalabgeltung regelmäßiger Mehrarbeit (§ 45 DO.B) gedeckt seien, abgewiesen. Die angefochtene Entscheidung bewegt sich im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Auslegung eines Kollektivvertrags. Hervorzuheben ist davon, dass die dem normativen Teil eines Kollektivvertrags angehörenden Bestimmungen nach den Grundsätzen der §§ 6, 7 ABGB, also nach der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhang und der Absicht des Normgebers auszulegen sind (RS0008782; RS0008807 ua). Maßgeblich ist, welchen Willen des Normgebers der Leser dem Text entnehmen kann (RS0010088). Den Kollektivvertragsparteien darf auch grundsätzlich unterstellt werden, dass sie eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen wollten (RS0008828).
4.1. Richtig ist auch, dass grundsätzlich davon ausgegangen werden kann, dass die Kollektivvertragsparteien eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung der Normadressaten vermeiden wollten (RS0008897). Eine unsachliche Ungleichbehandlung legt der Revisionswerber auch nicht dar. Die Überlegungen des Klägers ändern nichts an der unmissverständlich formulierten Kollektivvertragsbestimmung des § 51 Abs 3 DO.B, die ausdrücklich die Leitungszulage auf „Überstunden“ (so auch schon die Überschrift des § 51 DO.B) erstreckt und dabei keinen qualitativen oder quantitativen Unterschied zwischen Überstunden macht, die ein Arzt im Rahmen seiner Tätigkeit als ärztlicher Leiter (bzw dessen Stellvertreter) oder als Facharzt erbringt (vgl schon 9 ObA 277/93). Soweit der Kläger Arbeitsleistungen als Facharzt erbringt, die zwar über die mit der Pauschalabgeltung nach § 45 DO.B abgedeckte Mehrarbeit (hier von sechs Stunden wöchentlich) hinausgehen, aber betragsmäßig noch in der Leitungszulage Deckung finden, wird er gegenüber einem Facharzt, der keine Leitungszulage erhält, entgeltmäßig auch nicht schlechter gestellt.
4.2. Die Leitungszulage gilt nach § 43 DO.B als ständiger Bezug (§ 35 Abs 2 Z 4 DO.B) und stellt gerade keine Verwendungszulage nach § 47 DO.B dar, die als nichtständiger Bezug gilt (§ 35 Abs 3 Z 1 DO.B) und nur eine Abgeltung für die einem Arzt vorübergehend übertragenen Aufgaben, für die eine höhere als seine Einreihung vorgesehen ist, darstellt.
4.3. Auch aus der in § 51 Abs 5 DO. B vorgesehenen Möglichkeit, Ärzten, denen die regelmäßige Leistung einer bestimmten Anzahl von Überstunden angeordnet wurde, die Vergütung hierfür in Form einer monatlichen Überstundenpauschale zu gewähren, ist kein für den Kläger günstigeres Auslegungsergebnis zu gewinnen. Nach den Feststellungen erhält der Kläger zur Abgeltung der festgesetzten, regelmäßigen Mehrarbeitszeit von sechs Stunden (§ 9d Abs 2 DO.B) wöchentlich eine Pauschalabgeltung gemäß § 45 DO.B, die pro Stunde der regelmäßigen Mehrarbeit 0,9 % der jeweiligen ständigen Bezüge gemäß § 35 Abs 2 Z 1 und 9 DO.B beträgt. Abgesehen davon umfasst der Anwendungsbereich des § 51 Abs 5 DO.B – jedenfalls primär – regelmäßige Überstundenleistungen von Ärzten, die keine Leitungszulage (oder Funktionszulage) erhalten.
4.4. Die vom Revisionswerber behaupteten Abrechnungsschwierigkeiten bei der von ihm verlangten Deckungsprüfung sind nicht nachvollziehbar und auch nicht geeignet, seinem Klagebegehren, das sich nicht auf eine (rechtlich zulässige) Deckungsprüfung stützt, zum Durchbruch zu verhelfen.
Mangels Geltendmachung einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
Textnummer
E126754European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:009OBA00114.19H.1030.000Im RIS seit
05.12.2019Zuletzt aktualisiert am
05.12.2019